Gemischter Satz

Süß ja. Fett nein. Maggisüchtig und an Luxus-Buffets ein bissl geniert. „Wunderboi“ Gregor Seberg im Widerspruch zum Irrwitz unserer wundervollen Welt. „Bist du deppert“, was ihm alles einfällt, seit er seine Fantasie frei spielen lässt. Nur der Lieblingsgeruch bleibt konstant: Zwiebeln in Olivenöl.

Text von Ro Raftl · Fotos von Christof Wagner

Brokkoli? Sehr gesund natürlich, nur nicht unbedingt der Rohstoff, den man sich zu Gregor Seberg denkt. Schon gar nicht in der Menge, die er auf dem Brunnenmarkt ins Sackl stopft. Doch. „Elliot liebt Brokkoli!“, erklärt der späte Vater glücklich und mit schwer verhaltenem Stolz: „Er isst ihn sogar roh. Vielleicht hat man doch etwas richtig gemacht.“ Der Fotograf desillusioniert ihn ein wenig, sein Sohn hatte das auch, aber war nur eine Phase … Hm.

„Phasen“ sind dem Schauspieler vertraut. „Bei mir klingt gerade die Hascheehörnchenphase langsam ab. Zirka zwei Wochen dauern diese Gelüste, dann ist für eine Weile wieder Ruh.“ Sagt, dass er beim Catering am Set von SOKO Donau so oft lachen musste: „Alle Techniker und Lichtleute sind ja jetzt Gourmets. Die kennen sich aus mit der Haute Cuisine! Einen gemeinsamen Nenner gab es trotzdem: Hascheehörnchen. Na moi, freuten sich alle, geborgen im guten alten Kinderessen.“

Sobald es menschelt – komisch gefühlig skurril absurd –, dann blüht der Hippie in ihm auf. Wenn die Fantasie ins Spiel kommt und G’schichten zu erzählen sind. Große Namen berühmter Marken und Restaurants jovial vor sich herzutragen, interessiert ihn nicht, diesen Seberg, elf Jahre lang als Serien-Oberstleutnant Helmuth Nowak ein Hit auf unseren Fernsehschirmen. Lacht nur: „Jetzt, da ich mehr zu Hause bin, braver geworden, nicht mehr so ein Wildfang, das hat mit dem Baby zu tun, das andere kenn ich eh schon … Jetzt also koche ich oft. Und experimentiere auch gern. Wobei. Jede Mahlzeit beginnt mit Olivenöl und Zwiebeln drin. Und jedes Mal sag ich zu meiner Freundin: Was glaubst du, ist der beste Geruch der Welt? Olivenöl mit Zwiebeln! Richtig. Ich würde sie auch anbraten, ohne weiterzukochen, nur weil ich den Geruch so mag. Das Öl? Na ja, aus einem Zehn-Liter-Kanister aus Griechenland, der nur unter Freunden zu haben ist, doch wenn er leer ist, kauf ich halt eines.“ Namedropping wär ihm einfach peinlich.

Um frisches Obst und Gemüse einzuholen, fährt er gerne aus dem Siebenten auf den Brunnenmarkt. „Meine Freundin ist Vegetarierin.“ Julia heißt sie und ist nicht „vom Bau“. Details spart er aus, privat bleibt privat! Bloß die Begeisterung über Elliot Jack Samuel, achtzehn Monate alt, überwältigt ihn gelegentlich: „Er ist sooo süß! Düst durch die Wohnung und räumt auf. Muss mitkochen, will alles machen. Okay, die Messer musst’ höher hängen.“ Und beim Grießkoch wird ein wesentlicher familiärer Auffassungsunterschied dis­kutiert: Vermischt du Zucker und Kakaopulver ganz und gar mit dem Brei oder beackerst du verschiedene Zonen …?

„Ich bin Zonenbeackerer!“

Ein „Süßer“ auch. Also vom Brunnenmarkt die Thaliastraße hinauf zur Nummer 66, zu Taybat, dem Laden mit den syrischen Süßigkeiten: Baklava, in kleinen Rollen, Nesterln und Würfeln aus Filoteig mit ­Pistazien oder Cashewnüssen gefüllt und mit Zuckersirup übergossen, Grieskuchen, Marzipan, syrischer Kaffee mit Kardamom und noch vieles mehr.

Gemischter Satz. Zu kochen begann Gregor als Student, wie alle. Aber. „Da haben wir einander angerufen und gefragt: Hast du Nudeln? Na, ich hab Ketchup. Das Geld musste für die Basics ausgegeben werden, für Tschicks und Alkohol. Und natürlich für Reclam-Hefteln“ – klar, als Germanistik-Theaterwissenschafts- und Schauspielstudent. „Doch die konnte man sich notfalls auch im G’schäft ausborgen.“ Offen bleibt, wie dieser Satz zu interpretieren ist. In den Achtzigerjahren ging’s ja viel lockerer her.

„Kann man sich die Welt schönreden? Kann man sie sich schönsingen?“, fragt der 51-Jährige in Seberg Off Music, seinem „Abend über das Scheitern“, an dem er Persönliches mit Tagespolitischem von Polizeipferden bis zur Sozialversicherungsreform und – Trommelwirbel! – mit gesellschaftskritischen Songs ausbalanciert. Raustimmiges Röhren als steirischer Verwandter von Tom Waits, ja, das hat er sich gegönnt, nachdem er nach zwölf Staffeln SOKO Donau von Bord gegangen ist: „Weil ich jedes Zimmer in diesem Haus gekannt hab und noch sehen wollte, was dahinter liegt.“ Sich gefragt hat: „Wozu bist du Schauspieler geworden?“ Sohn Elliot war auf dem Weg. Also Vater sein. Beständiges Vorbild. Vom eigenen dachte er bis 16, dass er tot sei. Also vielleicht eine Art Midlife-Schub oder so. Entfesselte Fantasien. Die Kabarettbühne jedenfalls der richtige Platz, um Staunen, Mitgefühl, Entsetzen und Wut humorvoll hintersinnig auszudrücken. Mit Wunderboi, seinem neuesten Programm über den Irrwitz unserer wundervollen Welt, ist GS gerade auf Tour.

Klar hätten die Kollegen zu seinem Ausstieg gesagt: „Du bist komplett wahnsinnig. Der Erfolg! Die Popularität! Die Sicherheit!“ Doch. Ein melodischer Bass ist wie ein Ass im Ärmel. Als Werbestimme höchstgefragt, hat Seberg zuletzt das hellblaue Rennauto Carl Weathers für Disneys
Trickfilm-Abenteuer Cars 3 – Evolution lebendig ­gemacht. Nicht vergebens als zwangsübersiedelter Steirer seine Teenagerjahre lang an der Zweitsprache Hochdeutsch gefeilt. Also Freiheit.

Steirer im Steirerstöckl in Pötzleinsdorf. Sie können so tun, als wären sie unter sich. Na ja. Winterweiß statt Grün, Jagdhornbläser zum Auftakt einer Firmen­feier, alteingesessene Noble aus dem Neunzehnten. Niki Lauda ist das Reisfleisch vom Waldschwein mit Grana auf der Speisekarte gewidmet. Doch. Es gibt Schneenockerln mit Vanillesauce. Den himmlischen Sonntagsnachtisch von Gregor Sebergs Oma aus Graz. Damals genügten Eiklar, (Vanille-)Zucker und Milch. Jetzt. Arbeitet Köchin Nina aus Kiew, die Wirtschaft studiert und einen Modekonzern geleitet hat, bevor sie im Steirerstöckl ge­landet ist, selbstverständlich mit Schlagobers und feinsten Vanilleschoten. Ihre Nockerln türmen sich mit „kühnen Spitzeln wie das Matterhorn …“ Sebergs Fantasie schlägt Purzelbäume, während er sich im süßen Schnee eingräbt, bis der an seinem ­Nasenspitzl pickt. Ein Freund hat ihn ins Steirerstöckl eingeführt, Michael Fuhs, mit großen Erfolgen in der Kommunikationsbranche, der es, wie GS, auch noch einmal anders wissen wollte – darunter als Bassist der vierköpfigen Band hinter Seberg Off Music. Ja ja, und natürlich kommt der Michi vorbei, zum fruchtig-frischen Gemischten Satz, zur Jausen­platte mit Speck, Verhackertem, Pastete vom Wildschwein und dem steirischen Wurzelfleisch, das Gregor an Omas Kochkunst erinnert.

Als „frühreife Rotzpipn“ wuchs er mit seiner vier Jahre älteren Schwester in der Grazer Triestersiedlung bei den Großeltern auf. „Meine Mutter war sehr jung, als sie uns bekommen hat, 16 und 20, zu jung wahrscheinlich. Und mein Vater hat sich bald verabschiedet.“

Viel war zu lernen über Liebe, Luft und Zeit zum Leben. Irgendwann wurde Gregor „Vizebandenchef“. Mit der besten Freundin der Schwester musste der Siebenjährige in der Waschküche schmusen üben. „Damit sie’s richtig gut kann, wenn sie der Ruf ereilt. Ja, und den Uropa hab ich nur in Schwarzweiß gesehen, logisch, wie auf den alten Fotos. Vor 1900 geboren, logisch, der hat noch Dinosaurier erlebt.“ Abgesehen davon, spendierte er Gefrorenes – wenn der Eismann mit dem Pferdewagen, klingelingling, die Siedlungskinder herausglöckelte. „Eine Sensation! Die Oma hat nur Himbeersaft in Plastikbechern eingefroren.“

Eine starke, dominante Frau und ein Wunder am Herd. Klammer: „Alle Omas kochen gut, aber eine aus der Hauswirtschaftsschule natürlich ganz besonders.“ Lacht: „Arme-Leute-Essen. Jaaa, die Flecksuppen. Kutteln, bloß nicht die feinen zarten, die man aus italienischen und spanischen Gourmetrestaurants kennt. Dicke Stränge, pures Gummi. Doch da der Opa immer Wettessen mit mir gespielt hat, wollte ich jedes gewinnen. Auch am Sonntag, wenn es viele ­Salate gab. Da hieß das Spiel: Wer kriegt das Herzerl? Man durfte es aber nicht suchen. Es musste zu dir kommen. Glaub, ich hab nur deshalb Salat gegessen.

Hochruckenbana, die hab ich geliebt. Muss was Billiges gewesen sein. Markbein und ganz dünne Knochen dran, mit feinen Rindfleischfieseln. Meine Großmutter und meine Schwester aßen das Mark auf geröstetem Brot – doch dazu hättest mich anketten müssen. Ach, und der Sterz. Ich mocht ihn mit Grammeln und schwer überzuckertem Kathreinerkaffee. Meine Schwester, die Perverse, aß ihn mit Sauerrahm. Brrrr! Wie ich Eintropfsuppe nur unter Folter essen würde. Dieser Eierstich in der Suppe hat mir immer wie Gestorbenes ausgeschaut, wie Gespenster, denen das Flanellnachthemd nachweht.“

Ja moi, man merkt, dass Gregor grad an einem grausig-lustigen Märchen werkt, über drei Steirer, die ein Monster jagen. Den Tauernmann. Riesengroß, tonnendick, schwer behaart, zeigt er sich, wenn die Menschen zu gierig werden. Er schaut bissl aus wie der Yeti, und die Monsterjäger sind Laienschauspieler. Ob fürs Internet oder fürs TV, das wird man sehen. Wie den Piloten „über das Böse in der Welt“. Dieser Inhalt muss noch geheim bleiben … Jedenfalls hat Seberg eine Produktionsfirma gegründet. Regie geführt über die Bruno-Gala der Fußballer, so erfolgreich, dass er’s 2019 wieder machen soll. Während er für den ORF auf „kleinen Staatsbesuch“ nach Spanien ging. Ein bewegendes Déjà-vu, denn dort traf er als 16-Jähriger den totgeglaubten Vater und dessen spanische Familie. Später hat er mit Halbbruder Ricardo Ma­drid bei Nacht unsicher gemacht. Der in Phasen wiederkehrende Gusto auf die zahllosen Tapas-Variationen, auf Mandelsuppe und tintig beerig starken spanischen Rotwein ist ihm geblieben. Weinkenner? Gregormäßig: „Wenn man Rotwein gegen’s Licht hält und die Glühbirne durchsieht, ist er nicht gut. Und Weißwein muss nach nix schmecken.“ Ehrlich: „Natürlich gibt es großartige französische Weine. Doch bin ich so maßlos. Mit ein, zwei, drei Achteln um 15 Euro plus ist es bei mir dann nicht getan.“

Da er den Mund voll hat mit Rohnensuppe, pardon, Roter-Rüben-Suppe hochdeutsch, prustet er nur innerlich über all die Sterne­restaurants, in denen das Arme-Leute-Winteressen sündteuer als Carpaccio angeboten wird. Natürlich sind die Menüfolgen dort fantastisch. Und natürlich ist der Schauspieler auf Events eingeladen, bei denen vom Hummerschwänzchen bis zur Kaviar-Kartoffel mit Crème fraîche nix fehlt und jeder in Schampus baden kann. Aber dann. Erinnert er sich an die Kindernothilfe und das „Freunde Schützen Haus“, für die er sich engagiert. Dass zuletzt schon Österreicher um ein Gratis-Packl Zucker kamen. Deshalb. Pflegt er eher das Einfache. Mit großer Lust an der Provokation: „Ich bekenne mich zu Maggi.“ Rufzeichen! „Sammle Flascherln, international, große und kleine – zum Reisemaggitransport wie ein Flachmann für den Schnaps. Nur auf den Tonga-Inseln gab es ­keines. In gehobeneren Restaurants“, sagt er. Genieße nach der Suppen­bestellung den immer gleichen Zauberdialog: „Ham’s a Maggi? Dann kriegst an Blick vom Kellner, überall: Na kosten Sie doch wenigstens einmal! Du outest dich als Barbar: Ich brauch nicht kosten, weil ich weiß ja, dass kein Maggi drin ist.“ Lacht. „Du glaubst nicht, wie viele Restaurants Maggi haben. Manche Leute geben’s sogar in den Salat. Das tu ich nicht. Puristen erklären dir: Dann nimm doch gleich Sojasauce. Doch das ist nicht das Gleiche. Wobei. Es jetzt schon grünes Maggi aus Kräutern gibt. Lobenswert. Doch es fehlt die Romantik: Als Kind hab ich immer gedacht, da sind Augen von toten Kühen drin und zerstampfte Tierknochen. Das war aufregend.“

Spanische Mandelsuppe

Zutaten
3 EL Olivenöl
80 g Weißbrot vom Vortag
200 g geschälte Mandeln
1 Zwiebel
4 Knoblauchzehen
2 rote Paprikaschoten, geputzt,
in Stücke geschnitten
Salz, Pfeffer
½ g Safranfäden
800 g Hühnersuppe
50 g trockener Weißwein
1 EL gehackte Petersilie
½ Zitrone
Mandelblättchen
Petersilie
feine rote Paprikastreifen
Zubereitung:
Die Mandeln in einer Pfanne ohne Öl bei nicht zu starker Hitze unter Rühren hellbraun rösten. Das Weißbrot ent­rinden, würfeln und mit 2 EL Öl unter Rühren goldbraun rösten. Zwiebel
und Knoblauch zerkleinern und mit 1 EL Öl ­zugeben. Paprika, 200 g
Hühnersuppe, geröstete Brotwürfel und Mandeln ­zugeben. Ein wenig Paprika für die Deko beiseitelegen. Restliche Hühnersuppe, Wein, Salz, Pfeffer und Safran­fäden ­zugeben. Safran verrühren. 15 Minuten köcheln lassen. Petersilie pürieren. Suppe mit einem Spritzer ­Zitronensaft abschmecken.
Suppe mit feinen Paprikastreifen, Peter­silie und Mandelblättchen garnieren.

Schneenockerln mit Vanillesauce

Zutaten für 4 Portionen
4 Eiklar
2 EL Kristallzucker
500 ml Milch
250 ml Schlagobers
Mark von ½ Vanilleschote
1 EL Vanillezucker
Eiklar mit Kristallzucker zu festem Schnee schlagen. Milch und Schlagobers mit Vanillemark und Vanillezucker zum Kochen bringen, 5 Minuten reduzieren lassen.
Aus der Schneemasse Nockerln formen, in die kochende Vanillemilch einlegen und 6 Minuten ziehen lassen. Umdrehen. Die Schneenockerln vorsichtig aus der Milch heben und abtropfen lassen.

Vanillesauce
500 ml Milch
50 g Zucker
4 Eidotter
2 EL Vanillepuddingpulver
2 EL Vanillezucker
Die Eidotter mit ein bisschen Milch und Vanillepuddingpulver verrühren. Restliche Milch, Zucker und Vanillezucker aufkochen. Puddingmischung unterrühren, kurz köcheln. Noch warme Schneenockerln mit Vanillesauce servieren.