Von Perfektion und Pfefferzwetschken

Die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger ist eine exzellente Köchin und wunderbare Gastgeberin. Aber das wissen – bis jetzt – eigentlich nur gute Freunde.

Von Perfektion und Pfefferzwetschken

Text von Elisabeth Ruckser Fotos: Alexi Pelekanos

David, der Große, öffnet uns die Türe. Langhaarig und cool, wie sich’s für einen knapp 12-Jährigen gehört, begleitet er uns gemessenen Schritts zur Küche und hält sich fürs Erste ebenso gelassen wie höflich im Hintergrund. Aber die Neugier ist ihm durchaus anzumerken. Immer wieder taucht er in der Küche auf, probiert, nascht, späht in die Töpfe. (Ganz im Gegensatz zum kleinen Bruder Pauli übrigens, der für Nahrungsaufnahme, nun sagen wir einmal, eher weniger Zeit aufbringt, aber das nur der Vollständigkeit halber.) Ja, das Thema interessiere ihn durchaus, erzählt Mama Sandra dann später nicht ohne Stolz: "Er hat zum Beispiel einmal einen Kinder-Kochkurs geschenkt bekommen, das hat ihn sehr beeindruckt." Was aber genau genommen kein großes Wunder ist: Kochen, Geselligkeit, Gastfreundschaft, Genießen – das alles gehört im Haushalt von Sandra Frauenberger, Wiener Stadträtin für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal, dazu, so oft der gestrenge Terminplan Zeit dafür lässt.
Im Augenblick steht die toughe Politikerin in ihrer geräumigen Küche, rührt und schnipselt, nippt am Weinglas, kostet und lacht. Ein mächtiger Esstisch dominiert den Raum, und man kann sich ausrechnen, wie viele Leute hier wohl Platz finden. "Na ja", zählt sie auf, "wenn wir als Familie alle zusammenkommen, sind wir inklusive aller Kinder und Großeltern schon einmal zehn Personen. Und nachdem ich mehr oder weniger die Einzige bin, die da kocht …" Sie schmunzelt. Für acht Personen zu kochen, meint sie dann, sei eigentlich so etwas wie eine Obergrenze. Also, so richtig groß aufzukochen, sprich: ein gesetztes Essen, mehrere Gänge, Weinbegleitung, perfekt eingedeckter Tisch und – ganz wichtig – handverlesene Musikbegleitung dazu.
Sandra Frauenberger ist seit zwei Jahren Mitglied der Wiener Regierung und damit eine von fünf Frauen an der Stadtspitze. Ihre politische Karriere begann mit 18 in der Gewerkschaft der Privatangestellten und besonders die Frauen- beziehungsweise Gleichberechtigungsthematik war und ist ihr bis heute ein großes Anliegen. Auf ihrer Homepage gibt’s dazu natürlich jede Menge hochpolitischer Infos – und das Foto zur Rubrik "persönlich" zeigt sie mit einer Kochschürze. Schon als Kind hätte es sie interessiert, hinter dieses Geheimnis zu kommen, zu entdecken, wo denn der Geschmack quasi wohnt. Zuhause in der Familie sei Kochen kein großes Thema gewesen. "Meine Mutter hat das total abgelehnt. Bei uns wurde da nie viel Aufwand betrieben, eher im Gegenteil." Aber da hat es diese Freundin gegeben, bei der zuhause so richtig klassisch gut gekocht worden sei. Dort hätte sie kennengelernt, was gutes Essen bedeutet. "Und da hab ich mir damals schon gedacht, das hätte ich auch gern für mich."
Heute wissen vor allem die Freunde von Sandras Leidenschaft fürs Lukullische. Freundin und Büromitarbeiterin Iris Lagler etwa oder auch Regierungskollegin Sonja Wehsely, die amtierende Gesundheitsstadträtin. An raren Abenden stehen die Frauen dann – mit oder ohne Männer – zusammen am Herd und probieren. Zum Beispiel Rezepte aus neuen Kochbüchern – ihr aktueller Buch-Favorit ist übrigens Made in Italy, das üppige Werk des genialen Italieners Giorgio Locatelli ("Die Grissini? Ein Hit!"). Ein kleines, privates Kochbuch hat Sandra Frauenberger auch schon mal in Eigenregie produziert, eine Sammlung erlesener Rezepte mitsamt den dazupassenden Musiktipps. "Das war eigentlich ein Weihnachtsgeschenk für Freunde, und es hat riesigen Spaß gemacht, es zusammenzustellen."
Auf den Teller kommt dabei hauptsächlich, was Region und Saison gerade hergeben. Ein wichtiges Anliegen ist ihr das, auch in der politischen Arbeit, schließlich fallen etwa auch die Wiener Märkte in den Zuständigkeitsbereich der Stadträtin. So hat sie etwa gemeinsam mit Slow Food Wien einen ganz besonderen Marktstand geschaffen: den ersten Slow-Food-Stand auf dem Karmelitermarkt, an dem jeden Samstag handverlesene, ausgesuchte österreichische Produzenten mitsamt ihren ganz besonderen regionalen und saisonalen Lebensmitteln vom Alpenlachs über heimische Biofeigen und Vorarlberger Käse bis zu pannonischem Safran und Gemüseraritäten präsent sind.
Auch bei der Zusammenstellung des A la Carte-Menüs hat Sandra Frauenberger natürlich Wert auf Regionalität und Saisonalität gelegt. Porreekuchen mit Winzersekt gibt’s zum Auftakt, dann Rote-Rüben-Suppe, ein winterlicher Salat mit Sesamerdäpfeln, Saiblinge mit hausgemachten Krautfleckerln und eine geschichtete Birne.
"Birne oder Apfel sind das einzige Lagerobst, das es momentan gibt", sagt sie fast entschuldigend, während Ehemann Gerhard die eigens für den heutigen Abend gebrannte CD einlegt. Er teilt glücklicherweise die Passion fürs Genießen und als Mitglied eines renommierten Architekturbüros hat Gerhard Roth-Frauenberger dazu auch gleich eigenhändig etwa die Küche entworfen.
Generell geht im Haushalt Frauenberger-Roth – bei allem Spaß an der Freud – aber nichts ohne einen gewissen Anspruch auf Perfektion. Schuld sei, so die Stadträtin, das Sternzeichen, das lasse einfach keine andere Wahl: "Mein Mann und ich sind zwei Jungfrauen – das geht nicht anders." Zutaten liegen so fein säuberlich gewürfelt in Schüsseln aufgereiht. "Das mache ich immer so – nicht nur, wenn ein Fotograf dabei ist." Und die Küche sieht aus wie frisch poliert. "Das ist das Problem mit der offenen Küche. Da heißt’s einfach, eine halbe Stunde, bevor die Gäste kommen muss alles picobello sein." (Erfrischender Nachsatz: "Nie wieder eine offene Küche.")
Ist Sandra Frauenberger dann einmal selbst Gast in einem Lokal, kann es übrigens auch gut und gerne passieren, dass sie in die Küche schaut, auf der Suche nach professionellen Tipps. Mit Sissy Sonnleitner etwa kochte sie Pfefferzwetschken ein (herrlich, die kriegen wir zum Käse), und in ihrem Lieblingslokal in Asolo in Venetien – es heißt übrigens, passend für die langjährige Gewerkschafterin, "La Trave", also "Die Arbeit" – stand sie bei einer ehemaligen Köchin des Hotels Cipriani ehrfürchtig daneben, um die Zubereitung des perfekten Risottos zu beobachten.
Wenn die Sprache erst einmal aufs Reisen und Essen kommt, dann gibt’s nahezu kein Halten. Ob in der Nähe ("Die Krautfleckerln zum Fisch hab ich im ,Nyikospark‘ in Neusiedl das erste Mal so gegessen."), ein wenig weiter entfernt ("Wir haben Freunde, die mieten im Sommer zuweilen für ein paar Wochen ein Haus in der Toskana – und da wird dann von früh bis spät gekocht.") oder auch ganz weit weg ("Ich hatte eine Dienstreise nach Tokio – ich muss sagen, ich habe noch nie irgendwo durchgehend so derartig gut gegessen").
Oder auch einmal ganz nah, wenn sie sich Tipps von der Lieblings-Gemüsestandlerin am Naschmarkt holt. "Ich hab sie gefragt, was mach ich bloß, wenn die Birne nicht weich genug ist, um sie aufzuschneiden und zu füllen. Und sie hat mir den perfekten Tipp gegeben: Wasser kochen, Hitze abdrehen und die Birne fünf Minuten im heißen Wasser ziehen lassen." (Und nur, weil Sie fragen: Ja, die geschichtete Birne, siehe Menü-Rezepte, war wunderbar weich.) Ach ja, eines noch: Sollte es jemals vorbei sein mit der politischen Arbeit, dann könnte Sandra Frauenberger sich höchstens eine Alternative vorstellen: ein eigenes Lokal. Und das überrascht uns jetzt eigentlich überhaupt nicht.