Casa Bottura

Massimo Bottura und seine Frau Lara Gilmore haben mit der Casa Maria Luigia ein ganz besonderes Hotel-Kleinod geschaffen.

Text von Christian Grünwald

Warten auf Massimo Bottura am neu gestalteten Anwesen etwas außerhalb der Stadt. Modena ist nicht nur die Stadt der Aceto-Balsamico-Macher und die Zentrale des stetig wachsenden Bottura-Imperiums, sondern auch der Stammsitz von Maserati. Massimo Bottura hört man, ehe man ihn sieht. Sein weißer Maserati Gran Turismo, mit dem er zwischen seinen Terminen umherkreuzt, tönt schon von weither.

Wir stehen in der kopfsteingepflasterten Einfahrt der Casa Maria Luigia, dem neuen Hotel von Massimo Bottura vor den Toren Modenas, das diesen Mai als Soft Opening seine Pforten öffnete. Das palastartige Haus aus dem 18. Jahrhundert haben Massimo Bottura und seine Frau Lara Gilmore schon vor Jahren ziemlich günstig aus einer Konkursmasse, dem Vernehmen nach waren es 700.000 Euro, erworben und schrittweise eine bemerkenswerte Pracht verliehen. „Wir sagen eigentlich nicht Hotel, es soll ein Guesthouse sein, ein feines B & B mit allen Annehmlichkeiten.“

Die gute Nachricht für alle potenziellen Gäste: Es gibt eine Möglichkeit, die peinigend lange Warteliste für einen Tisch in der Osteria Francescana zu umgehen und als Hausgast ein Osteria Francescana-Menü im Landhaus zu genießen.

Es gibt da aber auch noch eine schlechte Nachricht: Eine Reservierung für die Casa Maria Luigia zu ­bekommen, scheint derzeit noch schwerer zu sein als eine Reservierung in der Osteria Francescana. Die zwölf Doppelzimmer und das Penthouse im Turm darf man schon jetzt als die wohl begehrtesten Halbpen­sionsunterkünfte der Welt bezeichnen.

Das Anwesen ist knapp fünf Hektar groß, befindet sich 15 Minuten von Modenas Stadtzentrum entfernt, inmitten der emilianischen Landschaft, und ist nach Botturas Mutter benannt. Das Herrenhaus liegt inmitten eines ungemein liebevoll gestalteten Gartens, es gibt einen Swimmingpool und einen Tennisplatz, den Massimo Botturas Team auch gerne für ein Fußballspiel verwendet. In diesem Sommer sollen auf dem Areal noch verschiedene landwirtschaftliche Projekte gestartet werden. Als Gast darf man sich auf Kochkurse und Ausflüge zu Produzenten freuen.

Im einstigen Kutscherhaus befindet sich die Küche. Die Wände zieren eine Bilderserie von Damien Hirst und dessen Version des Letzten Abendmahls mit pharmazeutischen Etiketten von britischen Speisen und Produkten. Der sich draußen befindende Pizzaofen ist stets gut befeuert, Pizza bianca und Focaccia sind hier die angesagten Snacks.

Für die Hausgäste wurde ein betont regionales Programm gestaltet: Am Zimmer gibt es Lambrusco und Parmesan. Das typische regionale Frühstück besteht aus Gnocco Fritto, Pancetta, Ricotta und Kirschmarmelade. Oder gar einer gehaltvollen Cotechino-Wurst mit warmer Zabaglione nach einem Rezept von Botturas Mutter.

Die Casa Maria Luigia wirkt zugleich wie eine sehr persönlich gestaltete Kunstgalerie im privaten Rahmen. Lara Gilmore spielte früher in der New Yorker Kunst- und Theaterszene eine recht aktive Rolle und pflegt aus dieser Zeit noch viele persönliche Verbindungen. Gilmore war es auch, die Bottura davon überzeugte, seine Arbeit als Koch wie die eines Avantgarde-Künstlers zu gestalten: stets alles in Frage zu stellen, niemals dasselbe zwei Mal zu tun.

Das palastartige Haus, in dem zuletzt der Industriellen-Erbe Luigi Magelli Partys im Great-Gatsby-Stil veranstaltete, wirkte bei der Übernahme ziemlich heruntergekommen. Fundamente und Fresken waren zwar mehrheitlich intakt, dafür diente der Pool Fröschen, Aalen und Schlangen als Biotop. Die Gartenflächen waren von dornigen Büschen und Unkraut überzogen.

Alles schrie förmlich nach Neugestaltung. Und während Massimo Bottura als weltbester Koch quer über den Planeten kreuzte, kümmerte sich Lara Gilmore um die Revitalisierung von Haus und Garten. Sie gab den zwölf alten Eichen wieder jenen Platz zum Gedeihen, den diese alten Majestäten benötigen. Heute zieren unzählige Rosenbüsche und Orchideen den Garten und den kleinen See, aber auch junge Obstbäume, Blumenbeete und zahlreiche Gemüseplantagen sorgen für neues Leben. Und vor allem hat Kunst hier ihren Platz. Etwa eine Neptun-Statue aus Terrakotta, die aus der Sammlung des verstorbenen Pierre Bergés stammt, dem Partner von Yves Saint Laurent. Auch der imposante Steinkopf von Enzo Cucchi im Teich fügt sich perfekt in das Areal. Wie auch die Babbo-Statue von Sandro Chia, die die Gäste am Haupteingang begrüßt. Zwischen den landwirtschaftlichen Nutzflächen direkt hinter dem Grundstück gibt es Landstraßen zum Wandern, Laufen und Radfahren.

Für den Innenausbau wurde neben einem ansehnlichen Budget auch enorm viel Detailliebe aufgeboten. In der Halle unter der Decke mit Barockmalerei sorgt eine modulare Sofalandschaft von Piero Lissoni für Kontraste und Gemütlichkeit.

Im eigens gestalteten Musikzimmer hat Massimo Bottura seine Schallplattensammlung, mehrheitlich Jazz, untergebracht. Ein Proust-Stuhl von Alessandro Mendini ist dort die passende Sitzgelegenheit.

In den komplett unterschiedlich gestalteten Gästezimmern finden sich unterschiedlichste Gemälde, aber auch antike Koffer aus Schiffen, Dekospiegel und verschiedene Tapeten. Letztere kommen allesamt von Gucci und wurden in den unterschiedlichsten Designs und Materialien extra für die Casa Maria Luigia angefertigt. Sogar der Aufzug trägt Gucci-Tapeten. Was man wissen muss: Gucci-CEO Marco Bizzarri und Massimo Bottura kennen einander seit der Schule. Botturas Rolle als Markenbotschafter drückt sich unter anderem in der Gucci Osteria in Florenz aus. Ein ähnliches Konzept soll noch dieses Jahr in Beverly Hills umgesetzt werden.

Unübersehbar ist im Erdgeschoß das riesige Triptychon Dropping a Han Dynasty Urn von Ai Weiwei. Die Installation hat Bottura dem Vernehmen nach dazu inspiriert, sein berühmtes „Oops! I dropped the Lemon Tart“-Dessert zuzubereiten. Weiwei ließ für sein Original eine 2.000 Jahre alte Han-Vase auf den Boden fallen und baute sie neu zusammen.

Auch Werke von Matthew Barney, Doug Aitken, Robert Longo und Andy Warhol sind in der Casa Maria Luigia zu finden. Auf dem Balkon über dem Eingang befindet sich eine Arbeit von Giorgio di Palma: zwei große Eisbecher aus Keramik. Die bunte Eismischung wirkt, als würde sie in der Sonne schmelzen.

Im Speisesaal des Hauses, im Francescana in der Maria Luigia, wird ein 9-Gänge-Menü angeboten, das eine Art Best-of der Osteria Francescana darstellt. Der Essbereich bietet drei Gemeinschaftstische und eine offene Küche, in der die Köche bei der Arbeit zu beobachten sind. Das 9-Gänge-Menü samt Winepairing wird für 450 Euro pro Person angeboten. Die Buchung ist nur für Gäste der Casa Maria Luigia möglich.

Mit seinen Refettorios in Mailand, London und Rio de Janeiro, dem neuen Restaurant im Hotel W Dubai und noch vielen anderen anstehenden Projekten ist ­Massimo Bottura nicht so oft am Herd der Osteria Francescana, wie er es sich eigentlich wünscht. Da ist viel Management im Team gefragt. Sagen wir es so: Massimo Bottura kann nicht überall zugleich sein, aber er möchte, dass jeder Gast das Gefühl hat, dass er eh gleich da ist. Am meisten Sinn macht seine Anwesenheit eindeutig am Herd der Osteria Francescana. Wer das Glück hat, einen Tag zu erwischen, an dem der Meister persönlich für den letzten Schliff sorgt, versteht, warum er so oft zur Nummer eins der Welt gewählt wurde. Das ist nicht nur seiner bestechenden, einnehmenden Präsenz zuzuschreiben, da faszinieren selbst winzige Details am Teller durch Aroma und Sinnhaftigkeit in der Gesamtkomposition. Und da verblassen dann auch Erinnerungen an gute, aber nicht herausragende Teller bei Gastspielen, wo dann auch die Anwesenheit des Chefs nicht für das betörende letzte Detail sorgen konnte. Doch an den Tagen, an denen die Osteria Francescana-Küche in kompletter Besetzung spielt, darf man die ganz große Oper erwarten. Zum Beispiel im Rahmen des „Everything“-Menüs beim Perlhuhn auf drei Arten, das zubereitungsmäßig zwischen italienischer Nonna-Küche und japanischem Izakaya changiert. Oder bei der vielleicht besten Pasta der Welt mit Seeigel und Scampi. Aber wer weiß, ob es die das nächste Mal noch auf der Karte gibt. „Kochen“, sagt Bottura, „bedeutet, sich laufend weiterzuentwickeln. Man schaut immer in die Vergangenheit, um etwas Neues zu schaffen.“

Casa Maria Luigia
Stradello Bonaghino 56, San Damaso, Modena.
Zimmer ab 450 Euro pro Nacht,
Penthouse ab 750 Euro pro Nacht.
www.casamarialuigia.com

Osteria Francescana
Via Stella 22, 41121 Modena
www.osteriafrancescana.it