Die Loire
Das touristische Mekka Frankreichs – mit seinen Königsschlössern, Top-Cuisiniers und feinen Weinen
Text von Helga Baumgärtel
Mit eintausendundzehn Kilometern hat sie längenmäßig die Nase weit vorn, diese Loire. Als kleines Gebirgsbächlein in den Cevennen entspringend, breit und beschaulich mäandernd durch liebliche Landschaften, vorbei an Schlössern und Klöstern, den fruchtbaren Garten Frankreichs befeuchtend, bis sie sich vor Nantes in breiter Umarmung mit dem Atlantik vermählt. Selbst die dramatische Rhône kann mit ihren 812 Kilometern da nicht mithalten. Und gar die Gironde? Sie schafft es nur auf – zugegebenermaßen höchst elitäre – 75 Kilometer.
An welchen Ufern die größten Weine wachsen, darüber muss man nicht streiten. An welchen Ufern sich aber die gekrönten Häupter Frankreichs seit der Zeit der Renaissance am liebsten tummelten, das ist auch keine Frage. Und was allein neun Könige an monumentalen Schlössern hinterließen, von A wie Amboise bis V wie Villandry, das schlägt sogar den Wein. Der ist eher duftig, fruchtig, zart, subtil. Man muss ihm jedenfalls nicht „kniend und mit entblößtem Haupte“ begegnen, wie Napoleon es seinen Truppen für den Burgunder empfahl.
Das erste Drittel des Flusses kann man getrost vergessen.
Erst bei Pouilly-sur-Loire, Hochburg des Sauvignon blancs, gesellen wir uns an das Ufer der mittleren Loire.
Dort, wo der Pouilly Fumé seinen modischen Siegeszug rund um den Globus antrat. Das Prunkstück der Region ist das Renaissance-Château du Nozet, seit 1787 im Besitz der Barone Ladoucette, die in jüngster Generation mit Patrick de Ladoucette den „Baron de L“ lancierten, Lieblingsstoff der Feinen und Reichen. In Richtung Saint-Andelain fahrend, stoßen Sie auf ein weiteres Monument dieser Region, auf das Weingut Didier Dagueneau. Der geniale, wenn auch höchst skurrile Winzer starb 2008 beim Absturz seines Leichtflugzeugs. Jetzt führen sein Sohn Louis-Benjamin und Schwester Charlotte das Weingut.
Im Ziegenkäse-Dorado Chavignol bei Sancerre freut man sich über Besucher in der Domaine Henri Bourgeois und man kann – mit ein wenig Glück – auch das limitierte Spitzengewächs, einen üppigen Sauvignon blanc von 50 Jahre alten Reben mit Namen „La Bourgeoise“, oder den „Sancerre Grand Réserve“ erstehen.
Nichts Spektakuläres hat dafür Sancerrois, hier ist ist eher lieblich, pastoral. Und mitten in blühender Natur wohnt und speist man am Ufer der Loire in Pouilly hervorragend im Coq Hardi.
Hier kocht der begabte Dominique Fonséca eine vorzügliche Regionalküche und die Gäste erwartet einer der schönsten Weinkeller an der Loire.
Der Strom macht nunmehr einen artigen Knicks vor dem geschichtsträchtigen Orléans, bevor er nach Westen wechselt, Richtung Atlantik.
Die Touraine ist ein schillerndes Chamäleon unter den Weinlandschaften Frankreichs. Sie lässt trockene und süße Weißweine wachsen, Rotweine und Schaumweine. In Orten, die dem Connaisseur nur so über die Zunge perlen: Bourgeuil, Chinon, Montlouis, Vouvray. Gekrönt, vor allem, von den prächtigen Schlössern der Könige Frankreichs: von A wie Azay-le-Rideau über C wie Chinon und Chenonceau bis V wie Villandry mit seiner spektakulären Gartenarchitektur aus dem 16. Jahrhundert.
Eliteregion. Wer kennt die Winzer, nennt die Namen? Erkunden wir zuerst die Weißweinfront, auf die man von Blois kommend flussabwärts kurz vor Tours stößt. In Vouvray finden Sie das berühmte Weingut des verstorbenen Gaston Huet, der als Bürgermeister verhindert hatte, dass die Gleise des TGV durch die besten Lagen von Vouvray gelegt wurden. Heute führt Noël Pinguet, der Schwiegersohn das Weingut und macht einen der besten Chenin Blancs der ganzen Appelation.
Die Rotweinelite beginnt in Chinon. Der Star der Region heißt Charles Joguet. Sein exzellentes Terroir gliederte Joguet in Lagenweine auf und heute sind seine Spitzen-Cabernet-francs „Clos de la Dioterie“ und „Clos de la Cure“ in fast allen Nobelrestaurants Frankreichs zu finden.
Das (weltweit) bekannteste Weingut heißt sicher Maison Coulhy-Dutheil. Mit seinem Spitzengewächs „Chinon Clos de l’Echo“ von einem 20 Hektar großen Weinberg nördlich von Chinon ernten die Couly-Dutheils einen großartigen und langlebigen Roten, der in den besten Millésimes bis zu 10 Jahren reifen will, bevor er seine üppigen Tabak-, Trüffel- und Wildaromen entfaltet.
Wie Gott in Frankreich …
Gar königlich sind natürlich auch die Hotels im Schatten der monumentalen Schlossanlagen. Allen voran das Château d’Artigny, einst vom König der Parfümeure, von François Coty, im Stil des 18. Jahrhunderts nachgebaut, das hoch über dem Indre-Tal bei Montbazon einen 25 Hektar großen Park krönt. Und im bonbonfarbenen Restaurant L’Origan speist bei Richard Prouteau auch das Auge mit. Die Gemüse aus diesem fruchtbaren Garten Frankreichs, die Täubchen von Lochois und die Milchlämmer aus den Pyrenäen werden von diesem hochdekorierten Küchenchef gar köstlich aufbereitet. Um hier zu logieren, wäre allerdings ein Lottogewinn oder eine mittlere Erbschaft dienlich!
Kleiner, preiswerter, intimer lebt man zwei Kilometer nördlich von Montbazon in der Domaine de la Tortinière, einer bezaubernden Villa aus dem zweiten Empire, gebaut so um 1860, deren 15 Zimmer in luxuriösem floralen Dekor mit der prächtigen Botanik des 15 Hektar großen Parks korrespondieren.
Ein Luftsprung über die Loire nach Luynes und man landet in einem weiteren edlen Château-Hotel, der Domaine de Beauvois. Diesmal sind’s gleich 140 Hektar, in die das Schlösschen aus dem 15. Jahrhundert königlich eingebettet liegt. Und da die Domaine nur 15 Minuten vor den Toren von Tours liegt, hat auch das Restaurant Louis 13 unter der Leitung von Küchenchef Régis Guilpain beinahe Weltstadtniveau – ebenso wie die Preise …
Nun sind die Schlösser der Loire kaum die passende Destination für den preiswerten Familienurlaub. Darum in unserem Bunde das Dritte und für mich schönste Schlosshotel ist das Château
de Marçay, 7 km südlich von Chinon. Hier stimmt alles: die Küche des talentierten Cédric Delay, plus der mittelalterlichen Burg aus Tuffstein mit ihren Erkern und Türmen und Puttchen im Park. Marçay ist sogar relativ preiswert (Halbpension ab 200 Euro).
Anjou und Saumur. Die Szene wird prickelnd, wenn man sich dem historischen Hugenotten-Städtchen Saumur nähert. Prickelnd deshalb, weil der beste Schaumwein der Loire-Region aus einem winzigen Dörfchen direkt am Flusslauf der Loire stammt: Saint-Hilaire-Saint-Florent. Bouvet Ladubay heißt das Haus, das man auf jeden Fall besuchen sollte – wegen seines kulturellen Bogens über Jahrhunderte. 60.000 Besucher jährlich verlieren sich unterirdisch in den acht Kilometer langen Tuffsteinkellern unter den historischen Gebäuden aus Zeiten der industriellen Revolution.
Gekrönt wird ein Besuch durch das, was man bei Bouvet-Ladubay „Art Concept“ nennt. Sprich: wechselnde Events in einer Galerie für Moderne Kunst oder in einem vergoldeten Theater im Rokoko-Stil.
Und wer noch Gérard Depardieu in seinem heißgeliebten Château de Tigne besuchen möchte, hat auch noch den Promi-Bonus eingeheimst!
Und wieder schlagen wir eine Brücke über die Loire an die westliche Peripherie von Angers zur Appellation Savennières, wo seit 2.000 Jahren auf Ton-Schiefer-Hängen Weine wachsen, die in der Jugend noch säuerlich-verschlossen sind und die oft erst nach acht oder mehr Jahren ihr Aromenbukett auffächern. Wie der Berühmteste unter ihnen, der „Clos de la Coulée de Serrant“. Auf Zisterzienserboden bereits um 1.100 erzogen, von französischen Königen geschätzt, ist heute der Wein vom charismatischen „Biodynamiker“ Nicolas Joly in die Liste der „Fünf feinsten Weine Frankreichs“ katapultiert worden.
Das Sympathische: Nicolas Joly, seine Münchner Ehefrau und ihre Tochter halten ihre Elite-Domaine nicht unter Verschluss, sondern zeigen sie gerne (Sonntags nie) und verkaufen auch in der Vinothek.
Schon das Himmelbett in dieser himmlischen Landschaft vermisst? Nun, Saumur und Angers liegen so dicht beieinander, dass wir die Regionen auch gastronomisch verknüpfen wollen.
Schlemmen und Schlummern …
Nur zwei Kilometer entfernt liegt auf einem Hügel mit Blick über Saumur das hübsche kleine 2-Sterne-Hotelchen Clos des Bénédictins (Doppelzimmer 53 Euro) mit Swimmingpool und einer Frischküche aus dem Garten Frankreichs. Ganz bezaubernd finde ich eine kleine blumengeschmückte Auberge – wiederum auf dem anderen Ufer, 17 Kilometer von Saumur Richtung Angers – La Toque Blanche, weil die Küche dort die herrlichen fangfrischen Flussfische mit den herrlichen Früchten der fruchtbaren Erde vermählt.
De Ladoucette
Château du Nozet, Pouilly-sur-Loire
Tel.: +33/(0)3/86 3918 33 (nur Voranmeldung)
www.deladoucette.net
Domaine Didier Dagueneau
Saint-Andelain
Tel.: +33/(0)3/86 39 15 62 (nur Voranmeldung)
Domaine Henri Bourgeois
Chavignol bei Sancerre
Tel.: +33/(0)2/48 7853 20
www.bourgeois-sancerre.com
Domaine Huet
Vouvray
Tel.: +33/(0)2/47 5278 87
www.huet-echansonne.com
Domaine Charles Joguet
Sazilly bei Chinon
Tel.: +33/(0)2/47 58 55 53 (Besichtigung und Verkauf)
www.charlesjoguet.com
Maison Couly-Dutheil
Chinon
Tel.: +33/(0)2/47 97 20 20 (Besichtigung ja, Verkauf nach Absprache)
www.coulydutheil.com
Bouvet Ladubay
Saint-Hilaire-Saint-Florent, von Saumur 2 km flussabwärts
Tel.: +33/(0)2/41 83 83 83 (Verkauf und Besichtigung)
www.bouvet-ladubay.fr
Château de Tigne
Tigne
Tel.: +33/(0)2/41 59 68 59
www.chateaudetigne.com
La Coulée de Serrant
Château de la Roche-aux-Moines, Savennières,
Tel.: +33/(0)2/41 72 22 32, Verkauf und Besichtigung
www.coulee-de-serrant.com
Die Wirte
Pouilly-sur-Loire
Le Coq Hardi
Tel.: +33/(0)3/86 39 12 99
www.lecoqhardi.fr
Sancerre
La Tour
Tel.: +33/(0)2/48 54 00 81
www.la-tour-sancerre.fr
Montbazon
Château d’Artigny
Tel.: +33/(0)2/47 34 30 30
www.artigny.com
Domaine de la Tortinière
Tel.: +33/(0)2/47 34 35 00
www.tortiniere.com
Luynes
Domaine de Beauvois
Tel.: +33/(0)2/47 55 50 11
www.beauvois.com
Chinon-Marcay
Château de Marcay
Tel.: +33/(0)2/47 93 03 47
www.chateaudemarcay.com
St-Hilaire-St-Florent bei Saumur
Clos des Bénédictins
Tel.: +33/(0)2/41 67 28 48
www.clos-des-benedictins.fr
Les Rosiers sur Loire
La Toque Blanche
Tel.: +33/(0)2/41 51 80 75
www.restaurantlatoqueblanche.fr