Heiligenstein reloaded

Terroirgedanken, handfest umgesetzt. Alwin Jurtschitsch revitalisiert zwei Hektar alte Steinterrassen am Zöbinger Heiligenstein auf ganz traditionelle Art: also Trockenmauern zu 99% mit Steinen vom Heiligenstein selbst.

Heiligenstein reloaded

Text von Michael Pronay Foto: Manfred Klimek
Alwin Jurtschitsch – Sohn von Mastermind Edwin Jurtschitsch neben dessen Brüdern, dem Kellermeister Paul und Karl, Herrn über Marketing und Verkauf – ist überraschenderweise als Juniorchef ins Weingut eingestiegen. "Ich hab nie daran gedacht, in unmittelbarer Zukunft nach Langenlois zu kommen. Ich hab schon in Südamerika Yuccapalmen kultiviert, mein Spinner wurde immer akzeptiert." Doch zuletzt wurde der Druck von daheim größer. "Dabei läuft ohnehin alles großartig, selbst wenn der Herr Papa und Onkel Paul rein rechtlich schon in Pension sind, haben sie doch die Zügel fest in der Hand, das Weingut läuft auf wohlgesetzten Gleisen völlig störungsfrei."
Doch da Alwins Bruder Sepp im August 2007 bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist, wurde bei einer Familiensitzung im Jänner Alwins Einstieg ins Weingut beschlossen. Eigentlich wollte er mit seiner Freundin Stefanie Hasselbach vom Weingut Gunderloch in Montpellier oder Bordeaux studieren und danach noch Burgund und die Champagne sehen. "Und plötzlich sitzt du in Langenlois und wirst vom Gastarbeiter, der immer nur kurz hereinschaut, zum Geschäftsführer. So einen Job, den lernt man aber nicht auf dem Papier, ich möchte mich in Ruhe ein Jahr einarbeiten." Mit welchen Anfangsschwierigkeiten kämpft er? "Na, zum Beispiel, dass ich die Weinwelt in Österreich in den letzten vier Jahren ausschließlich durch Verkostungen auf der ProWein in Düsseldorf mitbekommen habe, und das ist zu wenig. Wenn ich Entscheidungen treffe, dann sollten die fundiert sein, denn ich muss 30 Jahre damit leben."
Ruhe zum Denken, Platz für Eidechsen
Die Rückkehr ist ihm nicht leicht gefallen: "Ich bin ein Mensch, der zuerst verstehen will, wie und warum gewisse Dinge so und nicht anders laufen, und bevor ich das nicht weiß, will ich nicht entscheiden. Natürlich, mein Vater hat seinerzeit auch vieles aus dem Bauch heraus entschieden, aber so einen Bauch hab ich einfach noch nicht." Langsam will er in die Sache hineinwachsen: "Ich brauche meine ‚Platzeln‘ draußen, wo ich in Ruhe nachdenken und Strategien entwickeln kann." Als da wären? "Zum Beispiel die alte Weinhüterhütte am Käferberg, aber auch die uralten Steinterrassen an der Westseite vom Heiligenstein, die sind seit 300 oder 400 Jahren unverändert und seit ewigen Zeiten nicht mehr kultiviert." Da fand er ein paar Rieslingstöcke, die es ihm angetan haben. "Gesehen hab ich das bei Roman Niewodniczanski vom Weingut Van Volxem an der Saar: Der hat in mühseligster Arbeit 120-jährige Rieslingreben wieder auf die Beine gebracht."
Auf diesen uralten Terrassen gab’s einen größeren Fleck mit alter, enger Stockkultur und Trockensteinmauern, die in mühsamer Arbeit wieder aufgerichtet wurden. "In diesen Weingärten wird nie ein Traktor fahren, dazu ist zu wenig Platz." Und, so der bekennende Ökofreak weiter: "Der Wein wird keine Monokultur sein, dazwischen werden wir Pfirsichbäume pflanzen." Wie war das mit den Mauern? "Mit geht’s nicht um die Mauern an sich, sondern um ein intaktes Ökosystem. Die sind ein Reservoir für Nützlinge, weshalb wir in neuen Steinmauern Höhlen für Schlangen, Eidechsen und anderes Kleingetier gelegt haben." Basis ist die biologische Wirtschaftsweise. "Der Rest der Eigenfläche im Weingut wird über kurz oder lang auch bio sein, auch wenn’s nicht groß auf der Flasche stehen wird." Der Weingarten am Heiligenstein wird heuer ausgesetzt, durch Humusbewirtschaftung möchte der Winzer in drei bis vier Jahren von der Bewässerung unabhängig sein. "Wann’s den ersten Wein geben wird, steht in den Sternen. Aber ich erwarte mir pures Heiligenstein-Terroir." Wir auch, geduldig. – Alwin ist das Vorbild.
Alwin Jurtschitsch
Rudolfstraße 39, 3550 Langenlois,
Tel.: 02734/21 16,
www.jurtschitsch.com