Kein richtiges Leben im falschen Hasen

GustavEva. EvaGustav. Schön doppelbödig. Eva beim Kochen für die Kinder, Gustav auf der Bühne. Denn. Eva Jantschitsch kann gut singen, gut texten und gute Musik produzieren: revolutionäre Frauenschlager und viel mehr. ­Immer mit Haltung. Selbst wenn sie essen geht.

Text von Ro Raftl · Fotos von Christof Wagner

Nicht nix. So ein goldgelb angekrustelter Grießschmarren. „Schnell und billig produziert, fantastisch!“, sagt Musikerin Gustav, die eine attraktive Eva ist, so schönstimmig wie fatalistisch wie stabil wie humorvoll. Zuckert also seelenvoll verschmitzt: „Sonntags kommt auch ein Eidotter rein.“ Hihi, ein Werbespruch aus den Fünfzigerjahren, als Grießbrei Brutpflegestandard und das Trauma-Essen zahlloser Heimkinder war. So fein konnte ein Internat gar nicht sein …

Doch im Hause Jantschitsch war alles anders. Die Mutter, voll engagiert im familiären Grazer Fotostudio –„Hochzeiten, Taufen, toter Hund mit Rose im Maul“ –, ernährte die drei Töchter grießlos, kochte täglich, schnell halt, „funktionelle Küche“, wie es Nesthäkchen Eva nennt: „Diesen Charakter habe ich beibehalten, Lasagne mache ich eher selten, obwohl sie meine Kinder gerne essen. Grießspeisen viel öfter, bin ja nicht traumatisiert, Pudding und Schmarren sind in zehn Minuten fertig und kommen gut an. Ohne Rosinen! Die sind keine gern gesehenen Gäste bei uns. Cranberrys seltsamerweise schon.“

Nicht nix. Der buttrig-saftige syrische Grießkuchen Basbousa, den Hammoudi nach einem Rezept seiner Oma ins Habibi & Hawara verpflanzt hat. Dort, wo sich die Wipplingerstraße luftig zum Börseplatz öffnet, ­machen Basbousa und orientalischer Kaffee im schön ­geschmiedeten Service den Schanigarten zur Oase mit Aussicht. Genießer gehen gleich aufs Ganze: mittags an einem fantastischen Buffet, so variantenreich, dass man alle Köstlichkeiten erst nach mehreren Besuchen abgeschmeckt hat. Vom Hummus über die cremige Melanzanischmiere Baba Ganoush, den Petersil-Bulgur-Salat Tabouleh bis zur wunderbar krossen Falafel. Außerdem zarte Kibbehs, knusprig frittierte Teig­taschen mit Fleischfülle, Huhn mit Essiggemüse und Kräutern, in ­dünnes Fladenbrot gewickelt, sämig gefüllte Auberginen oder Fleischbällchen in zart-würziger Joghurtsauce. Delikat wie selten, schließlich heißt Habibi Liebling! Dazwischen Hawaras Wiener Schmankerln – und mehr als Kaiserschmarren in der Nachspeisenabteilung. Um ­heiße 15,90 Euro kann jeder essen, so viel er mag. Abends darf er sich servieren lassen, zehn bis 15 Gerichte, orientalische und heimische nach Belieben, alles um 25, 90 Euro. Da wär ein hinreißendes Lamm­gulasch mit Okras zu probieren! Doch an Minz-Knoblauch-Spinat, gegrilltem Karfiol mit Senfsauce oder einer Veggie-Platte werden auch Veganer und Vegetarier selig. An der exzellenten Weinkarte sowieso. Mit dem Mehrwert, Gutes zu tun.

In bester Citylage haben ein paar Menschenliebende ein orientalisch-österreichisches Lokal eröffnet. Nicht irgendeines. Geflüchtete mit Asylstatus und Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in der Küche und im Service mit. Bekommen die Möglichkeit, sich hochwertig auszubilden oder ihr Wissen und Können zu „nostrifizieren“, zu verösterreichern. In Sprach- und Qualifikationskursen bis zur ­Gastro-Konzessionsprüfung – so weit, dass sie eigene Unternehmen gründen könnten. „Not a job, but a career!“ steht im Profil der „Freundeswirtschaft Habibi & Hawara“, wie sie Severin Corti nennt, einer privaten und unabhängigen GmbH. Bezahlt wird nach Kollektivvertrag. 17 der 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Flucht- oder Migrationshintergrund.

„Meine Musik geht durch den Kopf, nicht durch die Beine“, hat die smarte Texterin Eva Jantschitsch mal gesagt. „Ich bin für mehr Logik und Konzentration“ mal gesungen. So isst sie auch. Maßvoll konzentriert. Kostet, lobt, genießt, ohne noch­undnoch auf den Teller zu schaufeln. Wofür sie sich erhitzt, ist Social Business, die Ideen von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus. Wie Integration funktioniert. Nicht reden, tun. Ohne Tränendrüsenverschleiß, Heiligenschein & Co. Gschmackig, deftig, fröhlich, freundlich und auf Selbstbestimmung bedacht. Das Catering-Projekt Migrating Kitchen in Wien V, Schwarzhorngasse, imponiert ihr. Mit dem Gründer Alexander Nikolic, einem Künstler, ist sie seit dem Studium befreundet. Oder Magdas Hotel. Dort gibt der Erfolg den Konzepten Recht: Sämtliche Magdas-Projekte der Caritas tragen sich wirtschaftlich selbst, doch ihr höchstes Unternehmensziel bleibt die Lösung eines sozialen Problems.

Also. Würdigungsverkostung für Sinnstiftendes im Habibi & Hawara: 2015 luden Bloggerin Nina Mohimi, PR-Spezialistin Katha Schin­kinger und Biobauer und Unternehmer Martin Rohla ­Geflüchtete zum Kochen, Essen, Akklimatisieren, Kennenlernen in die Weinviertler Stadtflucht Bergmühle. Rohla, ein begnadeter Netzwerker, stellte in Folge über 350.000 Euro auf, und das Restaurant Habibi & ­Hawara wurde im Mai 2106 eröffnet. Auf blauen ­Tafeln sind alle Förderer aufgeschrieben. Es sind viele. Christian Konrad steht wie ein Fels dahinter.

„Kein richtiges Leben im falschen Hasen“ drehte Frau Gustav den Philosophen Theodor Adorno für das Programm Auf eigene Faust mit Ben Becker in Salzburg witzig weiter. Heißt auch: Jeder sollte tun, was er wirklich gut kann. EvaGustav kann gut singen, texten, komponieren und am Laptop Musik produzieren. „Kritischen Indiepop“ nennen das die Experten. „Rettet die Wale und stürzt das System. Und trennt Euren Müll, denn viel Mist ist nicht schön“, hat sie auf ­ihrem legendären ersten Album Rettet die Wale sauber eingeschenkt. Voller in der dritten Strophe: „Und lasst den Kindern ihre Meinung, oder treibt sie früher ab.“

Subtile Subversion, in der Tradition von Nestroy, Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek. Ja, als literarischer Feinspitz las Eva mit 14 Jelinek und Charles Bukowski. Gegenpolig, doch mit angewandtem Nutzen: Über Bukowski maturierte sie in Englisch und über Jelinek in Deutsch. Mehr: Deklarierte sich als Feministin. Nein, die Nobelpreisträgerin kennenzulernen hat sie nie versucht, „da ich kein Typ bin, der eine heilige Aura zur Inspiration braucht, eher Distanz ganz gut ­findet“. Harte Arbeit, ja, Logik und Konzentration, Bühnenpräsenz. Was so rhythmisch-hellstimmig-kindlich-frech-naiv ins Ohr fließt, ätzt ­Widerspruch zu etablierten Systemen ins Hirn. Moral zum Schunkeln. Chilischarf. Ein Jahr nach der Veröffentlichung ihres Debüts bekam ­Gustav als FM4 Alternative Act einen Amadeus-Award.

Im zweiten Album Verlass die Stadt legte sie rigoroser nach. Einen desillusionierten Abgesang auf die Hässlichkeit der Städte inklusive Skepsis am ländlichen Idyll. Einen gepfefferten Happy-Birthday-Song: „Heute also ein Jahr älter – lacht nicht, ihr alle werdet sterben! In freiem Fall und ohne Netz. Tja, das Leben ist kein Wunschkonzert.“ Eher ein „Apokalypsewalzer“. In der Nummer Alles renkt sich wieder ein lässt sie ihn mit der Wachauer Trachtenkapelle Dürnstein tanzen. Musikkritiker Christian Schachinger fand ihn „zum Weinen schön“ und das europäische Feuilleton bejubelte: Preziosen aus der elektronischen Schatzkiste, provokante Texte, klarsichtige und sehr komische Brüche von Idyllen, Illusionen, Klischees und Kitsch. „Süßer, giftiger Gedanke“, ­titelte Die Zeit, taz und Emma zeigten sich ergriffen.

Eva, grad 26, fand so viel Popularität verdächtig, „wollte nicht als Material verwertet werden, integer bleiben in dem Business“, und zog sich mit Gustav in die Komponierkammer zurück. Schrieb die Musik zu Hörspielen und zu einer Neufassung der Proletenpassion im Werk X. Ins­trumentierte Miriam Ungers Film Maikäfer flieg und die Valie-Export-Doku Ikone und Rebellin. Kreierte einen Liederzyklus für den Faust-Abend im Rahmen der Salzburger Festspiele, zuletzt die Songs des Revolutionsstücks Alles Walzer, alles brennt im Wiener Volkstheater.

Nicht abzusehen, dass sich die Künstlerin zu dem Aufwand hinreißen lässt, den Hammoudis Basbousa erfordern würde. Steht als Bild einer schönen Symbiose. Zwischen Grießschmarren und aromatisch perfektioniertem Dessert, zwischen Okzident und Orient, Habibi & Hawara, wo die altösterreichische Dichterin Marie Ebner-Eschenbach und der altpersische Poet Muhammad Rumi auf zwei Tafeln vor dem Lokal mit Zitaten verbunden sind. Wie Eva und Gustav.

Eva hat sich ausprobiert. Den Kopf an der Universität für angewandte Kunst mit visueller Mediengestaltung und digitaler Kunst inklusive der Lektüre aller wichtigen postmodernen Philosophen gefüttert. Aber auch Hacke an der Basis gekostet. Zwei Jahre als Produktionsfahrerin des Medicopter-Teams. Wollte es wissen. Ihr Musikprojekt nannte sie Gustav.

„Ein guter Name, ein gutes Statement, ein gutes Tool, um für Irritation zu sorgen.“ Tja, als sie mit Kollegen komponierte, arrangierte und sang, wurde sie meist nur als Sängerin wahrgenommen und ihr kompositorischer Anteil ignoriert. So entschied sie, nur noch alleine Musik zu produzieren. Und. Als sich der Wunsch ihres Vaters nach ­einem Buben zum dritten Mal nicht erfüllt hat, nannte er sie nach der Enttäuschung zwei Jahre lang Gustav.“

Eva Gustav, G’mischter Satz. Auf die Frage nach dem Geschmack ihrer Kindheit nennt sie „die serbische Bohnensuppe aus der Dose, die ich heut nimmer essen ­würde, aber nostalgisch an meinen Geschmacksnerven rührt“. Obwohl. Es eine slowenische Großmutter gab, die als Köchin auf dem Stainzer Schloss Schwanberg grandiose Speisen zubereitet hat. „Wenn wir bei ihr zu Besuch in Deutschlandsberg waren, hat sie riesig aufgetischt. Das Brot natürlich selbst gebacken. Allein der Geruch! Erst als das Brot im Supermarkt billiger war als das selbstgebackene, hat sie aufgegeben. Hofer hat quasi das Brot der Oma gekillt.“

Immerhin investiert die Enkelin seither in bestes Brot. Bei Joseph in Wien, bei Auer am Grazer Hauptplatz, wo zwei entfernt verwandte Auers konkurrieren, der Hubert und der Martin. „Mir schmeckt Martins klassischer Sauerteig mit Kümmel auf der Kruste am besten“, lacht die Subversionsexpertin über solch geschmäcklerische Attitude bei sich selbst. Im Gymnasium kam ihr der Klassiker der Steiermark seit 1928, das St. Martiner Kochbuch von Emilie Zeidler zu. Danach kocht sie, „es ist schon völlig zerfleddert“, wenn sie auch nicht behaupten würde, firm in allen „760 traditionsreichen und zeitgemäßen Rezepten“ zu sein. Dafür. In einem ganz einfachen aus Großmutters Fundus. Ob böhmisch oder burgenländisch, streiten sich die Geister. Jedenfalls: Topfen ­Haluska. Ja, auch so etwas Festflutschigcremiges wie Kärntner Kasnudeln, die erklärte Lieblingsspeise ihrer Kids. Eva Jantschitsch ist Alleinerzieherin.

Die Revolutionärin in ihr unterspielt, klar. Sie hat sich durch die Küchen aller Länder gekostet, in denen Gustav auf Tournee war. Immer „lokale Küche“ auf den Ess-Rider der Veranstalter geschrieben: „Das hat ihren Stolz gekitzelt, das Beste und Ausgefallenste auf die Teller zu packen. In Spanien Kutteln, filetierte Schweinshaxen und ärgste Meeresfrüchtekombinationen, Sachen, die ich in Wien nie suchen würde.“ Lieber holt sie Frisches vom Brunnenmarkt. Den Kindern sind Äpfel, Karotten und Nüsse ganz wichtig. Ihre Freundinnen verschleppen sie gelegentlich in feine Restaurants, doch das hat dann meist mit dem Job zu tun. Festwochen-Kuratorin Marlene Engel brachte ihr „nach 25 Jahren“ den Genuss eines zischfrischen Bieres wieder nahe – und die Cola-Trinkerin auf den Geschmack. Ob’s künftig Ottakringer wird, weil sie dort wohnt, oder Gösser, weil sie aus Graz kommt, hat EvaGustav noch nicht entschieden. Sicher ist, dass sie Asiatisches mag. Sehr gerne die Küche der Japanerin Metcha Matcha hinter dem Volkstheater, das köstlich Leichte. Außerdem. Onigiri, die Reis-Snacks, kann sie den Kindern mitbringen. Ja, denn im VT steht am 18. Oktober die Politshow Verteidigung der Demokratie als dritte Arbeit mit Regisseurin Christine Eder an.

„Mit Musik und Meinungsmanipulation!“ Was sonst?

Zutaten
500 g Fleckerl
ca. 3 l leichte Rindsuppe oder Salzwasser
250 g Topfen
2–3 EL Sauerrahm
300 g Selchspeck oder
Bauchspeck, klein gewürfelt
evtl. Öl
Salz, Pfeffer
Zubereitung: Fleckerl in Rindsuppe oder Salzwasser kochen und abseihen. Topfen und Sauerrahm vermengen, pfeffern und salzen. Zuletzt die Speckwürfel auslassen und leicht anbräunen. Mit dem Fett über die Fleckerl gießen und gut mit der Topfenmischung verrühren. Heiß servieren! Nimmt man Bauchspeck, muss man die Würfel in ein wenig Öl anbraten, das Fettgemisch aber weggießen und nur die Knusperwürfel zur Nudel-Topfenmasse geben.

Hamoudis Basbousa – Grießkuchen syrischer Art

Zutaten
für den Teig:
100 g Honig
150 g Butter
2 Eier
1 Päckchen Vanillezucker
geriebene Schale einer Biozitrone
350 g Weizengrieß
1½ TL Backpulver
50 g Kokosnussraspeln
200 g Joghurt

für die Fülle:
1 Dose Kondensmilch
250 ml Milch
70 g Zucker
1 EL Rosenwasser
3 EL Maisstärke

für den Sirup:
125 ml Wasser
250 g Honig
4 EL Zitronensaft
Zubereitung: Honig und zimmerwarme Butter schaumig rühren. Eier, Vanille­zucker und Zitronenabrieb zugeben. Grieß, Backpulver und Kokosflocken vermischen und abwechselnd mit dem Joghurt in den Teig einarbeiten.
Für die Fülle Kondensmilch, Milch, ­Zucker und Rosenwasser sanft kochen und mit Maisstärke eindicken. Eine Springform (28 cm ø) einfetten. 2 cm Teig, 1 cm ausgekühlte Fülle und 2 cm Teig einschichten und glatt streichen. Bei 180 °C 30–35 Minuten backen.
In der Zwischenzeit den Sirup her­stellen: Wasser, Honig und Zitronensaft sanft erwärmen (nicht heiß werden ­lassen!), bis alles gut miteinander vermengt ist. Den abgekühlten Sirup auf dem noch heißen Kuchen verteilen. ­Sollte der Kuchen nicht alles auf einmal aufsaugen, kann man später noch einmal Sirup nachgeben.