Als Amateuer am Amboss

Oder: Mit Bono Vox in einem Nestroystück rund um das Messer

Text von Thomas Maurer Fotos von Ingo Pertramer

Am Anfang dieser Geschichte steht ein Messer, das ich bei einem Bekannten entdeckte.

Ein merkwürdig archaisch und elaboriert zugleich anmutendes Ding mit einer zur großteils schwarzen, schmiederauen Oberfläche blitzblank kontrastierenden Klinge und einem Griff, bei dem es sich schlicht, aber elegant um das eingerollte hintere Ende des gleichen Stahlstücks handelte.

Sofort erlitt ich einen quälenden Anfall von Messerneid. (Fast so schlimm wie damals, als der blade Fredi aus der Nachbarklasse vom sommerlichen Amerika-Urlaub ein richtig echt originales Bowiemesser in Bubenunterarmlänge mitbrachte, komplett mit zweischneidiger Klinge, Fransen an der Wildlederscheide und einem in die Klinge gravierten Indianerhäuptling samt Federschmuck.)

Als mein Bekannter auf die Frage, wo er denn dieses eigenwillige Stück herhätte, mit gut gespielter Selbstverständlichkeit „Selbst gemacht“ antwortete, durchschwappte mich zusätzlich eine mächtige, den Messerneid noch überspülende Woge von Fähigkeitenneid.

Und als er dann noch damit herausrückte, dass man bei dem Mann, in dessen Werkstatt und unter dessen Anleitung er dieses Stück angefertigt hatte, Workshops buchen kann, nach deren Konsum man ebenfalls mit einem selbstgemachten Messer heimgehen und dieses danach für unbegrenzte Zeit dazu nutzen kann, Freunde, Verwandte, Bekannte und zufällig anwesende Handwerker gekonnt beiläufig darauf hinzuweisen, dass man dieses Messer übrigens selbst geschmiedet habe, war klar, welches Thema die nächste A la Carte-Reportage haben würde.

Zumal ich schon lange von dem Gefühl benagt werde, in meinem Umgang mit Schneidwerkzeugen gäbe es Optimierungsspielraum.

Da ich viel koche, habe ich auch einige einigermaßen gute Messer, welche einigermaßen scharf zu halten, mir auch einigermaßen gelingt.

Eh.

Aber jedes Mal, wenn ich am Schleifstein herumdilettiert habe, hab ich mir vorgenommen, das einmal richtig zu lernen, wohl wissend, dass ich mir das beim nächsten Mal, ohne Zeit dafür gefunden zu haben, wieder denken werde.

Das soll sich nun endlich ändern.

Und recht viel fundamentaler als mit dem Erzeugen eines Messers kann man in die Materie wohl nicht einsteigen.

Also: Ich werde Schmied.

„Aber“, raunt mir eine innere Stimme zu, kaum habe ich diesen Gedanken beendet, „bedenke, dass du 1983 im Gegenstand Werken ein „Nicht genügend“ im Zeugnis stehen hattest.“

„Na und?“ erwidere ich. „Damals hatte ich sogar in Religion ein ,Nicht genügend‘. Und in Englisch, Mathematik, Geografie und Physik ebenfalls. 1983 war einfach nicht mein Jahr.“

„Ich erwähn’s ja nur“, sagt die Stimme und verstummt zufrieden, nachdem sie mir erfolgreich die Laune versaut hat.

Tatsächlich wäre es nämlich euphemistisch, mich mit „nicht so der Heimwerkertyp“ zu beschreiben.

Tatsächlich habe ich den Werkunterricht als eine todöde, aus Frustration, Überdruss und gequetschten Fingernägeln zusammengesetzte Vorhölle in Erinnerung, in der die Zeit so zäh floss wie der stinkende Leim. Bis heute löst eine adrette, mit Werkzeug aller Art gespickte Werkbank in mir weniger den Wunsch aus, auf ihr Nützliches zu tun, als vielmehr den, umgehend ein bis zwei Bundesländer zwischen mich und sie zu bringen.

Und tatsächlich war das letzte Mal, dass ich mir ein Stück Metall mit Werkzeug gefügig zu machen versuchte, vermutlich 1983. Im Werkunterricht.

„Na ja“, denke ich, „schau ma mal.“

Michael Blank unterhält seine Werkstatt in der Wiener Leopoldstadt.

Als ich am Nestroyplatz aus der U-Bahn steige, fällt mir auf (wohl weil kurz zuvor im „Morgenjournal“ die durch den Salzburger Finanzspekulations-Pallawatsch als „Monika R.“ berühmt gewordene Broker-Beamtin erstmals bei ihrem vollen, in diesem Zusammenhang recht nestroyhaften Nachnamen „Rathgeber“ genannt wurde), dass eigentlich auch „Michael Blank“ ein Klingenschmied-Name wie aus einem Nestroystück ist. Man sieht förmlich das Geschäftsschild vor sich: „Knieriem, Zwirn, Leim & Blank. Werkstatt im Hof.“

Und siehe da, Michael Blanks Werkstatt liegt tatsächlich im Hof eines alten Handwerkerhauses und atmet jede Menge zeitlos rustikales Flair.

Dennoch verzichte ich darauf, Herrn Blank mit meinen germanistischen Assoziationen zu konfrontieren, zumal er seinerseits keinen sonderlich nestroyanischen Eindruck macht. Tatsächlich erinnert er, vor allem wenn er Schirmkappe und Schutzbrille trägt, mehr als nur ein bisschen an Bono Vox.

Aber auch diese Beobachtung erscheint mir als Konversationsthema in der Auftauphase ungeeignet, und so eröffne ich mit dem Eingeständnis, 1983 in Werken ein „Nicht genügend“ eingefahren zu haben.

Er mustert mich kurz durch seine funktionale Rockstarbrille aus dem Werkzeugmarkt.

„Na ja“, sagt er dann, „schau ma mal.“

Ich beschließe, diese Antwort als Seelenverwandtschaft zu interpretieren, kurz danach sind wir per Du und trinken einmal Kaffee.

Michael erzählt, dass er eigentlich gar nicht Schmied ist, sondern bildender Künstler (auf der Homepage findet sich auch eine Auswahl aktueller, sacht japanisch anmutender Tuschezeichnungen), über die Arbeit mit Metallobjekten dann aber zunehmend von der handwerklichen Seite fasziniert war und immer tiefer in sie eingedrungen ist.

Folgerichtig scheut er auch davor zurück, die von ihm gefertigten Stücke schnöde als „Messer“ zu bezeichnen und bevorzugt den Ausdruck „Klingenobjekte mit Einsatzpotenzial“.

Wenig später erscheint dann auch Ingo Pertramer mit seinem Fotografenwerkzeug und bekommt ebenfalls einen Kaffee.

„Hat dir“, eröffnet Ingo das Gespräch mit Michael, „eigentlich schon einmal wer gesagt, dass du dem Bono Vox total ähnlich schaust?“

Das freundliche Unverständnis, mit dem dieser Vergleich aufgenommen wird, nimmt mich sofort für meinen temporären Lehrherren ein.

Nicht zu wissen, wie Bono Vox aussieht, ist ja nun alles andere als einfach und spricht für ein reges privates Geistesleben abseits der medialen Trampelpfade.

Dennoch nehme ich mir vor, dem U2-Frontmann, sollte ich ihn jemals kennenlernen, einen zweitägigen Messerschmied-Workshop bei Michael Blank zu schenken, zumal „Bono Vox“ ja auch quasi ein Nestroy-Name ist.

Wir beginnen zu besprechen, was denn mein selbst gefertigtes Schneidwerkzeug für eine Klingenform haben soll (ich schöpfe Hoffnung, dass es mir eventuell tatsächlich möglich sein wird, die selbst zu bestimmen und nicht einfach mit der Form leben zu müssen, die sich beim Draufhauen zufällig ergibt) und ob der Griff Schalen aus Holz, Horn oder Ähnlichem bekommen soll. Ich entscheide mich für die bestechend schlichte Variante mit dem eingedrehten Metallgriff; einige so ausgefertigte Exemplare liegen in der Werkstatt herum, etliche wirken erheblich patiniert.

Das seien alte Holzknechtwerkzeuge aus dem 19. Jahrhundert, erklärt Michael, die Griffform sei damals gang und gäbe gewesen und nur in Vergessenheit geraten.

Es folgt ein kurzer und, wie fast immer, wenn ein für sein Thema glühender Mensch vorträgt, auch kurzweiliger und interessanter historischer Abriss der heimischen Stahl- und Werkzeugfertigung. (Michael Blank glüht für sein Thema quasi wörtlich, und hat, um seinem Material wirklich auf die Schliche zu kommen, sogar schon einmal einen eisenzeitlichen Verhüttungsofen nachgebaut und darin aus gerösteten Erzbrocken Eisen erschmolzen.)

Der Bogen spannt sich vom heimischen Werkzeugstahl des 19. Jahrhunderts (bei dem jene Viellagigkeit, die heute in lifestyleaffinen Messershops als exotisch-esoterisches Spitzenqualitätsmerkmal verkauft und eingepreist wird, eine banale Selbstverständlichkeit von sieben Lagen aufwärts war) bis hin zu den vielen hundert Überbleibseln eisenzeitlicher Rasenerz-Schmelzöfen, die man kundigen Auges noch heute im Südburgenland nahe des – no na – Eisenbergs finden könne.

Nachdem der Kaffee fertig getrunken, die Zigaretten fertig geraucht und die Zeit fertig geschunden ist, ist es so weit: Ich lerne mein zukünftiges Messer kennen.

Es tritt vorläufig noch im ernüchternd schlichten Kleid einer Stahllatte auf, ein erster Zuschnitt erfolgt per Flex.

Daraus erwächst mir die Gelegenheit, nicht nur erstmals eine Flex durch ein Stück Stahl zu führen, sondern zu diesem Zweck auch erstmals so einen coolen Lederschurz und so einen uncoolen Visierschutzhelm zu tragen. Daraus wiederum erwächst für Ingo Pertramer eine dankbar wahrgenommene Gelegenheit, beim Fotografieren blöd zu lachen.

Von der Stahllatte wird nun mit der Flex ein Rechteck von annähernd Messerlänge geschnitten, aus dem per Schrägschnitt zwei unregelmäßige Trapeze werden. Das linke ist meins.

Und jetzt geht’s wirklich los. Die beiden Stahlstücke kommen in den Ofen (Michael wird, während er ein Auge auf mein Fortkommen hat, ebenfalls an einem Messer arbeiten) und beginnen dort erstaunlich schnell lichtrot zu glühen.

Das macht natürlich ein Agieren mit für Antiheimwerker leicht gewöhnungsbedürftigen Haltezangen nötig, wenig später stehe ich im Schmuck meines neu erworbenen Wissens (die schmale Seite vom Hammer heißt Finne, die flache Bahn, mit ersterer schmiedet man das Stück in die Breite, mit zweiterer gleichmäßig aus) und versuche zumindest die Körperhaltung, wenn schon nicht die Souveränität meines Lehrmeisters nachzuahmen.

Und seltsam: Es macht Spaß. Ich haue öfter daneben, als mir lieb ist, und nach dem dritten, vierten Durchgang von Schmieden und Wiederaufheizen (wir vom Fach nennen übrigens so einen Durchgang eine

„Wärme“) beginnen die hauptstrapazierten Muskelgruppen leise zu protestieren, aber es macht Spaß.

Ein paar Wärmen später gebe ich mein Debüt als Zuschläger: In die Werkstücke wird der Übergang von Klinge und Griff eingekerbt, dazu hält Michael einen Hammer (wenn Sie’s genau wissen wollen: einen Ballhammer) mit der Finne an die gewünschte Stelle, auf die Bahn schlage ich mit dem Vorschlaghammer.

Um nicht mit der Kante, sondern der Fläche zuzuschlagen, ist eine merkwürdig unnatürlich anmutende Schlagtechnik nötig, als Linkshänder habe ich die Linke am oberen und die Rechte flach an den Leib gepresst am unteren Ende des Stiels, was einen dazu nötigt, wie ein mechanisches Spielzeug aus der Hüfte abknickend zuzuschlagen.

Michael richtet mit zweimaligem, deutlich zarterem Metallklingeln seinen Hammer wieder ein, dann schlage ich erneut mit dem Vorschlaghammer zu, und so geht das in zunehmend hypnotischer werdendem Rhythmus dahin.

„BAMM! Kling. Kling. BAMM! Kling. Kling. BAMM! Kling. Kling.“

Ich bewege mich so ruckartig und regelmäßig wie eine Figur auf einem historischen Turmglockenspiel, vermutlich sieht das Ganze aus wie eine minimalistische Tanztheaterdarbietung, für die sich Kraftwerk und Rammstein einen gemeinsamen Soundtrack ausgedacht haben: „BAMM! Kling. Kling. BAMM! Kling. Kling. BAMM! Kling. Kling.“

Nebenbei lerne ich, dass man sich Hämmer allgemein am besten am Flohmarkt besorgt und in einen neuen Stiel investiert. Früher wurde nämlich nur der Stahl an den Enden des Kopfes gehärtet, während der heutige Durchschnittshammer durchgehärtet ist, was, wie ich mit ein paar Schlägen feststelle, in der Handhabung tatsächlich deutlich unangenehmer ist.

Nachdem dann noch einige Wärmen lang die Klinge weiter ausgeschmiedet wurde, gehe ich, sorgsam angeleitet, daran, der Klinge die gewünschte Grundform zu geben. Es gilt, den glühenden Rohling immer wieder hochkant zu stellen und das Metall dort, wo es sich zur Spitze verjüngen soll, mit dem Hammer niederzuklopfen, ohne dabei das ganze Ding zu zerknittern wie ein ehernes Wurstpapier.

Das liest sich einfacher, als es ist, ist aber auch weniger schwer, als ich befürchtet hatte.

Sollte die böse Fee den Werkunterrichts-Fluch von mir genommen haben? Noch will ich nix verschreien, aber am Ende dieses Arbeitstages ähnelt das Metallstück bereits vage dem Messer, das mir vorschwebte.

Befriedigt wasche ich meine von ehrlicher Arbeit geschwärzten Handwerkerpratzen, befriedigt werfe ich noch einen letzten sachkundigen Blick auf den Rohling, befriedigt schreite ich mit schwerem Schmiedetritt in den Feierabend.

Der nächste Arbeitstag beginnt wieder mit Kaffee und Geplauder. Michael zeigt ein paar seiner historischen Metallwerkzeuge (einige davon so alt, wie es überhaupt nur geht) und berichtet, dass er seine Sammlertätigkeit auch dahingehend erweitert hat, z.B. alte, nicht mehr brauchbare Feilen zu Klingen umzuschmieden, weil er mit dieser Sorte Stahl besonders gern arbeitet. (Sollten also Sie, werte Leserschaft, noch irgendwo rostiges Werkzeug vom Opa herumrümpeln haben: Sie können einen rechtschaffenen Mann glücklich machen.)

Generell arbeite er am liebsten mit reinem Kohlenstoffstahl, der sei zwar nicht rostfrei, aber auf ein Messer solle man ja sowieso ein wenig achthaben. Leider habe der Böhler-Konzern, der eine schwindelerregende Unmenge von Spezialstahllegierungen im Angebot hat, gerade sein Lieblingsmaterial von der Liste genommen: den klassischen, nicht legierten Böhler-Uddeholm K 990, in Fachkreisen auch EZH (für: extra zäh-hart) genannt. Eine Kulturschande sei das.

(Sollten also Sie, werter Böhler-Uddeholm-Konzern, noch irgendwo K-990-Restposten herumrümpeln haben …)

Dann geht es wieder an die Arbeit.

Der Rohling wird dann noch ein wenig in Form geflext (Schurz, Helm, blödes Lachen) und erhält im Weiteren am Bandschleifgerät seine endgültige Silhouette. Und obwohl diese eher heikle und gefährliche Arbeit bei Schmiedeworkshops für gewöhnlich dem Meister selbst vorbehalten ist, darf ich mein Stück selbst in sachten Bögen über das rotierende Schleifband führen.

Irgendwann unterdessen frage ich mich, ob Norbert Darabos wohl von einem ähnlich kindlichen Stolz durchglüht wurde, als man ihm gestattete, trotz seiner Vergangenheit als Zivildiener Verteidigungsminister zu werden.

Anschließend trete ich an meine alte Nemesis, die Werkbank. Es gilt, den Rücken, die Griffkehlung und noch vorhandene scharfe Grate zunächst mit der Feile und dann dem Schleifpapier zu bearbeiten bzw. zu polieren. Die Schleifpapiere, ansteigend von Körnung 120 bis 400 ergeben sachgerecht angewendet am Ende ein seidenmattes Finish. Hochglanzpolitur findet Michael ordinär, und ich stimme ihm erleichtert zu.

Als es dann an den Flankenschliff geht (der dafür sorgt, dass das Messer an der Schneide vernünftigerweise deutlich schmäler ist als am Rücken), erledigt das Michael aber doch lieber selbst; ich bin leise enttäuscht, aber auch einer Sorge ledig: Dass man bei diesem Arbeitsschritt das gesamte Werkstück mühelos versauen kann, ist augenscheinlich.

Und wie von mir zu Recht befürchtet, folgt nun der eigentliche Schleifpart.

Die bearbeiteten Teile der Klinge sowie diejenigen angrenzenden, wo sich die „Zunder“ genannte schwarze Glutoxidation abschleifen lässt, sind systematisch, ausgiebig, lange, oft, gründlich und mit aufsteigender Papierfeinheit zu schleifen.

Und zwar von mir.

Es ist einerseits ganz ähnlich wie im fernen 1983. Man schleift halt. Und schleift. Und schleift. Andererseits ist es aber ganz anders. Ich habe Feuer gefangen. Nach einer Weile schleife ich mit einer obsessiven Hingabe, die ich ansonsten nur für knapp über meinem Fähigkeitshorizont angesiedelte Kochtechniken aufbringe.

Als ich dem Mistding endlich an den gewünschten Stellen einen seidenmatten Schimmer aufgezwungen habe, folgt die abschließende „Wärmebehandlung“.

Zum Härten der Schneide wird das Messer in spe noch einmal auf 800 Grad erwärmt und dann werden die zu härtenden Teile bei 50 Grad abgeschreckt. Dafür wird zunächst ein in einer Wanne vor sich hin ruhender großer Block Kokosfett verflüssigt, und zwar vermittels eines glühenden Eisens, was für spektakuläre Flambiereffekte sorgt.

Das flüssige Fett erinnert dann optisch und olfaktorisch ein wenig an den Inhalt einer Langos-Fritteuse im Prater, eine diesbezügliche Nachfrage ergibt, dass es auch nicht wesentlich häufiger gewechselt wird.

Mit vor Konzentriertheit aus dem Mund ragender Zungenspitze ziehe ich dann mehrfach ein letztes Mal das rotglühende Stück aus dem Ofen und mit der künftigen Schneide durch das Öl.

Dann machen wir Pause, denn nun steht das „Anlassen“ auf dem Programm, das heißt, das Messer muss nun, damit es nicht bricht, rund fünf Viertelstunden bei 220 Grad abkühlen.

Das lässt sich, so Michael, im Küchenbackrohr nicht nur am einfachsten bewerkstelligen, sondern auch gleich noch zum zusätzlichen Backen von ein paar Pizzen nutzen.

Und so geschieht es.

Gesättigt holen wir danach das Messer aus dem Ofen, nach ein wenig weiterem Abkühlen wird es mit Öl eingelassen, nochmals am Schleifband im Atelier vor- und dann in der Küche auf japanischem Stein fein nachgeschliffen.

Endlich werde ich also in die Geheimnisse des fachkundigen Schärfens eingewiesen! Ich mache also möglichst genau so, wie es mir Michael zeigt, dennoch werde ich das Gefühl nicht los, einfach nur so vor mich hin zu dilettieren.

Sei’s drum.

Immerhin habe ich jetzt ein fast so gut wie ganz von mir gefertigtes Messer.

Schön ist es geworden. Die Biegung am Rücken ist zwar vielleicht ein bisschen zu stark ausgefallen und gibt dem Ganzen so einen leichten Piratenkostüm-Dolch-Touch, aber sei’s drum.

Am Heimweg werde ich noch einen Kilo Zwiebeln zum Kleinschneiden kaufen, oder vielleicht zwei. Was ich dann damit koche, wird sich schon finden.