Gastgeben im kleinen Finger

Die Kulissen wechseln zwischen Wien, Wörthersee, Deutschland und Spanien. Die Szenerie bleibt die gleiche: Bettina Steigenberger schnipselt Gemüse wie vom Computer designt. Für Gäste zu kochen, ist ihre Leidenschaft, seit sie mit fünf den Puppenherd ihrer Schwestern erbte.

Gastgeben im kleinen Finger

Text von Ro Raftl Fotos: Peter M. Mayr
Wenn der Volksmund Recht hat mit dem Uralt-Sager "Liebe geht durch den Magen", muss Tennis-Manager Ronnie Leitgeb der verliebteste Mann dieses Planeten sein: Bettina Steigenberger, seine Zukünftige, hat das Einkaufen, Kochen, Dekorieren, Servieren im kleinen Finger wie Nährmutter Erde. Obwohl sie eine moderne Prinzessin ist, ein Golden Girl, das mit ihrer Mutter Anne-Marie Steigenberger und den Schwestern Christine und Claudia eine internationale Hotelkette verwaltet. Was Opa Albert 1930 in Baden-Baden mit dem Erwerb des "Europäischen Hofs" begann, blüht schöner denn je: Mehr als 80 Spitzenhotels gehören zur Steigenberger Group. 1985 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, doch den überwiegenden Anteil von 99,6 Prozent hält nach wie vor die Familie.
Bettina, Küchenfee aus Leidenschaft, hält das Hackmesser wie einen Zauberstab. Frisch, zart, anmutig. Wenn sie Gemüse schneidet, sieht es aus wie vom Computer designt. Keine linkische Patzerei, kein gehetztes Ächzen. Sie hat’s im kleinen Finger. Seit sie fünf ist. Da erbte sie von den Schwestern einen elektrischen Puppenherd, mit dem man richtig kochen konnte. Worauf sie Fleisch fitzelte, Karotten schnipselte, Kartoffeln schälte und jeden Sonntag ein Familienmitglied zum Mittagsmahl verdonnerte. Denn am Sonntag gab’s bei Steigenbergers Brunch: Vater Egon stand früh mit den Kindern auf, ging mit ihnen zur Kirche, weckte erst danach die Mutter, die sich an den gedeckten Tisch setzte, während der Vater die einzige Speise zubereitete, die er zu kochen gewillt war: Rührei. Um sechs wurde zu Abend gegessen. Bettina füllte die Lücke mit einem Imbiss vom Puppenherd: "Als ich zwanzig war, zog ich in meine erste eigene Wohnung – und hab für Freunde gekocht."
Kurse? Bei berühmten Sterneköchen? "Nie. Einmal haben mir Freunde einen Kurs bei einem völlig Unbekannten geschenkt, wo jeder einen Gang erzeugen musste. Es war sehr lustig, aber nicht mehr." Sie spürt den Küchengeheimnissen solistisch nach, mit allen Sinnen. Genießt es, zu essen, aber fast lieber steht sie noch am Herd. Wie sie Kochbücher liebt, "um sie anzuschauen, zu lesen, mich inspirieren zu lassen", aber nicht, um nach Rezept zu kochen. Ihr Vater, der sich nur zum Eierrühren über die Pfanne beugte, hat eine komplette Bibliothek gesammelt: "Du suchst was übers Backen und findest drei Regale voll."
Backen ist ein Sonderkapitel für die Hotelerbin: "Süßes und Nachspeisen kann ich nicht! Drum brauch ich für ein rundes Essen immer eine Küchenhilfe." In Wien ist’s seit vielen Jahren ihr bester platonischer Freund, Juwelier Henri Sillam. Obwohl er seit kurzem ein wenig eifersuchtgeplagt ist. Bettina nämlich stöhnt verzückt, Margareta Leitgeb, die Schwiegermutter in spe, backe die besten Torten der Welt: "Ich bin in schwere Abhängigkeit von ihrer Maroni-Torte geraten. Neulich hat sie mir eine mitgegeben. Ronnie, der zwei Tage geschäftlich unterwegs war, fragte beim Heimkommen: Krieg ich noch ein Stückerl? Mein Freund, du träumst", erklärte die Verlobte cool.
Henri Sillam trägt die Konkurrenz mit Haltung. Ihm bleibt immer die Esslinggasse in Wien I. Dort wohnte Fräulein Steigenberger vor Jahr und Tag. Dort kamen sie an einem faden Wochenende auf die Idee, miteinander zu kochen. Ein Ritual, das sich (bis jetzt) einmal im Monat wiederholt: "Wir schlendern über den Markt, wo wir an Gemüse und Früchten riechen und drücken, entscheiden, was unsere Mägen reizt, wählen die Weine, decken den Tisch." Die sinnig-witzige Tischdekoration, passend zum Essen und zur Jahreszeit, sei Bettina ganz wichtig: Großzügig verteilt sie Gummibärli, Nüsse, Früchte, kitschige Quietschpupperln oder Schokoschirmchen über die Tafel.
Der Juwelier schwelgt in Erinnerungen: "In der Esslinggasse hat Bettina jede Woche für das Gelage einer ganzen Kompanie gekocht, ohne zu wissen, ob jemand an der Tür läuten wird. Doch es war immer berstend voll und zum Schluss wurden noch die Töpfe ausgekratzt." Träumerisch leckt er sich die Lippen, wenn er an ihr "Ossobuco" denkt – "sie sagt natürlich Ochsenschlepp dazu" – jedenfalls an diesen Schmortopf mit Wurzelgemüse und Rotwein. "Einen Tag muss er köcheln, am nächsten wird er erst serviert", doziert die deutsche Neigungsösterreicherin, nippt am rosa Champagner, einem Billecart-Salmon, den der Juwelier als Küchengetränk für comme il faut befunden hat. Geschmortes mag sie, Lammschulter beispielsweise. Gestern hat sie Ronnie einen ausgelösten Lammrücken mit Maroni-Rotwein-Sauce serviert, der auch ganz köstlich war: "Mit Knoblauch einreiben, ganz kurz anbraten und dann in Alufolie im Rohr bei hundert Grad fünf Minuten rasten lassen. Dann ziehen die Säfte von außen nach innen, er ist rosa, aber nicht mehr rot. Gesalzen wird erst beim Herausnehmen!" Und die Sauce? "Eine rote Zwiebel und Knoblauch leicht glasig in Olivenöl anrösten, ein bisschen Zucker, mit Rotwein ablöschen und die Maroni (geschälte aus dem Glas) dazugeben. Einmal leicht aufkochen lassen. Zum Schluss natürlich Butterflocken!"
Sie klagt ein wenig. Ihre Ärztin, von der sie sich nach den Prinzipien östlich-chinesischer Medizin durchchecken ließ, hat ihr gepredigt: "Nichts Scharfes, nur Mildes. Kein Lamm-Ziegen-Hammelfleisch, keinen Chili, keinen Rotwein!" Die 43-Jährige lacht: "Ich bin zu heiß". Und schwört, dass sie sich am Riemen reißt, nur noch selten Lamm isst und Bordeaux nur an hohen Feiertagen trinkt.
Sillams Stichwort: Zu ihrem Geburtstag im Mai hat er eine kleine Reise mit engsten Freunden ins Bordeaux organisiert. Zu den berühmtesten Weingütern der Erde, nach Pauillac ins Château Mouton-Rothschild und ins Schwesterngut Lafite-Rothschild. Ehrfurchtsvoll schildern die Wallfahrer, dass es was Andächtiges, ja Sakrales habe, in diese dunklen Keller hinunterzusteigen: "Nur mit Kerzen beleuchtet und mit Raritäten aus mehreren Jahrhunderten bestückt.
Seltsamerweise spricht man leise, als wollte man die Weine nicht erschrecken. Doch im Oktogon bei Lafite geben sie Kammerkonzerte, weil die Akustik da unten so toll ist." Klar, die Moutons und Lafites habe sie trotz aller chinesisch-medizinischer Vorschriften verkostet, gesteht Steigenberger. Eine Sünde, es nicht zu tun, und schließlich hatte sie Geburtstag.
Ihre Hochzeit mit Leitgeb, im Juli am Wörthersee, soll drei Tage gefeiert werden. Überraschungen aller Art sind zu erwarten. Denn sie ist nun mal eine sehr reiche Frau, auch wenn sie’s nie raushängen lässt. Das fände sie absolut vulgär. Umso mehr, als die Steigenberger-Schwestern zum Arbeiten erzogen wurden. Ja, sie bewohnt seit längerem eine Villa in Währing. Ja, sie ist eine Gastgeberin von Graden. Das sagt nicht nur ihr Freund Sillam. Aber sie sagt, dass ihre Feste private Feste seien. Logisch, dass sie sich jedes Mal etwas Besonderes einfallen lässt: Ein Motto, unter dem Essen, Dresscode, Musik stehen. Denn nach Essen, Trinken und stundenlangem Quatschen wird immer getanzt. Bettina ist eine begeisterte Tänzerin. Was nicht heißt, dass Henri weiter aus der Schule plaudern darf.
Immerhin lässt sie zu, dass er ins Spanische abschweift, zu ihrer Finca im Hinterland von Marbella. Von den sechs Schlafzimmern schwärmt, die immer, wenn sie dort ist, voll besetzt sind. Dass der erste Abstecher vom Flughafen in den Supermarkt des Corte Inglès führt, wo die Einkaufswagen voll beladen werden. Dass täglich zwei Mahlzeiten zelebriert werden: Frühstück und Abendessen. Der erste, der aufsteht, bereitet das Frühstück vor. Meist ist es die Hausfrau selbst. Dann wird in frisch gepressten Säften, milchgeschäumtem Kaffee, Müsli, Wurst- und Käseplatten geschwelgt, als Krönung in Bettinas Avocado-Tomaten-Salat, mariniert mit Zitronensaft und Olivenöl. Klar kochen alle gemeinsam, aber Bettina ist die flinkste, staunt Sillam jedes Mal wieder mit offenem Mund. Sie lacht nur und fragt, was denn dran sein soll, ein Huhn mit Olivenöl, Kartoffeln, Schalotten, Kirschtomaten und einem Zweig Rosmarin ins Rohr zu knallen? Zu leichten Küchengesprächen, korkenziehenden Männern, saftsuchenden Kindern, weißbrotschneidenden Freundinnen. Die Hälfte der Esser bewahre ohnehin Ruhe: sitzt auf der Terrasse und trinkt. Zwanglos. Küchenfees feinster Ferienzauber.