Das praktizierende Säugetier

Peter Kubelka hat für A la Carte seine gastrosophischen Überlegungen auf den Punkt gebracht. Dass das auch im Slow-Motion-Modus möglich ist, zeigt das folgende Interview.

Gesprächsnotizen von Nina Kaltenbrunner Foto: Regina Hügli

24 Bilder in der Sekunde, das war und ist das Credo und der Ausgangspunkt des Avantgardefilmers Peter Kubelka. Mit seinen extrem kurz geschnittenen, strukturellen Filmen hat er in den 1960er Jahren die Szene zwischen Wien und New York auf den Kopf gestellt. Ein ehemaliger Sängerknabe, dessen Konzepte sehr viel später in der Videowelt von MTV und der Werbebranche ihre eigenen Wege nahmen, die ohne ihn kaum denkbar sind. 24 Bilder: Speed, wahres Kino. 1964 war er Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums. An der Städelschule in Frankfurt hat er, Theoretiker und Praktiker in Personalunion, die „Klasse für Film und Kochen als Kunstgattung“ eingerichtet. Das war 1978. Die Verfransung der Genres – Film, Philosophie, Kochen, Hardcore-Ideologie, Musik – ist das Rückgrat seiner Expeditionen im Reich der Sinne. 2012 wurde er dafür mit dem „Eckart Witzigmann Preis für Lebenskultur“ ausgezeichnet.

A la carte: Sie sagen, dass Kochen die Mutter aller Künste ist. Wie kamen sie zu dieser Erkenntnis?

Peter Kubelka: Ich bin in Oberösterreich auf dem Land aufgewachsen. Meine Großmutter war eine wunderbare Köchin. Jedes Gericht, das sie auf den Tisch stellte, war perfekt. In unserem Haushalt hatte also eine Künstlerin, eben eine Köchin, einen sehr hohen Stellenwert, ohne dem aber eine höhere Bedeutung beizumessen. Für mich waren daher Kochen und Essen von Anfang an ganz wesentliche Teile des Lebens. Kunst, wenn Sie so wollen.

Mit 17 Jahren entschied ich mich, ebenfalls eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen und Filme zu machen. Sehr bald musste ich dabei die schmerzhafte Erfahrung machen, dass die ausgefahrenen Wege der Branche zu verlassen bedeutete, zum Avantgardisten erklärt und in eine Außenseiterrolle „verstoßen“ zu werden.

Sie sind dann nach Amerika gegangen, wo Sie sehr bald von einer neuen Generation Avantgardefilmemacher entdeckt und zum Vorbild des American Independent Cinema wurden. Außerdem zu einem begehrten Vortragskünstler. Ihre Lectures sind legendär und haben auf eine Art und Weise immer auch mit Kochen zu tun.

Ja, kurz nachdem ich in New York meine Filme gezeigt habe, wurde ich an die Harvard-Universität geladen, um über Film zu sprechen. Und plötzlich war ich ein gefragter Vortragender. Zuerst wollte ich allerdings mit dem Vorurteil, Film sei ein rein reproduzierendes Medium und Kunst zweiter Klasse, aufräumen. Und nachdem ich in der Schule nichts gelernt hatte, begann ich mich intensiv mit Theorie, Kunst und Kommunikation zu beschäftigen. Dabei bin ich auf Ethnologie und Etymologie gestoßen und damit ist es mir gelungen, Dinge, die heute sichtbar sind, an ihren Ursprung zurückzu-verfolgen und daraus Schlüsse auf die aktuelle Situation zu ziehen.

Im Zuge dessen bin ich daraufgekommen, dass nicht die Malerei, die ja kaum 40.000 Jahre als ist, oder die Bildhauerei, die ein paar hunderttausend Jahre als ist oder die Musik, die noch etwas älter ist, die ältesten Kunstformen sind, sondern, dass das Kochen, also das Bereiten von Speisen, so weit zurückreicht wie keine andere kommunikative Tätigkeit.

Wir sitzen in der Küche von Kubelkas Wiener Wohnung, die mit regalweise (Koch-) Objekten aus den unterschiedlichsten Kulturen quer durch alle Epochen beinahe einem Ethnologie-Museum gleicht. Dass Speisen zu bereiten und Essen kommunikative Tätigkeiten sind, erläutert er launig am Beispiel des Sektfrühstücks:
Man stellt statt der Wurstsemmel billigen Kaviarersatz auf den Tisch und trinkt dazu grauslichen Sekt, um dem Nachbarn mitzuteilen, wie gut es einem selber geht. Das ist eine klassische Statusmeldung, und die ist uralt.

Noch ein Beispiel: Ich halte hier einen Apfel in meiner Hand. Dieses Bild könnte ich Ihnen schon vor Millionen von Jahren gezeigt haben. Ich brauche dafür kein Werkzeug, keine Technik, nur das Wissen, wann der Apfel reif ist und wo ich ihn finde. Und dieses großartigste Werkzeug, das die Evolution für uns entwickelt hat, die Hand. Dieses Bild sagt aus, dass ich die Macht hatte, den Apfel in meine Hand zu bekommen. So wie „Hitler hat Frankreich in der Hand gehabt“. Etwas „in der Hand zu haben“, bedeutet also Macht über etwas oder jemanden zu haben. Ich reichere das Bild mit dem Apfel, den Eva Adam anbietet, an. Sie hatte etwas in der Hand, womit sie ihn locken konnte. Oder der Reichsapfel der Kaiser, der auf mittelalterlichen- oder Renaissancegemälden oft als Weltkugel dargestellt wird. Diese Herrscher hatten die Welt in der Hand so wie ein Steinzeit-Weidemensch seinen Apfel. Das sind Statusmeldungen.

Neben der Speisenbereitung als kommunikativen Akt und Ausdruck von Macht über das Nahrungsmittel und die Menschen, die man damit verköstigt, bezeichnen Sie das Kochen auch als einen schöpferischen Akt. Den Koch als Schöpfergott. Sich selbst bezeichnen Sie gerne als „praktizierendes Säugetier“.

Wissen Sie, ich stelle ja das Tier nicht unter den Menschen. Ich bin ein Tier und zwar mit großer Freude. Die Überwindung dieser religiösen Bindung stellte für mich eine der größten Freuden in meinem Leben dar. Ich kann die Welt neu sehen und beurteilen, bin nicht mit der Arroganz des Trägers einer unsterblichen Seele und ewigen Lebens belastet. Die Idee, ewig zu leben, ist eine schöne Kinderphantasie. So furchtbar das wäre, wenn’s wirklich stattfinden täte. Wer will denn ewig leben? Und wie denn? Auf einer Wolke sitzen, singen und Gott anschauen – das ist doch die Hölle! Und zum Schöpfergott: Religiöse Phantasien sind immer auf vorhandenen Tatsachen aufgebaut. Nun ist es eben der kochende Mensch, der das Feuer benützt. Er macht Feuer. Das kann man auch mit „es werde Licht“ formulieren. Ein Schöpfer-Ausdruck. „Ich nehme ein Zündholz, zünde es an, sage: Es werde Licht.“ Dieses Schöpfergott-Ereignis, kann heute jeder. Aber wer hat als erster Feuer gemacht? Der Koch oder die Köchin, um darauf Nahrung essbar zu machen. Und aus diesen Tatsachen hat man das Gottesbild konstruiert. Der Pizzabäcker ist ein Gott, der sagt „es werde Licht“, Feuer macht, den Ofen wärmt, den Teig in den Ofen gibt und die Pizza erschafft. Das sind doch eigentlich göttliche Taten. Und so ist, das meine ich ganz ernst, das Modell unseres Schöpfergottes der kochende Mensch.

Sie wurde 1978 an die Städelschule in Frankfurt als Professor der Klasse für „Film und Kochen als Kunstgattung“ berufen. Eine Position, die Sie sich hart erkämpft und „erkocht“ haben. Kochen war dabei auch Teil des Unterrichts. Ist für Sie per se jeder Koch ein Künstler?


Ja natürlich! Die Kunst ist ja auch ein Mitteilungssystem, mit dem man einerseits den eigenen Status ausdrückt und andererseits den Menschen ein Beispiel dafür gibt, „wie man es machen soll“. Künstler sind etymologisch gesehen die Nachkommen der Propheten. Heutzutage hat das Wort Kunst allerdings sehr an Bedeutung eingebüßt. Es gibt Millionen Menschen, die sich Künstler nennen und irgendetwas hervorbringen, das vor allem dazu dient sie als originelle Personen darzustellen.

Mir geht es auch gar nicht darum, die Speisenbereitung als Kunst im heutigen Sinne anzusehen. Für mich ist das Kochen eigentlich viel wichtiger als Malerei oder Bildhauerei. Die Bildhauerei schafft Skulpturen, die man nicht essen kann, während jeder Semmelknödel eine Skulptur ist, die man außerdem noch essen kann. Jede Speise ist eine Skulptur. Diese Wurst ist eine Skulptur, sie ist dreidimensional, hat eine aussagekräftige Form und man kann sie essen. Das heißt, die Bildhauerei ist eigentlich eine mindere Klasse der Kunst. Die Kunstszene ist ja der Gourmetszene nicht unähnlich. Ich beobachte beide kritisch, meine Lebenswelten sind sie nicht.

Sie können der modernen „Batzerl- und Bemmerlküche“, wie Sie die Nouvelle Cuisine nennen, wenig abgewinnen. Am meisten stört Sie daran das Prinzip, dass vermeintlicher Weise das Aussehen der Speisen das Wichtigste ist. Weil eine Speise mit dem Auge gar nicht lesbar ist?

Richtig. Das Auge gibt ja nur Erinnerung wider. Wenn ich einmal so einen roten Apfel gegessen habe und der war gut, dann tritt beim nächsten roten Apfel ein Mechanismus in Kraft, der mir sagt: Da ist die Chance groß, dass der auch gut ist. Das ist die eigentliche Ursache für Ästhetik. Es ist das gut, was mich am Leben erhält, nicht das, was gut schmeckt. Guter Geschmack ist angelernt. Wenn ich immer Äpfel esse und sie mir gut tun, dann wird sich mein Geschmack darauf einstellen. Mit dem Auge finde ich nicht heraus, ob der Apfel essbar ist. Das Auge gehorcht einer anerzogenen Ästhetik, die heutzutage immer wieder betrogen wird, zum Beispiel von der „Mannequin-Tomate“.

Steht auf und holt eine Packung mit Tomaten, öffnet sie und riecht an einer Tomate: „Riecht nach nichts“.

Ich habe hier vier schöne Tomaten. Die haben allerdings nichts gemeinsam mit einer guten Tomate, wie ich sie noch bei meiner Großmutter erlebt habe, die sie in ihrem Garten angebaut hat. Wenn ich diese Tomate hier fallen lasse, dann macht ihr das nichts aus, weil sie steinhart ist. Sie schmeckt zwar nach nichts, aber sie lässt sich verschiffen. Das heißt, diese Tomate ist eine Betrügerin, sie betrügt das Auge. Und das Auge lässt sich leicht betrügen, weil es gelernt hat, dass makelloses Rot und makelloses Aussehen mit gutem Geschmack einhergehen. Und auch mit Bekömmlichkeit.

Und die „Bemmerlküche“, stellt Collagen und Montagen aus verschiedenen Elementen zusammen, die hauptsächlich der Belustigung und der Erfreuung des Auges dienen. Dazu habe ich aber eigentlich schon die Malerei. Ich möchte „normale“ Speisen essen, OHNE Garnierung. Denn die Garnierung beschämt die Speise. Wenn Sie ein wunderbares Beuschl anschauen oder ein Linsenpüree – schön sind die ja nicht. Sie können sich nicht mit Orchideen, Rosen und Lilien vergleichen. Aber ich will beim Essen ja auch meine Sinne einsetzen. An einer Ingredienzien-Revue, die im Scheinwerferlicht ein buntes Ballett bietet, bin ich nicht interessiert.

Der katalanische Avantgarde-Koch und Begründer der Molekularküche, Ferran Adrià, stellt für Sie in diesem Reigen eine Ausnahme dar.

Ferran Adrià ist ein ganz großer Koch. Von seiner Lehrzeit und Wurzel her ist er ganz fest in der traditionellen Küche seiner Heimat verankert. Er ist nicht bei einem Sternekoch in die Lehre gegangen, sondern hat ein Fundament, wie ein Bauer. Adrià ist ein Intellektueller, der sich nicht verbal ausdrückt, sondern diesen Weg seiner Kochkunst gegangen ist. Er hat das Essen auf eine neue Ebene gestellt und die Begriffe Ironie und Trugschluss eingeführt. Dass zum Beispiel etwas, das wie eine Olive aussieht, völlig anders schmeckt, ist eine durchdachte neue Dimension, die über das bekömmliche Sättigen hinausgeht. Seine Menüs waren essbare Haute Couture, und die kann man ja auch nicht auf der Straße tragen.

Nimmt die Tomate und beklagt, dass er im Supermarkt nicht die Möglichkeit hat, sie zu probieren, auf den Verpackungstext angewiesen ist. „Bio in Hülle und Fülle, kompostierbare Folie aus Holz“ steht da, „so ein PR-Unsinn“.

Auch eine Form von Trugschluss. Heißt das nicht, dass wir von der Lebensmittelindustrie ständig betrogen werden?

Naja, Betrug und Lüge sind Erscheinungen des Universums. Eine Grundtaktik, um zu überleben, ist zu lügen. Damit das Reh nicht gefressen wird versteckt es sich. Verstecken ist lügen. Das Reh lügt. Der Fuchs, der das Reh fressen will, versteckt sich ebenfalls im Hinterhalt, lügt auch. Im Endeffekt kommt es nur drauf an, wer besser lügt. Bei den Menschen ist – wenn wir zur Bibel zurückgehen – lügen verboten. Aber es ist nur innerhalb der kleinen Gemeinschaft, der man angehört, verboten. Lockt man den Feind in eine Falle, dann ist das keine Lüge, sondern List. Dafür werden Orden verliehen. Auch im Tierreich werden falsche Tatsachen vorgegeben: Tarnfarben, Schmetterlinge, die aussehen wie Holz, Raupen wie Zweige … alles Lüge. Es ist ein Spiel mit Faktoren, die in der Natur überall vorkommen, und da heißt es eben: enttarnen! Das Reh muss durchschauen, dass da hinten der Fuchs sitzt und nicht an ihm vorbeigehen. Und dasselbe müssen wir auch im Supermarkt tun. Der Supermarkt ist unser modernes Jagd- und Sammelgebiet.

Aber mit dem Geschmack allein ist es ja gar nicht getan. Wie man sich nach dem Essen fühlt, ist, worauf es eigentlich ankommt. Unser Metabolismus, dieses Umwandeln der essbaren Welt in Teile von uns selbst, passiert ja in den Eingeweiden. Also könnte man die Menschen auch als Zulieferer für die Eingeweide sehen.

Speisen, die unser Überleben sichern, indem sie Hirn und Magen gleichzeitig füttern, bezeichnen Sie mit dem Begriff der „Essbaren Metaphern“. Was meinen Sie damit?

Unser Denksystem funktioniert, indem wir zwei Begriffe nebeneinander stellen. Ich zeige ihnen das am Beispiel einer Mayonnaise: Ich hol mir jetzt ein Ei, (ich nehme es der Henne weg), breche es auf (breche naturgegebene Tatsachen auf, die Zelle), teile es (in Gut und Böse). Jetzt brauche ich ein Instrument. Hier habe aber eine verlängerte Hand (Anm.: Löffel), mit der ich nun ständig eine Bewegung wiederhole. Ich tanze. Kochen besteht ausschließlich aus Gesten, die sich immer wieder rhythmisch wiederholen. Ob das jetzt Rühren oder Zwiebel schneiden ist, es ist ein typischer Tanzvorgang. Tanz ist nur eine Befreiung dieser Gesten vom Nützlichen. Tänzer tanzen nur fürs Auge. Während die Küche zweckgebunden tanzt. Alle diese Gesten haben eine Wirkung, die wichtig ist. Salzen zum Beispiel (schüttelt den Salzstreuer), klingt fast wie ein Schlagzeug, nicht? Beim Kochen beachtet man das nicht. In Wirklichkeit ist aber jeder Koch ständig auch ein Schlagzeuger.

So, jetzt kommt wiederum das Prinzip der Metapher, „etwas übertragen, etwas woanders hintragen“. Hier habe ich jetzt schon den Dotter, das ungeborene Huhn, dann bin ich in mein Bergwerk gegangen, um das Salz zu holen, hab es gemahlen und vereinige die beiden nun zu einer Metapher.

Nun das Öl. Die Olive ist das Pendant zum Ei, ein ungeborener Olivenbaum. Wenn ich sie der Natur überlasse, hat sie die Kraft und den Inhalt, einen ganzen Baum hervorzubringen. Hier habe ich also die Essenz ungeborener Olivenbäume, vermähle sie mit dem Dotter und erzeuge etwas, das es in der Natur so nicht gibt: Mayonnaise. Es gibt in der Natur natürlich Emulsionen, Milch ist eine Emulsion. Die Kuh erzeugt in ihrem Körper eine Emulsion. Aber eine Emulsion aus Olivenöl und Eidotter und Salz gibt es in der Natur nicht.

ICH bin die bewegende Kraft, die diese Verwandlung vollbringt (rührt weiter). So, jetzt hätte ich beinahe zu viel Öl hineingegossen. Wenn das passiert wäre, zerrinnt die Mayonnaise. Wenn ich dem Braten am Feuer nicht zuhöre, brennt er an. Dass heißt, man muss ständig dabei sein. Kochen ist das Leben in einem Zeitraum, in dem die vielfältigsten Verantwortungen gleichzeitig ablaufen. Das ist ein ganz komplexer Vorgang. Wie Schachspielen oder Formel-1-Rennfahren. Wenn ich braune Butter mache und sie um ein paar Zehntel Sekunden zu spät vom Feuer nehme, dann ist sie schwarz. Wenn ich sie zu früh wegnehme, hat sie keinen Geschmack.

Die Speisen, die man zubereitet, sind wie Landschaften. Sie sind vom Menschen gemachte Verdichtungen. Das Wort Gedicht ist hier von Bedeutung. Diese Mayonnaise zum Beispiel ist eine Verdichtung und ein Gedicht. Sie stellt in einer kleinen Schüssel meine Weltsituation dar: Herr des Berges, Herr der Hühner, Herr der Olivenbäume. Das Gefäß ist wie ein Satz zwischen zwei Punkten, eine Aussage. Es ist ja eine alte Behauptung, dass der Küchentisch die Bühne ist, auf der sich das Leben abspielt. Ich würde sagen die Filmleinwand. Die Ebene auf der man artikuliert, was man sagen will.

Sie sagen, dass der gedeckte Tisch mit den Speisen das Paradies der essbaren Welt porträtiert. Was für eine Rolle nimmt in diesem Kontext das Wirtshaus für sie ein? Der Ort, an den man geht, um zu essen?

Der gedeckte Tisch ist das Vorbild für den Begriff des Paradieses, also jener Ort, an dem alles so ist, wie man es haben will (holt eine Wurst aus dem Kühlschrank). Hier ist ein paradiesisch verwandeltes Tier. Es enthält alles, was ich vom Tier essen kann, aber keine Knochen, keine Haare, keine Klauen. Alles, was ich nicht essen möchte, enthält es nicht. Ein ideales Lebewesen, von dem ich einfach abbeißen kann, ohne es vorher noch jagen und zubereiten zu müssen. Ich sitze auf einem Thron, vor mir befindet sich eine horizontale Fläche und darauf befinden sich nur Dinge, die paradiesisch sind. Alles, was ich tun muss, ist sie zum Mund zu führen. Der gedeckte Tisch ist das Paradies. Und wenn man das jetzt auf das Gasthaus überträgt, dann sind die Wirte und die Leute, die einen dort bedienen, Angestellte des Paradieses. Man könnte auch sagen Priester. Früher waren es Priester, die diese Brücke zum Paradies gebildet haben. Im Idealfall ist das Restaurant eine von sendungsbewussten Priestern und Propheten geführte Stätte, die eine Botschaft haben, die sie vermitteln. Das Gasthaus ist nicht dazu da, Menschen zu sättigen, sondern Menschen glücklich zu machen. Leider entsprechen schon lange nicht mehr alle Gasthäuser diesem Wunschtraum. Aber das eigentliche Ideal wäre, dass man dort ohne zu arbeiten am (Ess-) Paradies teilnimmt …