Mezzo, milchgebadet

Stimmklang und Liebreiz blühen. Noch unvergleichlicher seit der Geburt von Tochter Cathérine Elina Louise. Die Balance findet Elina Garanca in ihrem Garten. Frisch gekocht hat sie schon als Kind.

Text von Ro Raftl, Fotos von Peter M. Mayer

Babybrei? Die Primadonna lässt die Grübchen spielen, streift sekundenschnell die Männerhosen ab, metaphorisch natürlich, und gleitet vom verschwörerischen Sesto aus Mozarts letzter Oper „La Clemenza di Tito“ zum Bodenständigen nieder. Die Partitur hat Elı¯na Garancˇa im Kopf, die Gestaltungslust wird von ihrem Glück beflügelt, die Stimme blüht in allen Farben. Noch wärmer und klangvoller, noch tragfähiger und beweglicher, seit Cathérine Louise auf der Welt ist. „Ihr Mezzo kennt keine Schwächen … jede Note scheint ansatzlos aus dem Nichts zu kommen“ wird ein Kritiker nach der Premiere orgeln.

Während die Inszenierung entsteht, schadet’s nicht, bissl Luft zu schöpfen, im Do&Co auf der Albertinarampe, besonntes Burggartengrün im rechten Augenwinkel, monumentales Staatsopernsteingrau im linken. In der Mitte La Garancˇa, und ihre Ausstrahlung! Verehrer schwärmten immer stundenlang von ihrem Liebreiz. Jetzt, da er noch gelöster reizt, wären die Lyrics nicht auszudenken, könnte ein Anbeter drei Stunden diesem lebenswarm leuchtenden üppigblonden Mutterwesen zu Füßen liegen. Was Babys aus Frauen machen, Wunder voll.

Babybrei ist kein Nebenkapitel für die 36-jährige Lettin, die als „selbständiges Kind“ in Riga für sich und die Brüder gekocht hat, wenn die Mutter arbeiten musste. Nachdenklich klug erzählt sie von all den Geboten für Selbstkontrolle und Disziplin, die damals im Sowjetstaat zum Überleben wichtig waren. Kichert nur bissl ins Champagnerglas, wenn sie an die Getränkeautomaten in Lettland denkt: „Für 1 Cent konnte man Sodawasser, für 3 Cent Sodawasser mit Geschmack oder Malzbier ohne Alkohol drücken.“ Ach, jetzt feiert sie besondere Anlässe mit Roederer Cristal. In den Monaten nach Cathérines Geburt hatte die Sängerin Fernsehzeit, die ihr in intelligenten Koch- und Ess-Sendungen den Horror von Fastfood, Lebensmittelzusätzen und Geschmacksverstärkern vor Augen führte. Hat sich gelobt, höllisch aufzupassen, denn: „Kinder werden geschmacksneutral geboren“.

Locker könnte La Garancˇa ein, zwei Slowfood-Seminare moderieren, so glühend verteidigt sie das Frischgekochte, das Naturbelassene, das Selbstgepflanzte gegen die Chemie. Cathérine Louise war am 30. Mai acht Monate alt, und, klar, ist nur mit Muttermilch groß und rund und schön geworden. Als die Mama auf die Bühne zurückging, stellte sie den kleinen Schatz langsam auf Porridge-Frühstück um, „erst ohne Gluten, die kommen nach und nach dazu“. Auf Früchte und Gemüse, mit Eigelb und bisschen Hühnerfleisch, abends auf Milchbrei. „Sie schläft die ganze Nacht durch. Ich mach aber auch alles so, wie sie es braucht. Natur pur und frisch zubereitet.“ Strahlt und klagt in einem Atemzug über das kluge Kind, das in Frankreich, als „wir in einem Hotel ohne Küche wohnten und Babyessen von den Gesellschaften kaufen mussten, ganz schlecht, ja fast gar nichts gegessen hat“.

Natürlich tüftelt der Weltstar an der Logistik für die nächsten Jahre: Möchte die Tochter am liebsten „immer mitnehmen. Oder so gut es geht. Werden sehen, wie sie auf Flüge, Autos, Temperaturwechsel reagiert.“ Elı¯na Garancˇa gilt als die führende Mezzosopranistin, sang aber auch bisher nicht mehr als 60 Abende pro Jahr. Will’s jetzt noch sanfter angehen: „Tourneen von Stadt zu Stadt wird es nicht mehr geben. Ich werde auch nicht mehr eine Opernproduktion an die andere hängen, mir zehn Tage zwischendurch Zeit nehmen für die Familie. Und wenn Cathérine noch ein Brüderchen haben möchte, wären wir glücklich.“

Familie sei wichtiger als Karriere, sagte sie irgendwann. „Wenn ich nicht mehr jung bin oder meine Stimme verliere, muss ich als Mensch weiter existieren. Und dann ist die Familie da.“ Die Tochter einer Sängerin und eines Chorleiters führte schon als Kind ein „Doppelleben“: Im Winter in Riga, unter „Schauspielern, Politikern, Sängern“, den Bekannten ihrer Eltern, im Sommer mit dem ältesten Bruder bei den Großeltern am Land unter Kühen, Schweinen, Hühnern. Hat Unkraut gejätet, Heu gestampft bei 35 Grad unterm Dach – „als Belohnung durften wir schwimmen gehen“, hat Preiselbeeren an Moorrändern gesammelt und sich ein bisschen davor gefürchtet, in den Sümpfen zu ertrinken. Auch vor Gewittern, wenn sie im Heu schlief: „Dann bin ich durch die Lücke zu den Kühen gerutscht, um mich nicht allein zu fühlen.“ Melken konnte sie auch. Sagt aber, dass sie Feld- und Gartenarbeit„gehasst“ und geschworen habe: „Nie mehr wieder in meinem Leben.“

Doch längst sind die lettischen Indian Summers verklärt, die Erinnerungen an die Oma, die jedes gute Kraut, jedes Korn, jede Frucht in Tüten und Krügen gesammelt hat: „Brennnesseln und Fichtenspitzen, Ahorn- und Birkensaft, wozu ein Loch in den Stamm gebohrt werden muss, damit er herausfließen kann. Im Frühjahr abgezapft, mit ein paar Rosinen und Blättern in Flaschen gefüllt, war es das leckerste Sommergetränk. Ach, und das Jagdfieber beim Pilzesammeln, der Jubel, wenn eine Gruppe von Steinpilzen nebeneinander stand: „In Lettland kannst du pflücken, soviel du tragen kannst. Sie wurden in Schmalz oder Öl gebraten. Oder blanchiert, gesalzen, mit Johannisbeerblättern, Zwiebeln und Nelken in Gläser gelegt und pasteurisiert; Babystein pilze mit Essig, Salz und Knoblauchzehen eingekocht.“ Lacht: In Lettland haben wir alles aus Wald und Garten geholt. Je einfallsreicher man im Sommer war, desto besser aß man im Winter. Bananen sah ich das erste Mal in den späten Achtzigerjahren.“ Sie freut sich schon darauf, die alten Rezepte und Küchentricks an ihre Tochter weiterzugeben: „Sonst gehen sie verloren.“ Ja, denn längst liebt Elı¯na Garancˇa die Gartenarbeit wieder, findet: „Sie gibt mir Balance“.

Entscheidungsstark war sie schon mit 17: „Die Schule ging dem Ende zu, der Teenagertraum, Schauspielerin zu werden, hatte „nicht geklappt“. Einen Abend lang sprach sie mit den Eltern über ihre Zukunft, wusste nur, „Jus und Wirtschaft kann ich nicht studieren“, legte sich schlafen und erklärte beim Frühstück: „Ich werde Opernsängerin.“ Denn: „Ich mach die Dinge mit mir selber aus. Muss nicht so viel reden.“ Hat sich ohne Mätzchen an die Weltspitze katapultiert. Die großen Häuser von Wien, Paris, Berlin, New York, London und Mailand reißen sich um den Schönklang ihres Mezzo. Doch der Star, der fließend sieben Sprachen spricht, kultiviert die Normalität.

Vor fast elf Jahren lernte Elı¯na Garancˇa den Dirigenten Karel Marc Chichon bei einem Konzert in Riga kennen. Seither leben sie zusammen, haben nach fünf Jahren geheiratet. Sind einander durch die innige Abmachung verbunden, nie länger als drei Wochen getrennt zu sein. Süße Häuslichkeit schaffen sie trotzdem nur in den Sommermonaten, wenn die Orchester, die Chichon als Chefdirigent leitet, keine Konzerte spielen. In Spanien, wo sie nicht weit von Malaga ein Haus besitzen. Da der Maestro in Gibraltar geboren ist, lag’s nicht an nordländischer Ursehnsucht einer Blonden nach dem Süden. War eher wie „Heimkommen in eine Gegend, die man kennt und mag und die, ganz wichtig(!), einen nahe gelegenen Flughafen hat“.

In Andalusien hat Mama Elı¯na die letzten Wochen ihrer Schwangerschaft, die ersten sechs Monate mit Cathérine Louise genossen. Dort kocht sie und gartelt, seit sie auf üppigen Banketten und Empfängen, unter zahllosen Menschen, die sie ständig berufshalber trifft, draufgekommen ist: „Ich brauche die Verbindung zur Erde. Die Stille.“ Hat Paradeiser, Paprika, Zucchini, Gurken, große Stöcke mit süßen Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln und Salat gepflanzt. „Die Zutaten zur Gazpacho-Soße kommen alle aus meinen Gemüsebeeten“, erklärt die Diva, stolz auf ihren grünen Daumen. Bloß den Maispflanz gab sie wieder auf, „weil der Mais so hoch gewachsen ist, alles andere beschattet hat, und außerdem katastrophal von Käfern heimgesucht wurde“. Wenn sie unterwegs ist, bewässert ein Gärtner die Pflanzen, und erntet die Tomaten. Doch kaum daheim, geht sie nach dem Frühstück hinaus, zupft, rupft, schneidet und gräbt: „Dabei meditiere ich fast.“ Oder sie setzt den Ipod auf und lernt neue Partien, „ganz leicht und schön und angenehm.“

Nachdem sie mit Liedern von Strauss, Berg und dem „sehr femininen“ Liederzyklus „Frauenliebe und -leben“ von Robert Schumann in die Konzertsäle zurückgekehrt ist; kurz danach als komödiantisch verspielter „Rosenkavalier“ auf die Wiener Staatsopernbühne, plant sie neue Rollen für viele Jahre voraus. Verrät, dass sie bald Gaetano Donizettis „La Favorita“, die Dido in den „Trojanern“ von Hector Berlioz und die Sara in Donizettis „Roberto Devereux“ einstudieren, singen und spielen wird. Nicht in Wien, doch dieses Jahr hat sie bis September ohnehin weitgehend auf Österreich konzentriert. Am 11. Juli zum fünften Mal als Mittelpunkt des überrannten Open-Air Konzerts „Elı¯na Garancˇa & Friends“ in Stift Göttweig (und am nächsten Tag in Linz). Wo ihr Ehemann die „Klassik unter Sternen“ dirigiert, zu der sie die russische Sopranistin Elena Gorshunova und den koreanischen Tenor Ho-yoon Chung als „Friends“ geladen hat, und bei dem diesmal die Zuhörer ihre Lieblingsnummern aus Garancˇas Programmen der letzten vier Jahre wählen durften. Darunter mengt sie ein paar Lieder ihrer neuen CD, die ab dann getrommelt und im Herbst präsentiert wird. Rituale, in denen sich das Publikum geborgen fühlt. Mit dem Intendanten des Salzburgfestivals, Alexander Pereira, führt sie Gespräche, über kommende Jahre, um „das Beste für beide Seiten zu finden“.

Nicht leicht, wenn die Ferien privat geheiligt sind. Aber vielleicht lassen sich Urlaub und Salzburger Festspiele auch kombinieren.“ Ja, die Sommer. Da stellt sich sogar ihr Mann ab und zu an den Herd und macht nicht nur Frühstück, sondern auch seine Lieblingspasta, für die er Schalotten in Olivenöl röstet, und Thunfisch, Mais, Schafkäse, Gemüsebrühe mit ein wenig Weißwein aufköchelt. Sie sagt, sie fände es „spannend“, Linguine und Spaghetti zu drehen. Mag sie als ideales Essen vor einer Opernvorstellung, kann aber zumindest ebensoschnell eine Dorade oder einen Lachs bis auf den Kopf entleeren, den Bauch mit Rosmarin & Limettenscheiben füllen, und sie mit grobem Salz bestreut und einem Glas Weißwein übergossen, ins Backrohr schieben. „Ein Alltagsgericht!“ zu dem sie oft auch eine Soße rührt, aus süßen Zwiebeln, die sie in Olivenöl bissl bräunlich röstet, bevor sie feingeschnittene Zucchini dazugibt, und, wenn die weich sind, ein halbes Glas Milch und geriebenen Parmesan. Salz, Pfeffer, ein Haucherl Chili, claro. Freut sich sehr über die Tapas im Do&Co: „Fast wie zu Hause!, konstatiert jedoch: „Für Tapas fehlt mir die Geduld!“ Egal, solange Jamon, Cheso, Pimientos und mehr in sämtlichen andalusischen Bars die Vitrinen füllen. So lang sich der Pata Negra in jedem besseren Haushalt findet. Auch in ihrem. Denn: „Mein Mann ist Fleischesser.“ Und: „Ich ess zwar nicht streng vegetarisch, könnte aber keinen Tag ohne einen Apfel oder eine Birne leben, jedoch wochenlang ohne Fleisch.“

Schärfer ist die Saphiräugige auf Süßes. Schwärmt von den nussigen, cremigen, karamelligen Torten im Café Mozart, auch von der Schokoschaumtorte in der Konditorei Oberlaa. Gesteht, dass sie in der Schwangerschaft „süchtig auf Gueulettes war, dieses unglaubliche Mandelgebäck“. Schüttelt das Rezept für Karottenkuchen aus dem Ärmel, allerdings amerikanisch in Cups, in Gläsern, bemessen.

Ruckzuck. Die Sängerin sagt, sie sei „eine Funktionsköchin. 40 Minuten in der Küche. Nicht länger.“ Obwohl sie nett hinzufügt: „Ich bewundere Leute, die stundenlang kochen und rühren.“ Sie erzeugt sogar Brot ohne viel Zeitaufwand: Mit natürlichem Sauerteig, der gesünder sein soll als Trockenhefe, mit Dinkel und Roggenmehl, das sie mit heißem Wasser, oft auch Bier übergossen 48 Stunden stehen lässt, bis es zu gären beginnt. Dann mischt sie’s mit dem Sauerteig und Gewürzen, und bäckt es rund oder eckig. Womit wir wieder beim Naturbelassenen sind, ja, und die Diva denkt ernsthaft an Hühnerhaltung, um für Cathérine immer frische Eier zu haben, und genau zu wissen, woher das Fleisch stammt.

All das vielleicht sogar auf Wiener Grund. Denn noch hat sich das Ehepaar Garancˇa-Chichon nicht entschlossen, an welchem Ort ihr Augenstern zur Schule gehen soll. Jetzt hat sie eine Nanny, „eine Spanierin, denn wenn schon die Umgebung ständig wechselt, sollte ein kleines Kind zumindest immer dieselbe Person um sich haben“. Die Mutter stolz: „Sie wird dreisprachig erzogen, spanisch von der Nanny, englisch vom Papa, lettisch von mir. “Und so lange es geht, soll das Kind Privatlehrer haben. Aber was danach?! „Wien ist flugtechnisch super gelegen. Die Lokale am Naschmarkt lieben wir. Mein Mann mag auch Schweinsbraten.“ Das Kraut dazu könnte La Garancˇa, wie als Kind in Lettland, selber abschmecken und stampfen.

Stimmklang und Liebreiz blühen. Noch unvergleichlicher seit der Geburt von Tochter Cathérine Elina Louise. Die Balance findet Elina Garanca in ihrem Garten. Frisch gekocht hat sie schon als Kind.