Anpfiff

„La Grande Bouffe – das große Fressen“ hieß ein Skandalfilm der Siebzigerjahre, in dem es neben dem Einen nur um das Eine geht: sich stilvoll und genüsslich zu Tode zu fressen. Das muss in Frankreich keiner tun. Dennoch können wir nicht umhin, anlässlich der EM auf empfehlenswerte Restaurants an den Austragungsorten der Spiele hinzuweisen. Denn ein gutes Essen verbindet. Auch die Gegner – am Rasen wie auf der Tribüne.

Text von Alexander Rabl · Illustration von Lili Schagerl

Man könnte es den Bauch von Frankreich nennen. In Lyon haben sie die Wurst erfunden (okay, stimmt nicht ganz, würden die Basken sagen), ernähren sich von Boudin noir (cremiger und weniger fest als ihre Verwandten in Österreich) oder der berüchtigten Andouillette mit den fünf „A“, einer Qualitätsbezeichnung für die meistens heiß servierte Wurst aus Innereien, eine Challenge für Novizen, ein Elfer im EM-Finale. In Lyon heißen die Bistros Bouchons. Sie wurden von den Köchinnen und Köchen gegründet, die ihre Arbeitsplätze in den bürgerlichen Häusern verloren hatten und sodann ihr eigenes Ding machen mussten. Das sind kleine Lokale, in denen sich die Lyoneser schon um die Mittagszeit zu herzhaften Tagestellern und einem kleinen Glas Wein einfinden. Die Tradition des Petits Dejeuners wird in der wohlhabenden Stadt am Kreuzpunkt von Rhône und Saône immer noch gerne zelebriert. Mit Seidenhandel kam die Stadt einst zu Geld und ihren großzügigen Bauten. Und es wimmelt vor Märkten, Fressstraßen und Lokalen aller Altersstufen.

Essbare Denkmäler
Und dann ist da natürlich Paul Bocuse. Sein Restaurant liegt etwa zwanzig Taximinuten von Lyons Innenstadt entfernt. Bocuse feierte im Februar seinen neunzigsten Geburtstag. Man erzählt, er würde zur Zeit für die Selfies mit den Gästen im Rollator zur Verfügung stehen. Die Karte bei Bocuse, der im französischen Michelin seit Urzeiten drei Sterne hält, scheint sich über die Jahrzehnte kaum verändert zu haben. Unsere Empfehlung ist es, die mächtige Gänseleber zu Beginn gleich wegzulassen, um im Laufe der Mahlzeit auf die folgenden Attacken auf Galle und Leber besser vorbereitet zu sein. Der Loup de mer in der Blätterteigkruste oder das Bressehuhn in der Schweinsblase mögen antiquiert wirken, aber noch hat sich niemand gefunden, der sagen könnte, beides würde nicht wunderbar schmecken. Pflicht: eine Auswahl vom Dessertwagen. In Lyon selbst betreibt Bocuse vier Brassieren: Le Nord, Le Sud, L’Ouest und L’Est. Hier isst man sehr casual und günstig, darf sich aber auch keine Haute Cuisine erwarten.
Restaurant Paul Bocuse
40 Rue de la Plage, 69660 Collonges-au-Mont-d’Or
Tel.: +33/4 72 42 90 90
www.bocuse.fr

Mutters Küche
Mère Brazier war eine der ersten Frauen an der vordersten Küchenfront, die vom Michelin mit Höchstwertungen gewürdigt wurde. Hier lernten französische Größen wie Bernard Pacaud von der Pariser Ambroisie, dessen Sohn Patrick in Paris gerade von sich reden macht. (Mehr darüber im Spielabschnitt Paris.) Jetzt ist La Mère Brazier wieder geöffnet und Mathieu Viannay belebt die Hochburg der Lyoner Klassik. Gehen Sie hin und bestellen Sie unbedingt das Bressehuhn. Tauchen Sie Ihren Saucenlöffel tief ein in die Lebensart einer essverrückten Stadt.
La Mère Brazier
12 Rue Royale, 69001 Lyon
Tel.: +33/4 78 23 17 20
www.lamerebrazier.fr

Eine Brasserie wie ein Fußballfeld
Das Motto könnte treffender nicht sein: „Bonne Bière et Bonne Chère depuis 1836“. Diese legendär zu nennende Brasserie ist Treffpunkt riesenhafter Platten von Austern und Meeresfrüchten mit Choucroutes und Boudin noirs, Tatars mit Frites und Caramelcremes. Ein Ort der hemmungslosen Zufuhr. Gerade die frischen, fruchtigen Weine aus dem nahen Beaujolais passen wie wenige andere zur großzügig dimensionierten Lyoner Hausmannskost. Und natürlich passt das Bier.
Brasserie Georges
30 Cours de Verdun Perrache, 69002 Lyon
Tel.: +33/4 72 56 54 54,
www.brasseriegeorges.com

Das kleine Paradies
Daniel et Denise ist der Gral unter den Lyoner Bouchons und Küchenchef Joseph Viola ein altgedienter „Meilleur Ouvrier de France“. Hier isst man meterhohe Pasteten, phantastische Hechtnockerl mit der klassischen Sauce, die aus den Schalen von Flusskrebsen, ordentlich Cognac und Butter hergestellt wird. Die Andouillette kommt in Weißweinsauce, zum Kalbsbries gibt es Gänseleber, zum Bresse-Geflügel Morcheln à la creme. Auf jedem Tisch steht für den Gast die empfohlene Flasche Wein. Klassisch auch die kleinen Ballongläser. Von Zalto oder Riedel wollen sie in einem veritablen Bouchon nichts wissen.
Daniel et Denise
156 Rue de Créqui 69003 Lyon
Tel.: +33/4 78 60 66 53
www.daniel-et-denise.fr

Der Ausflug ist es wert
Kochen und Fußball sind Männer­angelegenheiten. Bei Ersterem allerdings gibt es in Frankreich eine Ausnahme, eigentlich DIE Ausnahme. Anne-Sophie Pic, die von ihrem Vater das legendäre Restaurant in Valence übernommen hat, ist trotz ihrer zierlichen Größe ein unübersehbarer Faktor in der französischen Spitzengastronomie. Sie betreibt Restaurants in Paris und Lausanne, doch wer sie persönlich am Herd vorfinden will, reist dafür am besten eine Stunde lang von Lyon Richtung Marseille. Pics Küche ist eine des hohen Raffinements und der aktuellen Techniken, allerdings ohne molekularen Schnickschnack. Stecken Sie genug Geld ein, um hier zu essen und zu trinken. Wenn es auch vielleicht keinen Sieg im Fußballsport zu feiern gibt, das Essen in Valence sollte jedenfalls ein Fest werden. Im Westen findet man in Roanne einen französischen Klassiker, der bereits in der dritten Generation geführt wird und so modern in Interieur und Küche auftritt, dass man meinen könnte, sie hätten das Maison Troisgros erst vor einem Jahr eröffnet. Wer in den Norden Richtung Bresse fährt, wo die berühmten Geflügel ihre Heimat haben, kehrt eine Stunde von Lyon entfernt in Vonnas bei Georges Blanc ein, der nicht ganz so berühmt wie Bocuse, aber wie der Michelin sagt, ebenfalls eine Reise wert ist. Das Huhn gibt es kaum irgendwo besser, die Wein­karte ist sehr, sehr erwachsen. Aus dem Restaurant wurde mit den Jahren ein kleines Dorf, Hubschrauberlandeplatz, Gewässer, Hotels und Bistros inklusive.
Maison Pic
285 Avenue Victor Hugo 26000 Valence
Tel.: +33/4 75 44 15 32
www.anne-sophie-pic.com

La Maison Troisgros
1 Place Jean Troisgros, 42300 Roanne
Tel.: +33/4 77 71 66 97
www.troisgros.fr

Georges Blanc
Place du Marche 01540 Vonnas
Tel.: +33/4 74 50 90 90
www.georgesblanc.com

Bouillabaisse-Burger, s’il vous plaît
Der Koch des Aromat, eines kleinen, modernen Bistros im südlichen Teil des alten Hafens, ist ein kleines bisschen verrückt. Er hat aus dem ewigen kulinarischen Thema eine Vorspeise entwickelt, ein Burger mit Bouillabaisse-Zitaten. Auch sonst ist er nicht um Einfälle verlegen, räuchert Fleisch warm in Provence-kräutern und serviert Fische des Tages im Reisblatt.
Aromat
49 Rue Sainte, 13001 Marseille
Tel.: +33/4 91 55 09 06
www.laromat.com

Aus dem Meer in den Suppenteller
Gleich neben einem kleinen Fischerhafen, etwa zweieinhalb Kilometer vom Vieux Port Marseilles entfernt, wo jeden Morgen und Abend die Fischlieferungen der kleinen Boote ankommen, findet sich eine verlässliche Adresse für Fans von Bourride und Bouillabaisse – es kocht der Mitgründer der Bouillabaisse Charta von 1980. Aufs Meer und den Hafen schauen, mit Andacht die warme, jodig-würzige Suppe löffeln. Das ist es. Der wenige Stunden alte Fisch kommt in einer Kruste aus Ton, mit nichts als Olivenöl und Fenchelsamen.
Chez Fonfon
140 Rue du Vallon des Auffes, 13007 Marseille
Tel.: +33/4 91 52 14 38
www.chez-fonfon.com
Marseille: Mosaik der Lebenswelten
Natürlich wissen Sie, dass der französische Fußballgott Zidane in den Banlieus von Marseille sozialisiert wurde. Hier lernt man kämpfen, Marseille ist eine harte Stadt. Auch der Kampf um den Ruf der Küche mit der besten Bouillabaisse ist kein Kinderfußball. Wenn man sich auch über das Grundrezept einig ist – der Varianten gibt es genug. Rascasse und andere Felsenfische spielen eine Hauptrolle, Krabben oder Aal können es aber auch sein. Die Languste ist ein Privileg der Gäste mit schwarzen Kreditkarten. Das Meer vor Marseille ist Heimat der Rouget, der Rotbarbe. Empfindlich, was Lagerung und Transport betrifft, ist sie nur selten außerhalb der Küstengegenden zu haben.

Der Fisch für den letzten Tag im Leben
Über das Le Petit Nice und Gérald Passédat ist alles geschrieben.
Neben Olivier Roellinger in Cancal und eventuell Christian Le Squer in Paris zählt er zu den besten Fischköchen Frankreichs. Die Frage, ob man sich die lange vorher zu tätigende Reservierung und den angemessenen Preis eines Essens in diesem spektakulär am Meer gelegenen Restaurant antun sollte, ist hiermit beantwortet. Im Le Mole Passédat gibt es in einfachem Ambiente eine Andeutung der Meisterschaft dieses Chefs.
Le Petit Nice
17 Rue des Braves 13007 Marseille
Tel.: +33/4 91 59 25 92
www.passedat.fr

Eine Auszeit
Eine Autostunde von Marseille entfernt liegt der Ort Les Baux-de-Provence. Von hier aus lassen sich Avignon, Arles und der Luberon erfahren und erkunden. Die alte Festung war einstmals Quartier der Grimaldis, jetzt ist sie ein netter Touristenort für den Mainstream-Reisenden. Das Restaurant Ousteau de Baumanière betritt der aber vermutlich nicht. Die Servicemitarbeiter tragen auch im Sommer elegantes Schwarz. Patron Jean-André Charial hütet die Tradition eines berühmten Hauses, das, was man früher Pilgerstätte nannte. Signature Dish: Rougets mit Olivenöl und Kräutern.
Ousteau de Beaumanière
13520 Les Baux-de-Provence
Tel.: +33/4 90 54 33 07
www.oustaudebaumaniere.com

Corbusiers Geschmack
Hier wird der nach Nahrung fürs Auge Suchende, welcher sich nicht bloß mit dem Blick aufs Meer zufrieden geben will, fündig. Nein, das Essen ist ordentlich und nicht mehr, aber wenn man es auf Jacobsen-Mobiliar einnehmen kann… Nicht wenige sind es, die diesen Platz wegen seiner architektonischen Geschichte aufsuchen. Das dazugehörige Hotel ist eine Möglichkeit, auch große Sportereignisse ohne ästhetischen Dauerschaden zu überleben.
Le Ventre de l’Architecte
280 Boulevard Michelet, 13008 Marseille
Tel.: +33/4 91 16 78 23
www.hotellecorbusier.com
Bordeaux: Hoch die Gläser
Das Angebot, welches diese Stadt Essern und Trinkern macht, ist ganz hervorragend und dafür sind sechs Gründe zu nennen. Erstens der über Jahrhunderte entwickelte Wohlstand der günstig gelegenen Handelsstadt, deren Gebäude die Geschichte von Glück und Reichtum erzählen. Zweitens die Tatsache, dass es sich um eine Universitätsstadt handelt und die jungen Leute für ein selten zu erlebendes lebendiges Angebot an kleinen und kleinsten Restaurants, Bars und Cafés sorgen. Drittens, viertens, fünftens, sechstens: die Weine des Bordelais. Man trinkt sie an jeder Ecke, man bezahlt dafür lächerliche Preise, denn während reiche Russen und steinreiche Chinesen sich an den Premier Grand Crus begeilen, bleibt den Menschen in Bordeaux der gute, weniger berühmte Mittelstand. Würden sie sich darüber beschweren, wäre es Jammern auf höchstem Niveau.

Alter Meister
Beginnen wir mit dem besten und legendärsten Restaurant der Region, das auch eines der besten und legendärsten Restaurants Frankreichs und somit eines der besten und legendärsten Restaurants der Welt ist. Sie müssen etwa zwei Autostunden rechnen vom Zentrum Bordeaux’ bis ins idyllische Dorf Eugénie-les-Bains, welches von und mit Kurgästen lebt. Hier empfängt Michel Guérard, der trotz seines hohen Alters immer noch die Kochjacke trägt, seine Gäste in einem unwirklich wirkenden Umfeld. Ein Park, ein weißes Gebäude mit wunderschönen Zimmern, ein Restaurant, in dem Kurgäste 3-Sterne-Diätküche bekommen. Die Nouvelle Cuisine – wer hat’s erfunden? Paul Bocuse in Lyon? Nein, erfunden hat sie Michel Guérard. Die Speisen, die er serviert, wirken überraschend lebendig und zeitlos. Eine gebratene Taube mit Birnen, eine wunderbare Peach Melba. Ein Essen aus der Kategorie „Mich vergisst du nicht so schnell“. In einem Bistro, welches zum Betrieb gehört, gibt es das alles rustikaler, günstiger und ohne den Anspruch von Festlichkeit.
Les Prés d’Eugénie Michel Guérard
334 Rue René Vielle, 40320 Eugénie-les-Bains
Tel.: +33/5 58 05 06 07
www.michelguerard.com

Schlürf, schlabber, Part 1
Nähern wir uns wieder der Stadt. Eine Stunde von Bordeaux entfernt befindet sich die Bucht von Arcachon, einem der Austernzentren Frankreichs. Sie können hier auch ein Boot mieten, das Sie hinaus aufs Meer bringt und auf welchem dann frische Plateaus serviert werden, reichlich bestückt mit Muscheln, Austern, Krabben und Langustinos. Ein touristisches Vergnügen, aber ein Vergnügen. Gleich neben der Bucht befindet sich das Co(o)rniche, ein schickes Restaurant zum Feiern des Finaleinzugs. Von den nahen Sanddünen starten Kiter, um ihren Flug über die Köpfe der Restaurantgäste fortzusetzen. Ja, man isst hier auch sehr gut, Austern, Meeresfrüchte aller Arten und Größen, Seezungen, gegrillte Steaks. Vielleicht geht sich ein Bad im Infinity Pool aus, vielleicht ist auch ein Zimmer im zum Restaurant gehörenden Hotel drin. Übrigens: Philippe Starck hatte beim Interieur seine Hände und Vorstellungen im Spiel.
La Co(o)rniche
46 Avenue Louis Gaume
33115, Tel.: +33/5 56 22 72 11
www.lacoorniche-pyla.com

Schlürf, schlabber, Part 2
Das Städtchen Saint-Émilion besteht vornehmlich aus herrschaftlichen Sandsteinbauten, Vinotheken und Restaurants. Darunter besonders empfehlenswert ist das L’Envers du Decor, ein vorbildliches Bistro plus Weinbar. Man sitzt an Tischen, die aus dem Holz von Weinkisten gezimmert wurden, oder im entzückenden Garten unter Schatten spendenden Feigenbäumen. Zu essen gibt es Würste, Pasteten, gegrillte Kalbskoteletts oder solche vom Lamm samt herzhaften Beilagen, gebratenen Erdäpfel und Salaten. Alles das macht sich erwartungsgemäß hervorragend mit den Flaschen aus einer naturgemäß sagenhaften Auswahl. Dann noch die Crème Catalane und man ist im Himmel und will auch nicht mehr so schnell weg.
L’Envers du Decor
11 Rue du Clocher, 33330 Saint-Émilion
Tel.: +33/5 57 74 48 31
www.envers-dudecor.com

Beim Griechen
Bordeaux – wohin sich wenden?
Gehen wir zum Griechen. Der Patron dieses wunderbar altmodischen Restaurants kommt aus Griechenland, aber die Küche ist nicht griechisch, sondern bringt Südwestfrankreich auf den Teller. Beim Betreten des Lokals, das sich in mehrere Winkel und Speiseräume aufteilt, fällt der große Grill ins Auge, auf dem Hühner, Lamm, Kalbskoteletts und andere große Stücke zubereitet werden, die davor aufgereiht sind und vom Gast ausgesucht werden. Dazu gibt es die besten Pommes frites der Stadt, zubereitet in Entenfett. Das Kalbsbries indessen wird nicht am offenen Feuer, sondern in der Pfanne zu­bereitet. Die Weinkarte ist selbstverständlich großartig. Die Terrasse vor dem Lokal eine Oase des Glücks. Gleich nebenan gibt es ein Hotel, das zum Betrieb gehört und angenehme Ruhe in wunderschön eingerichteten Zimmern zu einem angemessenen Preis verspricht.
La Tupina
6 Rue Porte de la Monnaie 33800 Bordeaux
Tel.: +33/5 56 91 56 37
www.latupina.com

Nizza: Die Sonne auf dem Teller
Das Licht der Côte d’Azur zog Künstler und Flaneure an. In Nizza und den kleinen Dörfern der
Umgebung ließen sie sich nieder und malten. Dazwischen lebten sie und das nicht schlecht. Die Gastronomie rund um und in Nizza versprüht den Geist von Matisse und Chagall. Seit den 70er Jahren zog sie auch Feinschmecker an, doch der große Hype, die Zeit von Louis Outhier, Jacques Maximin oder Roger Vergé, ist lange vorbei. Jetzt sind es die kleinen Restaurants junger Köche, die auf sich aufmerksam machen.

Keine Kreditkarten, keine Reservierung
Dominique Le Stanc kochte einst auf dem Niveau zweier Michelin-Sterne im Negresco. Irgendwann langweilte ihn das so sehr, dass er den Dress des Gourmetkochs gegen das Ruderleiberl des Gastgebers seines Minilokals beim wunderbaren Blumenmarkt tauschte. Das kleine La Merenda zählt seither zu einem der beliebtesten Restaurants reisender Esser. Reservierung mündlich vor Ort oder per Postkarte. Le Stanc und seine Frau führen das Winziglokal, ein Kellner hilft. Wie gut die frittierten Zucchiniblüten sind, die kleinen Pizzen, der Kalbskopf mit Sauce gribiche oder die Kutteln mit Pain de Nice!
La Merenda
4 Rue Raoul Bosio 06300 Nice
www.lamerenda.net

Mit Salzkruste oder lieber aus der Pfanne
Jeden Sonntag gibt es in Villefranche-sur-Mer einen Flohmarkt, wo man sich mit Silberbesteck und anderen Tischaccessoires eindecken kann. Danach stärkt man sich mit Fisch bei Mère Germaine, einem Lokal voll mit poliertem Holz, aus dem Segeljachten gebaut werden, und einer schönen Terrasse mit Blick aufs Meer. Hier gibt es kleine und größere Fische und dazu einen gut disponierten Service. Das Nichtbesondere wird besonders.
La Mère Germaine
9 Quai de l’Amiral Courbet, 06230 Villefranche-sur-Mer
Tel.: +33/4 93 01 71 39
www.meregermaine.com

San Pellegrinos Liebling
Mauro Colagreco zählt zu den Lieblingen der Juroren des „50 Best“-Rankings. Er hat bei Alain Passard und anderen gearbeitet. (Die Passard-Vergangenheit merkt man der Art des Anrichtens seiner Teller übrigens immer noch an.) Mit prachtvollem Blick auf das Städtchen Menton und seinen Hafen, die letzte französische Stadt vor der Grenze zu Italien übrigens, speist man hier so innovativ wie ausgezeichnet und das immer noch zu Menü-Preisen, für die man in Monaco bei Alain Ducasse im Louis XV gerade mal eine Vorspeise kriegt.
Le Mirazur
30 Avenue Aristide Briand 06500 Menton
Tel.: +33/4 92 41 86 86
www.mirazur.fr

Gott in Frankreich
Ducasse muss erlebt haben, wer beim Thema Hochküche mitreden will. Doch ums Mitreden geht es nicht. Es geht um ein perfektes Restaurant, bei dem das 70 mm große Breitwandkino nicht nur in der Küche, sondern auch in jeder Bewegung des Service stattfindet, der im Restaurant seine Runden dreht, jede Regung der Gäste im Auge behält und dabei so tut, als interessiere ihn das alles nicht. Auf die Teller kommt die Ur-Küche von Alain Ducasse, südländisch verliebt, produktkonzentriert und perfekt zubereitet. Ein Steinbutt wird zum unvergesslichen Erlebnis. Die Taube mit dem würzigen Jus aus Taubenlebern steht seit mehr als zwanzig Jahren auf der Karte. Ein vegetarisches Menü gab es bei Alain Ducasse schon sehr lange, bevor Gemüse modern wurde. Hier versteht man, warum die Franzosen nicht nur beim Fußball, sondern auch in der Gastronomie als Anwärter auf den Pokal gelten. Das Louis XV befindet sich übrigens seit vergangenem September in einer Phase der kompletten Neugestaltung wie auch das Hotel de Paris. Die Eröffnung ist dann im Juni, man darf gespannt sein.
Le Louis XV
Place du Casino, 98000 Monaco
Tel.: +377 98 06 88 64
www.alain-ducasse.com

Lille: An der Grenze
Die nördlichste Stadt Frankreichs, knapp vor der Grenze zu Belgien, gilt nicht als erste Adresse in kulinarischen Angelegenheiten. Man liest über Lille eher, wenn es wieder mal um die Verkehrshölle einer von Transport und Logistik ziemlich beanspruchten Region geht. Doch es lassen sich ein paar Juwelen ausgraben, wenn man geduldig ist. Schöne Brasserien gibt es da und die eine oder andere besternte Adresse auch.

Günstige Gelegenheit
Sympathisches „Bib Gourmand“ etwas außerhalb des Zentrums. Ziegelstein-Ambiente, Traversen aus Holz und Fotos aus alten Zeiten. Der Ort hat Tradition, denn das Gebäude stammt aus dem 17. Jahrhundert. Hier trifft sich auch heute noch, wer um nicht zu viel Geld saisonal in­spirierte Küche auf dem Teller haben will. Das kleinste Menü mit 4 Gängen gibt es um 37 Euro.
La Cense
27 Rue Auguste Bonte 59130 Lambersart
Tel.: +33/3 20 92 22 74
www.la-cense.fr

Aus dem Meer
Eine der vielen Brasserien der Stadt, gefällig eingerichtet in Weiß. Hier dreht sich alles um Fisch, der auf traditionelle Art serviert wird. Man nehme eine Plateau zum Einstieg und arbeite sich zügig zu den größeren Seezungen und Steinbutten vor. Das Lokal gehörte zur Familie des legendären Fischrestaurants A L’Huîtrière – es hat Ende Februar 2016 für immer geschlossen.
L’Ecume des Mers
10 Rue Pas 59000 Lille
Tel.: +33/3 20 54 95 40
www.ecume-des-mers.com

Aus aller Welt
Dieses, ein klassisches Michelin-Sterne-Lokal, wie sie in Frankreich auch in gastronomisch weniger gut besiedelten Gegenden vorkommt, zeigt, dass es ums kulinarisch Niveau des Landes eh recht fein bestellt ist. Der Rahmen mag ein wenig „bürgerlich“ erscheinen, wenn man auf wildes Dekor aus ist, doch man isst und trinkt hier zur Zufriedenheit. Ja, mehr als das. Küchenchef Nicolas Gautier arbeitet mit besten Materialien, die er sich aus ganz Frankreich kommen lässt. Zu seinen kleinen Lieferanten aus der Landwirtschaft pflegt er ein inniges Verhältnis. Das schmeckt der Gast, der sein Wasser aus schicken silbernen Trinkbechern zu sich nimmt.
La Laiterie
138 Avenue de l’Hippodrome, 59130 Lambersart
Tel.: +33/3 20 92 79 73
www.lalaiterie.fr

Toulouse: Herzhafte Stadt
Toulouse liegt richtig fett da, in der Mitte, wo es das Gute und das Bessere zu essen gibt. Da ist zum einen das Département Landes, wo die Enten es sich gut gehen lassen, Schinken und andere Herrlichkeiten herkommen. Die Gascogne ist auch nicht weit, Heimat der Foie gras. Natürlich landet man irgendwann in Perigord. Im Süden dann die westliche Provence und das Meer. Bis zu den Pyrenäen, zu kleinen Lämmern und Noir-de-Bigorre-Schwein, ist es auch nicht weit. Diese Umgebung speist das Essen der Stadt, ein großer Eintopf an Köstlichkeiten. Wenn der berüchtigte Dreitageswind nicht weht, spielt sich naturgemäß alles auf den Straßen, den Märkten, Terrassen der Bars, Cafés und Restaurants ab. Nicht zu versäumen der Markt Viktor Hugo. Hier gibt es Dinge, die Sie noch nie gesehen oder gegessen haben, Pferdehaschee und Spezialitäten von der Ente. Im 1. Stock warten eine Menge kleiner Restaurants. Hier isst man zu einem Glas Rosé den Cassoulet, einen Eintopf mit Bohnen, Wurst, Enten-Confit und Schweinshaxe – Toulouses kulinarisches Wahrzeichen.

Die Referenz
Michel Sarran ist der Koch, den man in Toulouse besucht haben sollte. Seine Autorenküche ist nahezu
perfekt gearbeitet, die Qualität der Zutaten toll. Er kann hier aus dem Vollen schöpfen und man schmeckt es. Nehmen Sie das Tatar vom Hummer und schlürfen Sie dazu die kalte Hummerbisque – ein herrliches Sommergericht. Klar, dass das wunderbare Noir de Bigorre, für viele das beste Schwein der Welt, hier ebenfalls zu Ehren kommt. Seit einer Renovierung im Jahr 2013 sieht das Restaurant so aus, wie ein wirklich gutes Restaurant aussehen muss. Schön.
Michel Sarran
21 Boulevard Armand Duportal, 31000 Toulouse
Tel.: +33/5 61 12 32 32
www.michel-sarran.com

Schick und gut
Das Lokal in einem kleinen Gässchen der Altstadt ist ein beliebter Treffpunkt für Esser, die auf kontemporäre Elemente im Ambiente wert legen. Der junge Chef arbeitet mit dem, was er gerade am Markt bekommt. Und hat sich damit bereits eine große Fangemeinde geschaffen.
PY-R
19 Descente de la Halle aux Poissons, 31000 Toulouse
Tel.: +33/5 61 25 51 52
www.py-r.com

Im Angriff
Yannick Delpech ist ein junger Chef, der mit seinen Talenten nicht haushalten muss, weil er genug davon besitzt. Vor den Toren von Toulouse hat er mitten im Grünen einen Ort der modernen, anspruchsvollen 2-Sterne-Gastronomie geschaffen. Ein Ort, wo das Terroir des Südwestens in bestmöglicher Form seine Entsprechung am Teller findet. Kalbsbries kommt glaciert mit Zitrone und Ravioli von süßen Zwiebeln. In einer würzigen Consommé von Piment d’Espelette erfrischt das Grapefruitsorbet. Man speist in einem lichtdurchfluteten Raum und im Sommer auf einer schönen Terrasse.
L’Amphitryon
28 Chemin de Gramont, 31770 Colomiers
Tel.: +33/ 5 61 15 55 55
www.lamphitryon.com

Die Gelegenheit
Wer schon einmal in Toulouse ist, ist nur zwei Stunden von einem der besten Restaurants Frankreichs entfernt: dem von Mythen umwobenen Lokal von Vater und Sohn Bras im Massiv Central, dem Paradies des Aubrac-Rindes. Denken Sie allerdings an eine rechtzeitige Reservierung, am besten gestern. In Laguiole kauft Messer, wer noch keine hat.
Michel Bras,
Route de l’Aubrac, 12210 Laguiole
Tel.: +33/5 65 51 18 20
www.bras.fr

Paris: Grande finale
Es gab eine Zeit, als die französische Küche von äußeren Einflüssen wenig wissen wollte. Heute präsentiert sie sich pluralistischer denn je, ohne aber ihren Kern zu verleugnen. In Paris selbst ist die Migration von Kochstilen und Aromen aus aller Herren Länder mittlerweile unüberschmeckbar – gut ist es. Tajine im Bistro, Kebab ums Eck und japanische Fusionsküche im Sternerestaurant prägen den kulinarischen Alltag der essverrückten Pariser. Vor allem das Baskenland und der Magreb dienen den jungen Pariser Köchen als Inspirations- und Zutatenquelle. Aus diesem kulinarischen Mittelfeld erfolgt auch der Angriff auf die Weltspitze. Und was tut sich in der Hochküche? Hier sind es die Konstanten Alain Ducasse (und seine Bistros), Pierre Gagnaire oder Yannick Alleno, ohne die das kulinarische Stadtbild an der Seine unvollständig wäre. Interessant auch die Umtriebigkeit von Mathieu Pacaud, der aus dem Schatten seines Vaters Bernard tritt, dessen L’Ambroisie allerdings immer noch die Pariser Spitze darstellt und als absoluter Kult gilt.

Das beste Restaurant
Le Chateaubriand galt für einige Zeit als bester „Franzose“ auf der Liste der „50 Besten“. Ein Affront oder eine als Liste formulierte Aufforderung, manche Riten und Moden zu überdenken? Das betont schlichte, baskisch inspirierte Bistro ist jedenfalls hervorragend gebucht. Inaki Aizpitartes’ Eltern flüchteten einst vor dem spanischen Franco-Regime. Er selbst war einer der ersten, die den Begriff „Bistronomie“ prägten – gutes Essen, welches sich auch das Pariser Prekariat leisten kann. Indien findet sich hier ebenso auf dem Teller wie China, womit neu definiert wird, was man als „Pariser Küche“ bezeichnet. Das Menü wechselt täglich. Die Wartelisten sind lang.
Le Chateaubriand
129 Avenue Parmentier, 75011 Paris
Tel.: +33/1 43 57 45 95
www.lechateaubriand.net

Soulfood in Belleville
Schon die einfache Schrift auf dem Schild über dem Eingang des kleinen Bistros signalisiert: Hier ist Bistronomie zu Hause. Wer die Chefin am Herd sieht, weiß dann, es werden ein paar Stunden des Wohlbefindens sein. Viele Küchenchefs, so erzählt man, trösten sich hier über die Härten ihres Berufs hinweg. Tatsächlich: Ein Bissen von den eingelegten Sardinen schüttet sofort Glückshormone en masse aus. Hier ist der Ort, wo man gute Vins Naturels bekommt, herzhafte Bistroküche, die alle Gewürze, Düfte und Geschmäcker der Welt vereint. Wenig überraschend, dass sich das Lokal in Belleville befindet, einem anti-glam Arrondissement, bekannt für sein großes Angebot an marrokanischer und vietnamesicher Küche.
Le Baratin
3 Rue Jouye-Rouve, 75020 Paris
Tel.: +33/1 43 49 39 70

Der Urmeter
Wer in diesem Bistro, einem der besten der Stadt, einkehrt, überlegt spätestens nach dem Verlassen des Lokals (und dem Begleichen der überaus brieftaschenfreundlichen Rechnung), wann er wiederkommen kann. Bertrand Auboyneau, dem Besitzer des Bistros Paul Bert, verdanken die Menschen in der Gegend ihre alltägliche gastronomische Lebensrettung. Die Küche, welche die Pariser Tradition pflegt und bei Fisch (Lieu jaune, Steinbutt, Seezunge) einfach nur mit der allerbesten Ware arbeitet beziehungsweise Ris de veau vom Umfang eines Fußballfeldes serviert, von dem aber kein Bissen zurückgeht, hat etwas Souveränes. Gleich nebenan gibt es das Fischbistro L’Ecailler du Bistrot.
Bistrot Paul Bert
18 Rue Paul Bert, 75011 Paris
Tel.: +33/1 43 72 24 01

Naturburschen
Saturn nennt sich der Gott der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus. Einen verheißungsvolleren Namen konnten die Betreiber dieses Restaurants im Börsenviertel nicht finden. Das moderne Bistro ist ein Muss für Liebhaber von Naturweinen und wie toll es um deren Qualität bestellt ist, sieht und schmeckt man hier. Alleine schon der Champagner als Aperitif! Das Lokal, jung in Stil und Service, bietet dann zu fairen Preisen Gutes auf dem Teller: Tomaten mit kleinen Muscheln in einem himmlischen Sud, rosa Gebratenes vom Noir-de-Bigorre-Schwein aus den Pyrenäen zum Niederknien gut. Eine Freude: Brot und Butter. Gleich gegenüber ist eine empfehlenswerte Adresse für alle Fans von Macarons. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nach dem Dessert noch Hunger haben.
Saturne
17 Rue Notre Dame des Victoires, 75002 Paris
Tel.: +33/1 42 60 31 90
www.saturne-paris.fr

Die schönste Terrasse von Paris
Im Bois de Boulogne ist es im Frühsommer am schönsten. Der Pavillon des Pré Catelan ist wunderbar, die dazugehörige Terrasse im Grünen ist ein Fest für sich. Der mit Höchstwertungen bei Michelin und Gault Millau ausgezeichnete Küchenchef Frédéric Anton gehörte einst zum engen Kreis rund um Joël Robuchon. Er steht für Kreativität und Verlässlichkeit und es ist wirklich schwer, hier auch nur mittelmäßig zu essen. Erfreulich ist, wie lässig und überhaupt nicht humorbefreit die Service­brigade ans Werk geht. Wobei überhaupt in Paris auffällt, dass der Service einerseits von höchster Professionalität ist, allerdings in den meisten Fällen Steifheit, Strenge und Witzlosigkeit beim Umziehen für den Job in der Garderobe lässt.
Le Pré Catelan
Route de Suresnes, 75016 Paris Bois de Boulogne
Tel.: +33/1 44 14 41 14
www.restaurant.leprecatelan.com

Wie der Vater, so der Sohn
Über L’Ambroisie sind auch in diesem Magazin schon ausreichend viele Lobesgesänge verbreitet worden. Deshalb nur soviel: Das Restaurant an der Place de Vosges, für dessen Visite man sich ausreichend Euros in den Geldbeutel tun muss, ist immer noch eines der besten in Frankreich, wenn man auf perfektes Handwerk und noblen Service Wert legt. Mathieu Pacard, der Sohn des Patrons und Küchenchefs Bernard Pacaud, hilft kräftig mit und präsentierte während der vergangenen Jahre daneben zwei der interessantesten unter den neuen Pariser Adressen. Das Hexagone auf 1.000 Quadratmetern ist eine Antithese zu den intimen Speisezimmern der L’Ambroisie. Noch spannender aber ist das erst im Herbst vergangenen Jahres eröffnete Histoires, eine Art von modernem Speak-Easy, bei dem alleine die Architektur und damit die gesamte Atmosphäre schon Signature-Charakter besitzen.
L’Ambroisie
9 Place des Vosges, 75004 Paris
Tel.: +33/1 42 78 51 45
www.ambroisie-paris.com

L’Hexagone
85 Avenue Kléber, 75116 Paris
Tel.: +33/1 42 25 98 85
www.hexagone-paris.fr

Histoires
85 Avenue Kléber, 75016 Paris
Tel.: +33/1 70981635

Auch sehr schick, auch sehr schön
Sie speisen gerne inmitten von Models, Kreativen und anderen Flaneuren? Das von der Costes-
Gruppe (Hotel Costes, La Societé) betriebene L’Avenue liegt zwar in puncto Raffinement am Teller um einige Stockwerke unter dem nur ein paar Laufmeter entfernten Alain Ducasse au Plaza Athénée, stellt aber gerade bei den Parisern einen beliebten Treffpunkt fürs Dejeuner dar. Selbstdarstellung inklusive. Abends serviert zum Essen ein DJ ein paar Ohrenschmäuse.
L’Avenue
41 Avenue Montaigne, 75008 Paris
Tel.: +33/1 40 70 14 91
www.avenue-restaurant.com