Eiche, Rauch und Hammerschläge

Nicht jeder Balsamessig kommt direkt aus Italien, nicht jede Caipirinha aus Brasilien. Und so ­manches Barriquefass kommt aus Österreich. Zum Beispiel aus Kärnten.

Text von Thomas Maurer Fotos von Ingo Pertramer

Da ich, wie mir unlängst die Fachverkäuferin eines Herrenmodegeschäfts charmant versichert hat, mittlerweile ein „junger Mann fortgeschrittenen Alters“ bin, kann ich mich noch dunkel an eine Zeit erinnern, in der es „Fernsehansagerinnen“, „Vierteltelefone“ und „Gaskassiere“ gab und man beim Kauf von Flugtickets „Raucher oder Nichtraucher?“ gefragt wurde.

Im Gegenzug hätte aber niemand zu sagen gewusst, was man sich unter einem „Händy“ oder einem „Smoothie“ vorzustellen hat. Und auch der Begriff „Barrique“ hätte praktisch nur Weinhändlern (Sommeliers waren noch nicht erfunden) und Freunden gehobener Kreuzworträtsel etwas gesagt.

Letzteres änderte sich ab Mitte der Achtzigerjahre, und zwar radikal.

Die ersten privaten Importeure dieser fremdländischen Gebinde mögen noch von den Nachbarwinzern als Sonderlinge belächelt oder als Parvenu verspottet worden sein, aber zwei, drei Jahre später begann die Lawine mit exponentieller Geschwindigkeit zu rollen und praktisch alle mitzureißen.

Österreichs Winzer begannen mit ähnlicher Inbrunst nach Bordeaux zu pilgern wie Wagnerianer nach Bayreuth, Katholiken nach Rom oder Rapidler nach Hütteldorf. Die daraus resultierende radikale Veränderung des heimischen Weinstils führte allerdings nicht sofort zur erhofften flächendeckenden Qualitätsverbesserung.

Die meisten Weinkonsumenten ließen sich grundsätzlich von der allgemeinen Begeisterung mitreißen, „Barrique“ wurde, von gallischen Dörfern wie der Wachau abgesehen, zu einem Synonym für „Qualität“.

Die Bestellformel „A Ochtl Barrique, bitte!“ begann landesweit zu erschallen, und es wundert einen eigentlich nachträglich, dass die Gas­tronomie nicht begann, die Zitronenspalten im Soda durch Eichenspäne zu ersetzen oder mit solchen gefüllte Schälchen als Knabberei für zwischendurch zu reichen. Es war also eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der Barrique-Boom auch in Österreich eine kaum noch erwartete Wiederauf­erstehung der zuvor bereits im ökonomischen Palliativtrakt liegenden Fassbinderei bewirkte. Denn war anfangs eine französische Herkunft für den ­österreichischen Trendwinzer von Welt noch eine Conditio sine qua non, so begannen mit der Zeit doch auch in deren Weinkellern allmählich wieder die Namen österreichischer Erzeuger zwischen denen der Prestigeimporte aufzublitzen. Namen wie zum Beispiel „Pauscha“.

Pauscha ist nicht der einzige klingende Name im österreichischen Fassproduzentenmilieu, aber sicher einer der drei oder vier wichtigsten. Dabei hatte sich die Kärntner Familie Pauscha, Fassbinder seit 1875, bereits mehr oder weniger aufs Umsatteln eingestellt. Ursprünglich aus Slowenien kommend, landete der Familienbetrieb nach Zwischenstationen im Gail,- und Lavanttal in den 1950er-Jahren in Wolfsberg. Vorrangig stellte man Mostfässer her, die allerdings vom Anforderungsprofil eher anspruchslos sind, oder, mit den Worten von Jakob Pauscha, Fassbinder in sechster Generation: „Ein Mostfassl muss dicht sein und sonst nix.“

Entsprechend verheerend wirkte sich der in den 70ern einsetzende Siegeszug von Stahl- und Polyestertank auf das altehrwürdige Handwerk aus: „Vorher war in jeder zweiten Ortschaft ein Fasslbinder, die waren dann praktisch alle weg.“

Sein Großvater, erzählt er, habe sich gerade noch mit einem angeschlossenen Sägewerk über Wasser halten können, der Vater dann schon statt einer Fassbinderlehre eine als Tischler absolviert.

Doch dann kamen, siehe oben, die 90er-Jahre und mit ihnen der Lazarusmoment der heimischen Fassbinderzunft. Auch für die Pauschas, wo derzeit unter der Ägide von Vater Klaus Pauscha als Geschäftsführer und Sohn Jakob als Prokurist zwölf Mitarbeiter beschäftigt sind.

Davon sind fünf gelernte Fassbindergesellen („von den ungelernten sind aber ein paar auch schon 20 Jahre da, das macht dann fachlich keinen Unterschied mehr“); Lehrlinge gibt es derzeit keine, „weil niemand will“. Einen möglichen Grund für diesen Begeisterungsmangel spricht Jakob Pauscha gleich von selbst an: „Der Kollektivvertrag ist bei uns, muss man ehrlich sagen, unter aller Sau.“ Er relativiert aber: „Die Motivierten wollen wir aber natürlich halten und zahlen das auch.“

Sein Verhältnis zum Wein beschreibt er so: „Weinfreak wär übertrieben. Also, i kenn mich schon aus, aber …“ – der Mann ist schließlich Kärntner – „ehrlich gesagt hab ich lieber ein Bier.“

Sowohl als jemandem, der sich privat beim Wein trotzdem auskennt, als auch aus beruflicher Warte ist ihm daher keineswegs entgangen, dass die Weinbranche und mit ihr sein Metier einmal mehr im Umbruch stehen und der Trend weg von der mittlerweile vereinzelt schon als „Winzer-Maggi“ geschmähten Barriquestilistik sich seit etlichen Jahren merklich verstärkt.

„Der Bereich ist schon stark zurückgegangen. Dafür werden verstärkt 500- und 600-Liter-Fässer nachgefragt. Geschäftlich ist das natürlich nicht super, aber mir schmeckt diese Art Wein eigentlich selber auch besser. Und vor allem im Nordburgenland gehen Lagerfässer von 2.000 Litern aufwärts gut.“

Das macht sich natürlich auch im Betrieb bemerkbar: Er selbst schätzt, dass, nachdem in ­Österreich am Höhepunkt der International-Style-Welle – damals hatte die Firma Pauscha 35 Mitarbeiter – pro Jahr zirka 20.000 Barriques gekauft wurden, der heutige Jahresbedarf rund 4.000 bis 5.000 Stück nicht übersteigt. Selbst fertige man jährlich etwa 300 bis 500 Barriques an, dazu etwa 200 Großfässer.

Besonders beunruhigt wirkt er aber nicht: „Meine Idee geht eh mehr Richtung High-End-Lagerfässer. Lieber ein bissl weniger, aber das g’scheit.“

Doch: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!“ (Dieses Goethe-Zitat widmete Ihnen der A la Carte-Bildungsauftrag.) Oder, abgeschwollen formuliert: Wir werden jetzt ein Barriquefass bauen.

Aber auch das nicht, ohne zuvor ein paar Informationen verabreicht zu bekommen. Etwa die, dass ein Barrique recht schnell gebaut wird, in nicht viel mehr als drei Stunden. Oder die, dass Barriqueholz mit rund 4.500 Euro pro Kubikmeter nicht nur empfindlich teurer ist als jenes für Lagerfässer (ca. 2.500 Euro), sondern auch anders vorbereitet: „Das wird nicht geschnitten, sondern gespalten. So wie Tortenstücke, sechs Stück pro Abschnitt, und aus denen werden dann die Dauben geschnitten. Der Spalt folgt immer dem Wuchs, dadurch hast du einen schönen Spiegel und gerades Holz.“

Und nachdem wir uns auch noch einen Eindruck vom Pauscha’schen Holzlager gemacht haben, betreten wir endlich die Werkstatt, in der eine heimelig-klassische Werkstattatmosphäre herrscht, Busenkalender an der Wand inklusive.

Zunächst einmal werden die Dauben angefräst, Kopf und Fuß bleiben dicker, was das Biegen erleichtert und später durch die geringere Wandstärke die Sauerstoffdiffusion des Weins begünstigt. Anschließend kommt die Daube in ein Gerät mit dem schönen Namen „Aussparmaschine“ , wo sie, außen konvex, innen konkav, rundgehobelt wird. Der nächste Schritt hat dann ein bisschen was von einem Montessori-Spiel: Fassdauben gibt es in einer breiteren und einer schmäleren Variante, diese müssen, immer schön abwechselnd, in eine Schiene geschlichtet werden, die schlauerweise exakt die Länge des späteren Fassumfangs hat. Dabei werden, aus Gründen, die dem Laien undurchsichtig bleiben, immer wieder einzelne Exemplare nach kurzem, kritischem Stirnrunzeln, gegen andere ausgetauscht. Ist das zufriedenstellend erledigt, kommt Teil zwei der Montessori-Challenge: Die Dauben werden händisch in einen Fassreifen geschlichtet, der sie oben zusammenhält. Dabei entsteht ein Gebilde, das am ehesten aussieht wie die stark ­vergrößerte Holznachbildung eines Baströckchen-inspirierten 50er-Jahre-­Lampenschirms. Dieses wird dann über das sogenannte „Vorfeuer“ gestülpt, um es für das eigentliche Biegen vorzubereiten.

Für dieses – und spätestens hier endet der Montessori-Teil – übersiedelt das angehende Fass über ein deutlich kräftigeres, ebenfalls von Eichenabschnitten genährtes Feuer und bekommt dann dort, wo beim Lampenschirm die Unterseite wäre, eine starke Kette um die Dauben gelegt. Das Holz, von Feuerhitze und kontinuierlicher Befeuchtung biegsam gemacht, wird hier maschinell immer enger zusammengezogen, während außen gleichzeitig die Fassreifen schrittweise weiter angetrieben werden. Dazu wird ein hölzerner Treibhammer am Reifen angesetzt und mit einem massiven Normalhammer geschlagen, immer ein Mal rundherum und dann noch ein Mal. Und dann noch ein Mal und noch ein Mal. Dazwischen werden die Dauben immer wieder plan zueinander gehämmert. Bei richtig großen Fässern natürlich mit entsprechend größeren Hämmern und entsprechend öfter. Fassbinder haben ziemlich kräftige Arme und vermutlich selten Gedanken wie: „Puh, ins Fitnesscenter sollte ich auch mal wieder.“

Sieht das Fass dann erst einmal wie ein Fass aus, folgt der Vorgang des Toastings. Dazu wird es einmal mehr über ein mit Eichenresten genährtes, diesfalls aber eher bescheiden
flackerndes Feuer gestülpt und dabei immer wieder, der Gleichmäßigkeit wegen, vom Kopf auf den Boden und wieder auf den Kopf gestellt. Der Toastingprozess entscheidet darüber, welche Aromen an den Wein abgegeben werden und wie intensiv sie ausfallen (Röstaromen kommen vom Toasten, Vanille und Karamell steuert das Eichenholz selbst bei); bei Pauschas können Kunden sich zwischen vier Toastingstufen entscheiden. Diese graduelle Abstufung sei aber, so Jakob Pauscha, eher Gefühlssache: „Man sieht ja, wie’s dunkler wird. Wobei, ich selber arbeite da mehr mit der Nase.“

Sollen die Fässer für fassgelagerte Spirituosen dienen, wird ein zweites Mal – „die sind dann innen echt ganz schwarz“ – getoastet, völlig ungetoastete Fässer stellt er grundsätzlich nicht oder nur auf expliziten Wunsch und ungern her: „Da gibt das Holz dann eigentlich nur mehr grüne Tannine ab, das ist nix.“

Und auch eine für Barrique-Romantiker grausam ernüchternde Nachricht hat er parat: Es gibt keine geheimen, nur nach Ablegen eines heiligen Eids von Mund zu Ohr weitergegebenen Toasting-Geheimnisse, die auf fast schon magische Weise über die Güte des Gebindes gebieten. Es ist bloß Feuer, länger oder kürzer. (Obwohl, hey, Kopf hoch! Ist das nicht genau das, was jemand sagen würde, der wirklich ein geheimes Wissen zu verbergen hat?)

Im Weiteren wird jedenfalls das Fass noch geglättet, geschliffen, mit Deckel, Boden und Spundloch ausgestattet, was ein mehrfaches Abnehmen und Wiederauftreiben der Fassreifen erfordert, bevor zuletzt die richtigen, verzinkten montiert werden.

Das Einsetzen des Bodens bzw. Deckels wird dem staatlich geprüften Meisterfotografen Ingo Pertramer und mir dann am Beispiel eines Lagerfasses demonstriert. Immerhin hier gibt es eine, wenn schon nicht geheime, so doch überraschende Zutat: Schilf. Flachgeklopfte Stengel werden als Dichtungsmittel auf die Kanten des Werkstücks aufgebracht, etwas Geeigneteres scheint auch die moderne Materialforschung noch nicht hervorgebracht zu haben, wobei es in solchen Fragen ja generell gescheit ist, sich an die US-amerikanische Volksweisheit „If it’s not broken, don’t fix it“ zu halten. Als Adhäsivstoff diente dabei traditionell Rindertalg, der aber heutzutage in der Regel durch Fettblöcke auf Vaselinebasis ersetzt wird: Vegane Barriqueophile können also aufatmen.

Im Grunde nicht viel anders, aber zeit- und arbeitsintensiver werden die großen Gebinde hergestellt. In einem 500- bis 600-Liter-Fass stecken dann schon etwa 40 Mannstunden (Frauen sind in der Branche vermutlich nicht einmal Ausnahmen); bei richtig großen Kalibern wird es entsprechend mehr, was sich natürlich – ein Barrique kostet derzeit zwischen 680 und 750 Euro – auch im Preis niederschlägt: „Bei einem 2.500-Liter-Fass wird’s dann schon auch einmal fünfstellig.“

Das größte von Pauscha bisher produzierte Fass hatte übrigens das ehrfurchtgebietende Fassungsvermögen von 15.000 Litern. Solche Monstren – aber auch kleinere wirklich große – werden dann in der Regel auch nicht im Wolfsberger Betrieb fertiggestellt, sondern vor Ort von mehreren auf Montage geschickten Mitarbeitern im jeweiligen Weinkeller zusammengebaut. Allen bei Pauscha hergestellten Fässern, groß oder klein, ist aber gemein, dass sie aus Weinviertler oder ungarischer Eiche gefertigt werden: „Es ist nicht so, dass französische Eichen irgendwas ganz anderes können. Wichtig ist eine feine Porung, weil je feinporiger, desto langsamer und eleganter reift der Wein. Und da bin ich mit dem Weinviertler Holz komplett zufrieden.“

Gemeinsam haben sie aber auch, dass sie, wie man es sich vorstellt, ausschließlich aus Eichenholz, einem Hauch Schilf und den darumgelegten Stahlreifen bestehen und in klassischer, ja geradezu ­Servus TV-tauglicher Handarbeit gefertigt worden sind. Und egal, wie sich der österreichische Weinstil in Zukunft entwickeln wird: Das darf dann ruhig so bleiben.

Fassbinderei Klaus Pauscha
Lagerstraße 2, 9400 Wolfsberg
Tel.: 04352/304 56
www.pauscha-partner.at