Dichterweine

Was die großen Literaten so alles tranken – eine feuchtfröhliche Dichterlesung

Text von Helga Baumgärtel Foto: beigestellt
Vieles weiß man über unsere Dichterfürsten.
Ihre Biografien gehören zum Pensum jedes Oberschülers. Aber – wer kennt ihre Trinkgewohnheiten? Abstinent jedenfalls war fast keiner von ihnen. Für Sie: hier meine akribisch-feuchtfröhliche Recherche! Also, los geht’s:
Als ihn einer seiner Bewunderer, der Amsterdamer Geschäftsmann John Benotte, fragte, was sein Lieblingswein sei, antwortete Adalbert Stifter, der bedeutendste Dichter des österreichischen Biedermeier: „Rheinwein. Wenn ich ihn mir denn leisten kann.“
Was er selten konnte. Und so trank der Autor des „Witiko“ meist preiswerte Weine seiner Heimat. Grünen Veltliner zum Beispiel aus der Gegend von Krems, wo Stifter einst im Kremsmünster Gymnasium zur Lateinschule gegangen war. Was er im Nachhinein als „die glücklichste Zeit meines Lebens“ angesehen hat. Na ja, kann man heutigen Schülern nur schwer vermitteln!
Adalbert Stifter, geboren am 23. Oktober 1805 in Böhmen, gestorben am 28. Jänner 1868 in Linz, war übrigens nicht gerade der Maßvollste. Akribisch genau wurde aufgezeichnet, was er im Jahr gemeinhin zu konsumieren pflegte: 600 Liter, überwiegend Wein. Plus ein paar Schoppen Bier. Na denn, prosit!
Franz Kafka war da wesentlich genügsamer. Sein Lieblingswein war der Tokajer. Doch den trank er nur in kleinen Schlückchen. Eine Flasche reichte für mehrere Tage. Also kein Fall für uns!
Ja, ja der Wein ist guat. Feucht fröhlicher ging es dagegen im berühmten Wiener Café Griensteidl zu. Stammgäste wie Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Hermann Bahr tranken, je nach Honorarzahlungen ihrer Verleger, literweise die feinen Kreszenzen aus den Weingärten rund um Wien. Meistens Gumpoldskirchner. Gelegentlich aber auch einmal einen teuren Rheinwein.
Vive la France. Friedrich Torberg, der Autor des „Schüler Gerber“ und der „Tante Jolesch“ wiederum blieb gleich bei den Franzosen hängen. Er liebte alten Bordeaux, und sein Lieblingswein – wie auch der seines Dichter-Zeitgenossen Josef Wechsberg – war der Château Cheval Blanc. Hoppla, der würde heute schon in der Subskription des (wieder preiswerteren) Jahrgangs 2011 mit 480 Euro zu Buche schlagen!
Und dann gab es noch Joseph Roth, den Schöpfer solch unvergesslicher Werke wie „Radetzkymarsch“ und „Das falsche Gewicht“. Früh hatte er seine Leidenschaft für den Alkohol entdeckt, wie so viele unserer literarischen Genies. Er trank viel und ziemlich wahllos, aber meistens Wein. Leider hatte ihn der Alkohol fest im Griff. Otto von Habsburg soll noch versucht haben, ihn einer „Trockenlegung“ anzuempfehlen. Aber es war schon zu spät. In Paris – dem letzten Wohnort von Roth – starb er 1939. Das Jahr übrigens, in dem er sein letztes berühmtes Werk „Die Legende vom heiligen Trinker“ geschrieben hat …
Der Titan. „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken“, schrieb einst Johann Wolfgang von Goethe.
Und der Herr Geheimrat musste es wissen. Tagtäglich trank er seine zwei Flaschen Wein – und wurde dabei 83 Jahre alt! Selbst auf dem Sterbebett – am 23. März 1832 – verlangte er noch nach einem letzten Glas (nicht nach „mehr Licht“, wie oft kolportiert wird). Er bekam es auch, allerdings mit Wasser verdünnt.
Von Wein verstand Goethe eine ganze Menge. Schließlich besaßen bereits die Großeltern einen Weinberg vor den Toren Frankfurts. Seine Lieblingsweine? Der „Abtsberg“ vom Weingut Schuberth an der Mosel zum Beispiel. Den kann man heute noch anklicken auf www.vonschubert.com. Im Übrigen ist das Etikett seit Goethes Zeiten fast unverändert. Oder: der fränkische „Würzburger Stein“ – „kein anderer Wein will mir schmecken“, bekannte er. Auch diesen kann man noch anklicken und unter www.weingut-juliusspital.de bestellen.
Noch ein Beispiel? Aller guten Dinge sind drei; hier die Rieslinge des Brentano’schen Weinguts im Oestrich-Winkel: www.brentano.de
Goethes Weinhändler Ramann jedenfalls kam in manchen Jahren mit den Lieferungen kaum nach. 900 Liter waren es zum Beispiel im Jahre 1813.
Dichterfürsten unter sich. Ich trink den Wein nicht gern allein, weiß man nicht nur in Wien. Goethe teilte oft und gerne mit seinem Kollegen Friedrich von Schiller. Gemeinsam köpften sie manch edle Bouteille. Mit Vorliebe Frankenwein aus der Lage „Mainstockheimer Hofstück“ aus der Nähe von Kitzingen. Auch diesen Wein gibt es immer noch unter www.winzerhof-burrlein.de
Schiller war stets einem guten Tropfen zugetan. Während er „Maria Stuart“ beendete, trank er zwölf Flaschen seines Lieblingsweins – einen Laubtaler. Für die Endfassung von „Wilhelm Tell“ schickte ihm sein
Verleger Johann Friedrich Cotta dreißig Flaschen Portwein, die dann schnell den Weg allen guten Weines gegangen waren.
Ob Malaga oder Burgunder, es wurde alles in Verse gegossen. „Brüder fliegt von euren Sitzen, wenn der volle Römer kreist, lasst den Schaum zum Himmel spritzen: Dieses Glas dem guten Geist“, dichtete er im Überschwang der Gefühle.
Schwyzer Spezialitäten. „Manchmal habe ich so das Gefühl, eine Pulle Wein sei mehr als die ganze Dichterei“, schrieb Gottfried Keller einem Freund. Der Autor des „Grünen Heinrich“ und der „Leute von Seldwyla“ lebte als Staatsschreiber in der damaligen Republik Zürich und trank am liebsten die Weine der „Staatskellerei Zürich“. Heute unter www.moevenpick-wein.ch.
Besonders der „Zürcher Räuschling“ hatte es ihm angetan. Und so sah man ihn oft aus seiner Stammkneipe, der „Oepfelchammer“ am Rindermarkt, spätabends voll des guten „Räuschlings“ in seine nicht weit entfernte Wohnung wanken.
Was Thomas Mann nie passiert wäre. Der lebte diszipliniert und schrieb an seinen „Buddenbrooks“. Der großen Lübecker Familiensaga, in der auch der Weinhändler Kistenmaker seine Erwähnung findet.
Kistenmaker war eigentlich Tesdorpf, ein berühmter Importeur edler Weine. Die Familie Tesdorpf bewohnte das Nachbarhaus der Manns, und Tesdorpf war seit 1891 zusammen mit Konsul Hermann Wilhelm Fehling der Vormund des kleinen Thomas. Der sich, diszipliniert natürlich, an die Weine der Tesdorpfs hielt. Edle Burgunder und edle Bordeaux. Heute noch unter www.tesdorpf.de
Kunterbuntes Europa. „Ein wunderbarer Wein, der auf der Zunge zergeht …“, schrieb William Shakespeare über seinen Lieblingswein den ­süßen Malvasia von Abona im Süden der Insel Teneriffa (www.vinos-­canarias.de). Er wächst an den Hängen des Teide Berges in der Provinz Santa Cruz und ist immer noch ein Hit. Weine aus Teneriffa hatten zu Shakespeares Zeiten Weltgeltung und wurden hauptsächlich ins britische Königreich exportiert.
Weiter im Text! Gotthold Ephraim Lessing liebte – wie Bismarck – den Lemberger. Carl Zuckmayer, der mit dem „Fröhlichen Weinberg“ seiner Heimat ein Denkmal gesetzt hat, liebte den Nackenheimer. Ganz besonders den aus der Lage Schmittskapellchen (www.weinbau-gabel.de).
Zuckmayer, in Nackenheim geboren, war dem Wein seiner rheinhessischen Heimat nahe verwandt, schließlich war sein Vater Fabrikant von Weinflaschenkapseln!
Alexander Puschkins Lieblingswein kam aus Tiflis in Georgien. „Er ist besser als jeder Burgunder“, schrieb er.
Gerhart Hauptmann schwor auf den Assmannshauser Spätburgunder Höllenberg vom Weingut Krone und ließ sich den Wein – auch heute noch einer der besten Rotweine Deutschlands – kistenweise nach Hause kommen (www.weingutkrone.de). Leider war auch bei ihm, wie seine Weinlieferanten erfahren mussten, die Zahlungsmoral nicht sehr ausgeprägt.
„Seliges Land! Kein Hügel in Dir wächst ohne Weinstock …“, dichtete Friedrich Hölderlin, Autor von „Der Tod des Empedokles“. Er war in Lauffen am Neckar geboren und sein Lieblingswein kam natürlich aus seiner Heimat: der Schwarzriesling Katzenbeißer (www.lauffener-wg.de).
Abenteuerliches. Dem Spätburgunder war auch Karl May, der Jugend- und Abenteuerschriftsteller aus Radebeul bei Dresden, zugetan. Sein Lieblingswein kam aus dem nahen Schloss Wackerbarth (www.schloss-wackerbarth.de).
Ernest Hemingway wiederum schwor auf die schweren Roten, wie sie in der spanischen Provinz Navarra, rund um Pamplona heranreifen (www.artadi.com).
Einer seiner besten Romane – „Fiesta“ – handelt vom Stierkampf und vom Trinken. Auf jeder Seite des Buches wird da fröhlich gezecht, bestellt oder zumindest darüber gesprochen. Der zweite Lieblingswein von Hemingway kommt aus dem Veneto, nördlich von Venedig. Dort wächst der Valpolicella von Allegrini
(www.allegrini.it), und Ernesto, wie sie ihn in Venedig nannten, trank zusammen mit seinem Kumpan Giuseppe Cipriani, dem Besitzer von „Harrys Bar“, eine Menge davon. Und schrieb nebenbei an dem für ihn reservierten Ecktisch „Über den Fluss und in die Wälder“.
„Schade, dass man Wein nicht streicheln kann“, schrieb Kurt Tucholsky. Sein Herz gehörte dem Würzburger Stein aus den Weinbergen des Juliusspitals. Dem Wein, den schon Goethe und Schiller so gerne tranken. Und so schließt sich nun endlich der Wein- und Wendekreis der Dichter. —