Schöner leben, schöner kochen

Mit 13 Jahren steckte sie ihr Taschengeld in eine Kochbuchserie. 32 Jahre später packt die beliebte TV-Moderatorin ihre Leidenschaft in feste Nahrung: Denn ihre Lieblingsrezepte erscheinen nun als Buch!

Schöner leben, schöner kochen

Text von Michaela Ernst Fotos: Luzia Ellert
Alles was sie als Köchin qualifiziert, sei ihre Leidenschaft. Behauptet Barbara van Melle. Ja gut, werden Sie jetzt vielleicht denken – und das soll ein Grund sein, gleich ein Kochbuch zu schreiben?! Könnte da nicht ein jeder …
Barbara van Melle kommt daher. Mit ihrer Leidenschaft. Und ihrer Erfahrung. Was in dieser Kombination und vor allem im konkreten Fall nicht wenig bedeutet. Mitte April bringt sie ihr erstes Kochbuch auf den Markt, "das schöner leben kochbuch", mit mehr als 60 Rezepten, teils aus dem eigenen Fundus, teils als Zitat auf berühmte Vorbilder gedacht – wie der legendäre Gugelhupf der Obauer-Brüder aus Werfen, nur eben à la Melle, und das heißt mit genauso viel Schlagobers, aber dafür weniger Zucker im Teig.
Dazu ist Folgendes zu sagen: Barbara van Melle untertreibt, wenn sie ihr Können auf das leicht inflationäre Wort "Leidenschaft" reduziert. Diesen Hang zur Bescheidenheit konnte man schon bei "Thema" erleben, das sie von 1995 bis 2002 moderierte. Damals recherchierte sie auch Beiträge für das Reportagemagazin, die sie auffallend unprätentiös präsentierte. In ihrer langjährigen ORF-Geschichte gestaltete sie, was nur wenigen Sehern bekannt sein dürfte, außerdem Wissenschaftsberichte für die "ZiB" sowie die Dokumentationsleiste "Brennpunkt". Van Melle hat mehr als bloß den Publikumsliebling drauf – und seit zwei Jahren nun "Schöner leben".
Sie macht sich, nicht in einem physischen Sinn, aber in Anbetracht des Starkults, der um ihre Person herrscht, schlanker, als sie ist – nach ihrem Abgang bei "Thema" waren es schließlich die Seher, die ihre Rückkehr auf den Bildschirm einforderten. Vielleicht ist van Melle auch einfach nur sehr normal geblieben. Im Vorwort zu ihrem Buch schreibt sie: "Die Rezepte in diesem Buch sind ganz einfache Rezepte, die ich selbst koche – für meine Familie und für Freunde."
Sie hat keine der berühmten österreichischen Gastro-Schmieden (abgesehen von ein paar Kochkursen) besucht, aber sie ist durch die fundierte Schule ihrer Mutter gegangen.
"Obwohl meine Mutter als Dentistin in Oberpullendorf voll berufstätig war, fand sie stets Zeit fürs Kochen. Es hat bei uns wirklich jeden Tag ein dreigängiges Menü gegeben. Lediglich eine Bäuerin aus dem Nachbarort half im Haushalt mit. Und diese Perle galt in dem burgenländischen Dorf, aus dem sie stammte, als die Paradeköchin schlechthin."
Für jene, die sich unter der Kraft dieser Aussage zu wenig vorstellen können (weil diese Strukturen zunehmend aussterben): Hätte sich in den frühen 60er Jahren eine Burgenländerin aus ländlichem Umfeld der Kochkunst versperrt, wäre dies genauso sträflich gewesen, wie wenn sich heute – ganz im Allgemeinen – eine Frau dem Bildungsweg verweigerte.
Noch heute weiten sich van Melles Augen vor Begeisterung, wenn sie von den Leckereien ihrer Kindheit spricht: "Als ich ein Kind war, gehörte dies zum Brauch: Wenn jemand im Dorf heiratete, fertigten die Frauen gemeinsam die Hochzeitsbäckerei. Schaltzentrale für solche Ereignisse war damals eben das Haus unserer Johanna."
Den Grundstein für van Melles Kochbegabung legte – trotz des süß duftenden Umfelds und der zahlreichen Verlockungen aus der Nachbarschaft – dennoch, wie sie sagt, ihre Mutter. "Sie machte wirklich alles selbst. Meine Mutter hat Marillenmarmelade nur aus den reifsten Früchten der ältesten Bäume gekocht und die ersten Klaräpfel im Herbst hat sie zu herrlichen Nachspeisen verwandelt. Wenn es sein musste, verschwand sie zwischen zwei Behandlungen schnell in die Küche, um zu prüfen, dass die Marmelade nicht überkocht oder das Fleisch im Rohr austrocknet", erinnert sich die Tochter, die von klein auf gern mithalf, weil sie nicht auf Sklavendienste reduziert, sondern altersadäquat eingesetzt wurde. Diese Rituale zwischen Bohrgerät und Bratpfanne galten im Ort als bekannt. Sie waren auch schwer zu verbergen: Denn die Küche lag, lediglich durch ein Übergangszimmer verbunden, gleich neben der Ordination. "Manche Patienten bezahlten, weil sie es sich nicht anders leisten konnten, in frischen Eiern oder selbst gebackenem Brot."
Van Melle könnte sich den Alltag übrigens ähnlich einteilen – zumindest was die Arbeit im Vorfeld ihrer Fernsehauftritte betrifft. Von der geräumigen, offenen Küche blickt sie auf einen großen, edlen Holztisch, der wiederum die Sicht auf eine gewaltige Bücherwand freigibt. Ein architektonisches "L", an dessen einem Fußende sich der Genuss und am anderen die Geisteswelt niedergelassen hat, in der Mitte der vereinigende Tisch.
Tatsächlich bereitet die dreifache Mutter – ihr jüngstes Kind, Sohn Leon, ist gerade einmal fünf Jahre alt – ebenfalls täglich Frisches für ihre Familie zu. Auf dem Speiseplan stehen vorrangig Gemüse, Pasta-Gerichte, vegetarische Woks oder Nasi Goreng. "Was ich auch gern koche, ist eine Suppe oder eine kleine Vorspeise und im Anschluss etwas Süßes, wie zum Beispiel Kaiserschmarren. Das geht aber nur dann, wenn mein Mann nicht da ist. Der kann nämlich Süßes nicht besonders leiden." Fisch ist ein weiteres Thema, an dem sich die Geister scheiden: "Leon liebt Fisch. Max, mein älterer Sohn, hasst Fisch. Also gibt es bei uns nur dann Fisch, wenn Max bei Freunden übernachtet oder auswärts isst."
Doch die Vielfalt der Gerichte ist nicht so sehr das Thema bei den van Melles wie die Reinheit des Produkts selbst. Deshalb erwähnt sie diese Geschichten einfach nur schmunzelnd, ohne ihnen allzu viel Gewicht beizumessen.
Die Interessen im Haus drehen sich eben vorwiegend um Qualität. Es wird zwar im Supermarkt eingekauft – allerdings fast ausschließlich Bio. Einiges wird auch via Internet bestellt – zum Beispiel über "frisch & frei", einen Bio-Zustellerdienst aus der Wickenburggasse im achten Bezirk. Darüber hinaus klappert sie in ihrer Freizeit Bauernhöfe nach saisonaler Ware ab oder geht auf Erkundungs-Tour nach neuen, interessanten Bezugsquellen. "Zum Beispiel bin ich auf die Gärtnerei Bach gestoßen, die unweit unseres Hauses liegt und nicht nur herrliche Duft-Pelargonien verkauft, sondern frische Kräuter, also wirklich alle Kräutersorten, die man sich vorstellen kann – und Paradeiser. Es ist ja nicht immer so leicht, in Wien zu gehaltvollen Paradeisern zu kommen. Aber diese Frau bietet in den Sommermonaten 80 bis 100 verschiedene Sorten an. Nicht nur die roten. Auch gelbe, grüne und ganz exotische, zum Teil uralte Sorten."
Der Kreis zu ihren Wurzeln scheint sich in Barbara van Melles Küche zu schließen. Wenn sie ihren Eisschrank öffnet, findet sie stets darin Bauernbutter, Bio-Milch, Landeier und "viel Gemüse, das muss sein, sonst bekomme ich Zustände!"
Was vor über vier Jahrezehnten im südöstlichen Österreich seinen Ausgang nahm – nämlich die Freuden des einfachen, wenn auch nicht mühelosen Lebens auf dem Lande bereitwillig in sich aufzunehmen – steht kurz vor einem neuen Höhepunkt: "Ich habe mir einen Acker gemietet!", sagt sie fast ein bisschen provokant, in Erwartung auf die Reaktion, die sie damit auslöst.
Einen Acker, also. "Ja, ich wollte immer schon einen Acker haben." Punkt.
"Und ich werde darauf kein Gemüse pflanzen. Das reift nämlich alles gleichzeitig. Dann muss man all seine Freunde mit Zucchini oder Fisolen beglücken. Ich habe mich für Erdäpfel entschieden." Ein Bio-Bauer wird sie bei der Auswahl des Saatguts beraten und in die artgerechte Pflege einschulen.
So viel weiß sie schließlich jetzt schon: Erdäpfel sind in einem Keller gut lagerfähig und beim Kochen vielseitig einsetzbar. Außerdem entsprechen sie nahezu perfekt van Melles Werte-Welt: "Der eigentliche Luxus liegt für mich nicht in Kaviar, Hummer oder Trüffel, sondern in der Rückkehr zum einfachen, möglichst unverfälschten Produkt."
Auch wenn Oberpullendorf und seine benachbarten Ortschaften von Barbara van Melle mittlerweile weit entfernt liegen – knappe hundert Kilometer oder eineinhalb Autostunden Fahrt oder ein halbes Leben oder ein ganzes Weltbild –, so zeigen deren Spuren in ihrem Alltag doch Präsenz: auf einem weißen Teller, an einem schönen Holztisch, in einem sonnigen Raum.