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Tauben sind auf Mauersimsen häufig, auf ­Österreichs Tellern aber rar. Gerhard Methlagl, der einst das heimische Abfahrtsteam ­massierte, züchtet die Vögel jetzt seit drei ­Jahren – und will ihr Image verbessern.

Text von Florian Holzer · Fotos von Severin Wurnig

Ein verfallener Bauernhof irgendwo in den Hügeln nördlich der südburgenländischen Gemeinde Deutsch Tschantschendorf, dort, wo Anfang und Ende der Ortschaften schon nicht mehr mit Ortstafeln dargestellt werden. Weil die, die hier wohnen, ohnehin wissen, wo Berghäuser, Windischberg, Jackelberg und Punitz anfangen und wieder aufhören. Und wer anderer kommt hier eigentlich nicht her.

Der verfallene Bauernhof wird derzeit von 800 Tauben bewohnt. Jedes ehemalige Schlafzimmer, jeden ehemaligen Stall und natürlich auch den Dachboden hat Gerhard Methlagl zum Taubenschlag gemacht, man erkennt mitunter noch die Tapete an den Wänden, auch der eine oder andere Kasten blieb erhalten. In ihm nisten jetzt Tauben. Ein bizarres Bild. In schwarzen Plastikkübeln, die in Regalen nebeneinander angeordnet wurden, nisten sie auch. Statt der Fenster schützen Drahtgitter die Tauben vor Zugriffen durch Fuchs, Marder und Habicht, statt Balkons gibt’s in der Tauben-Kommune vergitterte Volieren. Flucht sei weniger das Problem, meint Methlagl, die Tiere wüssten schließlich, wo das Futter zu Hause ist, da sei Freiheit zweitrangig. Viel Geflatter, viel Gegurre, aber dennoch ein Eindruck von akkurater Sauberkeit, wie sie einem von anderen Geflügelzuchten sonst eher weniger bekannt ist – und von Tauben-Kolonien in urbanen Hinter­höfen, Mauernischen und auf Fenstersimsen schon gar nicht. „Es darf nicht riechen“, stellt Methlagl klar, und dass er mit Massenzucht wohl nie etwas zu tun haben wollen wird.

Gerhard Methlagl kommt aus Vorarlberg, ist eigentlich gelernter Masseur, hat schon die Muskulaturen des österreichischen Ski-Abfahrtsteams locker geknetet und wollte eigentlich immer schon Bauer werden. Was in Vorarlberg aber halt nahezu unmöglich sei, wenn man nicht schon Bauer ist.

Seit fünf Jahren wohnt er auf einem kleinen Gehöft im Südburgenland, hat dort ein paar Pferde, ein paar Hühner und immer auch schon ein paar Tauben der ein wenig an Pinguine erinnernden Rasse „Lahore“, „nur für die Schönheit gezüchtet“, mit denen er auch bei diversen Wettbewerben teilnahm und 2013 immerhin sogar den Bundesmeister machte.

Als er vor drei Jahren den alten Bauernhof angeboten bekam, hatte er diese Idee. Er recherchierte ein bisschen, um festzustellen, dass es in Österreich keine nennenswerte Taubenzucht gibt. Er telefonierte ein bisschen mit Alain Weißgerber, mit dem „Steirereck“ und mit Richard Rauch, holte sich Feedback und wusste bald: „Aus diesem Bauernhof machen wir ein Taubenhaus.“

Er begann vor drei Jahren mit dreißig Zuchtpaaren, heute hat er 400 und die Kapazität seines Taubenhauses damit ausgeschöpft. Und weil das Geschäft gut läuft, das „Steirereck“ derzeit dreißig Tauben pro Woche nimmt und Alain Weißgerber sechzig bis siebzig braucht, wenn er Taube auf die Karte setzt, Methlagl einstweilen aber nur hundert bis 120 pro Woche liefern kann, soll in ein bis zwei Jahren auf tausend Brutpaare aufgestockt werden. Allerdings nicht in einem zweiten Bauernhof, nein, sondern in Container-artigen Taubenschlägen aus Holz und Drahtgitter, 25 Paare pro Box, sehr viel leichter zu reinigen als ein südburgenländischer Bauernhof, der zweistöckig auf Taubenschlag umgebaut wurde, „dafür brauchen wir zu dritt zwei Tage. Weil es fällt schon ganz schön viel Dreck an“.

Gerhard Methlagl hat sich recht intensiv mit der Taubenzucht beschäftigt, lerne aber immer noch, wie er meint. Dass es die Vögel trocken, sonnig, winkelig, frischluftig und geschützt vor Zugluft lieben, weiß er mittlerweile; dass er mit seiner Futtermischung aus Mais, Ackerbohne und Weizen, das meiste davon biologisch, weit bessere Qualität fährt als die Massenzucht-Mitbewerber aus Frankreich, weiß er ebenfalls. Und dass es in Österreich, wo es für alles und jedes eine Bestimmung gibt, „sogar für das Halten von Alligatoren“, keine Bestimmungen für die Taubenzucht gibt, hat ihn dann doch ein bisschen verwundert. Er hielt sich also an die Empfehlungen der deutschen Zuchtverbände und reduzierte die dort veranschlagte Besatzdichte dramatisch, mit dem Effekt, dass die ­Tiere weniger aggressiv sind und nicht erkranken. Obligatorische Antibiotika-Gaben wie in den französischen Bressetauben-Fabriken mit 30.000 bis 40.000 Brutpaaren, kommen bei ihm nicht in Frage, sollte ein Vogel erkranken, wird exakt dieser Vogel behandelt. Auch nicht uninteressant: Der Taubenzüchter bringt in den Ställen harmlose Bakterienstämme aus, die ­gefährlichen Bakterien wie etwa Salmonellen keinen Platz lassen oder sie verdrängen.

Methlagl entschied sich schon ganz zu Beginn seiner Zucht für die Rasse namens Hubbel, eine amerikanische, „auf Effektivität gezüchtete“ Rasse, massige, eindrucksvolle Fleisch-Tauben. An die 22 Eier legt und bebrütet ein Taubenpaar, mit zehn bis sechzehn Jungtauben kann man nach Abzug der Mortalitätsrate rechnen, zwei Wochen dauert die Bebrütung bis zum Schlupf, vier bis fünf Wochen nach dem Schlupf hat die Jungtaube ihr Schlachtgewicht von 400 bis 500 Gramm erreicht – ältere Tiere werden für die Brut verwendet, essen könne man sie dann kaum mehr, „viel zu zäh“, sagt Methlagl, großartigen Jus könne man aber natürlich immer noch daraus kochen. So wie zum Beispiel Mario Bernatovic im „Kussmaul“. Geschlachtet wird immer erst auf Bestellung, im ehemaligen Badezimmer des Bauern-, jetzt Taubenhofs, stressfrei, blitzschnell und vom Züchter selbst: Kopf ab, ausbluten lassen und dann in die Rupf-Maschine. Natürlich könne man Tauben auch vergasen oder erwürgen – speziell, um die so begehrte „Bluttaube“ (Étouffée) zu bekommen – , „aber das ist in Österreich erstens vom Tierschutzgesetz her nicht möglich, und ich möchte auch nicht Tauben-Nazi genannt werden. Ich kann’s mir leisten, jede Taube in die Hand zu nehmen und persönlich zu schlachten.“

Das hat unlängst übrigens auch eine Delegation aus dem „Steirereck“ probiert, bei der Gelegenheit entdeckte man ein Fettdepot im Tauben-Bauch, das Gerhard Methlagl jetzt neben Magen, Leber und Herz ebenfalls sichert und dem Reitbauer-Team exklusiv als Basis für die Füllung von deren Taubengrammelknödel zukommen lässt.

Der Geschmack und wohl auch die Zartheit des Fleisches seien primär eine Frage der Fütterung, „und da kann ich mich zum Glück von der Masse abheben“, meint Methlagl. Im Sommer kämen dann noch Erde und Gras in die Ställe, „so kann man dann schon ein gutes Produkt rauszüchten“. Und so hofft Gerhard Methlagl auch, das miese Image der Tauben zu verbessern, das ist dem Wahl-Burgenländer sehr wichtig, „früher war die Taube Kranken-Kost, das Fleisch ist bekömmlich, mager und reich an Mineralien, ein Top-Fleisch“. Heute ist es ein Exot und ruft bei vielen Ekel hervor, der Anteil von Taubenfleisch im monatlichen Geflügel-pro Kopf-Verzehr (1,9 Kilo, Platz zwei hinter Schwein mit 2,3 Kilo) ist in Gramm nicht darstellbar, allein im Wiener Straßenverkehr werden wohl etwa hundertmal so viele Tauben getötet wie bei heimischen Masttauben-Züchtern.

Aber das kann sich jetzt ja ändern. Die schönen Lahore-Tauben haben übrigens einen eigenen Stall, Zimmer Nummer zwei. Gerhard Methlagl schlachtet und rupft natürlich auch sie, „viele Federn, wenig Fleisch“, sagt er und lacht.

7535 Deutsch Tschantschendorf 59
Tel.: 0664/381 76 70
www.dertaubenhof.com