Joachim Wissler

Joachim Wissler erhielt die internationale Ehrentrophee 2016.

Text von Christian Grünwald Foto von Kirschgrau

Fragt man Köche nach dem besten Koch Deutschlands, kommt ohne Zögern die überzeugte Antwort „Joachim Wissler“. Als Gast schließt man sich dieser These auch nach intensiver Prüfung gerne an. Wissler ist ein „Meister aller Klassen“, der von der Klassik bis zur Avantgarde das ganze Spektrum der Kochkunst beherrscht. Der 53-Jährige realisiert das in ungewöhnlich aufwendigen, detailreichen und kreativen Gerichten, die darüber hinaus noch eine ganz wesentliche Eigenschaft haben: Sie verstehen zu verblüffen und schmecken einfach exzellent.

Joachim Wissler komponiert hochwertige Zutaten zu Symphonien, die man nicht so schnell vergisst. Sein Kochstil ist dabei mitunter provokativ, modern und kreativ. Technisch wandelt Wissler mit traumtänzerischer Sicherheit zwischen seriöser Klassik und atemberaubender Avantgarde. Die Reduktion auf das Wesentliche macht seine Gerichte so pointiert. Die zum Teil puristischen Aromen werden harmonisiert und arrangiert, aber nie gegeneinander ausgespielt.

Bei der Mehrheit der Speisen spielt die Sauce eine Hauptrolle, bringt neben den einzelnen Grundzutaten eine Geschmackstiefe, die bei aller Intensität trotzdem nie unangenehm schwer wird. Und wenn Joachim Wissler meint, dass etwa im Spätsommer die richtige Zeit für „Reh mit Sellerie“ wäre, dann darf man sich bei aller Popularität der Kombination auf etwas Einzigartiges freuen. Also auf perfekt gebratenes Fleisch von Rücken und Schulter mit einer Sauce und einem Selleriepüree – Einzelkomponenten also, die in ihrer selbstverständlichen Klarheit und Perfektion eine betörende Grandezza ergeben.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof auf der Schwäbischen Alb, absolvierte Joachim Wissler seine Kochlehre in der berühmten Traube Tonbach in Baiersbronn. Seit dem Jahr 2000 ist Joachim Wissler Küchenchef des Restaurants Vendôme im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch-Gladbach nahe der Stadt Köln, wo er seit mehr als zehn Jahren auf drei Michelin-Sterne stolz ist. Es geht dort um die ganz große kulinarische Oper, und das im festlichen Ambiente eines beeindruckenden Schlosses aus dem 18. Jahrhundert. Das Haus ist im Besitz der Althoff-Hotelgruppe, für die Spitzenrestaurants ein wesentlicher Bestandteil des Angebots sind.

Bestechend für den Gast ist, dass im Vendôme einfach nichts dem Zufall überlassen scheint. Wenn Joachim Wissler sein Rindertatar „Vierlanden“ serviert, dann ist das ein Gericht, dem man den dafür nötigen monatelangen Konstruktionsprozess ansieht und anschmeckt. – Es ist auch alles andere als leicht, inmitten der Rindertatar-Inflation nicht nur ein so perfekt abgeschmecktes zu servieren, sondern es dann auch noch mit dem Saucengeschmack von vier deutschen Regionen zu versehen.

Woher manche Einzelkomponenten der Zubereitung tatsächlich stammen, ist in der heutigen globalen Küchenwelt, in der schon allerorts mit Milchhaut, Moos oder Holz gearbeitet wird, oft nicht so leicht festzumachen. Manches davon hat Joachim Wissler zweifelsfrei erfunden: Gänseleber mit Schokolade zum Beispiel. Dem deutschen Gault & Millau ist die Küche 19,5 Punkte wert, Joachim Wissler brachte es aber auch schon in der „The World’s 50 Best Restaurants“-Liste auf Platz zehn. Joachim Wissler ist international der renommierteste deutsche Koch. Darüber hinaus wurde er von seinen nationalen Kochkollegen schon dreimal in Folge zum „Koch der Köche“ gewählt.

Solche Auszeichnungen erlangt man nur im Team: mit einer vielköpfigen Küchenbrigade und Servicecrew, die jedes Detail kennt, jedes Blütenblatt am Teller zu benennen weiß und dazu natürlich auch die richtige Weinempfehlung parat hat. Schön, dass dabei durch den Vendôme-Sommelier auch österreichische Weine ihren würdigen Auftritt haben. Marco Franzelin verkostet und probiert alle Komponenten eines Menüs, ehe er sie mit viel Umsicht kombiniert. Oft sind es Weine, von denen man noch kaum etwas gehört hat, die aber umso besser passen. Kein Wunder, dass die glasweise Weinbegleitung bei den Gästen besonders rege nachgefragt wird. Dass Joachim Wissler lieber in seiner Küche kocht als etwa vor einem großen Publikum im Fernsehen, passt zu seinem bescheidenen Grundcharakter. Die Sehnsucht nach mehr Öffentlichkeit trägt Wissler aber trotzdem in sich. „Ich würde gerne mit einem Restaurantkonzept eine größere Zielgruppe erreichen, als es mit der aktuellen ­Küche möglich ist.“ Wer den konsequenten Joachim Wissler kennt, weiß, dass er es gewohnt ist, selbst gesteckte Ziele eines Tages zu erreichen.