Von der Kraft und Würde der Beständigkeit

Die Brüder Obauer in Werfen kochen nicht gerade erst seit gestern. Sie werden mit den Jahren immer besser.

Von der Kraft und Würde der Beständigkeit

Text von Alexander Rabl Fotos: Christian R. Schulz, Alexander Haselhoff
Der Berg blickt teilnahmslos auf das Treiben im Tal und durch das Fenster in die lichtdurchflutete Bar der Obauers. Würde der Berg einen Gedanken an die Ameisen da unten in ihren niedlichen Häusern verschwenden, er würde sich vielleicht sagen: "Hoffentlich glaubt keiner da unten, dass er mich mit seinem Getue auch nur ein kleines bisschen beeindrucken kann. Ich war schon da, da habt ihr da unten noch in Baumkronen gewohnt und nicht in Designerbetten geschlafen. Mir kommt es gar nicht so lange her vor, dass ihr Kleintiere am offenen Feuer gebraten habt und keine Seezungen mit Pfirsichen und Ingwer, oder wie das Zeug heißt." Der Berg, so wie er da steht im Sonnenlicht, wenn sich die morgendlichen Nebel heben und auch die Frühstückenden nach einer harten Nacht wieder klarer sehen, wahrscheinlich denkt er sich gar nichts. Wir wissen es nicht. Vielleicht ja, dass er sich doch denkt: "Andererseits wäre ich schon neugierig, was diese beiden verrückten Brüder da unten auftischen, denn von hier oben habe ich ja einen genauen Blick auf die Nummernschilder der Autos, die vor dem Restaurant dieser Brüder parken und es sind so viele Ausländer darunter, dass das wohl kein Zufall sein kann. Kann mir gut vorstellen, dass es da unten im Tal etwas anderes zu essen gibt als auf den Hütten, die sie ohne meine Erlaubnis auf meinen Felsen und Wiesen gebaut haben." Und dann bleibt der Berg aber doch, wo er ist, denn das wäre ja noch schöner, wenn der Berg zum Propheten käme statt umgekehrt.
Man darf mutmaßen, dass die Berge doch eine Rolle gespielt haben könnten im Leben von Karl und Rudi Obauer. Durchtrainierte Bergfexe und Pistenspezialisten, die sie beide immer sind, suchten sie schon sehr früh die Weite aus dem Tal, wo man von den Riesendingen mit den steinernen Gesichtern so streng angeschaut wird, dass einem jungen neugierigen Menschen bang werden könnte. Früh, schon sehr früh machten sich die beiden Obauers auf und über alle Berge, auch den Arlberg, wo sie anfangs im Winter in Zürs die Gäste beglückten. Hinter dem Arlberg wurde es, in Richtung Westschweiz und Frankreich, wie sie entdecken durften, dann flacher, dafür war die Gastronomie durchwegs in der 3.000 bis 6.000 Höhenmeterebene anzusiedeln. Das ist lange her und heute fahren die Gäste nicht nur zu den Brüdern Troisgros, sondern auch zu den Brüdern Obauer, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt alljährlich auf der luftigen und ganz schön zugigen Spitze so ziemlich aller Restaurantbewertungen wieder finden. Ha, sagte Karl Obauer einmal, als man ihn fragte, ob es nicht schwierig wäre, hier im Tal Gäste für die gastronomische Höchstleistung zu finden. Haha, sagte er und: Wir liegen ideal zwischen Salzburg und den Wintersportgebieten. Besser könnte es gar nicht sein! Das muss die Wahrheit sein, denn selten erlebt man die Obauers in größerer Eile und Zielstrebigkeit, als wenn es von repräsentativen Terminen in Wien oder Lyon wieder heimwärts nach Werfen geht. Am liebsten würden sie sich per Rohrpost durch Flachland und Steingebirge ins Restaurant abfeuern lassen, das keinen Tag offen ist, ohne dass nicht zumindest einer der beiden im Dienst wäre. Dieser Dienst in der Hochgastronomie, auch wenn der trockene Schmäh der beiden Obauers manches leicht erscheinen lässt, ist ja kein leichter, wie man sagen hört. Hier sind die Berge rund um Werfen treue Wegbegleiter und Coaches, wo nicht nur die Kühe und Kälber grasen, die bei Obauers so unnachahmlich gut verwertet werden. Man darf in diesem Fall wirklich von Verwertung sprechen, denn Rudi Obauer weiß kein Teil vom Kälbernen, zu dem ihm nicht etwas Sinnvolles einfiele. Der Kalbskopf "Rudi Bayer" zum Beispiel, bei dem man kurz aufstehen und eine Gedenkminute einlegen muss. Auch dient der Berg den Obauers zum Training, zur Ertüchtigung und Entspannung. Karl Obauer geht den Sport sogar sehr ernsthaft an und bediente sich einige Zeit lang des Rates des Fitnesstrainers aus Obauertauern, der auch Hermann Maier beim Warten seiner Körpermaschine behilflich ist. Damit endet aber schon die Gemeinsamkeit dieser beiden Salzburger Hochleistungsträger. Denn auch die besten Köche schaffen es im Land mit seiner mittlerweile bemerkenswerten Dichte an guten Restaurants bestenfalls auf die Gesellschaftsseiten, aber höchst selten auf den Titel oder gar in die Regierungsloge. Pech hat eben, wer sich für eine Karriere in der weißen Kochjacke entschieden hat und dabei in Österreich bleibt, der Nation, die für ein paar Hundertstelsekunden auf der Piste oder im Wasser begeistert den Atem anhält, für die Erfindung eines neuen Gerichtes aber höchstens ein paar Seitenblicke über hat. Nie wird man ihnen das Verdienstkreuz verleihen für das zarteste Topfentascherl seit der Erfindung von Behältnissen jeder Art, oder für das feurig würzige Entenhaxlragout, für die mit zart dahinschmelzender Gänseleber gekrönte Kalbsleber mit Linsen und Perigordtrüffel oder die Paprikakutteln mit Bergkäse und Muschelsaft. Weder für die Limetten-Bauerntopfencreme mit Schwarzbeersorbet, noch für die Tatsache, dass es außerhalb Werfens wohl kaum einen Michelinzweisterner (klingt doch fast so beeindruckend wie Siebenender) gibt, der mittags ein Menü um 30 Euro anbietet, wird man sie in der Hofburg ehren. Den Obauers macht das nichts, denn für solche Ehrungen müssten sie ja wieder raus aus Werfen und das ist ja nur dann gewinnbringend, wenn es nach Asien oder Paris geht oder eben auf den Berg. Dem sind Beuschel und die Muscheln egal. Müssen sie auch sein, denn er muss eh leider bleiben, wo er is. Was uns entgegenkommt. Er würde in den recht engen Gaststuben der Obauers nämlich einfach zuviel Platz wegnehmen und dann am Ende auch noch womöglich rauchen wollen.
Karl und Rudolf Obauer,
Markt 46, 5450 Werfen,
Tel.: 06468/52 12,
Küchenzeiten: 12–14, 19–21.30 Uhr