Von allem etwas
Essen? Nicht einerlei, sondern vielerlei für Ursula "Uschi" Strauss.. Hängt von der Rolle ab, die sie spielt: TV-Kommissarin, Kind an Mutters Küchentisch, Hausfrau oder Star im Stress. Salzig, süß, sauer, pikant. Alles – aber nur in kleinen Happen.
Von allem etwas
Text von Ro Raftl Fotos: Ingo Pertramer
Für das Landkind aus Pöchlarn an der Donau sind Schweinsbraten, Rindsbraten, Wild und Knödel in allen Erscheinungsformen durch schöne Erinnerungen verklärte Lieblingsspeisen.
Für die TV-Kommissarin Angelika Schnell ist Nahrungsaufnahme permanent eine Wissenschaft von Energie-Balance: Wann zu wenig, womit optimal, warum belastend? Die "Ganz-a-Liabe", wie sie Set-Betreuer, Pressemenschen, Fotografen gerne nennen, füttert ihre Seele bei Gemeinschaftsessen in der Großfamilie. Der Star im Stress nascht Sushi und Salate als bequemste Snacks. Die einzige Klammer um sämtliche Varianten: "Kleine Happen. Nicht viel, aber von allem etwas." Die Dunkelhaarige mit der schneeweißen Haut wiegt 59 Kilo auf 1,74 Meter. Alle Achtung!
Umso mehr, da Ursula Strauss aus keinem Asketenhaushalt, sondern aus einer Familie von "Gerne-Essern" kommt. Und kochen kann. Schweinsbraten und Rindsbraten und Wild. Mit Wurzelsauce und den einschlägigen Knödeln dazu. Hat’s von der Pike bei Oma Maria und Mutter Charlotte gelernt. Vom Kartoffelschälen bis zum Geschirrwaschen wurde alles gemeinsam erledigt. Spülmaschine gab’s noch keine im Pöchlarner Einfamilienhaus mit großem Garten, wo Uschi als Jüngste, als ersehntes Mädchen nach drei Buben, aufwuchs. Viel draußen gespielt hat, Räuber und Gendarm im Wald und in der Au. Unter den großen Brüdern bald kapierte, "dass man an Schmäh braucht".
Die Liebe zum Küchenhandwerk aber kam durch die Frauen der Familie. Jetzt noch kocht sie gemeinsam mit der Mutti, wann immer sie daheim ist – wobei vor allem das Abschmecken zum Ritual wird: "Es gibt Dinge, die sich nie verändern", glaubt die 35-Jährige gerührt. Mutters Dillsauce ist so ein Beispiel. Bei der hat die Tochter beschlossen: "Die kann ich nicht!" Will sie auch nicht in Gasthäusern probieren. Auf keinen Fall. Dillsauce ist so verbunden mit Daheim und mit Runterkommen, die will sie nirgendwo anders essen. Klarerweise wird auch ausführlich besprochen, was gut, perfekt oder weniger gelungen ist. Das Kernthema, an dem sich in ihren Kindertagen heiße Debatten entzündeten, war die Konsistenz der Knödel. Der Marillenknödel, der Semmelknödel, aber vor allem der Erdäpfelknödel. Großmütterspezifisch kamen nämlich zweierlei Sorten auf den Tisch: Mutters Mutter Maria war Spezialistin für die Knödel aus gekochten Kartoffeln, Vaters Mutter Maria war für die Waldviertler Variante zuständig. Bei der nur ein Drittel der Kartoffeln gekocht und in der Erdäpfelpresse zerdrückt wird, die restlichen zwei Drittel aber roh geschält und mit dem Reibeisen auf ein Leinentuch gerieben werden. Danach wird die Flüssigkeit kräftig in dem zu einem Beutel gedrehten Tuch ausgepresst, die beiden Erdäpfelgatsche vermischt, gesalzen, zu Knödeln geformt und gekocht. Ohne Mehl und Ei. Da ältere Kartoffeln nach dem Reiben zum Dunkelwerden neigen, wurden sie nach dem Schälen in einen Trog getan und geschwefelt. "Ein Highlight", erinnert sich Uschi, "wenn ich das Schwefelstreiferl (aus der Apotheke) anzünden durfte."
Neidpotenzial barg einiges: Die Waldviertler Oma beispielsweise konnte einen besonders saftigen Germgugelhupf mit Rosinen backen, der kaum nachzumachen ist. Die Mutti wiederum einen Apfelstrudel, der seinesgleichen sucht: "Wie sie den Teig ganz hauchdünn ausziehen kann, frage ich sie immer wieder, ein Rätsel für mich, auch dass er ihr fast niemals reißt."
Am Küchentisch war’s, als die 14-Jährige ihren heimlichen Traum, Schauspielerin zu werden, beiseitelegte, um mit der Mutter eine realistische Zukunft als Kindergärtnerin zu skizzieren. Am Küchentisch, als die 17-Jährige nach abgeschlossener Ausbildung "mit Basteln, Werken und viel Musik" verkündete, das Bühnenleben als "Lady Macbeth" bei den Melker Sommerspielen doch noch ausprobieren zu wollen. Erfolgreich – mit dem euphorischen Bewusstsein: "Das ist es!"
Sie hat am roten Teppich in Hollywood gute Figur gemacht, nach der Oscar-Nominierung von Götz Spielmanns Film Revanche. Angelina Jolie hat ihr zugelächelt, sie begrüßt. Doch Ursula Strauss hat nicht abgehoben, Meryl Streeps unoperierte Schönheit jenseits allen Schlankheitswahns als "Idealbild" mit nach Hause genommen. Hollywood hat möglicherweise nur ihre Posen beim Fotografieren beeinflusst: Immer kunstvoll perfekt, so in der Art "Angelina im Weingarten" und "Angelina blickt versonnen in den dampfenden Topf". Dem Fotografen gefällt das: Er lichtet zarte Finger ab, die am Essen zupfen, als wär’s die unwichtigste Nebensache der Welt. Werbebildermäßig.
Uschis Filmfiguren sind erdiger gestrickt: Bei Angelika Schnell, Leiterin der Mordkommission in der schwer gelungenen ORF-Serie Schnell ermittelt, ist gar nix perfekt. Dafür kultiviert sie ihr kleines Chaos, ihren Humor, den saftigen Wiener Schmäh, traut sich loszuheulen bei aller Tüchtigkeit, Selbstständigkeit und Härte gegen innere Schweinehunde.
Doch heut ist drehfrei, heut spielt’s Wachau, der barocke "Prandtauerhof" in Weißenkirchen ist angesagt. Weil schon fast Sommer ist, was für die kleine Uschi Heurigenzeit hieß, mit Kracherl natürlich. Dem Wein ist sie erst mit 20 begegnet. Süffelt den eleganten Grünen Veltliner von der Achleiten, den Barbara und Karl Holzapfel auf lagenidealer Rebfläche traditionell kultivieren, in Feiertagslaune. Im Alltag trinkt die Schauspielerin Wasser.
Literweise. Aber nicht wegen der Disziplin: "Es schmeckt mir am besten", sagt sie. Kostet die fein komponierte Saumaise, die ihr aus dem Kinderland gröber in Erinnerung ist, nascht vergnügt von den Schmankerln, dem würzigen Essiggemüse. Peppt ja auch ihr Dreh-Frühstück um sechs Uhr früh bisweilen mit Pikantem auf: Salzstangerl, Wurst, Käse, Aufstrich, Pfefferoni. Wie sie’s halt mag: "Von allem wenig, aber von allem etwas."
Doch neuerdings gibt’s diesen Nachbarn, der ihr zur idealen Energie-Balance den morgendlichen Becher Budwig-Müsli in die Wohnung liefert. Aus Topfen, Leinöl, Leinsamen, Honig, klein geschnittenem frischen Obst. Entwickelt von der deutschen Physikerin und Chemikerin Johanna Budwig, die immerhin 95 Jahre alt wurde (das Rezept kann man googlen). Strauss meint nur, es sei ein Brei, der ihr "gute Energie" gebe: "Ich bin glücklich damit. Wenn ich Schnell ermittelt drehe, lebe ich am Set." Tja, bei Popstars liest man in den Klatschspalten, welche kulinarischen Spezialwünsche ihre Auftritte begleiten. Nicht zu Unrecht. "Es kommt effektiv drauf an, wer für dich beim Dreh zuständig ist", bestätigt Austro-Filmstar Strauss. Schwärmt von einer Astrid, wie toll es ist, wenn die das Obst für sie herrichtet: "Dann hast auch die Müslischale, auf der Uschi draufsteht."
Das Essen am Set sei leider ein "weites Feld". Schon wegen der Diskrepanz zwischen Technikpersonal und Schauspielern. Wer den ganzen Tag schleppt, braucht klarerweise andere Kraftspender als die Darsteller. "Für die wär’s im Grunde einfach: Müsli, Obst, Brot, Salat, Käse, Wasser. Alles, was Energie gibt, aber richtig dosiert!"
Uschi sagt, dass man’s an der Stimmung merkt, ob das Essen gut oder schlecht ist: "Vor allem, wenn’st tagelang am Set lebst. Ich sitz in der Mittagspause meist in der Maske und komm mit Suppe und Salat aus – wobei ,Mittagspause‘ auch um acht am Abend oder um zwei Uhr früh stattfinden kann. Das ist okay. Manchmal aber bist so hungrig, dass du zu Mittag nicht am Wiener Schnitzel vorbeigehen kannst. Und dann sind ein paar Bissen zu viel und zu schnell heruntergeschlungen fatal für die Präsenz vor der Kamera: nichts als Müdigkeit und Bauchschmerzen. Die Energie ist beim Verdauen."
Im romantisch begrünten Innenhof des Weinleseguts, das Jakob Prandtauer, der Architekt von Stift Melk 1696 für die Chorherren errichtet hat, lässt die Vielarbeiterin locker. Hat hier schon gefestelt, mag die Arkaden, die dem Hof im Niederösterreichischen so was Italienisches geben. Italien, ja, mitsamt allen kulinarischen Erinnerungen: Mit 23 war Strauss das erste Mal in Venedig, weil sie grad Goldonis Stück Der Diener zweier Herren probiert haben. Mit Regisseurin Michaela Scheday. Ihrer Lehrerin, ihrer Freundin, die an sie geglaubt, sie aufgebaut und gefördert hat, aber mit 51 an einem Gehirntumor starb. Michaela und Venedig, ach! Da haben sie Gnocchi mit Scampi und einer Sauce gegessen, deren Bestandteile Uschi zwar nicht mehr identifizieren kann, deren Geschmack sie aber auf der Zunge spürt: "Eine Offenbarung!"
Seither liebt sie auch deftigen Käse mit Honig. Michaela konnte ihr selbst Sushi schmackhaft machen: "Beim ersten Mal, als mich der Jazzsaxophonist unter meinen Brüdern, der sehr gut kocht, am Naschmarkt in den kleinen Sushiladen geschleppt hat, mochte ich sie ü-ber-haupt nicht. Wo sie doch gerade so in Mode waren!" Sie lacht: "Aber vielleicht lag’s daran, dass wir am Vormittag dort eingefallen sind – und roher Fisch als zweites Frühstück für eine, die (noch) keine Fischfreundin war?" Als Kind sei sie nie gezwungen worden, aufzuessen, wenn sie was nicht mochte. Nicht mal in den vier Jahren Klosterschule, wo das Essen "natürlich grauslich" schmeckte, wo sie auch eine fette Made im Salat fand: "Wir sind halt bei Fleischhauer um die Wurstsemmeln Schlange gestanden." Dünn sein wollte sie erst später, während der Schauspielausbildung. Uschi vom Land in der großen Stadt. Ohne dass es ihr selbst aufgefallen wäre, hörte sie einfach zu essen auf. Bis an die Grenze zur Magersucht. "Es ist mir passiert", erklärt sie’s als Bruchstelle auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Gespräche mit Freunden hätten sie wieder rausgeholt. Längst muss sie sich zur Schokoladesucht bekennen. Und seit es den Mann gibt, über den sie nicht spricht, weil sie ihr Privatleben privat sein lassen möchte, ist sie auch zur Hausfrau mutiert.
Selbst, wenn sie der Beruf meist am aufwendigen Kochen hindert. Schnell ermitteln. Heimkommen, ins Bett fallen. Einkaufen gerade das Allernötigste beim BILLA ums Eck. Für Gäste natürlich am Naschmarkt oder am Brunnenmarkt. Den Speck, das Gselchte, das Wild holt sie ja noch immer vom Land. Vom Jäger, vom Bauern: Früher ist sie mit der Kanne Milch holen gegangen. Die Eier legten die Hendln im Strauss’schen Garten. Das ist vorbei. Schade, denkt sie manchmal. Jetzt wird im Garten nur noch gegrillt, auch wechselweise in den Brüder-Häusern. Tischt sie selbst größer auf, "ess ich mich am Kochen satt", sagt Uschi.
Befriedigt, wenn es den anderen schmeckt. Mag es sehr, wenn die Gäste "mmmh", "aaah" und "super" loben. Pure Magie, so lange in der Küche zu stehen und das liebevoll Zubereitete ruck, zuck verschwinden zu sehen. Bloß wenn sie zu gestresst ist, hat sie keine Freude dran. Dann gelingt es auch nicht, und dann lässt sie’s lieber: "Ich hasse halbe Sachen." Konzentriert sich auf die geliebten Kleinigkeiten: auf Leberwurstbrote – mit Kiwischeiben oder Preiselbeeren. Auf Ziegenkäse im Speckmantel, den sie in Honig anbrät (nur mit einem Tropfen Öl, der Speck gibt Fett genug), mit Balsamico ablöscht und auf Salat serviert. Auf Spinatsalat, für den sie Speckwürfel und Croûtons anbrät und Pinienkerne drüberstreut.
Kommt sie zum Durchatmen, holt sie die Nudelmaschine aus dem Schrank. Setzt den großfamiliären Knödeln selbst gedrehte Nudeln entgegen: "Was für ein Unterschied zu den Lagerbeständen im Regal! Da brauchst wirklich nur Salz, Butter und Parmesan." Von einer Freundin hat sie gelernt, dass man Basilikum und Salbeiblätter in den Nudelteig einarbeiten kann: "Sie ergeben so ein schönes Muster." Mit dieser Freundin hat sie 20 Leute zu einer Fête blanche geladen, nur mit Selbstgekochtem, an dem sie drei Tage gearbeitet haben. Viele kleine Häppchengerichte.
Alles ist wunderbar gelungen. Tenor: mmmh, aaah, super! Bis auf den Stockfisch: Dem eingesalzten Riesending wurden sie nicht Herrinnen. Okay, sie haben ihn schließlich mit der Säge zerkleinert. Doch er blieb auch nach dem Einweichen verstockt, auch im Bett von sämiger Tomatensauce zäh.