Das Elsass

Schlaraffenland jenseits des Rheins – eine Reise zu Winzern und Wirten

Text von Helga Baumgärtel Foto: beigestellt

So gegen Ende der sechziger Nachkriegsjahre ging in Frankreich der Vorhang auf für die kulinarische Märchenwelt der Nouvelle Cuisine. Geradezu magisch angezogen wurden damals nicht nur die Gourmets, sondern auch die Köche aus dem Elsass.

Ein Essen bei den Haeberlins in Illhaeusern, dazu die Weine von Trimbach und Hugel – voilà, der Gipfel der Gourmandise war erreicht.

Das Dreisternerestaurant Auberge de l’Ill der Hae­berlins gibt es immer noch. Und immer noch ist es ratsam, einige Wochen im Voraus einen Tisch zu reservieren. Auch die Kreszenzen von Trimbach und Hugel haben nichts von ihrer Güte eingebüßt.

Selbst wenn bei uns die Weine von den sanften Ausläufern der Vogesen ein wenig aus der Mode gekommen waren. Das lag wohl an der rigorosen Trockenwelle, die in den siebziger, achtziger Jahren die Länder östlich des Rheins überflutete.

Plötzlich galten Elsässer Weine als unmodern. Zugegeben, sie sind gelegentlich chaptalisiert, was sie alkoholreicher und mächtiger macht. Zugegeben, sie haben oft auch jenes „Restsüße-Schwänzchen“, das eine Zeitlang als verpönt galt. Und die großartigen Spätlesen der „Vendanges tardives“ bis hin zu den edelsüßen „Grains Nobles“ galten zumindest bei der jungen Generation als total uncool.

Fazit der jüngsten Weingeschichte: Nicht die Elsässer haben sich verändert, sondern wir, die wir uns vielleicht zu heftig von der Trocken- bzw. Neue Welt-Welle davontragen ließen.
Glücklicherweise ist die Reiselust ins Elsass, durch die romantischen Weindörfer zu den Gourmet-Hochburgen des Gugelhupf und der Gänseleber, ungebrochen. Zeit somit auch für Neuentdeckungen bei Winzern und Wirten!

Fangen wir in Straßburg an. Nun möchte ich niemanden davon abhalten, im Schatten des Münsters zu logieren (z. B . im Régent Contades oder im Regent Petite France) und im Einsterneglanz des Philippe Bohrer im Au Crocodile oder bei Eric Westermann im Buerehiesel zu dinieren. Aber erstens war das Parken in Straßburg schon immer ein Problem und zweitens will man nicht schon in den ersten Tagen sein Reisebudget ruinieren!

Preiswerter, aber gut lebt man auf dem Lande, in den kleinen Dörfern und Städtchen.

Zu Anfang der Weinstraße zum Beispiel und direkt an einem lustigen kleinen Bahnhof, von welchem aus man in zwanzig Minuten nach Straßburg befördert wird, liegt die Hostellerie du Rosenmeer in Rosheim. Hubert Maetz beherbergt unter seinem weinlaubüberwucherten Giebelhaus ein gastronomisches Quartett aus Hotel, Feinschmeckerrestaurant, Bistro und Winstub – in der man auch die guten hauseigenen Weine verkosten kann.

Einstieg, direkt vor der Haustür übrigens, in die D 422 Richtung Selestat/Colmar.

170 Kilometer lang mäandert die malerische Weinroute gen Süden, vorbei an 400 Schlössern und Burgen und an 500 Jahre alten Fachwerkhäusern in den schmalen Gässchen der Weindörfer mit Störchen auf den Dächern (und im Wirtshausschild). 900 Jahre alt ist das Thema Wein im Elsass. Aber heute, in unserer neuzeitlichen Weinwelt, zählen überwiegend die Rebsorten Riesling, Tokay-Pinot gris und der Gewürztraminer. Und wie überall auf diesem Globus gibt es junge Winzer, die in Weinberg und Keller vieles anders machen als ihre Väter: Weine, die schlank, fein, weniger süß und alkoholreich sind. Wie z. B. ein Superstar der neuen Szene: André Ostertag. Man findet ihn unter den Dächern von Epfig, auf halber Strecke zwischen Obernai und Selestat. Als Revoluzzer und Enfant terrible unter den verzopften Altwinzern verschrien, hat der gelernte Önologe seit seinem Einstieg in die väterliche Domaine vor über zwanzig Jahren gründlichst in Weinberg und Keller aufgeräumt und das erste biodynamische Weingut begründet. Rigorose Mengenreduzierung und behutsamer Einsatz von Barrique machen aus den Ostertag-Weinen hochelegante, geschliffene Tropfen. Eine Herausforderung für André Ostertag ist die Sylvaner-Rebe. Ein Klassiker zwar im Elsass, aber eigentlich für die Lage, in der sie steht, nicht geeignet. Und so erzielt Ostertag aus alten Reben nur eine winzige Selektion (höchstens 6.000 Flaschen) eines „Sylvaner Vieilles Vignes“ von außergewöhnlichem Schmelz, Dichte und Länge.

Am besten man schwenkt von Epfig gleich auf die gut beschilderte „Route de Vin“ Richtung Süden ein. Kurz vor Ribeauvillé stößt man auf das Dörfchen Bergheim und am Ortsausgang auf einen weiteren Winzer-Star: Jean-Michel Deiss. Unschwer daran zu erkennen, dass vor dem Probierstübchen der „Domaine Marcel Deiss“ ein ständiges Kommen und Fahren ist. Jean-Michel Deiss ist ein weiterer Ausnahmewinzer. Einer, der nicht nur alles anders macht als die anderen, der mehr an das Terroir glaubt als an die Rebsorten, der nur Mini-Erträge von alten Rebstöcken erntet und ausschließlich biodynamisch arbeitet. Und er macht Weine wie ein Parfum, das man nur tröpfchenweise genießen sollte. Sie sind enorm konzentriert, verströmen den Duft von einem Korb voll kandierter Früchte, Aprikosen, Mandeln und passen bestens zu Thai- und China-Gerichten, zu Hühnerbrust und Wachteln.

Ein paar Kilometer weiter südlich, oberhalb von Ribeauvillé, thront in den Weinbergen mit fantastischem Blick bis rüber ins Rheintal ein Viersternelandhaus mit nur 15 Zimmern: das Clos Saint Vincent. Ein Komfort-Klassiker für Natur- und Ruhesuchende.

Lebhaft, quirlig, pittoresk hingegen ist das nur sechs Kilometer weiter südlich gelegene und meistfotografierte Städtchen des Elsass: Riquewihr.

Das malerische Kleinod zählt nur 1.273 Einwohner; plus: 1,5 Millionen Touristen jährlich! Im Hochsommer wälzen sich wahre Menschenmassen durch den keinen Ort mit seinen schrägen Fachwerkhäuschen an engen steilen Kopfstein-Gässchen. Drosselgasse und Disneyland zugleich.

So stand ich an einen Sonntag Vormittag inmitten der Touristenmassen nahe dem Marktplatz vor einem Karren, vollgeladen mit jungen Weinstöcken.

„Prima Ware, nur fünf Euro das Stück“, pries der Karrenbesitzer seine Weinreben an. „In drei Jahren können sie schon ihren ersten eigenen Wein trinken.“ Was natürlich jedem Winzer als schier unmöglich erscheint. Trotzdem, ich kaufte ihm je einen Riesling-, einen Gewürztraminer- und einen Muscat d’Alsace-Weinstock ab.

Und nachdem sich sonst niemand um seinen Weinkarren zu kümmern schien, parlierten wir ein wenig. Über den Wein als solchen und – über sein Lieblingsthema, die Küche des Elsass. Zum Beispiel über das vielgerühmte Choucroute. „Aber Vorsicht“, mahnte er. Zu oft sei es nur mehr ein Haufen Sauerkraut mit ein Paar Dosenwürstchen und einer Scheibe geräucherten Industriespecks.
„Vorsicht auch bei der Gänseleber“, sagte er. „Die wenigsten sind noch aus dem Elsass. Zu viele sind billige Importware aus Polen oder Israel. Und selbst unser berühmter Zwiebelkuchen kommt oft aus dem nächstgelegen Großmarkt.“ – D’accord, Monsieur, merci!

Weiter auf meiner Sonntags-Route. Gleich unten am Einlass (die gesamte Altstadt ist Fußgängerzone) liegt das 450 Jahre alte Weinhaus „Dopff Au Moulin“, in dem vor achtzig Jahren der Crémant d’Alsace „erfunden“ wurde. Ein Schaumwein, der in Inhalt und Aufbereitung dem Champagner durchaus ebenbürtig sein kann.

Mitten im Herzen der Altstadt, in einem windschiefen Eckhaus, residiert die Familie Hugel. Seit dem Jahr 1639 sind die Hugels in der 12. Generation Winzer in Riquewihr. Und mit dem ältesten Weinfass der Welt aus dem Jahre 1715 sind die sie sogar im Guinness Buch der Rekorde gelandet. Der Schrein mit der Urkunde neben diesem Fass-Methusalem ist nur eines der Highlights in den Kellern des Traditionshauses. Natürlich machen „Hugel & Fils“ die ganze Palette von Riesling bis Gewürz, Spät- und Auslesen.

Den Hugels übrigens habe ich einen Geheimtipp zum Wohnen zu verdanken mitten in Riquewihr: das „Hotel de la Couronne“. Ein bezauberndes Fachwerkhäuschen aus dem Jahre 1550, voller Charme und lustig bemalter Möbel unter dicken Balken. Preiswert, mitten in der Fußgängerzone von Riquewihr gelegen, und – oh Wunder! – mit eigenem Parkplatz!

Und der beste Cuisinier steht nur ein Sträßchen weiter in seinem Chinarot und Schwarz lackierten Restaurant am Herd: Jean-Luc Brendel im La Table du Gourmet. Der Mann entzündet stets aufs Neue ein Feuerwerk an Ideen und lässt gerne mal einen Hauch Thai- oder Nippon-Aromen einfließen. Allein der Auftakt zu seinen Jahreszeiten-Menüs mit Tässchen und Tellerchen voll origineller „Amuses bouche“ ist einen Besuch wert.

Auf dem Weg nach Süden könnte man noch in Kayserberg bei den Damen Faller in der „Domaine Weinbach“ die fabelhaften Riesling-Cuvées degustieren oder in Ammerschwihr beim jungen Philippe Gaertner einkehren, der die Küche des väterlichen Gourmet-Klassikers Aux Armes de France modernisiert und entstaubt hat; und eine der besten Weinkarten des Elsass ausweist. Auch den einzigen echten Rotwein des Elsass, den „Rouge d’Ottrott“, gekeltert aus Spätburgundertrauben, die zu Füßen des Odilienbergs im Winzerdörfchen Ottrott wachsen.

Auch wenn er nicht „à la mode“ ist, aber zu Gänseleber und Gugelhupf (und natürlich auch zum scharfen Munster-Käse) gehört ein Gewürztraminer der klassisch-eleganten Art, wie ihn Léon Beyer und heute Sohn Marc in Eguisheim produzieren. Ich mag den klassischen Stil des „Léon Beyer Eguisheimer Gewürztraminer“, der ohne moderne Kellertechnik und Laboranalysen entsteht und die Natur, die Erde, die Wärme und den Duft des Elsass einfängt.

Das Elsass ist und bleibt eben eine Landschaft zum Träumen.

PS: Das mit dem eigenen Weinbau hat leider nicht so ganz geklappt. In unserem Garten ließen die drei Weinstöckchen in kürzester Zeit die Köpfchen hängen und starben traurig vor sich hin …

Wirte im Elsass

Hostellerie du Rosenmeer
Rosheim, Tel.: 03 88 50 43 29
Fax: 03 88 49 20 57
www.le-rosenmeer.com

Le Clos Saint Vincent
Ribeauvillé
Tel.: 03 89 73 67 65
www.leclossaintvincent.com

Hotel de la Couronne
5, Rue de la Couronne Riquewihr, Tel.: 03 89 49 03 03
www.hoteldelacouronne.com

La Table du Gourmet
5, rue de la 1 ère Armée Riquewihr, Tel.: 03 89 49 09
www.jlbrendel.com

Au Crocodile
10, rue de l’outre Straßburg
Tel.: 03 88 32 13 02
www.au-crocodile.com

Buerehiesel
4, parc del’orangerie, Straßburg
Tel.: 03 88 45 56 65
www.buerehiesel.com

Aux Armes de France
1 Grand’Rue, Ammerschwier
Tel.: 03 89 47 10 12
www.aux-armes-de-france.com

Winzer im Elsass

André Ostertag
87 Rue Finkwiller, Epfig
Tel.: 03 88 85 58 95
domaineostertag@wanadoo.fr

Domaine Marcel Deiss
15 Route du Vin, Bergheim
Tel.: 03 89 73 63 37
www.marceldeiss.com

Dopf au Moulin
2av. Jaques Preiss, Riquewihr
Tel.: 03 89 49 09 69
www.dopf-au-moulin.fr

Hugel & Fils
Riquewihr
Tel.: 03 89 47 92 15
www.hugel.com

Domaine Weinbach
25 Route du Vin, Kayserberg
Tel.: 03 89 47 13 21
www.domaineweinbach.com

Léon Beyer
2, rue de la 1ère Armée Eguisheim
Tel.: 03 89 41 14 05
www.leonbeyer.fr