Kaisers Küchen-Codex
Robert Palfrader hat's mit dem Fleisch, selbst wenn seine Frau vorzüglich vegetarisch kocht. Kalbsleberstreichwurst schreibt er heilende Wirkung zu, körperlich und seelisch. Die Mehlspeis hingegen verliert immer gegen den Wein.
Kaisers Küchen-Codex
Text von Ro Raftl Fotos: Peter M. Mayr
Wir sind schon wieder Kaiser. In der vierten Staffel. Wir haben das Sagen. Auch in kulinarischen Belangen. Deshalb residieren wir im "Gasthaus Wild". Bitten zum späten Frühstück in den grün umrankten Schanigarten, unmajestätisch zwar in Hemd und Cargo-Pants, rufen aber trotzdem Gesetze aus, die als "Codex Palfrader" festgeschrieben werden könnten. "Seyffenstein" Rudi Roubinek, die ordnende Hand, ist nicht da, also ordnen wir willkürlich. Paragraf I könnte da lauten: "Das tschechische Bier ist das einzig wahre. Danach kommt das österreichische. Das bayerische halte ich für total überschätzt." Das "Wild" führt tschechisches "Kozel". Mit ein Grund, warum Robert Palfrader am Wiener Radetzkyplatz zweitwohnt. Mit dem Seiterl vom Kozel wartet er allerdings diszipliniert bis nach zwölf.
Im Grunde sei ihm "ein Glasl Milch mit einem Salzstangerl am liebsten", verkündet der "Unterhaltungshandwerker" – ein Ausdruck, den er einem deutschen Kabarettisten geklaut hat, weil er sich "so ohne jeden Unterricht" nicht Schauspieler nennen würde. Außerdem hält er ja nicht nur sein Gesicht bei den Audienzen hin, die er übrigens liebt. Er entwickelt Konzepte, schreibt Drehbücher, führt Regie, hat im Volkstheater als Fleischhauer Oskar in Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald debütiert, tourt mit Florian Scheuba und dem Kabarettprogramm Männer fürs Grobe durchs Land. "Ich hab einfach saumäßig Glück", sagt der Mann mit der Gastrovergangenheit, schnappt sich ein Stangerl aus dem Körberl und beschwört Paragraf II des Codex Palfrader: "Der Kalbsleberstreichwurst (von Radatz) schreibe ich heilende Wirkung zu, wenn es mir körperlich oder seelisch schlecht geht." Was ihn weitläufig mit Marlene Dietrich verbindet. Das bezeugt ein "akuter Sehnsuchtsbrief" der deutschen Filmdiva 1945 an ihren Lebensfreund, Autor Erich Maria Remarque: "Vielleicht brauche ich Leberwurstbrote, den Trost der Betrübten – und seelische Leberwurstbrote."
Den Gusto der weiland Apostolischen Majestät Franz Joseph I. auf Apfelstrudel und Demel-Naschereien teilt der Fernsehkaiser keinesfalls: "Das Dessert verliert immer gegen den Wein", hält Palfrader als Paragrafen III fest. Ein wenig trotzig fast, denn es geht ihm längst auf den Geist, in der äußeren Wahrnehmung überall und vor allem Robert Heinrich I. zu sein. Selbst inkognito in seiner Leibwirtschaft wird er um Autogramme bestürmt.
Wohin das noch führen wird, wenn der kaiserliche Kinofilm realisiert wird, ist nicht auszudenken. Weshalb er im Dezember definitiv Schluss mit den TV-Audienzen macht: "Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Da muss es noch was anderes geben. Ich möchte noch ein bisserl wachsen." Im Frühjahr "darf" Palfrader den Hutschenschleuderer in Ferenc Molnárs Liliom im Volkstheater spielen. Die Freude darauf ist zumindest so groß wie sein Respekt vor der Arbeit. Das Wort "Angst" mag er nicht. Er sei ein "sehr ehrgeiziger Mensch", der versucht, "lieber gut als schlecht" zu sein.
Zur umfassenden Stärkung bleibt ihm stets das "Wild", mit dem Kalbsrahmbeuschel, dem Wels und der Dorade, "die sie hier auf exzellente Art zuzubereiten wissen", dem Kartoffelpüree. "Vom Pastinakenpüree stellen sie mir immer gleich eine Extraportion hin. Denn die Hauptattraktion ist das Personal. Kein Wechsel seit Jahren. Wie der Wirt seine Leute behandelt. Die familiäre Atmosphäre. Das Verständnis für Kinder und Hunde!"
Zum kleinfamiliären Glück liegt das Gasthaus aber zu weit weg von des Stammgasts Wohnung im Dritten, "als dass ich mit meinen kurzen Haxen gemütlich zu Fuß hergehen könnte. Sonst würd‘ ich mir meine Post herschicken lassen, sagt meine Frau." Marie-Anne – korrekt: seine Verlobte seit 20 Jahren – kocht "sensationell italienisch und asiatisch.
Der Auswahl der Zutaten nähert sie sich akribisch an." Aus dem Kaiserlichen hält sie sich und die Kinder, 9 und 2, die in den Gazetten nur "der Sohn" und "die Tochter" heißen, völlig raus. Bei der Einrichtung der Waldviertler Küche wiederum hatte er "null" mitzureden: "Aber sie ist wunderschön – obwohl ich mich an den Gasherd gewöhnen musste. Hab mich dagegen gewehrt und wurde total bekehrt. Man muss halt spontaner reagieren." Denn, Paragraf IV: "Das Fleisch bereite immer ich zu."
Er doziert: "Zu Hause essen wir sehr wenig Fleisch und wenn, dann ein ganz besonderes Stück. Beim Schneeberg-Beef hängt jedem rechts und links die Zunge runter. Es kommt ja nicht nur darauf an, wie das Viech gelebt hat, sondern auch, wie es geschlachtet wurde. Außerdem muss es reifen, hängen." Palfraders Leibrezept "Schneeberg-Beef mit Antipastibergen" ist vom Kabarettisten-Kochbuch Zum Lachen in die Küche gleich ins Internet geflutsch. Also nur so viel: Bei den Antipastibergen, die er klein geschnitten mit Tomatenmark und frisch geriebenem Parmesan zu saftigen Laberln formt und im Rohr knusprig braten lässt, sind ihm die Artischockenherzen fast die wichtigste Zutat. Das Fleisch nimmt er schon in der Früh aus dem Kühlschrank, legt es ins abgeseihte Olivenöl der Antipasti ein, brät es dann aber in Butter. Paragraf V: "Immer in Butter!"
Vergangenen Sommer hat sich der Quotenkaiser eine Auszeit gegönnt, 100 Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises, um Freunde zu besuchen, die in einer Ortschaft mit sieben Personen leben. Palfrader schwärmt von den stundenlangen Sonnenuntergängen: "Und wenn du dich umdrehst, scheint der Vollmond. An den Flüssen ist es so still, dass du das Blut rauschen hörst." Sie sind auf den See gefahren, haben Barsche gefischt und auf den Griller gehaut. Rentier gegessen, warm und kalt geräuchert, Bär, Elch und jede Menge Lachs, von einer Konsistenz, dass er beinah roh schmeckt. Kalt geräuchert, wie das genau geht, haben Majestät vergessen (Seyffenstein!!!): "Feuer, Türl zu, das Holz verglühen lassen, bis es stark raucht. Bitte lieber googlen!" Als Robert einmal fürs Fernsehen einen Ochsen zerlegen musste, bekam er hinterher von einem Onkel den Rüffel, dass er sich dem Fleisch unkundig nähere.
Der Schmäh rennt im weitläufig verästelten, in Südtirol verwurzelten Palfrader-Clan, der untereinander Ladinisch spricht. Eine eigenständige Sprache mit verschiedenen Dialekten. Die Palfraders hießen genau genommen "Peraforada" – Loch im Stein. Robert hat einen Skifahrer in der Familie, Manfred Moelgg, gut unterwegs im Weltcup-Zirkus, und einen Heiligen, Josef Freinadametz, Ordensmann und Chinamissionar, doch die Gastronomen sind in der Überzahl: Sein Großvater war Hotelier in St. Vigil in Enneberg, auf Ladinisch "Al Plan". Später hat er das Hotel "Mariandl" in Spitz an der Donau gekauft, noch später die 4-Stern-Frühstückspension "Astra" in der Wiener Alserstraße. Ein Onkel, der auch Robert Palfrader heißt, war Restaurant- und Bankettdirektor im Hotel Sacher, eine Position, die er stets mit dem Satz umfasste: "Ich bin ein Sessel, der auf die Beförderung zum Tisch wartet."
Gasthaus-Genealogen hätten viel zu tun mit des "Kaisers" Stammbaum: Denn zu den Palfraders fügt sich natürlich die mütterliche Linie – mit einer Großmutter, die ein Wirtshaus in Kagran besaß, und der Mutter, die ebendort einen Würstlstand, eigentlich einen Schnellimbiss mit Schanigarten, betreibt. Dort gibt’s keine Hotdogs, nur Wienerisches. Paragraf VI: "Isst man einmal Mutters Käsekrainer, schwört man dem Vegetarischen in der Minute ab!" Dass ein Bruder und eine Schwester Käsekrainer in Brunn am Gebirge erhitzen, erwähnen wir gar nicht mehr. Nur, dass Roberts Vater bis zu seiner Pensionierung Betriebsleiter der Firma Radatz war. Die Frau Radatz war nämlich seine Schwägerin. Blieben noch ein paar Cousins aufzuzählen. Einen Robert Palfrader (schon wieder!) etwa, der die wahrscheinlich beste Hütte der Dolomiten in St. Vigil betreibt. Reden wir auch von dem anderen Cousin, dem Tischler. Das wäre unser Robert P. auch gerne geworden: "Ich liebe es, mit Holz zu arbeiten. Allein der Geruch. Wenn ich mich nicht handwerklich betätigen könnte, würde ich durchdrehen. Das erdet mich. Im Sommer hab ich im Waldviertel zum ersten Mal gepflastert."
Sein Vater wünschte sich ein Studium für ihn. Robert schlug sich im Knabenseminar Kalksburg durch – wenn auch nicht lange. Tröstete sich in einer "Knödelakademie" mit 30 Mädchen. Den familiären Auftrag "Opa hat ein Hotel" im Hinterkopf, durchlebte er einige Lehrjahre im Gastgewerbe. Absolvierte das vitale Studium als Menschenkenner und Gästepsychiater. Im Hotel "Mariott" und im "Exit", einem (nicht mehr existierenden) Etablissement des legendären "Roten Heinzi" in Hernals: "Ich hab mörderisch verdient, alle waren da. Punks, Spieler, Snobs und Millionäre, Rechtsradikale, Linksradikale. Ab Mitternacht bist am Weg zum Klo zwanzig Zentimeter hoch durch sämtliche Flüssigkeiten gewatet, die der menschliche Körper absondern kann. Zweimal pro Nacht kam die Polizei. Angeber schoben fünftausend Schilling für zwei Gläser Sekt über den Tresen und sagten: ,Stimmt schon.‘ Mit den Bierdeckeln haben wir (diskret) die Kakerlaken an der Bar erschlagen. Gut, dass ich’s erlebt hab, das war Sturm und Drang total."
Danach kam ein gelecktes 5-Stern-Hotel in Baden, dann das eigene Café. Und ein Tontechnikstudio, in Erkenntnis der Berufung: "Ich will dorthin, wo Kameras sind." Palfrader kam am 11. 11. zur Welt. Faschingsbeginn. So einer ist zur Rampensau geboren, doch das muss die Familie erst glauben wollen. Sein Café "Torberg" in der Wiener Strozzigasse brachte ihn dorthin. Die (für beide schicksalhafte) Begegnung mit David Schalko. Dem waren die Zigaretten ausgegangen. Kurz: Sie erfanden die TV-Sendung Zap, "das geistesgestörte Produkt zweier Pubertierender Mitte 20". Ein Glücksfall: "Wir durften lernen, wie man Fernsehen macht, und wurden dafür noch bezahlt." Palfrader hat schnell gelernt – Wir sind Kaiser, die Uniform, die Orden, das Audienzzeremoniell, das Monarchische begeistert ganz Österreich. Seine Nase ist aber auch mächtig genug, um die besten Chancen zu erschnuppern.
Inserat an Alexander Wrabetz: Eine Koch-Ess-Trink-Show mit Palfrader könnte die ORF-Quoten ins Gigantische katapultieren! Robert lacht: "Rudi Roubinek hat das schon vor zwölf Jahren vorgeschlagen, aber ich halte es mit der jüdischen Weisheit: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen."
Derzeit taugt’s ihm, sich als "Mann fürs Grobe" mit Profi Florian Scheuba in zwei neuen Genres auszutesten. Im Kabarett und in der Önologie. Von Scheubas "unglaublichem Fachwissen" zu profitieren und auch davon, dass sich hochkarätige Winzer, die Florians Arbeit schätzen, nach der Vorstellung mit einem Flascherl einstellen. Das ergibt neue Paragrafen für Palfraders Codex: "Rotwein verzeihe ich mehr als Weißwein. Der muss schon sehr, sehr gut sein." Er trinkt selten Weiß, dann aber ungekühlt. Denn: "Ich möchte ihn gerne in den letzten Nuancen schmecken."
Wo Florian Scheuba trinkt, sind Thomas Maurer und Rupert Henning nicht weit. Robert bewundert sie für ihre Wein-Expertisen, ihre feinen Gaumen, dass er sie noch nie betrunken sah und dass sie essen können wie die Mähdrescher." Seufzt: "I bin immer der Blade, dabei geb ich oft schon nach dem ersten Gang w. o."
Eines Tafelns lächelte Rupi Henning milde: "Du musst noch so viel lernen!" "Na ja, einen leicht hedonistischen Zugang haben sie schon", gibt der schlichter Geschulte zu. "Aber auch ich geh lieber oft gut essen, bevor ich mir ein teures Auto kauf."
Robert Palfrader hat’s mit dem Fleisch, selbst wenn seine Frau vorzüglich vegetarisch kocht. Kalbsleberstreichwurst schreibt er heilende Wirkung zu, körperlich und seelisch. Die Mehlspeis hingegen verliert immer gegen den Wein.
Text von Ro Raftl
Wir sind schon wieder Kaiser. In der vierten Staffel. Wir haben das Sagen. Auch in kulinarischen Belangen. Deshalb residieren wir im „Gasthaus Wild“. Bitten zum späten Frühstück in den grün umrankten Schanigarten, unmajestätisch zwar in Hemd und Cargo-Pants, rufen aber trotzdem Gesetze aus, die als „Codex Palfrader“ festgeschrieben werden könnten. „Seyffenstein“ Rudi Roubinek, die ordnende Hand, ist nicht da, also ordnen wir willkürlich. Paragraf I könnte da lauten: „Das tschechische Bier ist das einzig wahre. Danach kommt das österreichische. Das bayerische halte ich für total überschätzt.“ Das „Wild“ führt tschechisches „Kozel“. Mit ein Grund, warum Robert Palfrader am Wiener Radetzkyplatz zweitwohnt. Mit dem Seiterl vom Kozel wartet er allerdings diszipliniert bis nach zwölf.
Im Grunde sei ihm „ein Glasl Milch mit einem Salzstangerl am liebsten“, verkündet der „Unterhaltungshandwerker“ – ein Ausdruck, den er einem deutschen Kabarettisten geklaut hat, weil er sich „so ohne jeden Unterricht“ nicht Schauspieler nennen würde. Außerdem hält er ja nicht nur sein Gesicht bei den Audienzen hin, die er übrigens liebt. Er entwickelt Konzepte, schreibt Drehbücher, führt Regie, hat im Volkstheater als Fleischhauer Oskar in Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald debütiert, tourt mit Florian Scheuba und dem Kabarettprogramm Männer fürs Grobe durchs Land. „Ich hab einfach saumäßig Glück“, sagt der Mann mit der Gastrovergangenheit, schnappt sich ein Stangerl aus dem Körberl und beschwört Paragraf II des Codex Palfrader: „Der Kalbsleberstreichwurst (von Radatz) schreibe ich heilende Wirkung zu, wenn es mir körperlich oder seelisch schlecht geht.“ Was ihn weitläufig mit Marlene Dietrich verbindet. Das bezeugt ein „akuter Sehnsuchtsbrief“ der deutschen Filmdiva 1945 an ihren Lebensfreund, Autor Erich Maria Remarque: „Vielleicht brauche ich Leberwurstbrote, den Trost der Betrübten – und seelische Leberwurstbrote.“
Den Gusto der weiland Apostolischen Majestät Franz Joseph I. auf Apfelstrudel und Demel-Naschereien teilt der Fernsehkaiser keinesfalls: „Das Dessert verliert immer gegen den Wein“, hält Palfrader als Paragrafen III fest. Ein wenig trotzig fast, denn es geht ihm längst auf den Geist, in der äußeren Wahrnehmung überall und vor allem Robert Heinrich I. zu sein. Selbst inkognito in seiner Leibwirtschaft wird er um Autogramme bestürmt.
Wohin das noch führen wird, wenn der kaiserliche Kinofilm realisiert wird, ist nicht auszudenken. Weshalb er im Dezember definitiv Schluss mit den TV-Audienzen macht: „Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Da muss es noch was anderes geben. Ich möchte noch ein bisserl wachsen.“ Im Frühjahr „darf“ Palfrader den Hutschenschleuderer in Ferenc Molnárs Liliom im Volkstheater spielen. Die Freude darauf ist zumindest so groß wie sein Respekt vor der Arbeit. Das Wort „Angst“ mag er nicht. Er sei ein „sehr ehrgeiziger Mensch“, der versucht, „lieber gut als schlecht“ zu sein.
Zur umfassenden Stärkung bleibt ihm stets das „Wild“, mit dem Kalbsrahmbeuschel, dem Wels und der Dorade, „die sie hier auf exzellente Art zuzubereiten wissen“, dem Kartoffelpüree. „Vom Pastinakenpüree stellen sie mir immer gleich eine Extraportion hin. Denn die Hauptattraktion ist das Personal. Kein Wechsel seit Jahren. Wie der Wirt seine Leute behandelt. Die familiäre Atmosphäre. Das Verständnis für Kinder und Hunde!“
Zum kleinfamiliären Glück liegt das Gasthaus aber zu weit weg von des Stammgasts Wohnung im Dritten, „als dass ich mit meinen kurzen Haxen gemütlich zu Fuß hergehen könnte. Sonst würd‘ ich mir meine Post herschicken lassen, sagt meine Frau.“ Marie-Anne – korrekt: seine Verlobte seit 20 Jahren – kocht „sensationell italienisch und asiatisch.
Der Auswahl der Zutaten nähert sie sich akribisch an.“ Aus dem Kaiserlichen hält sie sich und die Kinder, 9 und 2, die in den Gazetten nur „der Sohn“ und „die Tochter“ heißen, völlig raus. Bei der Einrichtung der Waldviertler Küche wiederum hatte er „null“ mitzureden: „Aber sie ist wunderschön – obwohl ich mich an den Gasherd gewöhnen musste. Hab mich dagegen gewehrt und wurde total bekehrt. Man muss halt spontaner reagieren.“ Denn, Paragraf IV: „Das Fleisch bereite immer ich zu.“
Er doziert: „Zu Hause essen wir sehr wenig Fleisch und wenn, dann ein ganz besonderes Stück. Beim Schneeberg-Beef hängt jedem rechts und links die Zunge runter. Es kommt ja nicht nur darauf an, wie das Viech gelebt hat, sondern auch, wie es geschlachtet wurde. Außerdem muss es reifen, hängen.“ Palfraders Leibrezept „Schneeberg-Beef mit Antipastibergen“ ist vom Kabarettisten-Kochbuch Zum Lachen in die Küche gleich ins Internet geflutsch. Also nur so viel: Bei den Antipastibergen, die er klein geschnitten mit Tomatenmark und frisch geriebenem Parmesan zu saftigen Laberln formt und im Rohr knusprig braten lässt, sind ihm die Artischockenherzen fast die wichtigste Zutat. Das Fleisch nimmt er schon in der Früh aus dem Kühlschrank, legt es ins abgeseihte Olivenöl der Antipasti ein, brät es dann aber in Butter. Paragraf V: „Immer in Butter!“
Vergangenen Sommer hat sich der Quotenkaiser eine Auszeit gegönnt, 100 Kilometer südlich des nördlichen Polarkreises, um Freunde zu besuchen, die in einer Ortschaft mit sieben Personen leben. Palfrader schwärmt von den stundenlangen Sonnenuntergängen: „Und wenn du dich umdrehst, scheint der Vollmond. An den Flüssen ist es so still, dass du das Blut rauschen hörst.“ Sie sind auf den See gefahren, haben Barsche gefischt und auf den Griller gehaut. Rentier gegessen, warm und kalt geräuchert, Bär, Elch und jede Menge Lachs, von einer Konsistenz, dass er beinah roh schmeckt. Kalt geräuchert, wie das genau geht, haben Majestät vergessen (Seyffenstein!!!): „Feuer, Türl zu, das Holz verglühen lassen, bis es stark raucht. Bitte lieber googlen!“ Als Robert einmal fürs Fernsehen einen Ochsen zerlegen musste, bekam er hinterher von einem Onkel den Rüffel, dass er sich dem Fleisch unkundig nähere.
Der Schmäh rennt im weitläufig verästelten, in Südtirol verwurzelten Palfrader-Clan, der untereinander Ladinisch spricht. Eine eigenständige Sprache mit verschiedenen Dialekten. Die Palfraders hießen genau genommen „Peraforada“ – Loch im Stein. Robert hat einen Skifahrer in der Familie, Manfred Moelgg, gut unterwegs im Weltcup-Zirkus, und einen Heiligen, Josef Freinadametz, Ordensmann und Chinamissionar, doch die Gastronomen sind in der Überzahl: Sein Großvater war Hotelier in St. Vigil in Enneberg, auf Ladinisch „Al Plan“. Später hat er das Hotel „Mariandl“ in Spitz an der Donau gekauft, noch später die 4-Stern-Frühstückspension „Astra“ in der Wiener Alserstraße. Ein Onkel, der auch Robert Palfrader heißt, war Restaurant- und Bankettdirektor im Hotel Sacher, eine Position, die er stets mit dem Satz umfasste: „Ich bin ein Sessel, der auf die Beförderung zum Tisch wartet.“
Gasthaus-Genealogen hätten viel zu tun mit des „Kaisers“ Stammbaum: Denn zu den Palfraders fügt sich natürlich die mütterliche Linie – mit einer Großmutter, die ein Wirtshaus in Kagran besaß, und der Mutter, die ebendort einen Würstlstand, eigentlich einen Schnellimbiss mit Schanigarten, betreibt. Dort gibt’s keine Hotdogs, nur Wienerisches. Paragraf VI: „Isst man einmal Mutters Käsekrainer, schwört man dem Vegetarischen in der Minute ab!“ Dass ein Bruder und eine Schwester Käsekrainer in Brunn am Gebirge erhitzen, erwähnen wir gar nicht mehr. Nur, dass Roberts Vater bis zu seiner Pensionierung Betriebsleiter der Firma Radatz war. Die Frau Radatz war nämlich seine Schwägerin. Blieben noch ein paar Cousins aufzuzählen. Einen Robert Palfrader (schon wieder!) etwa, der die wahrscheinlich beste Hütte der Dolomiten in St. Vigil betreibt. Reden wir auch von dem anderen Cousin, dem Tischler. Das wäre unser Robert P. auch gerne geworden: „Ich liebe es, mit Holz zu arbeiten. Allein der Geruch. Wenn ich mich nicht handwerklich betätigen könnte, würde ich durchdrehen. Das erdet mich. Im Sommer hab ich im Waldviertel zum ersten Mal gepflastert.“
Sein Vater wünschte sich ein Studium für ihn. Robert schlug sich im Knabenseminar Kalksburg durch – wenn auch nicht lange. Tröstete sich in einer „Knödelakademie“ mit 30 Mädchen. Den familiären Auftrag „Opa hat ein Hotel“ im Hinterkopf, durchlebte er einige Lehrjahre im Gastgewerbe. Absolvierte das vitale Studium als Menschenkenner und Gästepsychiater. Im Hotel „Mariott“ und im „Exit“, einem (nicht mehr existierenden) Etablissement des legendären „Roten Heinzi“ in Hernals: „Ich hab mörderisch verdient, alle waren da. Punks, Spieler, Snobs und Millionäre, Rechtsradikale, Linksradikale. Ab Mitternacht bist am Weg zum Klo zwanzig Zentimeter hoch durch sämtliche Flüssigkeiten gewatet, die der menschliche Körper absondern kann. Zweimal pro Nacht kam die Polizei. Angeber schoben fünftausend Schilling für zwei Gläser Sekt über den Tresen und sagten: ,Stimmt schon.‘ Mit den Bierdeckeln haben wir (diskret) die Kakerlaken an der Bar erschlagen. Gut, dass ich’s erlebt hab, das war Sturm und Drang total.“
Danach kam ein gelecktes 5-Stern-Hotel in Baden, dann das eigene Café. Und ein Tontechnikstudio, in Erkenntnis der Berufung: „Ich will dorthin, wo Kameras sind.“ Palfrader kam am 11. 11. zur Welt. Faschingsbeginn. So einer ist zur Rampensau geboren, doch das muss die Familie erst glauben wollen. Sein Café „Torberg“ in der Wiener Strozzigasse brachte ihn dorthin. Die (für beide schicksalhafte) Begegnung mit David Schalko. Dem waren die Zigaretten ausgegangen. Kurz: Sie erfanden die TV-Sendung Zap, „das geistesgestörte Produkt zweier Pubertierender Mitte 20“. Ein Glücksfall: „Wir durften lernen, wie man Fernsehen macht, und wurden dafür noch bezahlt.“ Palfrader hat schnell gelernt – Wir sind Kaiser, die Uniform, die Orden, das Audienzzeremoniell, das Monarchische begeistert ganz Österreich. Seine Nase ist aber auch mächtig genug, um die besten Chancen zu erschnuppern.
Inserat an Alexander Wrabetz: Eine Koch-Ess-Trink-Show mit Palfrader könnte die ORF-Quoten ins Gigantische katapultieren! Robert lacht: „Rudi Roubinek hat das schon vor zwölf Jahren vorgeschlagen, aber ich halte es mit der jüdischen Weisheit: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen.“
Derzeit taugt’s ihm, sich als „Mann fürs Grobe“ mit Profi Florian Scheuba in zwei neuen Genres auszutesten. Im Kabarett und in der Önologie. Von Scheubas „unglaublichem Fachwissen“ zu profitieren und auch davon, dass sich hochkarätige Winzer, die Florians Arbeit schätzen, nach der Vorstellung mit einem Flascherl einstellen. Das ergibt neue Paragrafen für Palfraders Codex: „Rotwein verzeihe ich mehr als Weißwein. Der muss schon sehr, sehr gut sein.“ Er trinkt selten Weiß, dann aber ungekühlt. Denn: „Ich möchte ihn gerne in den letzten Nuancen schmecken.“
Wo Florian Scheuba trinkt, sind Thomas Maurer und Rupert Henning nicht weit. Robert bewundert sie für ihre Wein-Expertisen, ihre feinen Gaumen, dass er sie noch nie betrunken sah und dass sie essen können wie die Mähdrescher.“ Seufzt: „I bin immer der Blade, dabei geb ich oft schon nach dem ersten Gang w. o.“
Eines Tafelns lächelte Rupi Henning milde: „Du musst noch so viel lernen!“ „Na ja, einen leicht hedonistischen Zugang haben sie schon“, gibt der schlichter Geschulte zu. „Aber auch ich geh lieber oft gut essen, bevor ich mir ein teures Auto kauf.“