Nicht ohne meinen Sous-Chef

Hinter jedem erfolgreichen Koch steht ein guter Küchenchef. Perfekte Arbeits-Ehen, die jeden Wechsel mitmachen und Jahrzehnte halten.

Nicht ohne meinen Sous-Chef

Text von Claudia Schemerl-Streben Fotos: Lukas Beck
Trotz steiler Karriere ist der erst 26-jährige Thomas Göls viel zu bescheiden. Im Jänner 2007 kocht er in Lyon gemeinsam mit 23 anderen Topköchen aus aller Welt um die begehrte Bocuse-d’Or-Trophäe. Beeindruckend sind auch die einzelnen Stationen, die der Wiener bereits vorweisen kann: "Sacher" und "Novelli" in Wien, "Obauer" in Werfen und schließlich "Meinl am Graben". Für Küchenchef Joachim Gradwohl war der Aufstieg von Thomas Göls zum Sous-Chef vor zwei Jahren vorprogrammiert: "Weil er einfach gut war, schon einige Erfahrung hat, aus guten Häusern kommt und ein wahnsinniges Gefühl fürs Kochen hat." Als Stellvertreter des Chefkochs ist Thomas Göls für die Leitung der Küchenbrigade, für den Einkauf und die Erstellung der Speisekarte zuständig. Wenn Joachim Gradwohl nicht im Haus ist, hat er die volle Verantwortung. Die Leidenschaft fürs Kochen kennt bei dem jungen Sous-Chef keine Grenzen, denn wenn er nicht gerade in der Restaurant-Küche steht oder für Wettbewerbe trainiert, studiert er auf der Suche nach neuen Ideen Fachliteratur oder steht vorm eigenen Herd. "Ich bin zu Hause sehr gut ausgestattet und wenn mir dann etwas einfällt, muss ich es gleich ausprobieren. Es arbeitet einfach ständig im Kopf." Für den Bocuse-d’Or-Wettbewerb wendet er sogar seine ganze Freizeit auf. "Jeder Tag, jede Minute wird genutzt, eigentlich geht alles drauf, was man an Freizeit hat." Sein Ziel? "Gut abschneiden, beim Bocuse d’Or ", sagt er verschmitzt. Spezialist ist Thomas Göls in Sachen Chutneys. "Er probiert irrsinnig viel aus und kommt mit den verrücktesten Sachen. Manchmal stellt er sich zu Hause hin und kocht tagelang Marmeladen ein. Die werden dann auch bei uns eingebaut", verrät Joachim Gradwohl. "Lustig, dass er das erzählt", sagt Göls, in seiner Leidenschaft ertappt. "Ich nehm‘ alles, was halt gerade bei mir im Garten wächst, Grüne-Tomaten-Chutney zum Beispiel, das war toll." Besonders stolz ist Gradwohl, wenn in seiner Abwesenheit alles reibungslos funktioniert: "Mich freut es irrsinnig, wenn ich nachher höre, dass sowohl die Gäste als auch das Servicepersonal unabhängig voneinander sagen, dass sie total zufrieden waren."
Zwei Gassen weiter wurde Mitte Mai die Küchenführung des "Schwarzen Kameels" vom Erfolgsduo Christian Domschitz und Alois Traint übernommen. Ihre erste Begegnung hatten die beiden vor 15 Jahren, im Restaurant "Bauer". "Das war Zufall. Ich habe einen Job gesucht, der samstags und sonntags Freizeit erlaubt, und einfach den Gault Millau aufgeschlagen. "Bauer" war der erste Name, der die Kriterien erfüllt hat. Ich habe mich beworben und gefragt, ob sie einen Koch, Kellner oder Schankburschen brauchen und gleich in der Küche angefangen." Den ersten Tag von Alois Traint haben beide nicht vergessen: "Alois ist reingekommen, mit langen, gekrausten offenen Haaren! Am zweiten Tag war ein Haar in der Suppe und ich habe ihm gesagt, du hast drei Möglichkeiten: Entweder Netz, Zopf oder du schneidest dir die Haare ab." Vor über zehn Jahren hat sich der Koch dann von seiner Haarpracht verabschiedet. Seither haben die beiden Charismatiker, die vom äußerlichen Erscheinungsbild unterschiedlicher nicht sein könnten – der eine konservativ und liebevoll der "Lange" genannt, der andere leger, mit Piratentuch am Kopf und Brandings am Arm –, sich mit einigen kurzen Unterbrechungen nicht mehr voneinander getrennt. Das Arbeits-Ehepaar hat bereits den zweiten Wechsel – vom "Bauer" ins "Mörwald im Ambassador" und von dort ins "Schwarze Kameel" – hinter sich. Einen weiteren wünscht sich Domschitz nicht: "2018 feiert das ,Schwarze Kameel‘ seinen 400. Geburtstag. Da möchten wir dabei sein." Kreationen entstehen durch Zwiegespräche, wie zum Beispiel die legendäre Brettljause, mit Butterfisch, Wasabi und Dijonsenf und selbstverständlich am Brettl serviert. Qualität ist beiden sehr wichtig, wobei Sous-Chef Traint "extremer ist als ich", sagt Domschitz. In manchen Fällen wird ein Gericht, das bereits auf dem Teller ist, von Alois Traint noch einmal gekocht, weil es nicht passt. "In der Küche passieren täglich Patzer. Wichtig ist, nicht herumzupfuschen, sondern gleich alles neu zu machen, denn Abfall mit Trüffel bleibt Abfall." Aus dem aufbrausenden Koch ist heute ein Sous-Chef mit der notwendigen Gelassenheit geworden: "Damals war ich ein A-la-minute-Koch, heute weiß ich, dass der Fisch Zeit braucht." Mit seiner Position ist der 37-Jährige zufrieden: "Rangordnung ist für mich nicht wichtig. So lange Christian Domschitz einen Koch braucht, bleib‘ ich Sous-Chef. Entweder ich geh‘ in Pension oder stirb."
Klaus Fleischhaker hat keinen Sous-Chef. Bei ihm gibt’s nur einen Küchenchef und der heißt Jürgen Vigne. Im Betrieb ist er seit fünf Jahren, davor hat er bei Lisl Wagner-Bacher in Mautern gelernt und ist dort für elf Jahre geblieben, bevor er direkt ins "Pfefferschiff" bei Salzburg gewechselt hat. Ausschlaggebend waren private Gründe, wichtig war ihm aber auch, dass er wieder in einem familiär geführten Haus kochen kann. In dem 400 Jahre alten Gemäuer ist man darum bemüht, dass die Gäste sich wohl fühlen. Im Unterschied zu vielen anderen Betrieben punktet man hier mit Ungezwungenheit. "Das ist es, was uns von anderen abhebt", sagt Patron Fleischhaker stolz. Mit seinem Küchenchef ist er auf gleicher Wellenlänge: "Wir beide haben dieselbe Vorstellung davon, was gute Küche ausmacht." Im "Pfefferschiff" wird auf saisonale und heimische Produkte – derzeit vor allem auf Süßwasserfische wie Reinanke, Waller und Saibling – gesetzt. "Ich brauch‘ keinen Fisch von fernen Inseln oder Trüffel, wenn gerade Eierschwammerlzeit ist und ich genier‘ mich auch nicht, eine Blutwurst auf die Karte zu setzen." Gleicher Meinung sind die beiden trotzdem nicht immer. "Einer rümpft schon manchmal die Nase und sagt, ,das is net meins‘. Wenns geschmacklich nicht passt, dann tüfteln wir halt noch ein bisschen dran herum und finden einen Konsens", sagt Vigne. Die Linie des Hauses will er nicht verändern, aber dass jeder Koch seinen eigenen Stil hat, den er einbringt, kann er nicht verleugnen. So entstehe dann eine bodenständige Küche mit Pep und auf höchstem Niveau, wie beispielsweise der Maibock mit Zwetschken-Curry-Chutney oder die Krebslasagne mit Kalbsbries und Portweinfeigen, übrigens eine Kreation von Jürgen Vigne: "Es macht Spaß, wenn man die Resonanz von den Gästen hört."
Gelernt hat der gebürtige Kremser in erster Linie die Sparsamkeit im Umgang mit Produkten. Klaus Fleischhaker hat ihm gezeigt, dass man mit jedem Apfel und jedem Abschnitt etwas machen kann, was aber nicht mit Restlverwertung gleichzusetzen sei. Eigenheiten hat er keine. "Wir sind alle sehr bodenständig, bei uns gibt es keinen einzigen Raucher und getrunken wird auch nicht viel, was für die Gastronomie eher untypisch ist – wir sind eben keine normalen Köch‘." Zu Hause kocht Vigne eher nicht. Privat geht er lieber essen oder er fährt zu seiner Mutter nach Krems: "Das Schnitzel von der Mama ist immer noch ein Highlight."
Die Leidenschaft zum Gesamten ist es, die Walter Eselböck mit seinem Küchenchef Jürgen Csencsits verbindet: "Es gibt ganz gute Köche, die kochen – und aus. Aber es gibt auch Köche, die leidenschaftlich Gastronomie machen und das schätze ich an ihm." Kochen ist Walter Eselböcks Welt, eine Welt, die er fast zur Gänze in die Hände seines Küchenchefs legt. Die 14 Jahre lange Zusammenarbeit hat die beiden zu einem perfekt eingespielten Team gemacht, das gemeinsam mit seiner Küchenbrigade so stark ist wie noch nie. Jürgen Csencsits hat die Koch-Kellner-Lehre im "Taubenkobel" absolviert. Das Talent als Kellner hielt sich in Grenzen, in der Küche ist er allerdings aufgeblüht und hat sich zu einem hervorragenden Koch entwickelt, der die Position als Sous-Chef bravourös gemeistert hat. Vor zwei Jahren hat er die Küchenleitung übernommen. Den Sous-Chef-Posten gibt es nicht mehr, Küchenchef – Jürgen Csencsits – und Chef – Walter Eselböck – ist genug. Die Speisekarte wird gemeinsam zusammengestellt: "Oft ist es so, dass sich einer von uns in einer Idee für eine Kreation festnagelt und dann jemand von außen kommt, der es völlig neu sieht und die Lösung viel schneller hat, als man selbst." Dabei ist nicht nur die Kreativität der beiden gefragt, auch die anderen Köche sind gefordert. "Die Gäste glauben ja immer, der Eselböck, der berühmte Koch, der geht jetzt in die Küche rein und macht ganz alleine und nur für mich mein Essen. Das spielt’s aber nicht. Du brauchst zwanzig Hände und jemanden, der dir den Rücken freihält." Die Anstrengung, die das Leben als Koch mit sich bringt, ist enorm. Manchmal steht die Mannschaft 14 bis 15 Stunden in der Küche. "Es gibt kein geregeltes Leben, es muss
deine Welt sein." Csencsits fungiert als Bindeglied zwischen Küche und Eselböck, der die Leistung seines Küchenchefs zu schätzen weiß und sie mit Fußball vergleicht: "Als Küchenchef bist du der Coach. Die elf besten Spieler ergeben nicht die beste Mannschaft, wenn die Aufstellung nicht passt."
Der Beruf Koch war für Josef Hohensinn vorprogrammiert. Seine Eltern führen einen Gastronomiebetrieb und haben die Entscheidung für ihn gefällt: "Man wächst von Kindheit an damit auf. Da kommt man in Wirklichkeit auch nicht mehr raus." Das "Korso" war für ihn ein hoch gestecktes Ziel: "Es hat den Namen gehabt und man hat gewusst, dass Reinhard Gerer noch selbst in der Küche steht." Auch heute ist Gerer Mentor für seinen Sous-Chef, denn: "Man lernt nie aus und das, was ich kann, habe ich von ihm." In den 14 Jahren, die sich die beiden schon kennen, hat sich eine Freundschaft und ein blindes Vertrauen zueinander entwickelt: "Wenn ich ein Produkt nenne, weiß er genau, welche Gerichte ich mir vorstelle und wo ich hin will." Vorlieben der Stammgäste werden genau besprochen, außerdem ist in der Küche ein hohes Maß an Flexibilität gefragt. "Man muss wissen, ob der Gast Trüffel mag oder ob er mehr auf rustikale, experimentelle oder Wiener Küche steht. Da kann man sich schwer verbrennen", verrät Gerer.
Eigene Kreationen setzt der Sous-Chef in Absprache mit Gerer auch auf die Karte. Dass seine Kreationen dem Korso-Stil entsprechen, versteht sich von selbst, weil dieser Stil auch zu seinem geworden ist. Führungsqualitäten hat Hohensinn immer wieder bewiesen, auch auf die konstante Qualität ist der Sous-Chef stolz. "Das liegt sicher daran, dass wir das zu zweit machen. Wobei, der Chef ist immer noch der Gerer." Ans Gehen denkt Hohensinn noch lange nicht, er ist ein Gewohnheitstier, der das, was er bisher aufgebaut hat, nicht einfach aufgibt. "Ich habe mein Leben nach dem Korso gerichtet, mir eine Eigentumswohnung in der Nähe gekauft, es passt einfach alles super zam." Privat ist der Oberösterreicher auf der gutbürgerlichen Seite unterwegs: "Wenn man jeden Tag mit Hummer, Krebsen und Gänseleber arbeitet, sieht man sich irgendwann satt. Ich geh‘ lieber in gute Wirtshäuser, zum Italiener und ab und zu zum Asiaten." Inspirationen holt er sich dort ebenso: "Da schnappt man neue Ideen auf. Es muss ja nicht immer Zwiebelrostbraten mit Knödeln sein."
Thomas Wohlfarter und Christian Petz arbeiten schon seit viereinhalb Jahren zusammen. Sous-Chef war er bereits im "Meinl am Graben", das Petz zum Spitzenrestaurant gemacht hat. Kennen gelernt haben sie sich zu Eckart Witzigmanns 60. Geburtstag, der im Gourmettempel "Tantris" in München gefeiert wurde. "Wir haben uns eine Woche später ein Treffen ausgemacht und so habe ich auch den Job bekommen. In Wirklichkeit hab‘ ich ihn mir aufgrissen. Ich wollte wieder nach Wien und unbedingt zu einem Witzigmann-Schüler", sagt der 30-Jährige über den für ihn komplettesten Koch. Seit drei Jahren ist Thomas Wohlfarter Sous-Chef im Restaurant "Coburg" und rastloser Perfektionist. Er arbeitet ständig an sich und bezeichnet sich als "wenig selbstzufrieden". Kreationen, auf die er besonders stolz ist, gibt es nicht. "Manchmal mache ich ein Gericht, das ich heute noch top finde und in einigen Wochen kann ich es nicht mehr sehen. Nicht, weil es schlechter geworden ist, aber weil man einen anderen Level erreicht hat, eine andere Sichtweise." Den Anspruch auf höchste Qualität stellt er nicht nur an sich, sondern auch an sein Küchenteam. "Ich bin wahrscheinlich strenger als Christian Petz. Großzügigkeit, hoffe ich, kommt bei mir mit dem Alter." Der Küchenchef ist von seinem Sous-Chef jedenfalls überzeugt: "Er ist ein sensationeller Koch, er ist kreativ und arbeitet permanent an sich, was in seiner Position sehr wichtig ist, denn man kommt an einen Punkt, wo man nichts mehr von anderen lernen kann und man sich selbst weiterbilden muss." Zuhause kocht Wohlfarter eher selten und wenn, dürfen maximal ein Topf und zwei Teller benützt werden. Macke hat der 30-Jährige nur eine, über die sich Küchenchef Petz wundert: "Er hat eine seltsame Ernährungsweise. Er geht ins Fitnessstudio und hat kübelweise Eiweißprodukte und Energydrinks in der Küche stehen. Manchmal isst er wochenlang nur Thunfisch und Cottage-Cheese." Als Macke würde Wohlfarter das nicht bezeichnen. Er ist neben der Freude am Kochen eben auch freizeitorientiert. Und Freizeit bleibt einem in dieser Branche sowieso nicht viel. "Freunde rufen mich oft an und fragen, wann ich Zeit habe. Ich sage dann, in vier bis fünf Wochen. Das ist kein Scherz, im Schnitt arbeitet man 13 bis 14 Stunden in der Küche." Trotzdem, in die Gastronomie wollte Wohlfarter schon immer: "Ich mag die Lebensart der Gastronomie, die ist nicht 08/15."