Die Könnerin
Sie zieht an Hühnerhäuten und zupft das Heidekraut. Wenn Sandra Cervik vom Kochen spricht, dann wird's gleich knusprig, kreativ und kellerromantisch.
Die Könnerin
Text von Michaela Ernst Fotos: Helene Waldner
Sie hat es wieder einmal geschafft. Drei Wochen kein Alkohol. Drei Wochen keine Kohlenhydrate. Das heißt auch: Drei Wochen kein Zucker und drei Kilos weniger. "Zweimal im Jahr ziehe ich das durch und achte besonders auf eine gesunde Ernährung", erzählt Sandra Cervik, die vor kurzem im Theater in der Josefstadt ihre letzten Vorstellungen von Mein Nestroy und Der Revisor absolviert hat. Die Zurückhaltung fällt ihr nicht schwer, weil Willenskraft an sich keine Belastung für sie darstellt. "Ich mache das so, wie es mir guttut. Abnehmen steht dabei überhaupt nicht im Vordergrund". Alles, was sie braucht, um ein bisschen strikter zu leben als sonst, ist Zeit. "Und die habe ich jetzt. Also gehe ich auf den Markt, kaufe Gemüse, Fisch oder frische Pasta. Ein paradiesischer Zustand!"
Das klingt ja alles sehr vernünftig und nachvollziehbar – aber drei Wochen kein Zucker für jemanden, der im Schoko-Wunderland aufgewachsen ist? "Stimmt", lacht sie, "meine Mutter hatte eines der ersten exklusiven Schokoladegeschäfte in Wien, ,Godiva‘ am Graben. Heute gehört ihr ,Neuhaus‘ in den Ringstraßen-Galerien – aber alles, was man im Überfluss hat, erscheint einem so normal, dass man sich dann nicht darum reißt. Ich bin ein Salztiger geworden."
Sandra Cervik liebt Kochbücher: "Ich habe tausende davon." Erst recht, seitdem sie mit ihrem Mann Herbert Föttinger, dem Regisseur, Schauspieler und Direktor des Theaters in der Josefstadt, und ihrem neunjährigen Sohn Fabian in ein Häuschen am Stadtrand gezogen ist. Kochbücher haben so etwas Meditatives, weil sie von Schönem handeln und meist mit tollen Fotos bestückt sind. Außerdem inspirieren sie die "leidenschaftliche" Köchin: "Es geht mir nicht darum, etwas eins zu eins nachzukochen. Ich finde nur, dass man wesentlich eigenkreativer wird, wenn man sich zuvor entsprechende Inspiration holt."
Ein Beispiel: Das Huhn, das Jamie Oliver mit Tomaten füllt. Er stopft die Füllung nicht in das Tier, sondern schiebt sie zwischen Fleisch und Haut. Das findet sie schon mal grundsätzlich gut, "weil die Haut dadurch viel knuspriger wird". Sandra Cervik verwendet statt Tomaten frische Kräuter oder Mozzarella mit Prosciutto. "Ich habe von Susi Nicoletti einen Bräter bekommen. So einen runden Keramiktopf mit einem Spitz in der Mitte, auf den man das Geflügel draufschiebt. Da gelingen mir die besten Hühner. Weil das Huhn nirgendwo aufliegt, wird es rundherum knusprig und durch die leicht gehobene Schüsselform geht auch der Saft nicht verloren." Mit der Barbarieente funktioniere das Ganze übrigens genauso. "Ich bin jetzt viel heimeliger geworden", sagt sie, die keine Spur bieder wirkt, fast ein Spur genant, "Ja, ich bin sogar wahnsinnig gern zu Hause."
Früher habe sie in der Nähe des Naschmarkts gewohnt, auch keine schlechte Adresse für jemanden, der sich gern an den Herd stellt – "Aber wenn man zentral wohnt, treibt es einen mehr auf die Straße." Ausgehen ist heute für sie stark von beruflicher Verpflichtung und Sinnhaftigkeit geprägt. Will sie privat sein, bittet sie die Freunde lieber zu sich: "Wenn man seinen Platz gefunden hat, macht es mehr Spaß, daheim um den eigenen Tisch zu sitzen."
Ihre Küche ist, trotz dieser eindeutigen Aussage, erstaunlich normal geblieben. "Ich benötige keine Hightech-Geräte, im Gegenteil." Sie erzählt von einer Kitchen-Aid – also von einem dieser gigantischen Wundergeräte, die vom Kräuterzerhacken bis zum Germteigrühren alles beherrschen –, die weg vom Alltag, in ein stilles Eck verbannt wurde. "Das Ungetüm wird einmal im Jahr hervorgeholt, nämlich zu Ostern, wenn wir unzählige von kleinen Haserln backen." Sie sei ein "absoluter Zyliss-Fan" und jagt Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Chili- und Paprikaschoten durch die messerscharfen Slalomlinien aus Stahl, dass es eine Freude ist.
Und noch ein paar Dinge, auf die sie Wert legt: ordentlich geschliffene Messer und ein Granitschneidebrett; ein Mörser, in dem sich Nüsse und andere Grobheiten zerkleinern lassen; die zwei Eisenreifen, die über der Kochplatte hängen und auf denen sie frische Kräuter trocknen lässt. "Nicht die Anmutung, sondern das Grundprodukt selbst muss bei mir so gut wie möglich sein. Ich bin zum Beispiel eine, die Kräuter zupft. Die sehen vielleicht kreativ aus, aber nicht ordentlich, dafür stammen sie alle aus meinem Garten."
Wenn schon bei den Dos, dann noch schnell eine Abhandlung der Don’ts: Kutteln. "Damit kann man mich jagen, das ist für die Hunde und hat einen schrecklichen Geruch." Spricht hier eine aus Erfahrung? "Klar. Ich bin mit riesigen ungarischen Hirtenhunden aufgewachsen. Kälber waren das. Die haben Kutteln geliebt!" Sie sei jedoch, genau an dieser Stelle betont sie das, sehr experimentierfreudig. "Bei einem Urlaub in Südostasien habe ich alles ausprobiert." Was alles? "Na alles. Es war so scharf, da hat man nie genau gewusst, was man isst."
Wein steht bei der Familie Cervik-Föttinger auf einem eigenen Podest. Sandra Cervik hat ihrem Mann zum Geburtstag einen Weinkeller geschenkt. Einen echten, der in derselben niederösterreichischen Ortschaft liegt, in der auch der Dramatiker Peter Turrini seine Flüssigschätze hortet. "Ich kenne mich ein bisschen aus, bin aber kein Freak", rückt sie die Relationen zurecht. "Das Interesse von meinem Mann und mir geht so weit, dass wir Jahrgänge zu allen wichtigen Ereignissen in unserem Leben sammeln. Ein paar Weine aus dem Geburtsjahr unseres Sohnes, ein paar andere zu unserer Hochzeit …"
Das Atmosphäre rund um die Weinkultur spielt anscheinend eine ebenso gewichtige Rolle: "Den Runden meines Mannes haben wir mit Freunden in ,unserer‘ Kellergasse gefeiert. Es war wirklich toll. Ein Caterer hat uns mit Essen beliefert, die Getränke haben wir aus dem eigenen Keller geholt. Das hat schon was."
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich geht Sandra Cervik auch weiterhin mit ihrem Mann und Freunden aus purer Freude essen. Ins "Do & Co" am Stephansplatz, weil es dort die beste Fischsuppe gibt. Und die Gerichte wie der Service über die Jahre immer top geblieben sind. Oder zum "Francesco", dem Italiener in der Grinzinger Straße, der die besten Pizzas der Stadt zubereitet und italienische Spezialitäten zu Preisen offeriert, wie man sie in Wien nicht oft erlebt. Dann ganz neu: In der Döblinger Hauptstraße hat vor einiger Zeit der Asiate "Lemon Green" eröffnet, mit dem und seinem Green Curry hat sie schon richtig Freundschaft geschlossen.
Das geht alles gut und hat alles Platz. Denn spätestens im Herbst stehen wieder drei Wochen Gesundheitsprogramm auf dem Plan: kein Alkohol, keine Kohlenhydrate und trotzdem eine Menge Kochspaß.