Die Kathedralen des Weins

Längst nicht mehr nur auf dem Etikett: Design ist für Weingüter von heute State of the Art.

Text von Helga Baumgärtel Foto Marques de Riscal

Wein ist Lifestyle, heißt das Motto einer jungen Winzergeneration, die rund um den Globus der gestiegenen Qualität ihres Rebensaftes auch einen außergewöhnlichen baulichen Rahmen schenkt.
Die Botschaft, die damit vermittelt wird, ist immer die gleiche: Wein ist mehr als vergorener Traubensaft. Wein ist Kultur, eine Symbiose von Kunst und Rebensaft, die zum Kult wurde.
Von alten muffigen Weinkellern und hölzernen Weinpressen will niemand mehr etwas wissen. Angesagt sind elegante Sichtbeton-Hallen mit Wand- und Bodenverglasungen, die dem Besucher den Blick auf die Weinberge und den modernen Barrique-Keller eröffnen.

Und genau wie beim Wein ist auch in der Wein-Architektur Klasse statt Masse angesagt.

Vorreiter waren bereits im vergangenen Jahrhundert die Wein­aristokraten des Bordelais. Gutsbesitzer, die für ihre edlen Tropfen Weinschlösser mit prächtigen Alleen errichten ließen.
Und bald fügte es sich, dass man eine architektonisch-vinologische Brücke – quer über den Atlantik und Nordamerika – zu bauen begann.

Ich erinnere mich noch gut, als ich Mitte der 70er Jahre auf Mouton bei Baron Philippe de Rothschild zu Gast war, dem Créateur der (inzwischen weltweit prosperierenden) Künstler-Etiketten – von Marc Chagall über Pablo Picasso bis Andy Warhol.

Und Monsieur – ein charmant flirtender Homme à Femmes – mir seinerzeit begeistert von seinem Kontakt zu Robert Mon­davi erzählte, der gerade das verschlafene kalifornische Napa Valley auf die Wein-Landkarte brachte.

„Opus One“ sollte das gemeinsame Kind heißen. Vinifiziert nach den Rebsorten des Bordelais, „erzogen“ in den Weinbergen des Valleys.

„Just call me Bob“, sagte der junge Premium-Winzer Mondavi, als wir an den gluckernden Weinfässern vorbeigingen. Und erzählte begeistert von der Super-Architektur eines Weinkellers für diesen seinen „Opus One“. Mit einer breiten Zufahrtsallee zu dem riesigen Gebäude, das man in Frankreich dann etwas spöttisch das „Grab des unbekannten Weinmachers“ taufte.

So sind’s halt die Franzosen.

Bob hingegen nahm es gelassen. Er hatte Kalifornien mit Kunst und mit Wein auf die internationale Kultur-Landkarte gebracht.

Irgendwie vermisse ich Philippe de Rothschild und Robert Mondavi noch heute. Sie haben damals mein Interesse an Wein Plus geweckt …

Aber in Spanien … Ohne die Weinleidenschaft eines gewissen Don Camilo Hurtado de Amézaga, genannt Marqués de Riscal, läge die Weinregion Rioja vielleicht heute noch im Dornröschenschlaf. Aber der Adelige – übrigens in Bordeaux geschult – transportierte schon 1860 die önologischen Ideen des Bordelais in seine Heimat und gründete in Elciego die Bodegas Marqués de Riscal.
Mit dem Sprung ins 21. Jahrhundert setzten ihm seine Nachfahren mit der „City of Wine“ ein monumentales Denkmal.

Unter der Leitung von Frank O. Gehry, einem der Top-Architekten auf diesem Globus, der auch bereits das Guggenheim-Museum in Bilbao kreiert hatte, entstand 2006 rund um die 150 Jahre alten Gebäude der Bodega ein futuristischer Hotel- und Gastronomiekomplex. Mit 43 Luxuszimmern und zwei Restaurants unter der Leitung von Sternekoch Francis Paniego.

Als Beispiel für die moderne Industrie-Architektur des Modernisme gilt die Kellerei von Codorníu in San Sadurní d’Anoia in Katalonien. 1551 wurde das Unternehmen gegründet, es ist das älteste in Spanien. Im Jahre 1872 produzierte dann Miquel Raventós, der Besitzer, zum ersten Mal in Spanien den Cava. 100.000 Flaschen pro Jahr.

Heute ist Codorníu der weltweit größte Produzent von in der Flasche fermentiertem Sekt, der nach der ­traditionellen Champagner-Methode hergestellt wird. Sechzig Millionen Flaschen des spanischen Schaumweins verlassen jährlich die Kellerei.

Und diese, im katalanischen Jugendstil in Ziegelbauweise errichtet, wurde Ende des 19. Jahrhunderts von dem berühmten katalanischen Architekten Josep Puig i Cadafalch entworfen. Eine Sensation zur da­maligen Zeit. Heute unter Denkmalschutz, seit 1976 Nationaldenkmal Kataloniens.

Italia bella. In der Maremma erhebt sich in den Weinbergen oberhalb von Suvereto eine Art überdimensionaler Klangkörper. Die Weingut-Inspiration des Schweizer Stararchitekten Mario Botta. Durch dutzende Lamellen fällt gedämpftes Licht in den technisch avantgardistisch ausgestatteten Wein-„Keller“ von Petra.

Das Terroir der 95 Hektar Reblagen ist „ideal für einen großen Rotwein“, sagt Vittorio Moretti, „und der war schon immer mein Traum.“ Vittorio Moretti, Bauunternehmer aus der Franciacorta, ist Besitzer von Luxushotels und – ein Weinverrückter.

„Mareto Toscana“ heißt das jüngste „Kind“ von Petra. Eine fruchtig-elegante Cuvée aus Merlot, Syrah und Malbec. Duftet nach Kirschen, Salbei und Minze. Ideal zu Fleisch-Grilladen und zu Weißschimmelkäse oder Gorgonzola. Dass Vittorio Moretti auch hier im einstigen Italo-Armenhaus der Maremma ein kulinarisches Feuerwerk entfachen wollte, war eh klar.
Und so führt, in Sichtweite der Mittelmeerstrände bei Castiglione della Pescaia, eine schnurgerade Allee aus Zypressen und Pinien direkt zu „L’Andana“. Einst Landsitz des Großfürsten Leopold II, unter den Morettis traumhaft restauriert mit 33 eleganten Zimmern und 14 weiteren in einer kleinen Gästesiedlung.

Mein Freund Alois Lageder ist in Südtirol der Pionier in Sachen Wein & Design. Der Lois hat auf seinem Ansitz Löwengang in Margreid ein unvergleichliches Gesamtkunstwerk geschaffen. Wenn der Wind über Margreid streicht, dann spielt er drunten, im Barrique-Keller, den Fässern ein Wiegenlied. Man wird eingehüllt von einem sanften Brummen, in Dur und in Moll. Eine Klanginstallation, geschaffen vom Mailänder Künstler Mario Airò. Wein in der Kunst, Kunst im Wein.

„Seit mehr als einem Jahrzehnt lade ich Künstler aus aller Welt ein, die hier ihre ganz persönliche Wein-Vision verwirklichen können“, sagt Lageder. Und sie schaffen eine wunderbare Symbiose von Kunst und Natur im Ansitz Löwengang. Und in seinem „Paradeis“ in Margreid, wo es Leckereien zum Degustieren und Schnabulieren gibt, stehen seit Neuestem zwei Luxus-Container im Park, eingerichtet vom Top-Grandhotel Laurin in Bozen, in denen man sich einkuscheln und wohlfühlen kann.

Prickelnd wird die Szene, wenn man sich dem historischen Hugenotten-Städtchen Saumur nähert. Prickelnd, weil der beste Schaumwein der Loire aus einem winzigen Dörfchen am Saum von Saumur, direkt am Flusslauf der Loire, stammt: von Bouvet Ladubay. 60 000 Besucher jährlich verlieren sich unterirdisch in den acht Kilometer langen Tuffstein-Kellern unter den historischen Gebäuden, die der Gründer Etienne Bouvet 1851 erbauen ließ. 120 Weinbauern liefern ihren besten Most in die Keller von Bouvet Ladubay. Und die Spitzen-Cuvées werden in feinster Méthode traditionnelle produziert. Wie der weltweit erfolgreiche „Le Trésor“, der etlichen Marken-Champagnern durchaus das Wasser bzw. den Wein reichen kann. Gekrönt wird die Visite durch das sogenannte „Art Concept“. Sprich: wechselnde Events in einer Galerie für moderne Kunst oder in einem vergoldeten Theaterchen im Rokoko-Stil. Und, bien sûr, wohnen kann man auch im – oder besser gesagt am – Schloss.

Ludwig Knoll ist ein Shoo­ting­star im Frankenland. Am malerischen Rebberg Würzburger Stein hat er ein außergewöhnliches Kunstprojekt hingestellt. Besonders nachts, wenn drunten in Würzburg die Barockpaläste flimmern, strahlt von innen beleuchtet der quadratische mit blanken Eichenstäben bewehrte neue Keller, genannt das WeinWerk. „Ich wollte mit der Architektur meine Wein-Stilistik dokumentieren: klare Formen, nichts Verspieltes“, so der Öko-Winzer Knoll.

In einem Kubus an der Seite des WeinWerks kann man eine schöne Gästesuite mieten. Mit Bernhard Reiser und seinem Weinbar-Restaurant ist Knoll ein kongenialer Partner zugewachsen. Eine Genuss- und Event-Manufaktur, in der man sich u. a. rund um den Globus schnabulieren kann.

Zum guten Schluss wollen wir das wunderbare Loisium erwähnen. Kunst und Wein zwischen Wien und der Wachau. Vom Amerikaner Steven Holl entworfen, erhebt sich ein mit gebürstetem Aluminium verkleideter Kubus, der seine Besucher unterirdisch in den bis zu 900 Jahre alten Kellern auf eine Entdeckungsreise zum Wein schickt. „Light and Sound“, Effekte zum Gucken und Staunen, die Tour ist grandios – für Groß und Klein. Natürlich gibt es ein feines kleines Hotel, und im Restaurant Vineyard kann man köst­liches Regionales von den umliegenden Vertragsbauern verkosten. Chapeau!, sagt da der Franzose. Oder einfach nur: Glückwunsch!

1144 Oakville Road, Oakville, CA 94562
www.opusonewinery.com

Marques de Riscal
Elciego
www.marquesderiscal.com

Codorníu
08770 Sant Sadurí d’Anoia
www.codorniu.com

Petra
San Lorenzo Alta, Suvereto
Tel.: +39/(0)565/843 08
www.petrawine.it

L’Andana Tenuta La Badiola
Castiglione della Pescaia
Tel.: +39/(0)564/94 48 00
www.andana.it

Vinoteque im Paradeis
Am Ende der Weinstraße in Margreid
Tel.: +39/(0)471/80 95 80
www.aloislageder.eu

Château Bouvet-Ladubay
St.Hilaire-St.Florent
Tel.: +33/(0)241/83 83 83
www.bouvet-ladubay.fr

Weingut am Stein Ludwig Knoll
Würzburg, Tel.: +43/(0)931/258 08
www.weingut-am-stein.de

Reiser’s Weinbar-Restaurant
Tel.: +49/(0)931/28 69 01
www.der-reiser.de

Loisium
3550 Langenlois
Tel.: +43/(0)2734/77100
www.loisium.at