So weit, so gut

Alter ist kein Leistungsbeweis, trotzdem der Hinweis: Vor 25 Jahren, im Herbst 1988, wurde A la Carte zum ersten Mal im Zeitschriftenhandel serviert.

Text von Christian Grünwald

Christian Millau schrieb das Vorwort mit dem Titel „Bonjour Autriche“, gratulierte der österreichischen Küche zu ihrer neu gefundenen Identität. Stimmte, denn tatsächlich konzentrierten sich immer mehr Küchenchefs auf die Verfeinerung der heimischen Küche und erlangten damit ungeahnte Akzeptanz bei Gästen und Kritikern.

Man genoss wieder Beuschel und Grammelknödel in feiner Manier, freute sich auf „Amuse-Gueule“ statt „Gabelbissen“. Kutteln, Polenta, Kalbsbraten und Liwanzen waren wieder köstliche und beliebte Positionen auf den Speisekarten. Man schätzte neue, leichte Kreationen aus regionalen Produkten, zeitgleich entdeckte man die erst seit kurzer Zeit leichter erhältlichen Meeresfische und -früchte in ihrer bislang unbekannten frischen Pracht: Steinbutt, Seezunge, Rotbarbe, Kaviar und Hummer lauteten die kostspieligen Ansagen, am besten im Zusammenspiel mit Safran, weißer Trüffel & Co. Die erste A la Carte-Story über die Sehnsucht nach Qualitätsschweinefleisch erschien 1989. – In der letzten Ausgabe suchten wir immer noch, wurden immerhin auch fündig.

Genau genommen hieß das Print-Erstlingswerk ja „Gault Millau-A La Carte“. Die Anbringung der französischen Guide-Plakette mit dem Namen, der damals stets für heitere Versprecher (Gaul mi au) gut war, war der nicht lange währende Versuch, eine französisch-österreichische Gourmetwelt zu kreieren. Nach elf Ausgaben, im Frühling 1990, hisste A La Carte die Solo-Flagge und segelte fortan allein durch die kulinarischen Weltmeere. „Die Nouvelle Cuisine ist völliger Unsinn“, wetterte damals ein von vier auf drei Hauben abgewerteter Paul Bocuse, der im Interview die schlechte Laune des Hundes von Monsieur Millau für das negative Testergebnis verantwortlich machte.

Das Restaurant der Obauers hieß noch Lebzelter, jenes von Heinz Hanner Marienhof. Die Top 6 des Landes waren Zoll/Bregenz, Steirereck/Wien, Bleibergerhof/Bad Bleiberg, Bacher/Mautern, La Tour/Perchtoldsdorf, Eschlböck/Mondsee. Werner Matt, damals schon eine Küchenchef-Legende hatte gerade kein eigenes Restaurant.

Der Nummer 1 fehlte es nicht an pikanten Geschichten. Unter dem Titel „Lieber Taube als Falk“ war man mit Medien-Tycoon Hans Dichand in Reinhard Gerers Korso essen, der beim Armagnac ins philosophieren geriet und begeistert von langbeinigen Schönheiten beim britischen Zeitungszaren Robert Maxwell erzählte.

Als Chefredakteur fungierte Christoph Wagner, die Mehrheit im herausgebenden D&R-Verlag hatte Hans Schmid, zu dieser Zeit durch seine GGK-Werbeagentur und als Eigentümer von Wiener/Wienerin der wichtigste Medien-Entrepreneur des Landes.

Schon 1988 suchte man nach den angeblich „letzten Beisln von Wien“ – die Pompfüneberer dieser Lokalkategorie hatten im Zuge der Regionalisierung der Küche zum Glück wenig zu tun. Peters Beisl in der Arnethgasse galt damals als der modernste Vertreter der neuen Wiener Küche. Allerdings wurde Peter Kirischitz in einer Kritik auch abgemahnt: „… gerade in einem Beisl sollte es sich herumgesprochen haben, dass ein Wiener Schnitzel (zumal eines vom Schwein) nicht auf den Punkt gegart gehört.“ Nebenbei: Karl Obauer kommentierte das volkstümliche Klopfen des Fleisches mit „Da kann ich mir ja gleich ein Schneuztüchel panieren.“

Noch schlimmer schien es nur noch im Sacher zuzugehen: „Der Allerweltsgast wird mit lieblos auf den Teller dressierter Durchschnittskost abgespeist, von Oberkellnern, die sich für was Besseres halten, abgeschasselt und erntet, wenn er berechtigte Kritik übt, allenfalls Hohn.“

Gute Zigarren waren im Jahr 1988 in Österreich wegen des Tabakmonopols noch mehr Schmuggelware. Umso größer war dann das Erstaunen, dass bei einer Blindverkostung die vielgelobte Davidoff No. 2 nur Platz drei hinter den Coronas von Siboney und Montecristo einnahm. – und heute suchen wir bald vergeblich eine legalen Ort für den „Smoke“ danach …
Der Weinskandal 1985 war noch frisch im Gedächtnis, man gierte nach Zuspruch von außerhalb. So lobte Christian Millau Österreichs Weißweine. Dass die Veltliner teilweise besser als die Rieslinge schmeckten, war damals noch eine kleine Sensation. Und auch dem österreichischen Rotwein konstatierte Millau Potenzial: „Der Blaufränkische ist auf jeden Fall besser als die Mehrzahl unserer Beaujolais.“

Der Rückblick auf 25 Jahre A la Carte wäre fast schon ein Sonderheft – das machen wir vielleicht beim 50er. Stattdessen lieber ein Feinschmecker-Alphabet, das aktuelle und zukünftige Trends in der Kulinarik behandelt. Einmal umblättern, und Sie wissen alles, von A wie Ameise bis Z wie Zitusfrüchte à la Buddhas Hand.