California Dreaming
Die Central Coast ist die unbekanntere Seite Kaliforniens. Eine Weinreise in amerikanisches cool climate.
California Dreaming
Text von Angelika Deutsch Fotos: beigestellt
Es ist dieser Landstrich zwischen San Francisco Bay bis Santa Barbara, der dazu angetan ist, alle gängigen Vorurteile gegen kalifornischen Wein und alle falschen Vorstellungen eines Neue-Welt-Weinlandes über den Haufen zu werfen. Die Central Coast, etwas im Schatten von Napa und Sonoma stehend, hat bereits in Cineastenkreisen einigen Stellenwert erlangt: Im Film Sideways reisen zwei Freunde zum Junggesellenabschied durch schönste Central Coast-Weinberge. Santa Barbara County, die südlichste Weinregion hier mit ihren von spanischem Einfluss geprägten Dörfern, gemütlichen Restaurants und idyllisch in den Hügeln gelegenen Weingütern ist der semi-dokumentarische Hintergrund dieser Geschichte und macht sich das auch zunutze; es gibt einen eigene Sideways-Route zu den Weingütern und Lokalen, die im Film als Schauplatz dienen.
Filmruhm allein aber würde nicht ausreichen, um als Weinregion insgesamt zu reüssieren. Doch da sind diese 250 Meilen – etwa 400 km – teilweise spektakulärer Küstenlinie und 2,7 Millionen Hektar Land, von denen 40.000 mit Wein bepflanzt sind: Das bedeutet eine Vielfalt an Kleinregionen in den Tälern und auf den Hügeln, unterschiedliche klimatische Bedingungen, aber auch einige gemeinsame Grundzüge, nämlich – so erstaunlich das für unsere Vorstellungen auch sein mag – eine Cool-climate-Zone zu sein. Verantwortlich dafür ist der Pazifische Ozean, der mit Morgennebeln und kühlenden Nachmittagswinden auf die Kleinklimata einwirkt; mar- kante Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperaturen sorgen für intensive Fruchtausprägung und Frische in den Weinen. Dazu kommen Böden, die dank heftiger tektonischer Bewegungen vor langen Zeiten Meeresablagerungen in die Hügel befördert haben: Muschelkalk in Kombination mit Lehm, Quarz, Sand und eher magere Böden – das bringt niedrigere Ernten und in den Weinen Kraft, Vitalität sowie Komplexität. Eine lange Vegetationsperiode bis in den November hinein mit klaren, sonnigen Tagen für reife Polyphenole, aber kühlen Nächten für die Säure lässt bei intensiven Fruchtaromen Reife und Balance in den Weinen entstehen. Und noch etwas ist bemerkenswert für das Gebiet der Central Coast: eine schier unüberschaubare Fülle an Rebsorten. Nicht nur Chardonnay und Pinot Noir sind Leitrebsorten, sondern auch Syrah und Zinfandel, dieser mit besonders alten Restöcken, selbst Direktwurzler sind keine Seltenheit. Italienische, französische und spanische Rebsorten sind Zeugnis einer Weinhistorie, die durch die Missionstätigkeit spanischer Mönche bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Nach der Prohibition musste freilich die Weingeschichte Kaliforniens neu geschrieben werden, viele Weingüter waren verlassen und verfallen, ihr Wissen um die traditionelle Kunst des Weinmachens verloren. Es kamen die universitär Ausgebildeten, die Techniker, und erst nach und nach erwuchs wieder der Sinn für alte Traditionen innerhalb neuer Möglichkeiten. Der Blick ging dabei immer auch nach Europa, ob es nun traditionsreiche Weinstile wie im Bordeaux, in Burgund oder an der Rhône sind. Europäische Inspiration und kalifornischer Charakter, daraus sind die besten Weine hier gemacht, immer auf der Suche nach der Balance, und die ist bei voller, reifer Frucht dank feiner kühler Noten und mineralischer Nervigkeit auch gegeben.
Im südlichen Teil, dem Santa Barbara County, wenden sich die normalerweise von Nord nach Süd verlaufenden Küstengebirge von West nach Ost, das ermöglicht Meeresbrisen und Nebel den Zugang zu den Weinbergen: perfektes kühles Klima mit nebligen Morgen und doch warmen, sehr sonnigen Tagen. Die Landschaft wechselt von den grün schimmernden rolling mountains im Santa Maria Valley mit ausgedehnten Weingärten zu baumbewachsenen Hügeln und Hochplateaus voller Wein: altes spanisches Land und eben Sideways-Country mit einer Vielzahl an kleineren (und größeren) Weingütern. Im Restaurant "The Hitching Post", einem der Schauplätze im Film, gibt es bei Frank Ostini nicht nur die besten Steaks weit und breit, sondern auch elegante Pinot Noirs, die verständlich machen, warum um diese Rebsorte in den letzten Jahren so ein Hype entstanden ist. Im weiten Tal der Santa Rita Hills sehen die Weingärten aus wie in die Landschaft geworfen, hier überwiegen die Muschelkalkböden und damit Chardonnay und Pinot Noir, die von der direkt hier eintreffenden Meereskühle profitieren. Sanford, Dierberg, Melville: Alle bemühen sich um saftige, mineralische, gut strukturierte Weine, die auch bei Vollreife ihre Frische nicht verlieren. Jim Clendenen vom auch in Europa nicht unbekannten Weingut "Au Bon Climat" bezieht Trauben bei Sanford – ein Qualitätsbeweis. Brander, ein altes Familienweingut in Los Olivos, hat sich ganz auf Sauvignon Blanc spezialisiert, für die Estate-Version liegt der Wein 24 Stunden auf den Schalen, der Gerbstoff sorgt für Lebendigkeit und spannende Eleganz. Zaca Mesa am Foxen Canyon, in dessen Nachbarschaft das Neverland des Michael Jackson lag, besitzt einen der ältesten Syrah-Weingärten; in den Neuanlagen werden die Rebstöcke bei niedriger Erziehung enger ausgepflanzt, das verbessert die Qualität und bringt dennoch mehr Ertrag. Bridlewood, ein großes Gut in Santa Ynez, ist architektonisch eine Hommage an den Stil der spanischen Missionen und war zuvor Hospital für Rennpferde und eine Araberzucht. Jetzt ist in den Stallungen die Kellerei untergebracht; hier lotet Winemaker David Hopkins die Kunst des Weinmachens in alle Richtungen aus, von Ganztraubenpressung über Kaltmazeration und Sur lie-Verfahren bis hin zum Experimentieren mit Betoneiern. Seine vierzehnjährige Tochter ist oft an seiner Seiteund sieht sich schon als künftige Weinmacherin.
Auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Francisco liegt der rising star unter den Weinregionen: Paso Robles. Da können die Hügel bis 600 Höhenmeter ansteigen, und vor allem der westliche Teil gilt als eines der spannendsten Weingebiete Kaliforniens: die "Rhône Zone". Die Böden auf steilen, steinigen Hügeln sind hier besonders kalkhältig und mineralisch, das bringt kleine Beeren, Konzentration an Inhaltsstoffen und Weine mit Charakter und reichem Aroma. Es ist Zinfandel- wie Syrah-Land gleichermaßen, und dazu gibt es noch an die 40 andere Rebsorten hier; die Zahl der Weingüter ist sprunghaft auf über 200 in 25 km Umkreis angestiegen. Gary Eberle vom gleichnamigen Weingut gilt als Urgestein der Region, er hat maßgeblich an der Entstehung dieser Appellation mitgearbeitet; sein Cabernet Sauvignon Reserve ist auch in gereiftem Jahrgang ein glückliches Beispiel für volle Frucht und einnehmende Eleganz. Versteckt in den Hügeln liegt das Weingut Justin am höchsten westlichen Punkt von Paso Robles und ist trotz seiner Größe Familienweingut geblieben. Die Flagship-Weine in Bordeaux-Stilistik tragen der Tatsache Rechnung, dass die meisten Konsumenten "Ready-to-drink"-Weine bevorzugen, dafür kann man auf einen jungen Praktikanten aus der Wachau treffen. Seit 30 Jahren haben die Brüder Perrin von Château Beaucastel mit ihrem Importeur Robert Haas ein Venture in Paso Robles: Tablas Creek steht für elegante, mineralische Cuvées nach Rhône-Vorbild, der Traubenanbau erfolgt größtenteils nach biodynamischen Grundsätzen. Einer Vielzahl an kleinen Weingütern wie "L‘Aventure", das einem "Bordeaux-Renegaten" gehört, stehen wenige wirklich große wie J. Lohr gegenüber.
Dessen Hilltop-Cabernet stammt von wunderbaren alten Rebstöcken, die als Direktwurzler auf Kalkstein stehen und kleinbeerige Trauben mit intensivem Aroma liefern. Gleich neben dem Weingut ist die riesige Solaranlage so angelegt, dass der größte Teil des Energiebedarfes abgedeckt werden kann. Es sind gerade solche Weingüter, die sich der sustainability, der Nachhaltigkeit in der Produktion verschrieben haben und die nicht nur Natur und Ressourcen schont, sondern auch die ökonomischen und sozialen Bedigungen mit einschließt. "A cellar full of noise" singt Petula Clark, das war Inspiration für das Zweitlabel von James Judd und Sohn: Weine einfach zum Genießen, mit Freunden, mit Essen, mit Musik. Paso Robles gehört zur größeren Region San Luis Obispo, so wie Edna Valley oder Arroyo Grande; hier ist das Weingut von Familie Talley zu finden, ein ganz mediterran anmutender Ansitz in den Weinbergen. Lehmiger Kalkstein und kühles Klima bieten ideale Voraussetzungen für elegante, komplexe Chardonnays und Pinot Noirs, die ganz nach burgundischem Vorbild vinifiziert werden.
Vorbei an Feldern mit Paprika, Artischocken, Erdbeeren und Brokkoli, an Walnusshainen und Wäldern mit immergrünen Coast Live-Eichen ist die nächste Station auf dem Weg nach Norden Monterey County. In den Hügeln von Carmel Valley, wo Clint Eastwood eine Zeit lang Bürgermeister war, inmitten von bewaldetem Grün liegen die besten Weingärten hier. Ganz anders das breite Salinas Valley, wo im 4.000 ha großen Weingarten von San Bernabé 21 verschiedene Rebsorten wachsen, darunter Riesling: Ein riesiger kalter Unterwassercanyon in der Monterey-Bucht beeinflusst auch hier das Klima mit Nebel und kühler Meeresluft. "Delicato", ein großes Familienunternehmen italienischen Ursprungs, sorgt für verantwortungsvolle und nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen mit dem Ziel, Premiumweine zu leistbaren Preisen zu produzieren.
In den Santa Cruz Mountains haben sich einige der markantesten Weinmacher der Central Coast niedergelassen. In Santa Cruz selbst ist der eigenwilligste Mann des Weinbusiness zu finden: Randall Grahm von Bonny Doon Vineyards. Unermüdlich, einem Entdecker gleich geht er daran, immer wieder ganz Neues zu machen. Begonnen hatte er mit dem Ansatz, DEN großen amerikanischen Pinot Noir zu produzieren, bevor er sich den Rhône-Rebsorten zuwandte. Mit seinem "Le Cigare Volant", einer Hommage an das Châteauneuf-du-Pape aus Grenache, Mour-vèdre, Syrah und Cinsault, machte er ab 1984 Furore, wurde damit zum Vorreiter für einen Rhône-Boom in der Region. Bereits 2001 setzte er ganz auf Drehverschluss, der Großteil seiner Weingärten wird seit 2002 biodynamisch bewirtschaftet. Das Ca‘ del Solo-Weingut mit für die Gegend so schrägen Rebsorten wie Albariño, Muscat, Dolcetto oder Nebbiolo bekam 2007 die Demeter-Zertifizierung. Eleganz, Vitalität und leichte Trinkbarkeit zeichnen alle seine Weine ebenso aus wie kühle Stilistik und Komplexität; das geht auch ohne hohe Alkoholwerte. Seine Kollegen hält er in ihrer Jagd nach Punkten, mit hochkonzentrierten, alkohollastigen Weinen ohnehin von einer "kalifornischen Krankheit" befallen. Selbst geht er nun noch einen Schritt weiter, auch die Biodynamik ist ihm noch zu wenig, um das Terroir so auszuloten, wie es ihm vorschwebt. Und so wird er auf einem besonderen Stück Land, das er in den Bergen von Santa Cruz gefunden hat, seine eigenen Reben aus Traubensamen selbst ziehen.
An der Central Coast gibt es viele zugewanderte Quereinsteiger; wie man das im Silicon Valley zuvor verdiente Geld gut anlegen kann, zeigt Bill Murphy von "Clos La Chance". Hummingbird Lane ist die Adresse. Ganz entlegen hinter Wäldern in einem herrlich weiten Hochtal flattern Kolibris zwischen Blüten und Sträuchern herum. Im noch jungen Weingut werden seit 2002 bei aller neuer Technik auf traditionelle Weise elegante Weine von hoher Fruchtintensität produziert, die schlank wirken und ein erfrischendes Säurerückgrat haben. Hoch oben in den Bergen von Santa Cruz ist Montebello der magische Begriff. Das Weingut Ridge, das durch Paul Draper in mehr als 40jähriger Arbeit sein Profil erhalten hat, steht für herausragende Chardonnays und Cabernets, die hier in für die Region extremer Höhenlage bis zu 800 m wachsen – die berühmten Zinfandel stehen in Sonoma. Eric Baugher, der 2010 seine 17. Ernte eingebracht hat, hält nichts von zu vielen Eingriffen beim Weinmachen. Die Trauben werden händisch selektioniert, die Vergärung erfolgt spontan – nur so kämen komplexere Weine mit reicher Frucht zustande. Die Höhenlage reduziert die Ernte und sorgt mit ihrer Kühle für weniger Alkohol; das kalkreiche Gestein war einmal ein Atoll südlich des Äquators und wurde zwischen zwei tektonischen Platten hierher verschoben. In den Weingärten um die Kellerei sind überall Schilder: "Beware of Rattlesnakes". Die aber gibt es, um die Erdhörnchen in Zaum zu halten, welche nur zu gern an den Reben knabbern. Die klassische, an Bordeaux gemahnende Eleganz der Weine lässt nicht vermuten, dass hier mit Fässern aus amerikanischer Eiche gearbeitet wird; das luftgetrocknete Holz von langsam wachsenden Eichen aus Kentucky wird nach genauen Anweisungen von Eric verarbeitet. Und so kann man, bevor es wieder hinunter in den Smog von Silicon Valley und weiter nach San Francisco geht, in schlichter "Heurigen"-Atmosphäre einige der besten, leider auch in oberen Preisregionen angesiedelten Weine der Central Coast genießen.
Es ist dieser Landstrich zwischen San Francisco Bay bis Santa Barbara, der dazu angetan ist, alle gängigen Vorurteile gegen kalifornischen Wein und alle falschen Vorstellungen eines Neue-Welt-Weinlandes über den Haufen zu werfen. Die Central Coast, etwas im Schatten von Napa und Sonoma stehend, hat bereits in Cineastenkreisen einigen Stellenwert erlangt: Im Film Sideways reisen zwei Freunde zum Junggesellenabschied durch schönste Central Coast-Weinberge. Santa Barbara County, die südlichste Weinregion hier mit ihren von spanischem Einfluss geprägten Dörfern, gemütlichen Restaurants und idyllisch in den Hügeln gelegenen Weingütern ist der semi-dokumentarische Hintergrund dieser Geschichte und macht sich das auch zunutze; es gibt einen eigene Sideways-Route zu den Weingütern und Lokalen, die im Film als Schauplatz dienen.
Filmruhm allein aber würde nicht ausreichen, um als Weinregion insgesamt zu reüssieren. Doch da sind diese 250 Meilen – etwa 400 km – teilweise spektakulärer Küstenlinie und 2,7 Millionen Hektar Land, von denen 40.000 mit Wein bepflanzt sind: Das bedeutet eine Vielfalt an Kleinregionen in den Tälern und auf den Hügeln, unterschiedliche klimatische Bedingungen, aber auch einige gemeinsame Grundzüge, nämlich – so erstaunlich das für unsere Vorstellungen auch sein mag – eine Cool-climate-Zone zu sein. Verantwortlich dafür ist der Pazifische Ozean, der mit Morgennebeln und kühlenden Nachmittagswinden auf die Kleinklimata einwirkt; mar- kante Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperaturen sorgen für intensive Fruchtausprägung und Frische in den Weinen. Dazu kommen Böden, die dank heftiger tektonischer Bewegungen vor langen Zeiten Meeresablagerungen in die Hügel befördert haben: Muschelkalk in Kombination mit Lehm, Quarz, Sand und eher magere Böden – das bringt niedrigere Ernten und in den Weinen Kraft, Vitalität sowie Komplexität. Eine lange Vegetationsperiode bis in den November hinein mit klaren, sonnigen Tagen für reife Polyphenole, aber kühlen Nächten für die Säure lässt bei intensiven Fruchtaromen Reife und Balance in den Weinen entstehen. Und noch etwas ist bemerkenswert für das Gebiet der Central Coast: eine schier unüberschaubare Fülle an Rebsorten. Nicht nur Chardonnay und Pinot Noir sind Leitrebsorten, sondern auch Syrah und Zinfandel, dieser mit besonders alten Restöcken, selbst Direktwurzler sind keine Seltenheit. Italienische, französische und spanische Rebsorten sind Zeugnis einer Weinhistorie, die durch die Missionstätigkeit spanischer Mönche bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Nach der Prohibition musste freilich die Weingeschichte Kaliforniens neu geschrieben werden, viele Weingüter waren verlassen und verfallen, ihr Wissen um die traditionelle Kunst des Weinmachens verloren. Es kamen die universitär Ausgebildeten, die Techniker, und erst nach und nach erwuchs wieder der Sinn für alte Traditionen innerhalb neuer Möglichkeiten. Der Blick ging dabei immer auch nach Europa, ob es nun traditionsreiche Weinstile wie im Bordeaux, in Burgund oder an der Rhône sind. Europäische Inspiration und kalifornischer Charakter, daraus sind die besten Weine hier gemacht, immer auf der Suche nach der Balance, und die ist bei voller, reifer Frucht dank feiner kühler Noten und mineralischer Nervigkeit auch gegeben.
Im südlichen Teil, dem Santa Barbara County, wenden sich die normalerweise von Nord nach Süd verlaufenden Küstengebirge von West nach Ost, das ermöglicht Meeresbrisen und Nebel den Zugang zu den Weinbergen: perfektes kühles Klima mit nebligen Morgen und doch warmen, sehr sonnigen Tagen. Die Landschaft wechselt von den grün schimmernden rolling mountains im Santa Maria Valley mit ausgedehnten Weingärten zu baumbewachsenen Hügeln und Hochplateaus voller Wein: altes spanisches Land und eben Sideways-Country mit einer Vielzahl an kleineren (und größeren) Weingütern. Im Restaurant "The Hitching Post", einem der Schauplätze im Film, gibt es bei Frank Ostini nicht nur die besten Steaks weit und breit, sondern auch elegante Pinot Noirs, die verständlich machen, warum um diese Rebsorte in den letzten Jahren so ein Hype entstanden ist. Im weiten Tal der Santa Rita Hills sehen die Weingärten aus wie in die Landschaft geworfen, hier überwiegen die Muschelkalkböden und damit Chardonnay und Pinot Noir, die von der direkt hier eintreffenden Meereskühle profitieren. Sanford, Dierberg, Melville: Alle bemühen sich um saftige, mineralische, gut strukturierte Weine, die auch bei Vollreife ihre Frische nicht verlieren. Jim Clendenen vom auch in Europa nicht unbekannten Weingut "Au Bon Climat" bezieht Trauben bei Sanford – ein Qualitätsbeweis. Brander, ein altes Familienweingut in Los Olivos, hat sich ganz auf Sauvignon Blanc spezialisiert, für die Estate-Version liegt der Wein 24 Stunden auf den Schalen, der Gerbstoff sorgt für Lebendigkeit und spannende Eleganz. Zaca Mesa am Foxen Canyon, in dessen Nachbarschaft das Neverland des Michael Jackson lag, besitzt einen der ältesten Syrah-Weingärten; in den Neuanlagen werden die Rebstöcke bei niedriger Erziehung enger ausgepflanzt, das verbessert die Qualität und bringt dennoch mehr Ertrag. Bridlewood, ein großes Gut in Santa Ynez, ist architektonisch eine Hommage an den Stil der spanischen Missionen und war zuvor Hospital für Rennpferde und eine Araberzucht. Jetzt ist in den Stallungen die Kellerei untergebracht; hier lotet Winemaker David Hopkins die Kunst des Weinmachens in alle Richtungen aus, von Ganztraubenpressung über Kaltmazeration und Sur lie-Verfahren bis hin zum Experimentieren mit Betoneiern. Seine vierzehnjährige Tochter ist oft an seiner Seiteund sieht sich schon als künftige Weinmacherin.
Auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Francisco liegt der rising star unter den Weinregionen: Paso Robles. Da können die Hügel bis 600 Höhenmeter ansteigen, und vor allem der westliche Teil gilt als eines der spannendsten Weingebiete Kaliforniens: die "Rhône Zone". Die Böden auf steilen, steinigen Hügeln sind hier besonders kalkhältig und mineralisch, das bringt kleine Beeren, Konzentration an Inhaltsstoffen und Weine mit Charakter und reichem Aroma. Es ist Zinfandel- wie Syrah-Land gleichermaßen, und dazu gibt es noch an die 40 andere Rebsorten hier; die Zahl der Weingüter ist sprunghaft auf über 200 in 25 km Umkreis angestiegen. Gary Eberle vom gleichnamigen Weingut gilt als Urgestein der Region, er hat maßgeblich an der Entstehung dieser Appellation mitgearbeitet; sein Cabernet Sauvignon Reserve ist auch in gereiftem Jahrgang ein glückliches Beispiel für volle Frucht und einnehmende Eleganz. Versteckt in den Hügeln liegt das Weingut Justin am höchsten westlichen Punkt von Paso Robles und ist trotz seiner Größe Familienweingut geblieben. Die Flagship-Weine in Bordeaux-Stilistik tragen der Tatsache Rechnung, dass die meisten Konsumenten "Ready-to-drink"-Weine bevorzugen, dafür kann man auf einen jungen Praktikanten aus der Wachau treffen. Seit 30 Jahren haben die Brüder Perrin von Château Beaucastel mit ihrem Importeur Robert Haas ein Venture in Paso Robles: Tablas Creek steht für elegante, mineralische Cuvées nach Rhône-Vorbild, der Traubenanbau erfolgt größtenteils nach biodynamischen Grundsätzen. Einer Vielzahl an kleinen Weingütern wie "L‘Aventure", das einem "Bordeaux-Renegaten" gehört, stehen wenige wirklich große wie J. Lohr gegenüber.
Dessen Hilltop-Cabernet stammt von wunderbaren alten Rebstöcken, die als Direktwurzler auf Kalkstein stehen und kleinbeerige Trauben mit intensivem Aroma liefern. Gleich neben dem Weingut ist die riesige Solaranlage so angelegt, dass der größte Teil des Energiebedarfes abgedeckt werden kann. Es sind gerade solche Weingüter, die sich der sustainability, der Nachhaltigkeit in der Produktion verschrieben haben und die nicht nur Natur und Ressourcen schont, sondern auch die ökonomischen und sozialen Bedigungen mit einschließt. "A cellar full of noise" singt Petula Clark, das war Inspiration für das Zweitlabel von James Judd und Sohn: Weine einfach zum Genießen, mit Freunden, mit Essen, mit Musik. Paso Robles gehört zur größeren Region San Luis Obispo, so wie Edna Valley oder Arroyo Grande; hier ist das Weingut von Familie Talley zu finden, ein ganz mediterran anmutender Ansitz in den Weinbergen. Lehmiger Kalkstein und kühles Klima bieten ideale Voraussetzungen für elegante, komplexe Chardonnays und Pinot Noirs, die ganz nach burgundischem Vorbild vinifiziert werden.
Vorbei an Feldern mit Paprika, Artischocken, Erdbeeren und Brokkoli, an Walnusshainen und Wäldern mit immergrünen Coast Live-Eichen ist die nächste Station auf dem Weg nach Norden Monterey County. In den Hügeln von Carmel Valley, wo Clint Eastwood eine Zeit lang Bürgermeister war, inmitten von bewaldetem Grün liegen die besten Weingärten hier. Ganz anders das breite Salinas Valley, wo im 4.000 ha großen Weingarten von San Bernabé 21 verschiedene Rebsorten wachsen, darunter Riesling: Ein riesiger kalter Unterwassercanyon in der Monterey-Bucht beeinflusst auch hier das Klima mit Nebel und kühler Meeresluft. "Delicato", ein großes Familienunternehmen italienischen Ursprungs, sorgt für verantwortungsvolle und nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen mit dem Ziel, Premiumweine zu leistbaren Preisen zu produzieren.
In den Santa Cruz Mountains haben sich einige der markantesten Weinmacher der Central Coast niedergelassen. In Santa Cruz selbst ist der eigenwilligste Mann des Weinbusiness zu finden: Randall Grahm von Bonny Doon Vineyards. Unermüdlich, einem Entdecker gleich geht er daran, immer wieder ganz Neues zu machen. Begonnen hatte er mit dem Ansatz, DEN großen amerikanischen Pinot Noir zu produzieren, bevor er sich den Rhône-Rebsorten zuwandte. Mit seinem "Le Cigare Volant", einer Hommage an das Châteauneuf-du-Pape aus Grenache, Mour-vèdre, Syrah und Cinsault, machte er ab 1984 Furore, wurde damit zum Vorreiter für einen Rhône-Boom in der Region. Bereits 2001 setzte er ganz auf Drehverschluss, der Großteil seiner Weingärten wird seit 2002 biodynamisch bewirtschaftet. Das Ca‘ del Solo-Weingut mit für die Gegend so schrägen Rebsorten wie Albariño, Muscat, Dolcetto oder Nebbiolo bekam 2007 die Demeter-Zertifizierung. Eleganz, Vitalität und leichte Trinkbarkeit zeichnen alle seine Weine ebenso aus wie kühle Stilistik und Komplexität; das geht auch ohne hohe Alkoholwerte. Seine Kollegen hält er in ihrer Jagd nach Punkten, mit hochkonzentrierten, alkohollastigen Weinen ohnehin von einer "kalifornischen Krankheit" befallen. Selbst geht er nun noch einen Schritt weiter, auch die Biodynamik ist ihm noch zu wenig, um das Terroir so auszuloten, wie es ihm vorschwebt. Und so wird er auf einem besonderen Stück Land, das er in den Bergen von Santa Cruz gefunden hat, seine eigenen Reben aus Traubensamen selbst ziehen.
An der Central Coast gibt es viele zugewanderte Quereinsteiger; wie man das im Silicon Valley zuvor verdiente Geld gut anlegen kann, zeigt Bill Murphy von "Clos La Chance". Hummingbird Lane ist die Adresse. Ganz entlegen hinter Wäldern in einem herrlich weiten Hochtal flattern Kolibris zwischen Blüten und Sträuchern herum. Im noch jungen Weingut werden seit 2002 bei aller neuer Technik auf traditionelle Weise elegante Weine von hoher Fruchtintensität produziert, die schlank wirken und ein erfrischendes Säurerückgrat haben. Hoch oben in den Bergen von Santa Cruz ist Montebello der magische Begriff. Das Weingut Ridge, das durch Paul Draper in mehr als 40jähriger Arbeit sein Profil erhalten hat, steht für herausragende Chardonnays und Cabernets, die hier in für die Region extremer Höhenlage bis zu 800 m wachsen – die berühmten Zinfandel stehen in Sonoma. Eric Baugher, der 2010 seine 17. Ernte eingebracht hat, hält nichts von zu vielen Eingriffen beim Weinmachen. Die Trauben werden händisch selektioniert, die Vergärung erfolgt spontan – nur so kämen komplexere Weine mit reicher Frucht zustande. Die Höhenlage reduziert die Ernte und sorgt mit ihrer Kühle für weniger Alkohol; das kalkreiche Gestein war einmal ein Atoll südlich des Äquators und wurde zwischen zwei tektonischen Platten hierher verschoben. In den Weingärten um die Kellerei sind überall Schilder: "Beware of Rattlesnakes". Die aber gibt es, um die Erdhörnchen in Zaum zu halten, welche nur zu gern an den Reben knabbern. Die klassische, an Bordeaux gemahnende Eleganz der Weine lässt nicht vermuten, dass hier mit Fässern aus amerikanischer Eiche gearbeitet wird; das luftgetrocknete Holz von langsam wachsenden Eichen aus Kentucky wird nach genauen Anweisungen von Eric verarbeitet. Und so kann man, bevor es wieder hinunter in den Smog von Silicon Valley und weiter nach San Francisco geht, in schlichter "Heurigen"-Atmosphäre einige der besten, leider auch in oberen Preisregionen angesiedelten Weine der Central Coast genießen.
Restaurants
The Hitching Post in Buelton, wo auf dem riesigen Holzkohlegrill nicht nur Steaks, Truthahn oder Wachteln, sondern auch Artischocken gegrillt werden. Gute Weinkarte und Eigenbauweine.
http://hitchingpost2.com
Mattei’s Tavern in Los Olivos ist aus einer alten Stage Coach-Station hervorgegangen; in gediegener Herrenhaus-Atmosphäre gibt es spannende Küche und eine umfassende Weinkarte.
http://matteistavern.com
Im idyllischen Städtchen von Paso trägt das Market Bistro von Thomas Hill dem gegenwärtigen Bioboom Rechnung; eine erst 23-jährige Französin überzeugt hier mit individuellen Kreationen.
www.thomashillorganics.com
Ebenfalls in Paso Robles ist das Hotel Cheval, das stilistisch zwischen Spanien, England und Frankreich oszilliert, eine komfortable Unterkunft mit eleganten Zimmern, offenem Kamin im Innenhof und Clubatmosphäre.
www.hotelcheval.com
In seinem Cellar Door Café in Santa Cruz lässt Randall Grahm inspirierte kalifornische Küche servieren, dazu kann man sich durch sein umfassendes Weinsortiment kosten; das aus holländischer Architektenhand stammende Ambiente ist ganz auf die Ideenwelt des Weinmachers abgestimmt. www.bonnydoonvineyard.com/cellar_door_cafe/