Die Schaumweinkönigin

Christina Hugl hat einen ungewöhnlichen Werdegang: Aus der österreichischen Weinkönigin wurde eine erstklassige Schaumweinproduzentin. Im Kamptal produziert die junge Weinviertlerin ausschließlich Sekt und Pet Nat und fällt damit ziemlich auf.

Text von Christina Fieber
(c)Robert Herbst/Point of View

Eigentlich war alles ganz anders geplant. Nach vier Auslandsjahren wollte Christina Hugl auf Saison nach Wien. Doch dann wurde gerade die Wahl zur Niederösterreichischen Weinkönigin ausgeschrieben und die junge Hotelfachfrau prompt gewählt. Von einer 26köpfigen Jury, vom Landeshauptmann bis zur Bezirksblatt-Redakteurin. Ein Riesentrara sei das gewesen, erinnert sie sich. In ihrem Heimatort Stützenhofen wurde sie nach ihrer Wahl empfangen, als habe sie Olympiagold geholt. Die Blasmusikkapelle spielte und der Bürgermeister hielt eine Ansprache. Das ganze Dorf und selbst die Nachbardörfer kamen, um der frischgekürten Weinkönigin die Ehre zu erweisen. Danach schmückte sie Weintaufen und -messen ohne Ende, stets im feschen Dirndl und mit Krönchen. 450 Termine in zwei Jahren, bis sie eine Delle am Kopf hatte – erwies sich doch das Krönchen als „schweres Trumm“. Erst nach Monaten wuchsen an der Stelle wieder Haare.

Heute hat Christina Hugl ihr eigenes Weingut. Sie gilt als eine der ­vielversprechendsten Talente der heimischen Weinszene und als Schaum­weinspezialistin. Erzeugt werden ausschließlich Sekt und Pet Nat. In allen Farben und Variationen.

Eine Bilderbuchkarriere, die sie da hinlegte: Ihr erster eigener Wein entstand 2015, noch als Weinkönigin. Genau genommen war es der Grundwein für einen Sekt, den sie gemeinsam mit ihrem Vater produzierte. Ihre Eltern betreiben seit 40 Jahren die Sektmanufaktur Weinviertel ganz oben im Norden des Weinviertels, schon fast an der tschechischen Grenze. Christina Hugl ist mit Schaumwein aufgewachsen und immer noch verrückt nach Sprudel. Den Betrieb übernehmen wollte sie allerdings nie – zu anders, zu eigen waren ihre Vorstellungen, zu groß ihre Neugierde und die Lust am Experimentieren. Lieber von null beginnen. Vor drei Jahren gründete sie mit ihrem Freund ihr eigenes Weingut, da war sie erst 25.

Schon in ihrer Zeit als Weinkönigin war klar, dass sie einen durch­setzungskräftigen Charakter besitzt, auch wenn ihr charmantes Lächeln und ihre gewinnende, unkomplizierte Art das nicht gleich vermuten lassen. Sie hatte keine Lust, lediglich als Fotoaufputz herzuhalten. Statt bloß zu repräsentieren, ergriff sie die Initiative: Gemeinsam mit ihrem Hofstaat, zwei Vizeweinköniginnen und zwei Prinzessinnen, veranstaltet sie Weinverkostungen. Sogar eine „Royal Winebox“ kreierten sie – mit den Weinen ihrer Betriebe. Erwünscht sei das nicht gewesen: „Ihr müsst das nicht tun“, versucht man vom Landesweinverband das überbordende Engagement einzubremsen. Spaß hat ihr der Job trotzdem gemacht. Zwei Jahre war sie Weinkönigin – erst von Niederösterreich, dann von ganz Österreich. Die Kontakte von damals nützen ihr heute, das Auftreten, das sie sich in dieser Zeit angeeignet hat, wohl auch. Sie besitzt einen untrüglichen ­Instinkt dafür, sich gut zu präsentieren, und wirkt dabei immer noch wie das nette Mädchen von ­nebenan. Ein Gespür, sich zu vermarkten, ohne sich zu verkaufen.

Die Tatsache, dass sich eine junge Winzerin auf Sekt spezialisiert, fällt auf. Marketingstrategen würden ihr zu dem markanten Alleinstellungsmerkmal gratulieren. „Was, ihr macht nur Sekt?“, wird sie oft ungläubig gefragt. Christina Hugl nickt dann und lächelt ihr charmantes Lächeln.

Vor zwei Jahren zog sie mit ihrem Lebenspartner Robert nach Langenlois und mietete sich in Molland im Weinkeller eines gemeinsamen Freundes ein. „Langenlois fühlt sich im Vergleich zu Stützenhofen wie eine Metropole an“, findet sie

Die Wahl des neuen Wohn- und Schaffensorts fiel wohl nicht zufällig – Langenlois gilt als das Epizentrum der heimischen Sektproduktion. Hier begannen Willi Bründlmayer und ein paar Kollegen in den frühen 1990ern Schaumweine zu erzeugen, die sich in Sachen Finesse erstmals mit der Champagne messen konnten. Hier gibt es aber auch die geeigneten Böden und das perfekte Klima für die Grundweine, aus denen der Sekt gemacht wird. Vor allem die Kühle aus dem angrenzenden Waldviertel verleiht ihnen jene Frische, die den Schaumweinen so gut steht.

Gerade einmal 1,8 Hektar bewirtschaften die beiden Jungwinzer dort biologisch – der Rest wird zugekauft. Das gibt ihnen die Möglichkeit, wendig zu bleiben, zu experimentieren – mit verschiedenen Lagen, Rebsorten, Stilistiken.

Die Arbeitsteilung des Paares ist klar: Im Weingarten und Keller ist sie die Chefin, Robert ist eigentlich Grafiker und Fotograf und hat ein ­eigenes Büro. Er ist für das Erscheinungsbild des Weinguts zuständig. Und das ist höchst professionell. „Er ist mein Hirn im Hintergrund“, sagt sie. Verkostet wird gemeinsam, beide haben kurz vor Gründung des Weinguts eine Keller-Facharbeiter-Ausbildung absolviert

„Ich hab ihn gezwungen mitzugehen“, sagt sie und lächelt wieder ihr charmantes Lächeln, „wenn er mitreden will, muss er auch wissen, wovon er redet.“

Viel Technologie gäbe es in ihrem Keller aber ohnehin nicht: „Ich bin ein technisches Nackerbatzl“, gesteht sie, daher passiere dort auch nicht viel, sie arbeite eher intuitiv. Offensichtlich besitzt die junge Winzerin eine gute Intuition: Ihre Schaumweine zeigen sich durch die Bank präzise – selbst die Pet Nats, berühmt-berüchtigt für ihr unzähmbares Temperament, sind blitzsauber und völlig stabil.

Sie selbst sieht sich „auf dem Weg“, noch nicht dort angekommen, wo sie hin will. Probiert, lotet aus, verwirft. Selbst wenn sich eine klare Linie erst entwickeln mag, so lässt sich jetzt schon ihre Handschrift erkennen: Ihre Schaumweine strahlen eine kühle Noblesse aus, zeigen sich aber auch lebendig, zuweilen sogar verspielt. Und sie sind meist staubtrocken. Dosage, die Zuckerzugabe am Ende der Schaumweinerzeugung, sei nur ein Hilfsmittel, um eine Balance zur Säure zu schaffen – eine Maßnahme, die sie kaum oder gar nicht einsetzt.

Knochentrocken ist auch ihr Pinot Noir Rosé. Brut Nature – kein Gramm Zucker zu viel. Der Grundwein wird durch Direktpressung gewonnen, dabei quetscht man Rotweintrauben und maischt sie ein, danach wird der Most abgepresst und vergoren. Durch den Kontakt mit der Beerenhaut nimmt der Wein mehr Gerbstoffe und Aromen auf – gewinnt also an Struktur. Saftabzug lehnt sie ab. Die Methode, die ebenfalls der Rosé-Herstellung dient, ist eigentlich ein Nebenprodukt bei der Rotweinerzeugung, die den Roten konzentriert, dem Rosé jedoch die Frische nimmt, ihn oft banal aussehen lässt. Hugls Sprudel ist kein rosarotes Spaßgetränk, sondern richtig seriöser Wein. Filigran und vielschichtig.

Messlatte ist natürlich die Cham­pagne – immer wieder pilgert sie in die weltberühmte Sprudelregion. Vor allem die Vignerons haben es ihr angetan, kleine Betriebe, wie der ihre, deren Weine vorwiegend aus besten Einzellagen kommen – geringe Dosage, viel Terroir.

Sie verwendet gerne französische Burgundersorten und baut sie dann auch in speziellen Holzfässern aus, die sie in der Champagne ersteht. Nach traditioneller Methode versteht sich.

Bald soll auch Pinot Meunier ausgepflanzt werden. Neben Chardonnay und Pinot noir die dritte wichtige Sorte in der Champagne. Der Schwarzriesling, wie er in Deutschland heißt, wurde lange stiefmütterlich behandelt. Nicht so edel wie die beiden anderen Burgundersorten sei er. Inzwischen zeigen junge Champagnerwinzer aber, was Meunier kann, wenn man es kann.

Die Sorte zeige ihre Klasse auch bei Hitze und Trockenheit, glaubt Hugl. Denn heißer und trockener wird es werden.

Stilistisch festlegen will sich die Winzerin nicht – sie versektet auch den heimischen Veltliner oder so ­geschmacksauffällige Sorten wie den Traminer, den sie selbst beschreibt als so „rosig, dass es fast wehtut“.

Wesentlich dezenter hingegen der Blanc de Blancs Reserve, eine typische „Weinviertler Mischung“ aus Welschriesling und Grünem Veltliner. Auch er sieht nach dem Degorgieren keine Dosage, ein Hauch von natürlichem Restzucker verleiht ihm dennoch molligen Charme. Die Säure vom Welschriesling gleicht es wieder aus, der Veltliner hingegen sorgt für Struktur. In Summe ein erstaunlich feiner Schaumwein, der etwas unerwartet Mondänes ausstrahlt.

Eigentlich spielt sie geschmackstechnisch eher in der klassischen Liga, selbst die oft kruden Pet Nats zeigen sich bei ihr von ihrer besten Seite. Der Pet Nat rosé vom Pinot noir ist zwar im Vergleich zum Rosé-Sekt rustikaler, dennoch nicht rotzig. Pétillant Naturel fasziniert sie. Die natürlichste Methode der Schaumweinherstellung sei so einfach wie kompliziert: Bevor der gärende Most in die Flasche kommt, verschlossen wird, um selbstständig zu ­finalisieren, gäbe es einige Parameter, die es zu ­beachten gilt. Bei dem Verfahren käme ihr die ­Erfahrung des Vaters zugute: Den wilden Sprudel zu zähmen, bedeutet für den Schaumweinprofi eine besondere Herausforderung.

Und damit das, was drinnen ist, auch hübsch aussieht, tragen die Flaschen besonders dekorative Etiketten. Kein Design von der Stange, sondern ein ganz persönlicher Einblick in das Leben und Denken der Christina Hugl. Ein bunter Kranz mit Blumen und allerlei Tieren – alles sollte drauf, was ihr wichtig ist oder sie an früher erinnert: ihre beiden Holländischen Schäferhunde, die Eich­kätzchen, die sie als Kind beim Waldspaziergang mit ihrem Großvater erspähte, die kreischenden Schwalben am Hof ihrer Eltern, die im wilden Flug den Sommer feierten. Und natürlich ein Glas Wein und eine Flasche Sekt.

Das Bild ist aus einer Kritzelei im Zug entstanden, auf dem Weg zu einer der unzähligen Weintaufen – damals als Weinkönigin, als sie noch ein Krönchen tragen musste.