ElBulli als Museum

Zwölf Jahre tüftelte Ferran Adrià an Dingen, die die Welt noch nicht gesehen hat. Oft wurde berichtet, noch mehr spekuliert. Seit kurzer Zeit ist elBulli1846 geöffnet, ein Museum, in dem es laut Adrià Wissen zum Essen gibt.

Foto von El Bulli1846/Pepo Segura
Text von Nina Wessely

Hätte Escoffier eines gehabt, auch er wäre hingegangen, versichert Ferran Adrià, der Koch, der knapp 100 Jahre nach dem berühmten Franzosen die Gastronomie revolutionierte. Aber es ist nun einmal Ferran Adrià, der als erster Koch der Welt sein Restaurant, und seine ganze wilde Denkblase innerhalb der elBulli-Stiftung gleich mit, in ein Museum transformiert. Er setzt seinem Restaurant auf 4.000 Quadratmetern Fläche ein Denkmal, zu einer Investitionssumme von elf Millionen Euro. Und zwar an demselben Ort an der Cala Montjoi, an dem sich das gleich vier Mal zum besten Restaurant der Welt gekürte elBulli befand. Das Restaurant ist, abgesehen von In­stallationen, Skulpturen und anderweitig aufbereiteten Erinnerungen, Teil des Museums, originalgetreu im Detail aufgebaut und eingedeckt.

Keine Nostalgie, nur Pragmatismus.
Während sich so mancher vorstellt, wie der im Jahr 2011 49-jährige Ferran Adrià zur endgültigen Sperrstunde des Restaurants weiße Leintücher über das Mobiliar breitet und noch einmal liebevoll über den massigen schwarzen Stierkopf am Küchenpass streicht, sagt der heutige Adrià mit 61 Jahren: „Wir sind pragmatisch. Wir hatten auch während der Zeiten, als das elBulli noch ein Restaurant war, monatelang für innovative Prozesse geschlossen. Außerdem hatten wir nie vor, ein Museum zu eröffnen.“ Dennoch bereitet die bevorstehende Eröffnung dem Koch sichtlich Freude. Er wirkt milde, gelassen, ja sogar de­mütig, all das, was sein Baby elBulli ausmacht, endlich mit der Welt zu teilen.

Die Gäste stören.
Schon lange – zwölf Jahre –, bevor sein Schüler René Redzepi (der 2000 mit Massimo Bottura und Grant Achatz in der elBulli-­Küche stand) verkündete: „Das Noma muss schließen, um Noma zu bleiben“, sagte Ferran Adrià dasselbe über das elBulli. Schon damals sorgte er mit seinem Statement für Aufsehen, die Gäste und der bestehende Restaurantbetrieb würden ihn und sein Team beim Kreieren stören. Nun ja, die ikonische Olivensphäre saß nun wirklich. Da war kein kreativer Spielraum mehr. Um diesen zu schaffen, gingen Adrià und sein Team den Weg der Stiftung. Die elBullifoundation gründeten er und sein Geschäftspartner Juli Soler im Jahr 2013. Mit ihr fiel auch der Startschuss für die Bullipedia, eine Enzyklopädie der Gastronomie, und Sapiens, ein System des innovativen Lernens.

Die einen kochen, die anderen kuratieren.
In den Jahren nach der Restaurantschließung brachten die Ausstellungen zu Ferran Adrià und elBulli einen derartigen Zuspruch (900.000 Besucher bei der Ausstellung 2013 im Sant Pau, Barcelona), dass 2017 schließlich der Spatenstich in Roses, zwei Stunden von Barcelona entfernt, erfolgte: Das elBulli soll ein Museum werden.

Nicht einmal eine Cafeteria.
Ferran Adrià bleibt dabei seinem Grundsatz treu, er werde nie wieder ein Restaurant eröffnen. Wasser, das ist das kulinarische Angebot im Museum. Dafür gibt es das, was sich in den Köpfen der vielen Menschen tat, die im elBulli kochten, jetzt für alle und zum Preis von 27,50 Euro zum Nachverkosten.
Im Schnitt solle man bei einem Besuch in etwa zweieinhalb Stunden Zeit einplanen. Adrià: „Der eine ist vielleicht in einer Stunde durch, ein anderer wird in sieben Stunden nicht fertig“, lächelt der Mann, der einst das Titelblatt der New York Times und 511 weiterer bedeutender Magazine zierte. Der Koch, der mit seiner Kochkunst zur Documenta nach Kassel und zu einem temporären Lehrstuhl an der Universität von Harvard gelangte, der sich jahrelang von Gastro-Kongressen fernhielt und sich nur mit denjenigen unterhielt, von denen er sich verstanden fühlte. Und das waren wenige. Nun will Adrià, dass alle verstehen. Dafür hat er mit dem Verkauf des ehemaligen Weinkellers des elBulli, der immerhin 1,8 Millionen Euro einbrachte, und unter den Flügeln seiner Business Angel ein Museum finanziert.

Bus, Baby.
Der Bau an sich und die Erreichbarkeit der Anlage mit Blick auf das offene Meer sorgten während der sieben Jahre Bau- und Planzeit immer wieder für Aufsehen. Adrià: „Cap de Creus ist ein Nationalpark. Wir wollten ursprünglich noch größer werden, ­haben es dann aber aufgrund der vielen Gegenstimmen gelassen. Wir wollen mit dem Museum Wissen vermitteln und nicht aufregen.“ Von der Zughaltestelle im 20.000-Seelen-Städtchen Roses fährt während der Öffnungsmonate ein Bus zum Museum. Die Busfahrt ist im Ticketpreis inkludiert. Gerechnet wird in der ersten Saison mit etwa 36 Besuchern pro halber Stunde. Wobei das ­elBulli sich nicht nur an Menschen aus der Gastronomie richtet. „Wir richten uns an Leute, die an Innovation interessiert sind. Und sie alle werden am Ende der Ausstellung sehen, dass das alles komplexer ist als gedacht.“ Es gilt das gleiche Ziel wie vor zwölf Jahren: „Wir wollen zum Nachdenken anregen.“

Damit die Museumsgäste innovative Prozesse nicht stören, wird ein ähnlicher Rhythmus wie vor zwölf Jahren an der Cala Montjoi beibehalten. Das Museum hat 2023 von 15. Juni bis 16. September geöffnet. Der Rest ist für Innovation innerhalb der Jüngerschaft reserviert. 2023 wird ein Mal eröffnet, kreative Kaderschmiede und weitere Projekte passieren dann ab 2024 hinter verschlossenen Museumstüren. Wobei an allem, nur bestimmt an keiner Wiedergeburt eines Restaurants gearbeitet wird. Das Chiringuito, also die kleine Bar in unmittelbarer Nähe, dürfte das freuen. Oder mit ungeheurer Angst erfüllen. Kleiner Strohhalm zum Festhalten: die Olivensphäre geht immer.

elbullifoundation.com/elbulli1846,
tickets.elbulli1846.com

Ferran Adrià
© El Bulli1846/Pepo Segura
© El Bulli1846/Pepo Segura
© El Bulli1846/Pepo Segura
© El Bulli1846/Pepo Segura