Horizonterweiterung

Horizonterweiterung

Andreas Döllerer vom gleichnamigen Restaurant in Golling/Salzburg bereist zwecks Ideenfindung gerne auch weiter entfernte Destinationen.
Text von Christian Grünwald Fotos: Luzia Ellert
Überlegen Sie einmal, was täten Sie, wenn Sie als junger Koch in einem kleinen Ort nahe Salzburg-Stadt leben würden und die drohende Enge der allgemeinen Wahrnehmung auch auf den Teller überzugehen droht? Richtig, raus aus dem Dorf, bei jeder Möglichkeit die Welt besichtigen. Genau das tut Andreas Döllerer seitdem er 16 ist. Damals leistete er sich von seinem Ersparten eine Reise nach London, wo er sämtliche Top-Restaurants besuchte. Heute, mehr als zehn Jahre später, arbeitet der weltoffene Küchenchef immer noch an seiner Horizonterweiterung. Die Reisen darf man sich mehr wie Ausflüge vorstellen. Entweder an einem Tag hin und retour, ein bis zwei Menüs inkludiert.
Manchmal, wenn Tickets nicht verfügbar sind oder der Flugplan zu unpraktisch ist, darf es auch eine Übernachtung sein, was zumeist noch ein zusätzliches Menü in einem weiteren Spitzenrestaurant ergibt.
In Spanien und vor allem in Frankreich liegen die aktuellen Reiseziele. – Köche, bei denen Andreas Döllerer gerne ins Staunen kommt: "Marc Veyrat, Philippe Rochat und Michel Bras. Die modernen Franzosen eben …" Was man von ihnen lernen kann? "Wie nahe man am perfekten Produkt sein muss." Verzweifelt man dann nicht bei der Rückkehr? "Nicht unbedingt, man muss halt Dinge nehmen, die auch wirklich ganz gut sind und nicht nur gut. Der Saibling von meinem Lieferanten ist so gut, dass ein vergleichbarer Fisch auch in Frankreich nicht zu toppen ist. Dann passt alles. Aber mit Meeresfisch tut man sich hier vergleichsweise natürlich schwer. Da kann das Ergebnis nur gut, aber selten außergewöhnlich sein."
Das Konzept, moderne Kreativküche mit mehrheitlich regionalen Zutaten zu verbinden, scheint jedenfalls aufzugehen: "Wir haben neben unseren hiesigen Stammgästen auch viele Feinschmecker von weiter weg gewinnen können."
Eines haben nach Döllerers Überzeugung alle seine Gäste gemeinsam: "Bei mir isst keiner nebenbei zum Business-Talk, hier ist das Essen die Hauptsache."
Vieles hat sich Döllerer selbst erarbeitet, die Basics hat er bei einem der ganz Großen erlernt: "Ein Jahr bei Dieter Müller prägt einen schon." Entsprechend pedantisch-korrekt, aber auch lustvoll-verspielt wirken die Kreationen, die aber stets auf Geschmack und erst in zweiter Linie auf Effekt begründet sind. Was bei Andreas Döllerer besonders auffällt: Alles wirkt bemerkenswert uneitel, darum stört es auch nicht, wenn einem das eine oder andere Detail auf dem Teller von anderswo bekannt vorkommt. Döllerer ist kein Erfinder mit unerschöpflich vielen Eigenpatenten, dafür ist er aber ein genialer Exekutor.
All das funktioniert natürlich auch nur deshalb so gut, weil im Hintergrund die Familie Döllerer perfekt aufgestellt ist. Hermann Döllerer, der Vater von Andreas, kümmert sich seit Jahrzehnten um guten Wein, was sich einerseits in einer der besten Weinkarten Österreichs dokumentiert, aber auch in Extensions wie einem eigenen Weinhandel, einer Enoteca samt Alimentari und etwa 200.000 Flaschen sowie einer eigenen mundgeblasenen Glasserie. Fast Nebensache, dass im altehrwürdigen Haus der Döllerers neben dem Gourmetrestaurant auch noch ein Wirtshausbereich sowie ein frisch renovierter Hotelbetrieb geführt werden. Dazu kommt die Metzgerei von Bruder Raimund, der neben allerlei Spezialitäten vor allem für seine Weißwürste "Die Frischen" legendär ist. Auch hier wird das Know-how gerade schrittweise an die nächste Generation transferiert. Durchaus möglich, dass dann vielleicht auch im Feinkostbereich eine Horizonterweiterung stattfindet, die Golling dann endgültig zum Gourmet-Shoppingparadies machen würde.