Polster gegen Pölster

Seit er sich vom aktiven Fußball und der Existenz als Dancing Star verabschiedet hat, muss Toni Polster auf seine Figur achten. Behauptet er allen Ernstes.

Polster gegen Pölster

Text von Michaela Ernst Fotos: Helene Waldner
Jetzt hat ihn auch noch das Gastgewerbe entdeckt.
Was nicht wirklich verwundert. Schließlich muss einer, der so viel Sport betrieben hat, kalorienverbrennungstechnisch auf Lebzeiten vorgesorgt haben. Dem kann man ruhig etwas Beißfestes draufpacken. Etwa einen großen goldenen Spargel – wie vor wenigen Wochen im "Marchfelderhof", wo Toni Polster im Rahmen eines Promi-Spargelessens zum Spargelkönig der Saison gekürt wurde. Oder einen reschen Tiroler Speck, wie (vermutlich) neulich beim "Stanglwirt", der den Sympathieträger via Medien zum neuen Lieblings-Stammgast erkor.
"Dabei kann ich nur mehr ein Drittel von dem essen, was ich verdrückt habe, als ich noch Fußball gespielt habe", bekennt Polster ernsthaft (ernsthaft!) geknickt, "der Sättigungsgrad ist schnell erreicht. Muss schnell erreicht sein. Es wär‘ für mich ein absolutes Horrorszenario, wenn ich auf einmal 15 Kilo zunehmen würde." Tut er das so leicht? "Naja, viele Sportler gehen, wenn es einmal vorbei ist, scho‘ richtig auf …" Solange er gekickt hat, wog er zuverlässige 90 Kilo. Jetzt bleibt die Waage an manchen Tagen bei 93 stehen. "Da heißt’s stopp mit ‚m Schnitzerl", grinst er, "weil zwei, drei Kilos kann man leicht abnehmen. Aber alles, was darüber hinaus geht, bedeutet echte Entbehrung."
Entbehrung ist nicht seines. Das ahnt man, wenn Polster gut gelaunt, aber etwas zerdrückt um 11 Uhr vormittags in seinem Stammlokal, dem "karls" am Wiener Karlsplatz, mit belegter Stimme eine Espresso bestellt, eine Zigarette raucht und kurz darauf ein Glas Prosecco trinkt, weil der Kaffee vielleicht doch nicht den erwarteten Kick gebracht hat. Er kommt derzeit viel herum, noch mehr als sonst. Er muss, er will – ja, es macht ihm natürlich Spaß – seine erste Musik-CD "Walk on 9" zu promoten. Außerdem pendelt er dauernd zwischen Deutschland und Österreich hin und her, weil er die Fußball-WM für den ORF kommentiert.
Jetzt aber sitzt er im "karls" zwischen seinen Muntermachern und hat einen Interview-Marathon vor sich, als sein Freund Skender Fani, Anwalt, Manager und Spezi vieler österreichischer Fußballer, anruft. "Mei Bua" nennt Polster den gut 60-Jährigen und schildert dem Mann am anderen Ende der Leitung seinen prall gefüllten Terminkalender.
Toni Polster ist ein treuer Mensch, erzählt Christian Dander, Serviceleiter im "karls", an anderer Stelle. Er kommt her, um seine Musik zu präsentieren, seinen Geburtstag zu zelebrieren – "alle seine Feiern finden hier statt", schwört Dander. "Ich mag es, wenn Essen mit einem Erlebnis verbunden ist", sagt Polster später. Aber vorher verrät er: "Es gibt halt eine Verbindung durch den Fußball. Der Kurt (Kurt Bender, Besitzer des ,karls‘, Anm.) ist schon seit Jahren bei jedem Match dabei. Außerdem gehen wir auch gemeinsam Tennis spielen." Und das Essen selbst? "Na des schmeckt supa! Das Schöne hier ist, man kriegt alles frisch. Nudelgerichte, Fisch mit Gemüse, österreichische Küche. Und i iss gern gut." Aber Gourmet sei er keiner.
Für die kulinarische Ausgefeiltheit ist seine Frau Liesi, eine Heilpraktikerin, zuständig, die derzeit eine zusätzliche Ausbildung als Ernährungsberaterin absolviert. Sie achtete bereits auf Polsters Essensplan, als er noch aktiver Sportler war. "Je näher es zum Spiel kam, desto mehr Kohlehydrate und Obst musste ich zu mir nehmen." Nachsatz: "Für die Seele wär‘ mir lieber was anderes gewesen." Was heißt "näher zum Spiel"? "Naja, eh nur drei, vier Tage davor." Die Seele musste also nicht lang leiden.
Liesi Polster versorgt ihren Mann nicht nur mit der passenden Vitaminzufuhr, sondern auch mit den richtigen Informationen. Die nimmt er erstaunlich dankbar auf, findet "das alles wahnsinnig interessant". Bespiele fallen ihm auf die Schnelle nicht viele ein, aber nach kurzem Nachdenken nennt er zwei Tipps, die er selbstverständlich befolgt: "Joghurt und Müsli gehören vor dem restlichen Essen konsumiert, weil sie da die bessere Wirkung zeigen. Generell sollte man Früchte vor dem Essen zu sich nehmen, weil der Körper die Vitamine stärker aufnimmt. Und wenn S‘ noch mehr wissen wollen, müssen S‘ meine Frau fragen!" Punkt.
Küche, Kochen, das alles sei für ihn "Frauensache", aber nicht im altmodischen Sinn, wie er betont – "Des dürfen S‘ ned so schreiben, dass es nach Macho klingt." Diese Situation ergebe sich aus seinem mangelnden Interesse, man muss ja nicht überall daheim sein: "Die Küche ist ned mei Revier." Polster selbst tauge lediglich für die Zubereitung eines Omelettes – eh klar: "das beste Omelette der Welt" mit Käse und Schinken. Zubereitet aus zwei Eiern. Nur der Sohn, der 15 Jahre alt ist und an Wochenenden zuweilen "schwere Computernächte schiebt, bekommt eine Variante mit drei Eiern".
Toni Polster erzählt, dass seine Frau oft drei bis vier Stunden in der Küche stehe, um der Familie ein ordentliches Mahl zuzubereiten. "Manchmal ganz komplizierte Sachen nach Rezept … also mit an Jamie-Oliver-Kochbuch kannst ihr a riesige Freude machen". Das meiste gelinge ihr vorzüglich: "Sie ist eine sehr gute Köchin!" Nur manchmal, "aber wirklich sehr selten", schieße sie daneben. Was er dann macht? "Natürlich sag ich’s ihr, sonst krieg ich’s vielleicht in drei Wochen noch einmal. Aber ich formulier’s natürlich verschlüsselt, schön verblümt. Ich will sie ja nicht kränken!"
Zuletzt die obligate Frage – Bier oder Wein? Beides. Bier gönnt er sich hin und wieder zwischendurch, aber zum Essen trinkt er lieber Wein. Auch hier gibt Polster kein falsches Wissen vor. Er lacht: "Ich bin ein Amateur-Sommelier. Gibt’s so was überhaupt?"
Er lässt sich von denen beraten, die sich auskennen.
Zum Mittagessen im "karls" rekommandiert Service-Chef Dander ein Glas Gavi di Gavi und serviert außerdem Wasser. Toni Polster bestellt eine warme Paradeissuppe, einen grünen Salat und zuletzt Saiblingfilets mit Wokgemüse und Erdäpfeln. Und wirklich – er isst nicht ganz auf, lässt vom Fisch, der nicht allzu bescheiden in Olivenöl gebraten wurde, etwas übrig. Er hat schon zu Beginn gewarnt: So ein Kilo rollt manchmal schneller daher als ein Ball.