Auf geht´s zur Wiesn!

Sechzehn Tage lang, vom 22. September bis zum 7. Oktober 2012, badet die bayerische Metropole München wieder in einem riesigen Bierfass. Feiert eine fantastische, internationale Dauerparty, die sich Oktoberfest nennt. Zum 179. Mal übrigens.

Text von Helga Baumgärtel Foto: beigestellt

Rund sieben Millionen Liter Bier – fast 10 Euro der Liter – werden durch die durstigen Kehlen der annähernd sieben Millionen Besucher gespült. In 14 Bierzelten – so groß wie Fabrikshallen – feiern Promis von Film und Fernsehen, Politik und Sport, mit Geld- oder dem richtigen Adel, mit jeder Menge Adabeis und Gott sei Dank auch simplen Menschen wie Ihnen und mir.

Eine Art Welttheater ist es, mit Haupt-, Neben- und Selbstdarstellern, das schon Ödön von Horwáth als Kulisse für sein Volksstück „Kasimir und Karoline“ gedient hat.

Kurze Historie gefällig? „Geboren“ wurde das Oktoberfest am 17. Oktober 1810. Damals heiratete der Herrscher Ludwig von Bayern die Prinzessin Therese von Hildburghausen.

Seitdem feiert man – mit wenigen Kriegs-Ausnahmen – dieses überdimensionale Volksfest, das die Einheimischen liebevoll „Wiesn“ nennen.

Service international. Aus allen Ecken der Welt strömen die Besucher. Allein aus Australien sind es jedes Jahr an die 5.000. Rund 10.000 kommen aus Amerika, an die 50.000 aus Italien. Fast ist es schon Tradition, dass die „Italos“ am zweiten Wiesn-Wochenende in gemieteten Wohnmobilen über den Brenner rollen, um die „Festa della Birra“ in Monaco di Baviera zu feiern. Und so werden in diesen Tagen Verkehrsdurchsagen im Bayerischen Rundfunk auch auf Italienisch gesendet und Carabinieri aus Südtirol unterstützen die Münchner Polizei. Wobei die Anreise mit dem Wohnwagen gar keine schlechte Idee ist. Die 320 Hotels in München sind während der Oktoberfestzeit meist schon seit Monaten ausgebucht. Und das zu Preisen, die man schlicht als Wucher bezeichnen könnte. Selbst ein schlichtes Zwei-Sterne-Hotelchen kassiert schon 200 Euro die Nacht. Und wer’s feiner haben will, darf sich von 750 Euro verabschieden.

Eine preiswerte Alternative gefällig? Der größte Campingplatz – mit 1.500 Stellplätzen – liegt im Ortsteil Riem – mit der U-Bahn leicht zu erreichen. Dort zahlt man 35 Euro die Nacht.

Und als jüngste Alternative gibt es seit dem letzten Jahr ein Container-dorf. Ebenfalls auf dem Messegelände in Riem. 100 freistehende Container mit je sieben Quadratmetern Wohnfläche, ausgerüstet mit allem, was ein Paar so braucht. Nur Toiletten und Duschen befinden sich außerhalb. Allerdings: Geschenkt ist das Containerleben auch nicht gerade. 130 Euro die Nacht, 170 Euro am Wochenende.

Insidertipp für „last minute booking“: Es gibt eine eigene Unterkunfts-Vermittlung zur Wiesn plus Reservierungtipps in den Zelten. Oder will’s jemand in Privatunterkünften probieren? Da viele Münchner – auch ich gehöre dazu – während der Wiesn vor dem Trubel flüchten, gibt’s gute Chancen bei den Privaten. Alle nachfolgenden Websites in Sachen Unterkünfte anklicken. Viel Glück!

Willkommen! Auch für Österreicher ist der jährliche Besuch der „Wiesn“ schon eine Art Kult. Der lebende Beweis dafür ist Georg Mayrhofer aus Klosterneuburg. Denn der kommt in diesem Jahr zum 29. Mal aufs Oktoberfest – und zwar wie jedes Jahr täglich bzw. ganztäglich. Um die 4.000 Euro lässt er sich den Spaß Jahr für Jahr kosten. „Andere“, sagt er, der sich persönlich „der Wiesnschurli“ nennt, „fliegen in die Karibik. Aber ich geh’ halt auf die Wiesn.“

Fashion-Time. Bleibt noch das Problem der angesagten Kleidung. Einheimische Damen – die wenigsten von ihnen echte Bayerinnen – tragen kühn ausgeschnittene Designerdirndln, die dazugehörigen Männer – auch sie erkennbar durch ihr Idiom nicht dem Stamm der Bayern zugehörig – verkleiden sich in Lederhosen und Trachtenjanker aus den angesagten Boutiquen der Stadt. Die beste ist für mich nach wie vor Loden Frey, vis-à-vis vom Hotel Bayerischer Hof.

Na, und von da aus ist es nur ein Katzensprung zum Viktualienmarkt (ich weiß, ich weiß, es geht nichts über Euren Naschmarkt, aber der hier ist auch schon sehenswert!). Und nebenan in der Schrannenhalle ist jüngst ein kleines, kunterbuntes, kulinarisches Paradies entstanden.

Ach, übrigens: für Lernwillige, die zumindest ein paar Brocken echt Bayrisch lernen wollen, bittschön: Auf www.oktoberfest.de gibt es unter dem Stichwort Lexikon einen Sprachkurs mit Hörbeispielen.

Die vielen Karussells und anderen Fahrgeschäfte auf der Wiesn dienen mehr der Dekoration für die 14 Festzelte. So wie die lautstarken Blasmusikkapellen in den Bierzelten weniger die musikalische Kultur als den Bierumsatz fördern sollen. Der Wiesnhit des Jahres? Wer weiß das schon jetzt. In den vergangenen Jahren waren es DJ Ötzis „Hey Baby“ oder der „Anton aus Tirol“ und natürlich der Dauerbrenner „Fürstenfeld“, ebenfalls aus Österreich. Nicht umzubringen ist der Klassiker „Ein Prosit der Gemütlichkeit“; einziger Schönheitsfehler: Ein Mann aus Chemnitz in Sachsen, also „a Preiss“, hat den Dauerhit „verbrochen“.

Für Eich-Fanatiker: Die Maßkrüge sind aus Glas, damit der Gast erkennen kann, ob der Wirt genug Bier und nicht nur Schaum ins Glas gepumpt hat. Wirten, die es trotzdem tun, kann es an den Kragen gehen. Strenge „Einschenk-Prüfer“ wachen darüber. Und im Zweifelsfall kann es die Lizenz kosten. Und solchiges wäre ein herber Verlust von circa einer Million Euro. Denn so viel kassiert ein Wirt pro Wiesn!

Um die Statistik zu vervollständigen: Rund 130.000 Maßkrüge verschwinden auf Nimmerwiedersehen pro Jahr. Aber rund 180.000 werden vom aufmerksamen Personal „gerettet“.

Bierzelt-Typologie. In der Hofbräuhaus-Festhalle, die Tag für Tag 10.000 Bierselige bewirtet, feiern überwiegend US-Touristen, Japaner, Australier und Neuseeländer, die irgendwann mit steigendem Promillepegel lautstark versuchen, ihre Nationalhymnen zu jodeln. Beim Schottenhamel, dem ältesten aller Bierzelte, wo jedes Jahr vom Bürgermeister „o’zapft“ wird, sind es Schüler, Studenten und die Gäste südlich des Brenners.

Das „Winzerer Fähndl“ unter dem Dach der Paulaner Brauerei lockt nicht nur mit dem besten Spanferkel plus Kartoffelklöß; das gemütliche Zelt mit „nur“ 8.450 Plätzen ist das Königreich des Wiesen-Wirts Peter Pongratz. Und natürlich auch das Stammzelt des FC Bayern – von Philipp Lahm, Schweinsteiger & Co. Abends natürlich ausgebucht seit Monaten. Ein Tipp von Peter Pongratz: „Probiert’s doch mal die Mittags-Wiesn. Morgens ab zehn Uhr und am Wochenende ab 9 Uhr. Mit einer Maß Bier fährt’s sich dann am Nachmittag auch viel beschwingter in den Achterbahn-Himmel!“

Der spätere Abend gehört dann dem Festzelt der „Käfer’s Wiesn-schänke“. Die Käfer-Schenke ist übrigens kein Zelt, sondern ein Holzhaus, in dem die Bussi-Gesellschaft – von finster blickenden, schwarz gekleideten Muskelmännern behütet – geschmorte Rehschulter oder Gans mit Semmelfüllung genießt und den Champagner aus eisgekühlten Mini-Maßkrügen schlürft.

Zum Schluss vielleicht noch die Ochsenbraterei. Off limits allerdings für Vegetarier! Schätzungsweise 120 Ochsen aus bayerischen Landen werden es auch diesmal wieder sein, die sich während der Wiesn-Zeit am Spieß drehen. 15 Euro kostet die satte Portion.

Auf einer Tafel am Eingang stehen übrigens Gewicht und Name des jeweiligen Ochsen, aber wer will DAS schon wissen

Bei der „Fischer Vroni“ sind die Steckerlfische die leckere Alternative zu Brathendl und Schweinshaxe. Die Renken, Forellen und Lachsforellen aus bayerischen Gewässern, über glühenden Holzkohlen geröstet, sind stadtbekannt.

Den Wermutstropfen im Bier- oder Champagnerglas kennen wir schon: Reservierungen für den Abend sind bereits seit März ausverkauft. Ein Alternativ-Tipp ist das „Wiesnzelt“ am Stiglmaierplatz, nur ein Katzensprung von der echten Wiesn entfernt: ein gewaltiges Bierzelt mit – natürlich – Blasmusik und allem, was es beim Original auch gibt. Und hier feiert man, bis der letzte Gast nach Hause geht.

PS: Nur eines gibt es am Abend nicht auf dem Oktoberfest: die Weißwurst. Die bekannteste Münchner Spezialität darf laut Tradition das Mittagsläuten nicht erleben. Und da ist bekanntlich noch nichts los auf der Wiesn. Wer die beste Weißwurst der Stadt sucht, findet sie bei Wirt und Metzger Ludwig Wallner in der „Gaststätte Großmarkthalle“ im Stadtteil Sendling. Den besten Senf dazu – ein süßer natürlich – liefert die Firma Hendlmeier.

Nach der Wiesn ist vor der Wiesn. Denn irgendwann ist auch die Diskussion um die beste Weißwurst und den besten Leberkäs der Stadt (den gibt es übrigens im „Franziskaner“ beim Nationaltheater) vorbei. Es ist 22.30 Uhr und in den Bierzelten spielen die sonst so lautstarken Blaskapellen eine leise, fast wehmütige Abschiedsmelodie. Das Oktoberfest ist – zumindest für diesen Abend – zu Ende.

Doch nach dem Fest ist vor dem Fest. In Dutzenden Restaurants, Bars, Clubs und Kneipen beginnt die tägliche After-Wiesn-Party ab 22.30 Uhr. Und gefeiert wird, solange die Gäste Lust und Geld haben. Richtig schick geht es im Promitreff des „P 1“ zu, von den Münchner liebevoll der „Oanser“ genannt, das zum Käfer-Imperium gehört und dessen weltweiter Ruf bis Los Angeles reicht. Frage nur – Wetten dürfen abgeschlossen werden –, ob Sie an den Türstehern vorbeikommen. Sonst kann man’s ja mal im „Pascha“ versuchen, der No. 2 in der Szene.

Na denn, ein Prosit, gut’ Nacht – und übrigens: Kommen’s morgen wieder gut heim!

Wiesn im Web

Campingplatz
www.oktoberfest-camping.com

Unterkünfte
www.wiesnhotels.de

Privatunterkünfte
www.zimmer-im-web.de/muenchen

Loden-Frey
www.lodenfrey.com

Hofbräuhaus-Zelt
www.hb-festzelt.de

Schottenhamel
www.festzelt.schottenhamel.de

Winzerer Fähndl
www.winzerer-faehndl.com

Käfers Wiesnschänke
www.feinkost-kaefer.de

Ochsenbraterei
www.ochsenbraterei.de

Fischer Vroni
www.fischer-vroni.de

Das Wiesnzelt
www.daswiesnzelt.de