Die Wassermagistra

Fluchen, Teller an die Wand schmeißen, alles, was gute Erziehung verbietet. Schön, sich als Schauspielerin ganz und gar auszuprobieren. Bei Tisch experimentiert Franziska Weisz äußerst beherrscht. Hat Umweltpolitik studiert, über Wasser diplomiert. Braucht weniger Ressourcen, Karotten zu ziehen, als ein Rindvieh hochzuzüchten. Ihre logische Wahl: Grünzeug & Co.

Text von Ro Raftl · Fotos von Philipp Horak

Plötzlich Lust auf Wassermelone um drei Uhr früh.

Nix wie runter zum Lieblingstürken in Kreuzberg, zu dem , der seinen Laden 24 Stunden offen hält – und mit der Beute aufs Dach, um das rote Saftgewebe mit Zunge und Zähnen zu zerfasern und am Gaumen zergehen zu lassen. Gekühlte Wassermelonen knacksen porös wie Schneekristalle. Okay, längerer Aufenthalt ist dort oben eigentlich verboten, doch wen kratzt’s in der Nacht? Kinn bissl verschmiert? Finger pickig? Saftfleck am T-Shirt? Niemand sieht es, und das ist dann der berühmte, oft in langen Abhandlungen aufgeblasene Zustand des Bei-Sich-Seins.

Franziska Weisz ist 33, gefragt in Film und Fernsehen, leichtfüßig unterwegs zwischen Drehplätzen und Castings, ihrer Wohnstadt Berlin und ihrem Mutterort Breitenfurt, was natürlich Ausgehen und Schlafen in Wien heißt. Dort ist sie heimisch seit dem Studium – nicht wundern, es war Betriebswirtschaft. Später, schon nach dem ersten Film, hat sie es auf Entwicklungs- und Umweltpolitik am Londoner King’s College erweitert, und mit der Magisterarbeit über ihr Lieblingsthema Wasser abgeschlossen.

Wir schlendern über den Brunnenmarkt, um einen Picknickkorb prallbunt mit Süden zu füllen, mit Humus, Ziegenkäs‘ in Rosmarin, Fladenbrot, Baklava, Paradeisern, Pfirsichen, Trauben. Die geliebte Wassermelone, diesmal sonnenwarm, klemmt schwer unterm Arm. Der Alkohol für alle Fälle hängt sich an. Aber wir werden ihn nicht trinken, zu heiß, da wird man schnell schwipsig, nur stilles Wasser. Ach, gerade hat sie in Bad Vöslau aus dem neuen Roman von Thomas Glavinic vorgelesen, in einer Cabane gewohnt und im warmen Wasser gepritschelt: „Du kannst bis zur Quelle schwimmen und aus ihr trinken.“ Der Satz „Ich hab aus der Quelle getrunken“ gefällt ihr. Ist ja leicht möglich beim guten österreichischen Wasser, weshalb viele über diesem Glück beim Essen die einfachste Formel vergessen, die hinter allem Umweltschutz steht: „Je kürzer der Weg von der Erde auf den Teller, desto weniger Ressourcen verbrauchen wir – und desto länger geht sich die Welt für alle aus.“

„130 Liter Trinkwasser sind nötig, um 1 kg Karotten zu erzeugen, 1300 Liter für 1 kg Weizen und im Vergleich dazu 15 000 Liter Trinkwasser für 1 kg Rindfleisch“, erklärt die Mimin mit den Spitzbubenaugen ernsthaft ihr Votum für Grünzeug. Davon später mehr.

Jetzt nur, dass sie Märkte lieeebt. Wenn sie nicht schick in Berlin Mitte beim angesagten Italiener mit dem coolen Namen „Hartweizen“ Caponata** isst, ihre Leibspeise, für die sie glatt die ganze Stadt zu Fuß durchpflügen würde, deckt sie sich beim Türken am Kottbusser Tor (der schräg rechts hinter den Punks, die dort rumlungern) mit Gemüse, Gewürzen und Obst ein. „In Kreuzberg und Schöneberg ist’s billiger, essen zu gehen als einzukaufen und zu kochen“, hat sie getestet: „Superhauptspeise und Mango-Lassi um fünf Euro beim Inder. So lange, bis ich’s nicht mehr sehen konnte.“ Ganz abgesehen von den spontanen Gelüsten.

Seit sie als Räuberbraut in Benjamin Heisenbergs schillerndem Psychokrimi über den roten Berlinale-Teppich geschwebt ist, den Diagonalepreis für diese Rolle bekam, seit sie Windböen über Liebeswellen im Boulevard aufgewirbelt hat, wird Franziska Weisz auf der Straße angeschaut. Noch öfter, seit ihre zackige Controllerin Steffi dem grenzenlos geliebten „Letzten Bullen“ vulgo Henning Baum mit schnoddrigen Sprüchen und engelhaftem Augenaufschlag zusetzt. Mitsamt all den schönen, lustigen, egosalbenden Konsequenzen: Shootings in High Heels und schwarzer Spitze für edle Modeseiten, Interviews, Lesungen und die Erfüllung des idealistischen Wunsches einer Schauspielerin ohne Schauspielausbildung, Theater zu spielen: „Eine Wintersonate“ war’s, und „Eine Winterwanderung“ im melancholisch schneematschigen Wien des vergangenen Jahres, um mit den Kollegen vom „Schauspielhaus“ dem Genie Franz Schuberts nachzuspüren.

Wie soll’s bei so viel Bewegung geregelte Essenszeiten geben? Manchmal um fünf am Set sein, manchmal Nachtarbeit, viel in Flugzeugen sitzen, möglichst immer gut aussehen und gut drauf sein. Nie verlegen um den entspannten schlagfertigen Sager für die Presse. Modern Times. So geht der Job.

Dann 2005 wurde die Newcomerin gleich als Shootingstar für die Berlinale nominiert – warum, kann man in einem Ausschnitt von Ulrich Seidls „Hundstage“auf Youtube anschauen: Dieser Fotz, dieses Gschau und dieses Nixwiewegrennen vor einem neurotisch gewaltbereiten Hawerer. Zum Niederknien und Abbusseln.

FWs zweites Leben, einem Neugiercasting zu verdanken, zu dem sie ihre Modelagentur geschickt hat, „weil ich als Model nicht anzubringen war“.

Der Geruch von Zwiebel, die in heißem Fett brutzelt, mildwürziger Hendlsuppenduft gemixt mit dem herberen von der Holzpoliertinktur, das ist „Mama“ für Franziska. Doch ein allein wohnender Shootingstar hat keinen Sinn mehr für üppige Mahlzeiten, ist der liebevollen Ordnung von Frühstück, Mittagessen, Nachtmahl in Breitenfurt seit längerem entwachsen. Fräulein Weisz isst, wenn sie Hunger hat. Dann aber bitte sofort.

Nix Beschwerendes und kein Fleisch, alles, was easy runterflutscht – obwohl sie zu dem Essenstyp gehört, der den Spinat nicht mit dem Spieglei zusammenmantscht, sondern das Spiegelei schneidet und mit ein wenig Spinat auf die Gabel schiebt. Trotzdem mag sie Landliebe-Joghurt, Naturjoghurt mit Mandeln, Heidelbeeren und ein paar Apfelschnitzern, Nüsse, Tofu mit Kräutern, Frischkäse: von der Ziege oder vom Schaf auf einem Salat, am besten mit Balsamicoessig und einer frischen Feige dran. Eis. In den Wiener Tuchlauben darf es nur das Topfeneis sein, in Deutschland Joghurt oder dunkle Schokolade. Die Eiweißbombe kommt nach dem täglichen Sport und dem Laune machenden, Aggressionen abbauenden Kickboxtraining (abgesehen davon, dass ein trainierter Körper Kapital ist). Franziska Weisz powert sich aus, danach aber muss Eiweiß, Kalzium, Kalium her, etwa mit gesalzenem Topfen und Kernöl: „Ein grüner Dip“, freut sie sich über ihre Kreation, erlärt, dass sie auch gestiftelte Granny-Smith-Äpfel mit Sojasoße beträufle, aber nur, wenn kein Kernöl greifbar ist: „Kernöl tu ich auf alles drauf, ob auf Rucolasalat mit Grana oder auf gebratene Tomaten.“ Hat ihr quasi das Leben gerettet, neulich beim Dreh von „Blutschwestern“ in der Steiermark. Gebackene Champigons hätten sie zum Mittagessen serviert: „Schwere Kohlehydrate, danach würde ich einschlafen. Weiterdrehen ginge nicht mehr, selbst wenn ich zufällig noch ins Kostüm passen sollte.“ Essen am Set ist für Vegetarier eine schwierige Geschichte: „Die Filmfirmen bemühen sich. Es wird besser.“

Als Kind in Breitenfurt hat sie fast täglich mit größter Begeisterung Fleisch gegessen – und Käse verabscheut. Franziska erzählt von ihrer supergscheiten Mama Susanne, die Wirtschaft studiert und mit lauter Einsern abgeschlossen hat, von den zehn und acht Jahre älteren Geschwistern, von den Großeltern, die auf die Kinder geschaut haben, während die alleinerziehende Mutter arbeiten musste. „Der Opa hat mich täglich von der Schule abgeholt. Da hatte die Oma das Essen schon fertig: Suppe, Hauptspeis, Nachspeis. Immer.“ Eine gute Zeit: Die Geschwister hatten viele Freunde, Samstag Abend stand das Vorzimmer mit Schuhen voll – und ich war immer dabei. Kein Waserl. Mit zehn hab ich zum ersten Mal gekocht. In einem Wochenendhäuschen von Bekannten für meinen damaligen Schwarm: Spaghetti ins siedende Wasser geworfen, Tomatenmark aufgetaut. Fand’s super, dass man das selber machen kann, fühlte mich erwachsen wie bei einem richtigen Date. Er hieß Klaus, war drei Jahre älter, und weiß bis heut nicht, wie gut er mir gefallen hat.“
Die Oma wieder nahm es nicht ernst, als die 13-jährige Franzi nach einer Doku über Tiertransporte heulend in die Küche stolperte: „Ich will nie mehr was essen, das ein Gsicht hat!“. Andernmittags gab es Backhendl samt begütigendem Zuspruch: „A Hendl hat eh ka Gsicht.“ Doch das Kind kasteite sich stur am Vogerlsalat und fühlte sich „total unverstanden“. Bis die Oma-Köchin die Herausforderung annahm, ihr Repertoire auf Gsichtsloses erweiterte. Nostalgisch augenzwinkernd preist die fesche Enkelin „Omas Blunzngröstl“* als „das letzte nicht Vegetarische in meinem Leben, und das erste, sollte ich es mir jemals wieder anders überlegen“.

Omas Blunzengröstl*
80 dag speckige Erdäpfel
3-4 Blutwürste („Blunzen“)
2 Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
Schmalz oder Öl
Majoran, Salz, Pfeffer
Petersilie oder Schnittlauch
frisch geriebener Kren

Erdäpfel bissfest kochen, schälen und blättrig schneiden. Zwiebeln und Knoblauch fein hacken. Die Blutwürste häuten und in etwa ein Zentimeter dicke Scheiben schneiden. In einer ausreichend großen Pfanne Schmalz erhitzen und die Blutwurstscheiben darin auf beiden Seiten kurz anbraten. Besonders knusprig wird’s, wenn die Blutwurstscheiben zuvor in Mehl gedreht werden!

Die Blutwurst herausnehmen und zur Seite stellen. In derselben Pfanne etwas Öl oder Schmalz nachgießen, Zwiebeln kurz anschwitzen, Erdäpfel dazugeben, salzen, gut durchrösten. Den Knoblauch und die Blutwurst zum Ende hin beigeben und nur mehr vorsichtig und kurz durchrühren. Mit Pfeffer und Majoran würzen und abschmecken. Ein letztes Mal durchschwenken und auf vorgewärmten Tellern anrichten. Das Blunzengröstl entweder mit fein gehackter Petersilie oder Schnittlauchröllchen und frisch geriebenem Kren bestreuen und sogleich servieren.
Caponata
1 große Aubergine
1 Zwiebel
2 Stangen Sellerie
1/2 Fenchelknolle
1 Zucchini
3 frische Flaschentomaten
(alles in 2 cm große Würfel geschnitten)
1 Bund Basilikum
50 g Rosinen
50 g Pinienkerne
Etwa 100 ml Olivenöl zum Braten
Planzenöl zum Frittieren
5 EL hochwertiger Rotweinessig
1 EL passierte Tomaten
1 EL extrafeiner Zucker
Salz und Pfeffer

Die Aubergine in 2 cm große Würfel schneiden, mit Salz bestreuen und mindestens 1 Stunde in einem Sieb abtropfen lassen. Überschüssige Flüssigkeit leicht ausdrücken. Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebel leicht anbraten, bis sie weich, aber nicht braun ist. In eine große Schüssel geben. Pflanzenöl in einen großen, tiefen Topf geben und auf 180 Grad erhitzen. Sellerie hineingeben und 1 – 2 Minuten frittieren, bis er weich und goldbraun ist. Auf Küchenpapier abtropfen lassen. Das Öl wieder auf die gewünschten 180 Grad erhitzen und den Fenchel hineingeben. Wie den Sellerie frittieren und abtropfen lassen, dann den Vorgang mit den Auberginen- und Zucchiniwürfeln wiederholen. Das frittierte Gemüse zusammen mit den gewürfelten Tomaten in die Schüssel zu den Zwiebeln geben. Basilikumblätter zerpflücken, Pinienkerne ohne Fett rösten und mit den restlichen Zutaten in die Schüssel geben. Kräftig würzen. Die Schüssel mit dem noch warmen Gemüse mit Frischhaltefolie abdecken und mindestens 2 Stunden ziehen lassen, dann bei Raumtemperatur servieren. Nicht in den Kühlschrank stellen, da das die Aromen mindert. Durch den Vorgang des „Dämpfens“ unter der Frischhaltefolie und das sehr langsame Abkühlen wird die Caponata von einer Art frittiertem Gemüsesalat mit vielen verschiedenen Aromen zu etwas Einheitlichem mit speziellem Geschmack.

Es sei natürlich die sentimentale Entscheidung eines sensiblen Teenagers gewesen, Vegetarierin zu werden, aber: „Alles, was ich seither über unsere Erde und ihre knapper werdenden Ressourcen gelernt hab, bestätigt meine Entscheidung“, glüht die Wassermagistra und kommt auf die 15 000 Liter Trinkwasser für 1 kg Rindfleisch zurück: „Bei dieser Rechnung geht man von der Intensivhaltung des Rindes aus, das mit drei Jahren sein Schlachtgewicht erreicht hat. Wer also seltener und etwas teurer Fleisch kauft, von dem er weiß, woher es kommt, anstatt täglich Billigfleisch unbekannter Herkunft zu essen, erweist der Umwelt und den Mitmenschen einen unschätzbaren Dienst.“

Tja. Massentierhaltung scheint auch in jeder Statistik unter den Top-Drei-Erzeugern von CO2-Emissionen auf: „1 kg Rindfleisch entspricht 1600 km Autofahrt.“

Missionieren würde Franziska trotzdem keinen: „Wie käm ich dazu, anderen etwas aufzuoktroyieren?“ Sagt nicht mal: „NIE mehr Fleisch“. Ist auch kein Fan von explizit vegetarischen Restaurants und kauft nicht in Bioläden, da ihrer Erfahrung nach Obst und Gemüse so schnell verderben: „Die Mandarinen implodieren auf dem Weg vom Geschäft bis nach Haus“. Knurrt fast entrüstet: „Bin ja nicht Birkenstock.“ Predigt nur: „Qualität statt Quantität! Saisonal und lokal!“

Gut, bissl neugierig kann man schon ins Tian in der Himmelpfortgasse schnuppern, ja, zwei Sterne für Gemüsekochen ohne Fisch und Fleisch, und knallevoll. An den Avocado-Mango-Salat, die Gelben Bohnen mit Ziegenfrischkäse und Eierschwammerln könnte sich FW gewöhnen, auch an ein Dessert wie „Otucan im Bauhausstil“, wohinter sich Bitterschokolade, Marille und Passionsfrucht verbergen. Andererseits: Beim letzten Bullen-Dreh in Köln hat sie „die genialste Schokosoße der Welt erfunden“. Die meisten Hauptspeisen im Tian wären aber nix für sie, denn: „Wegen meines Sports“, sagt die Kickboxer­in „ess ich wenig Getreide und kann Nudeln und Reis, die Standardoptionen für Vegetarier, auch schon nimmer sehen.“ Drum ist ihr ein zwangloses Picknick im Grünen allemal lieber oder die Beletage im Do&Co, wo sie einfach sämtliche Beilagen bestellt. Oder das Abhängen im „Engländer“, eine Weile ihr verlängertes Wohnzimmer, da sie ein paar Jahre lang ganz nahe wohnte. Entpuppt sich das viele Blattgrün irgendwann doch als unbefriedigend, vergisst die eisenhart Trainierte kurzerhand den Sport und ordert nonchalant die Dessertkarte.

Ihr Bastlertrieb blühte erst in der Berliner Altbauwohnung auf: Die Schöne hat Böden abgeschliffen und neu verlegt, Lichtschalter montiert, einen Einbauschrank gezimmert. Nach dem Gemüsemarkt ist der Baumarkt ihr zweitliebstes Ziel. Nein, aber sie flucht beim Basteln nicht. Die Erziehung! Deshalb hat ihr die Clara Horvath, ihre neue Krimi-Ermittlerinnen-Rolle in der siebenteiligen Serie „Janus“ (ab 1. Oktober) so „wahnsinnig Spaß“ gemacht: „Clara flucht ungebremst aus dem Bauch und prügelt sich durch’s Leben.“ Manchmal hat die kleine Franzi in Breitenfurt mit den Buben gerauft. Aber damals hat sie auch noch Blutwurstgröstl gegessen.