Der Kleinindustrielle

Christian Eipeltauer braut sein Bier in einer Lagerhalle in der Gewerbezone an der Heiligenstädter Lände in Wien Döbling. Rein geschmacklich würde man ihm eine exklusivere Location zumuten.

Der Kleinindustrielle

Text von Florian Holzer Fotos:Alexi Pelekanos

Leicht zu finden finden ist die Brauerei des Brau-Quereinsteigers nicht. Ein Navigationssystem scheitert schnell einmal an der Aufgabe, da die Heiligenstädter Lände einerseits Zubringer-Autobahn ist, andererseits eben auch eine kleine Nebenfahrbahn, die einen zur Ö3-Zentrale oder zum Manhattan-Fitnessstudio bringt. Und wenn man sich erst einmal geirrt hat, muss man wieder eine ganz schön große Runde drehen.
Mit ein bisschen Glück findet man das junge Bräu aber auch auf Anhieb: eine Halle inmitten einer Gewerbesiedlung im Schatten von Gürtelbrücke und Hundertwasser-Müllverbrennungsanlage, Hubstapler kreisen, Lieferungen werden getätigt, Einsatz- fahrzeuge von irgendwelchen In-Time- Unternehmen starten – gewerbliches Treiben halt. Und vor einer der Hallen stehen ein paar Bierbankerln und es riecht ein bisschen nach Brauhefe.
Christian Eipeltauer war früher EDV- Entwickler, ja, so wie auch schon Sepp Fischer, Urahn und Pionier der Wiener Kleinbrauerei-Szene. Aber das ödete ihn irgendwann einmal an, außerdem hatte er zu Hause immer schon ein bisschen hobbymäßig Bier gebraut, zuerst im Kochtopf, dann in einer 25-Liter-Anlage, in acht Jahren entwickelte er da eine gewisse Fertigkeit. Seine Freunde und Bekannten seien jedenfalls stets begeistert gewesen, erzählt er, die Nachbarn hätten ob der Geruchsbelästigung geschäumt. Dann fasste er den Plan, das Hobby zum Beruf zu machen, bereitete zwei Jahre vor, kalkulierte, prüfte und eröffnete schließlich im August 2007 seine Kleinbrauerei. "Ich bin nicht der Bierdeckel-Sammler oder Brauerei-Besucher", sagt er. "Mich hat einfach das Brauen interessiert."
Seine Brauerei hat nichts Romantisches, da sind keine polierten Kupferkessel oder Messing-Geländer. "Ich wollte eine Brauerei, in der ich arbeiten kann, keinen Kitsch." Und auch, wenn sich der Verdacht vielleicht aufdrängen mag, dass die beste Zeit von Klein- und Gasthof-Brauereien längst vorbei ist, so konnte Christian Eipeltauer in seinem ersten Jahr feststellen, dass durch die zunehmende Industrialisierung und Globalisierung im Bierbereich ein neues Bewusstsein beim Publikum entstanden ist. "Die merkten auf einmal, dass die Biere aus ihrer Gegend nicht mehr so schmeckten wie früher, da waren sie dann reif für den nächsten Schritt." Im Gegensatz zu multinationalen Konzernen sei er nicht prozessoptimiert und Shareholder-Value-orientiert, sondern produktorientiert und daran interessiert, dass den Leuten sein Bier schmeckt.
Hundertprozentige Verwendung von Bioprodukten sei da so ein Punkt, sagt Eipeltauer. Auch wenn die Beschaffung der Rohmaterialien dadurch ein bisschen schwieriger werde. Den Hopfen muss der Wiener Klein-Brauer zum Beispiel schon ein Jahr vorher in der Neufelder Genossenschaft ordern, denn seitdem auch die größeren Brauereien das eine oder andere Biobier im Sortiment haben, wird diese Ware rasch einmal knapp. Sein Malz – Eipeltauer arbeitet mit drei verschiedenen Gerstenmalz-Typen, Dinkel oder ein anderes "alternatives" Getreide ist in näherer Zukunft sicher auch ein Thema – lässt er sich aus Bamberg kommen. Das österreichische aus Oberösterreich hätte ihm zwar gut geschmeckt, die Lieferfähigkeit auf dem Biosektor sei aber unsicher gewesen. Die höheren Kosten der Biozutaten sind für ihn jedenfalls kein Thema, der etwa 25%ige Mehrpreis falle kaum ins Gewicht, denn hauptsächlich bestehe Bier ja immer noch aus Wasser – aus Wiener Hochquellwasser in seinem Fall.
Auch sehr sympathisch: Christian Eipeltauer macht kaum Geheimnisse. Das habe er auch bei den Winzern gelernt, verrät er, die hätten es schon vor 15 Jahren geschafft, ihren Kunden ihre Qualität zu kommunizieren, "Da sind die Brauer noch weit hinten nach." Der Neo-Brauer machte auch nicht nur die Brauerei-Gesellenprüfung nach – "Wie’s funktioniert, hab ich schon gewusst, aber nicht, warum’s funktioniert" –, sondern belegte auch Weinkurse in Klosterneuburg.
Im ersten Jahr der Eipeltauer-Brauerei wurden 40.000 Liter gebraut, 60 bis 70.000 Liter Jahresleistung sind das Ziel – durchaus realistisch, wie es scheint, denn der Verkauf an Wiener Gastronomen beginnt gerade erst zu laufen, er selbst schloss an seine Brauhalle noch ein kleines, schlichtes Bräu-Lokal an, in dessen Küche seine Frau Schnitzel brutzelt und Schweinsbraten brät. "Wir sind ein Familienbetrieb."
Was Eipeltauers Biere von jenen der vielen Gasthof-Brauereien, die ein braves trübes Helles und ein braves trübes Dunkles anbieten, aber so vehement unterscheidet: Seine Biere geben ganz schön Gas. Eipeltauer geht nicht stur nach Rezeptur vor, sondern probiert immer wieder aus, geht bei der Gärung an Temperatur-Grenzen, gibt Hopfen nicht einmal, sondern in mehreren Chargen zu, was sowohl Aroma als auch Bittere doch recht deutlich beeinflusst, experimentiert bei "Sonderbieren" nicht nur mit gängigen Zusätzen wie Chili (mit dem er allerdings nicht einfach "würzte", sondern den er in die Würze einkochte – "das ist dann einfach was anderes"), sondern etwa auch mit Kaffeepulver, und zwar jeweils nicht zu knapp: "Wenn ich was mache, dann gleich ordentlich, aber dann weiß ich wenigstens, ob’s was kann oder nicht."
Den Eindruck, dass sich die heimischen Kleinbrauereien seit ein paar Jahren qualitativ auf ein höheres Niveau begeben, bestätigt der Quereinsteiger-Brauer. Erfahrung, Experimentierfreude und nicht zuletzt ein steigendes Qualitätsbewusstsein für bierige Individualität seien der Grund für eine Reihe von wirklich bemerkenswerten Bieren aus Wiener Kleinbrauereien. Bis Weihnachten würde er es gerne schaffen, ein blaues Bier zu brauen, "blaue Donau" und so. Er denkt da an blaue Kartoffeln als Farbgeber oder an Fruchtsäfte. Mit seinen eher ins Bräunliche tendierenden könnte er allerdings auch schon zufrieden sein.

Eipeltauer Privatbrauerei
Heiligenstädter Lände 11, 1190 Wien
Tel.: 0699/19 42 33 40,
www.eipeltauerbier.at