Fischers Fritz

Fritz Karl dreht und dreht und dreht. In der ersten Liga des deutschen Fernsehfilms. Scheinbar lässig, unverbissen, erdig. Als Fischer, Koch und Esser ist der Wirtssohn aus Traunkirchen ein Verfechter des lustvollen Experiments. Wenn er sich nicht ebenso genießerisch von den heimischen Traditionen überwältigen lässt.

Fischers Fritz

Text von Ro Raftl Fotos: Peter M. Mayr
Die Wolken fliegen dramatisch, es nebelt, tröpfelt, schnürlt und der Traunstein zeigt sein Gesicht nur verschleiert im Dunst. Unscharf erkennt man das Profil des liegenden Kaisers Franz Joseph mit Backenbart und einer Warze auf der Nase. Die Warze ist eine Hütte. Das sieht man, wenn man oben steht. Den schönsten Blick auf den Berg aber hat man von den Wiesen und Almen über Altmünster und Traunkirchen. Bei klarem Wetter. Den Wanderern auf der Hochsteinalm geht die Sonne trotzdem auf. Beim Blick auf den Nebentisch: Fritz Karl, weithin bekannt aus Film und Fernsehen, sticht in den Knödel zum Gulasch vom Hochlandrind. Ein Sohn des Landes, der es bis auf den roten Teppich deutscher Filmfestspiele geschafft hat. Die Karobehemdeten fassen Mut: "Wir ham dich gekannt, als du noch ganz klein warst." Ein Hochlandrind stampft im offenen Gehege, während die Wirtin die Pofesen aufträgt: zwei Weißbrotscheiben in Most getunkt, mit Powidl gefüllt, in Eierteig gewendet, in Schweineschmalz herausgebacken, mit Staubzucker gepudert. Eine deftige Traunsee-Spezialität, die Elena Uhlig, Fritz Karls deutsche Kollegin aus Film und Fernsehen, ungeachtet hoher Kalorienzahlen unter ihren Lieblingsspeisen listet.
Die attraktive 33-Jährige ist die Mutter von Emil, elf Monate alt, Karls viertem Kind, und pendelt mit ihm zwischen Wien, München und Traunkirchen.
Pofesen-Essen auf der Hochsteinalm hat rituellen Charakter. Vor allem im Winter beim "Schlitteln" – korrekt: "nach dem Almaufstieg mit der Rodel". Was nie ohne nostalgisches Erinnern an die Weltklasse-Pofesen-Pilgerstätte "Antenoasch" in Ebensee abgeht: ein uriger Bauernhof, wo der Sympathiefaktor der Gäste bestimmte, ob sich die Bauersleute in die Küche stellten. Aus der sie manchmal für Stunden im Stall verschwanden, weil die Kühe gemolken werden mussten. Das war einmal. Wie diese satten (weil ungedüngten) Blumenwiesen aus Fritzis Kindheit, auf denen der Sauerampfer für Suppe und Salat büschelweise aufschoss.
Der kleine Fritz ist mit Kochen, Essen und Trinken aufgewachsen. Unterhalb der Hochsteinalm liegt der Mühlbachberg, wo sein Vater, der große Fritz – alt kann man nicht sagen, er ist erst 63 – das Gasthaus und die Samstags-Disco "Berghof" betrieb. Zur Blütezeit des deutschen Tourismus in den Siebzigerjahren mit einer Speisekarte, auf der Wiener Schnitzel, Hirtenspieß und Ra?zni´ci gerne vom Gast gesehen wurden. Nach der touristischen Entdeckung des Mittelmeers perfektionierte Mutter Monika ihre Kunst bei Spitzenköchen, der "Berghof" wurde umgebaut, elegant und zum kulinarischen Geheimtipp. Allein die Terrasse und der Traunsteinblick waren ihr Geld wert. Auch vorbei. Der Vater, gelernter Sommelier, ist als Weinhändler unterwegs. Der Sohn holt sich den Berg durch eine weite Glasfront in den ausgebauten Dachboden, entspannt dort vom Filmstress. Als 13-, 14-Jähriger hat er beim Servieren geholfen, Wirt werden wollte er nie: "Gastronomie ist beinhart. Wenn wir Kinder Ferien hatten, war am ,Berghof‘ Hochsaison." Außerdem hat ihn die Mutter kategorisch aus der Küche verbannt.
Erst in Wien, als Fritzi nach dem Internat der Sängerknaben ins Reinhardtseminar schnupperte – "Ich wurde aus disziplinären Gründen gestanzt, war viel zu jung" –, stellte er sich an den Herd: "Man muss einfach anfangen. Keine Angst davor haben. Man lernt aus den Fehlern." Zusatz: "Natürlich wusste ich, wie’s funktioniert." Das handgeschriebene Kochbuch seiner Mutter mit Rezepten aus der "gehobenen Küche" kam erst später zum Einsatz. Als Fritz Karl im Engagement am Theater in der Josefstadt Erwin Steinhauer kennenlernte und eine Weile täglich sah, da die beiden mit "Purzl" Klingohr Österreichs erste Sitcom Der Weißentaler produzierten. Eine Seelen- und Gourmetfreundschaft, die ihren genussvollsten Ausdruck um die Silvesterzeit fand: Einen Tag wurde eingekauft, drei Tage gekocht. Und wie! Lammsulz in Kernöl, Hühnerterrinen und die legendäre Weinschaumsuppe, die vor der Vollendung 72 Stunden ziehen muss. Ansonsten gab’s einmal im Monat ein mehrgängiges Essen für Kollegen, zehn bis 15 Leute, fast als Jour fixe. Fritz brachte viele Grundprodukte aus dem Oberösterreichischen mit: Das Schaffleisch von den Eltern, das Wild von der Großmutter, einer leidenschaftlichen Jägerin, und den Fisch sowieso. Fischten der große und der kleine Fritz im familieneigenen Eisbach bei Vöcklabruck, pflegt der 40-jährige kleine Fritz seine Leidenschaft längst an der Pielach – selten genug, denn er dreht fünf Filme und mehr pro Jahr.
Er nimmt nur die Fische, die er wirklich isst, und das sind meist Forellen, Äschen und Huchen. Die Forellen werden geräuchert. Was Karl sogar in Wien versucht: "Ich habe eine kleine Räucherbox, speziell für den Fliegenfischer, die mit Rechaudwärmern funktioniert. Sie steht in der Küche am Fensterbrett, aber trotzdem stinkt die ganze Wohnung eine Woche lang.
Besucher fragen regelmäßig, ob’s bei mir gebrannt hat." Ein Stück Fisch versöhnt sie: Die Forelle liegt über Nacht in einer Salzlauge, bevor sie abgewaschen und geräuchert wird. In Buchenspänen, Wacholder und mehr – das Mehr allerdings gehört zum Geheimschatz des Räuchermeisters. Dafür verrät er, dass Äschen mitsamt den Schuppen in einer Paste aus Meersalz und Eiklar gewälzt, 30 bis 40 Minuten auf 180 °C im Rohr gebraten, ihren typischen Thymiangeschmack entwickeln. Nicht umsonst heißt der Fisch lateinisch Thymallus Thymallus. Mit verschmitztem Grinsen tritt Fritz Karl als Anwalt des "zu Unrecht verschmähten Döbl oder Aitl, eines Laichräubers mit hoher Population in heimischen Gewässern" auf: "Er hat viele feine Gräten – und nur wenige wissen, dass man ihn schröpfen muss. Schneidet man ihn ,derquer‘ fein ein und brät ihn, vergaren die Gräten und man bekommt ein wunderbar festes Fleisch, das leicht nussig auf der Zunge zergeht."
Nebst der Tradition liebt der Schauspieler das Experiment. Versuche, Rezepte aus dem 17. Jahrhundert nachzukochen – etwa Karpfenwurst, für die er eine Odyssee zur Schweinsdarm-Auffindung absolvierte –, kamen bei den Gästen aber nicht so gut an: eine Wurst, die nach Fisch schmeckt, igitt! Auch der Hautgout lange abgehangenen Wildes, wie vor Jahrhunderten gepriesen, wurde nicht goutiert. Ach, aber die Herd-Orgien für die Freunde finden ohnehin nur noch selten statt. Fritz Karl ist froh, wenn er regelmäßige Essen im Familienkreis hinkriegt. Da gibt er bisweilen sogar den Löffel ab: "Meine großen Kinder – 20, 18 und 14 – kochen auch schon sehr gut." Zum Feiern wird Rotwein getrunken, etwa ein Rivetti von La Spinetta aus dem Piemont. Untertags ist er mit Apfelsaft gespritzt zufrieden.
Die Reisen zu Filmschauplätzen stillen seine sinnliche Neugier auf alle erdenklichen Getränke, Gewürze, Geschmäcker. Als er für die Abenteuer- und Liebeshistorie Platinum ein Dreivierteljahr in Südafrika verbrachte, probierte er Impala, Springbock, Strauß, Krokodil und diese Maden, die getrocknet wie Chips (höflich) beziehungsweise Fischfutter (weniger höflich) schmecken. Der Koch, der täglich durch die Wiese robbte, um "very, very good" posaunend mit einer Hand voll fetter dunkler Maden zurückzukehren, hielt sie süß-säuerlich zubereitet für das ultimative kulinarische Erlebnis. Karl ist eher geneigt, die Wan-Tan- und Dim-Sum-Kocherei im Wohnwagen der Shaolin-Mönche vor einem Charity-Auftritt für den "Zirkus Krone" als Höhepunkt zu werten: "Die Fenster waren dunstbeschlagen und die Gerüche nach Knoblauch und Soja hungertreibend delikat. Natürlich pitzelte er die Garnelen- und die Schweinefleischvariante zu Hause nach: "Eine Heidenarbeit. Und nicht billig!" Bis er auf die Asia-Stores an der Rechten Wienzeile stieß, wo es all diese Wan Tan und Dim Sum in ordentlicher Qualität auch tiefgefroren gibt. Gratis dazu die lustvolle Entdeckung geheimnisvoller Gewürznoten, rätselhafter Dosenmischungen, getrockneter und lebender Fischarten in kleinen Aquarien ganz hinten im Laden. Nur der indischen Küche kann Fritz nichts abgewinnen: "Zu viele Aromen, zu starke Gewürze. Ich hab’s gern puristisch. Den typischen Eigengeschmack, egal ob bei Fisch, Fleisch oder Gemüse."
In Kappeln am Ostseefjord Schlei lebte er diese Neigung richtig aus. Elena drehte, er passte auf Emil auf und gab sich den geräucherten Aal und die "Maischolle satt". Das heißt, so viel man will, bis man nicht mehr kann. Er sagt, es zahlt sich aus, "weil es sich um die wirkliche Maischolle handelt, klein, zart, frisch – und nicht um die aufgetaute, weil gerade Mai ist." Zumindest so viel Spaß hatte er an dem Plakat der größten Räucherei vor Ort: "Sage Kappen nie Adieu ohne einen Aal von Föö."
Momentan bereitet er am Achensee unter Regie von Xaver Schwarzenberger eine Filmsatire über den Problembären Bruno auf, da herrscht kein Mangel an guten Gasthäusern. Aber wenn er im Herbst Die Krupps in Deutschland dreht, weiß Fritz Karl, was er mitzubringen hat: frischen Traunkirchner Schafskäse, direkt vom Bauern geholt. Und den Zirbenschnaps mit den zarten Vanilletönen, um den richtige Fehden entbrennen, weil die Zirbe so selten und außerdem geschützt ist. Ein heißes Thema. Das sich am Stammtisch noch zuspitzen kann, wenn’s darum geht, wer in diesem Jahr den "bessernen" Zirbenen angesetzt hat.