Trüffel: Mythos und Wahrheit

Die Trüffel ist der teuerste Pilz der Welt und zugleich eine der emblematischen Zutaten der gehobenen Küche. Georges Desrues über die unterschiedlichen Sorten und Herkunftsgebiete des Edelpilzes und darüber, warum die Alba-Trüffel wohl bald aus Frankreich kommen wird.

Text von Georges Desrues/Fotos Stockfood

Eine nur scheinbar erstaunliche Tatsache gleich vorweg: In Alba gibt’s gar keine Trüffel. Was ja auch insofern logisch scheint, als der Name für eine adrette italienische Kleinstadt steht; und es nur schwer vorstellbar ist, dass dort Pilzsucher in Gummistiefeln und mit schnüffelnden Hunden durch Fußgängerzonen oder Parkanlagen ziehen. Und dennoch ist es den Albesern gelungen, der seltensten, begehrtesten und teuersten unter den Trüffelsorten den klingenden Namen ihrer Stadt zu verpassen. Dabei wächst die Weiße Trüffel gleich in großen Teilen des westlichen Piemonts und obendrein noch in weiteren italienischen Regionen, darunter in der Toskana, der Lombardei, der Emilia-Romagna, den Marken und in Umbrien. Und, außerhalb Italiens, auch auf der Balkan-insel sowie in Istrien.

Dass man dennoch von einer „Alba-Trüffel“ spricht, liegt in erster Linie am exzellenten Marketing. Vor bald hundert Jahren gebar ein gewiefter Albeser Hotelier und Trüffelhändler namens Giacomo Morra die Idee, in seiner Stadt alljährlich ein Trüffelfest zu veranstalten, dazu Prominente ins Hotel einzuladen und sie mit besonders prächtigen Exemplaren des Pilzes zu beschenken. In Folge wuchs die Veranstaltung stetig und entwickelte sich bald darauf zu einem riesigen Rummelplatz, an dem bis heute Trüffel und Trüffelprodukte zu absurd hohen Preisen an Touristen verklickert werden.

Als in manchen, weniger ausgiebigen Jahren die starke Nachfrage das Angebot überstieg, musste man Trüffeln auch aus anderen Regionen herbeischaffen. Aus Istrien beispielsweise, das damals noch Teil Jugoslawiens war und als Trüffelregion weitgehend unbekannt. Um eine Alba-Trüffel im engeren Sinn handelt es sich bei dem aus Istrien importierten Pilz nun freilich nicht mehr – um dieselbe Pilzart im mykologischen Sinn aber sehr wohl. (Beides gilt allerdings auch für eine Trüffel beispielsweise aus der benachbarten Provinz Asti.) „Skandal“ und „Betrug“ schrieen dennoch einige, obgleich allenfalls ausgesprochene Experten beziehungsweise extrem gut dressierte Trüffelhunde eventuell dazu fähig sind, die geschmacklichen wie aromatischen Unterschiede zwischen den beiden Herkunftsregionen zu erkennen.

Ein Land, in dem der weiße Pilz mit dem wissenschaftlichen Namen Tuber magnatum pico mit Garantie nicht wächst, ist das dem Piemont sehr nahe liegende Frankreich. Daran ändern auch Zeitungsenten nichts, die dort so gut wie alle Jahre aufpoppen und von sensationellen Funden auf der französischen Seite der Seealpen in der Provence oder in Savoyen berichten. Und so müssen die ansonsten mit heimischen Spitzenprodukten schwer verwöhnten französischen Köche ihre Ein­käufe alljährlich jenseits der Grenze tätigen, um ihre äußerst trüffelverliebten Gäste (Frankreich ist Exportland Nummer eins) zufriedenzustellen. Dementsprechend stolz ist man in Italien – im Land der einfachen Hausmannskost – darauf, dass man den gerne als selbstgefällig verschrienen Nachbarn jenseits der Alpen zumindest eines der luxuriösesten Lebensmittel dieser Welt voraus hat.

Doch damit könnte bald Schluss sein. Vor wenigen Monaten haben nämlich französische Wissenschaftler Sensationelles bekanntgegeben. Nach neun Jahren intensiver Forschung sei es ihnen gelungen, den begehrten Pilz zu züchten und somit bald in Gegenden anzubauen, wo er bisher gar nicht heimisch war. Sprich: auch in Frankreich.

In Italien sorgte die Nachricht für Konsternation. Gilt doch die Alba- Trüffel mit ihrem Kilopreis von bis zu 5.000 Euro nicht nur als bedeutender Wirtschaftszweig, der jedes Jahr ab Herbst für eine halbe Milliarde Euro Einnahmen sorgt und circa hunderttausend offiziell autorisierten Trüffelsuchern ein Einkommen garantiert, sondern obendrein als Symbol nationaler Exzellenz. Was wohl der Grund ist, dass man in italienischen Medien im Zusammenhang mit dem Zucht­erfolg immer nur davon liest, dass er „den Franzosen“ gelungen sei – und nicht etwa „französischen Agronomen“ oder „französischen Züchtern“. Eine Tageszeitung titelte sogar: „Unsere französischen Feinde haben es geschafft …“. Und das war nur teilweise ironisch gemeint.

Bevor die kontroverse gezüchtete Weiße Trüffel tatsächlich auf den Markt kommt und ihrer wild wachsenden Verwandten aus den nebeligen Wäldern Piemonts und anderswo zur ernst zu nehmenden Konkurrenz wird, ist es allerdings noch ein paar Jahre hin. Denn gehandelt werden vorerst lediglich die mit den Sporen des Pilzes beimpften Baum-Setzlinge. Und bis diese auswachsen und für Trüffeln sorgen, werden mindesten noch fünf bis sechs feuchte Herbste ins Land ziehen.

Auch erscheint die Empörung der Italiener ein wenig heuchlerisch, wenn man bedenkt, dass in ihrem eigenen Land gleichfalls und schon seit Jahren nach Züchtungsmethoden geforscht wird. Dass die französischen Agronomen das Rennen gewonnen haben, liegt wohl daran, dass die billigere und in Frankreich sehr beliebte Schwarze Wintertrüffel dort schon seit vielen Jahren erfolgreich gezüchtet wird.

Und so gibt es auch weniger von nationalistischen Gefühlen geleitete Italiener, die dem Forschungserfolg Positives abgewinnen können. Denn so wie beispielsweise Tomaten wird man Trüffel freilich nie an­bauen können. Dafür braucht es nämlich trotz allem die richtigen ­Bedingungen in Sachen Klima und ­Bodenbeschaffenheit; und obendrein auch noch einiges an Erfahrung im Umgang mit dem Pilz. Was wohl der italienischen Trüffelbranche langfristig zu einem neuerlichen Vorsprung verhelfen wird.

Geerntet wird allerdings schon, nämlich Schwarze Trüffeln aus einer weiteren Plantage, der allerersten ihrer Art, die in Istrien ausgepflanzt wurde. Die geimpften Bäume hat man als Setzlinge aus Frankreich kommen lassen. Noch ist die Ernte verhältnismäßig gering und beträgt lediglich einige Kilogramm jährlich. Und dennoch ist die Plantage ein weiteres Zeichen dafür, dass vieles gerade in Veränderung begriffen ist – in der sich nun immer weiter ausdehnenden Welt der Trüffeln.


Die Warenkunde

Beste Träger des Trüffelgeschmacks sind nach wie vor einfache Gerichte wie Pasta …

Es gibt fast hundert verschiedene Trüffelarten, von denen freilich nicht alle genießbar sind. Wirtschaftliche Bedeutung haben darunter in Europa nur einige wenige. Nämlich die Schwarze Sommertrüffel (Tuber aestivum), die Wintertrüffel (Tuber brumale), die Schwarze, auch Périgord-Trüffel (Tuber melanosporum); die Bianchetto-Trüffel oder, französisch, Truffe blanchâtre (Tuber borchii); und die Weiße Alba- oder Piemont-Trüffel (Tuber magnatum pico). Als die verbreitetste und somit billigste Sorte gilt die Sommertrüffel.

Serviert bekommt man sie immer wieder in der Gastronomie, wo man sie gerne über Gerichte hobelt, um Gäste zu beeindrucken. Roh verarbeitet schmeckt sie, wie alle anderen Sorten bis auf die beiden weißen, leider nach so gut wie gar nichts. Sommer-, Winter- und Schwarze Trüffeln müssen also mitgekocht beziehungsweise erhitzt werden, damit sich ihr Geschmack entfalten. Wobei die Wintertrüffel, die sichab September findet, in ihrem Inneren dunkler ist und bereits um einiges mehr Aroma aufweist als ihre sommerliche Verwandte.

… und Eierspeise.


Die geschmacklich intensivste und zugleich ­teuerste unter den schwarzfärbigen Sorten ist die Schwarze oder Périgord-Trüffel, die nicht nur außen, sondern auch in ihrem Inneren tiefschwarz ist und von Jänner bis ins Frühjahr hinein Saison hat. Roh gegessen, also am besten über möglichst einfache und jedenfalls warme Gerichte wie Pasta oder Rührei gehobelt, werden ausschließlich die Bianchetto-Trüffel, die von Ende Jänner bis Mitte April wächst, sowie die edle Weiße Trüffel, die frisch nur von Ende September beziehungsweise Anfang Oktober bis Dezember erhältlich ist und ihren geschmacklichen Höhepunkt in der Regel im November erreicht. Die Bianchetto findet sich weit häufiger als die Weiße Trüffel, der sie ziemlich ähnlich sieht. Allerdings ist sie etwas dunkler beziehungsweise gelblicher in der Farbe, schmeckt intensiv nach Knoblauch und sollte auch viel billiger sein – wenn sie einem nicht gerade als Weiße Trüffel angedreht wird. Schließlich ist noch zu wissen, dass Chemiker sehr wohl imstande sind, das vermeintlich einzigartige Trüffelaroma künstlich zu reproduzieren. Genutzt wird es dann für die Herstellung von Produkten wie Trüffelöl oder -butter, in denen folglich und ausnahmslos (!) künstliches Trüffelaroma steckt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass einige „großzügige“ Erzeuger ein paar Stücke echte Trüffel ins Öl oder in die Butter tun. Das Aroma stammt nämlich dennoch nicht aus feuchtem, laubbedecktem Eichenwaldboden, sondern aus einem hygienisch einwandfreien Labor.

TRÜFFEL-TIPPS FÜR ISTRIEN

Das von Österreich nächstgelegenste Trüffelgebiet ist Istrien. Außer der kommoden Erreichbarkeit bietet die Halbinsel (als eines der wenigen Trüffelgebiete) auch den Vorteil, dass alle zuvor genannten Trüffelarten dort vorkommen


Karlic
Hoch oben auf einem Hügel im kleinen Ort Paladini ­betreibt Familie Karlic eine Trüffelproduktion mit angeschlossenem Shop und funkelnagelneuem Verkostungsraum. Angeboten werden zudem zahlreiche Trüffel­produkte sowie Touren mit Hunden zum Trüffelsuchen in der Umgebung.
www.karlictartufi.hr


Zigante
Giancarlo Zigante gilt als der Pate der istrischen Trüffel, die er als einer der Ersten aus dem Schatten der Piemont-Trüffel holte und aller Welt bekannt machte. Neben mehreren Shops betreibt er auch ein gediegenes Restaurant in der Ortschaft Livade. Jeder Gang beinhaltet Trüffel, der Küchenstil ist eher klassisch, das Design der Teller angestrengt originell.
www.zigantetartufi.com


Konoba Doriana
Im selben Ort und nur wenige Schritte von Zigantes Trüffel-Tempel entfernt liegt diese schlichte, sympathische Konoba mit hübscher Pergola, in der die Trüffel sehr ausgiebig über einfache Gerichte gehobelt wird.
Livade 4a, 52427, Livade
T +38/552 66 40 93


Konoba Dolina
Keine zehn Autominuten weiter weg und tief im Wald liegt die Konoba Dolina, die gleichfalls auf einfache Küche und auf Großzügigkeit in Sachen Trüffel setzt. Eine Besonderheit: Steak vom Pferd oder Fohlen mit Trüffel.
www.konobadolina.hr


Konoba Malo Selo
Gepflegtes Gasthaus, hoch oben auf einem Hügel gelegen, mit gemütlichem Holzfeuer, Fleisch vom Rost und viel Erfahrung im Umgang mit Trüffeln.
www.konobamaloselo.hr


Konoba Morgan
Etwas gediegeneres, aber weitgehend unprätentiöses Gasthaus mit Terrasse und spektakulärem Ausblick.
www.konobamorgan.eu


Agroturizam Toncˇic´
Sensationeller Agriturismo mit Aufzucht und Hausschlachtung von Schweinen und Lämmern, hausgemachten Nudeln und Salumi, Gemüse und Salat aus eigenem Anbau sowie selbst gefundenen Trüffeln. Gemütliche ­Stube mit Holzfeuer sowie Terrasse mit umwerfendem Ausblick. Geöffnet nur freitags bis sonntags.
www.agroturizam-toncic.com