Draußen vor der Tür

Eine Reise durch die Schweiz, Essen im Freien, schönster Kaffee, ein Echo von Caminada und die persönliche Abholung bester Weine.

Text von Christian Seiler Illustration von Markus Roost

Ich hatte in Zürich zu tun, und wie das in den vergangenen Monaten so war, brachte das eine lange Reihe an Verpflichtungen und Vorkehrungen mit sich. Ich will kein Wort über die Künste der Nasenbohreroffiziere von den diversen Teststationen verlieren, die über die Krümmungen meiner Nasenscheidewand inzwischen besser Bescheid wissen als ich selbst. Aber ich respektiere das Sicherheitsbedürfnis jedes und jeder Einzelnen, also auch meines.

Ein Resultat dieses Sicherheitsbedürfnisses ist die Individualisierung des Personenverkehrs, sprich: Ich hatte keine Lust, mich in ein Flugzeug oder einen Railjet zu setzen und mich mit Menschen herumschlagen zu müssen, die ihre FFP2-Maske vier Zentimeter unter den Nasenlöchern tragen. Stattdessen trat ich, bis dahin bekennend zögerlicher Automobilist, die Reise in die Schweiz mit dem Kraftfahrzeug an und beschloss, dessen Vorzüge auszureizen. Davon später.

Die Geschichte einer Stadt ist in diesen Tagen zwangsläufig eine Geschichte ihrer Lockdowns, so wie der Umgang jeder Regierung mit ihren Bürgern eine eigene Geschichte von Vernunft, Vertrauen und Souveränität ist.

Als ich in Zürich ankam, war das Vertrauen nur partiell vorhanden. Die Restaurants hatten noch geschlossen. Nur wenn sie über eine Terrasse verfügten, durfte diese geöffnet werden. Das hatte interessante Folgen. Die eher anspruchsvollen Restaurants konnten dem Gedanken, nur die wettergeplagten Terrassen – auf denen die umweltsünderischen Heizpilze, anders als bei uns, nicht mehr aufgestellt werden dürfen – zu öffnen, wenig abgewinnen und blieben geschlossen.

Die Gastronomie beschränkte sich auf schnell und einfach zu Konsumierendes, zum Beispiel Kaffee. Es gibt in Zürich eine ganze Reihe neuer Cafés und Espressobars, in denen der Kaffee irgendwo zwischen grandios und großartig ­oszilliert. Die Schweizer orientieren sich beim Kaffeemachen stark am nahen Italien, und die Güte des Kaffees hält sich eindeutig an das Vorbild der italienischen Espressobars.

Die Atmosphäre hingegen folgt eigenen Gesetzen. In Italien ist zum Beispiel klar, dass die Besucher der Espressobar hier nicht viel Zeit verbringen, weil sie nämlich die Produktivität des Tagesablaufs nicht aufs Spiel setzen. Man kommt, bestellt seinen Caffè, zahlt, rührt ein bisschen Zucker in den schwarzen Stoff, setzt die Tasse an, trinkt sie mit einem Schluck aus und geht wieder, wohin auch immer.

In Zürich gibt es inzwischen ein paar Orte, die dieses Ritual einbürgern, pflegen und ein ganz kleines bisschen verändern. Sie tun das auf höchst ästhetische Weise, wenn auch nicht so barock wie das Wiener ­Kaffeehaus, das an jeder Ecke ein „Wow“ einfordert, sondern im besten Fall mit einem ungenauen Wohlbefinden, das der Mischung aus ­Ritual und Umgebung entspringt.

Im Campo zum Beispiel, das den ehemaligen Durchgang unter dem brutalistischen Amtshaus auf dem Helvetiaplatz besetzt, finden die Grobheit des Sichtbetons und die Eleganz der Schreinerarbeiten auf so überzeugende und schlichte Weise zusammen, dass ich ganz berückt auf einen der Seegrashocker aus der Dordogne sinke und mich nicht entscheiden kann, ob ich die institutionelle Leere auf dem Helvetiaplatz genießen soll – klarerweise ist gerade kein Markttag –, oder mich doch dem Muster der schmalen Douglasien-Lamellen widme, die den Raum verkleiden, wo ich maskiert auf meinen Espresso warte. Dieser ist erstklassig, und meine Stimmung, siehe oben, wird einer psychohydraulischen Wartung unterzogen: Sie hebt sich.

Nun bin ich eigentlich keiner dieser Kaffee-Junkies, die behaupten, dass sie keinen klaren Gedanken fassen können, bevor nicht die ersten zwei, drei Espressi des Tages verinnerlicht wurden. Ich komme gut ohne Kaffee aus, weil ich versuche, all jene kaffeeähnlichen Getränke auszulassen, die nur so tun, als hätten sie etwas mit einem gelungenen Espresso zu tun, dabei aber nur schwarz und bitter und oft genug sauer wie ein Putzmittel sind. Wenn ein Kaffee hält, was er verspricht, freue ich mich. Aber ich erhebe die Herstellung von Kaffee nicht zum Kunsthandwerk und bin auch persönlich nicht bereit, für die richtige Maschine vierstellige Summen auszugeben und mir zum Blitzen des Chroms jede Menge Ärger und Frust einzukaufen.

Viel wichtiger ist mir, in eine Bar wie La Stanza einzulaufen, einen ­freien Platz zu suchen und all das zu konsumieren, was gratis zum Espresso kommt: den Duft der frisch gemahlenen Bohnen; den Sound der Düsen, die die Milch aufschäumen; das Belcanto der beiden Nachbarn am winzigen Nebentisch, die sich über irgendwas lustig machen, wovor sie sich offenbar fürchten; die spielenden Schatten der sprießenden Blätter im Gastgarten.

Kommen – Sein – Gehen. Wer den Besuch der Espressobar beherrscht, vollzieht eine Übung, für die viele Menschen lange Meditationskurse machen müssen, um das zu lernen, was Tim Parks in seinem unglaublich lustigen Buch „die Kunst stillzusitzen“ nannte. Den Kopf frei ­machen. Nichts denken oder wenigstens nichts Nützliches. Den eigenen Gedanken beim Abschweifen zusehen und der Fruchtbarmachung der eigenen Existenz mit einem Augenblick des Innehaltens entgegentreten, den man auch mit Langeweile verwechseln könnte, wenn man es nicht besser wüsste.

Vielleicht wirkte ich wie ein Idiot, als ich im Campo mit Zeige- und Mittelfinger über die makellos gehobelte Theke strich und mich daran erfreute, wie wenig Widerstand das polierte Holz entgegensetzte.

Könnte sogar sein, dass ich nicht einmal meinen Kaffee ausgetrunken habe. Aber der Moment der – von dieser Umgebung unterstützten – Selbstvergessenheit war seinen Preis jedenfalls wert.

Klar musste ich auch essen. Ich holte mir zum Beispiel großartiges Thai-Food bei Chiang Mai Thai Shop im Kreis 5, wo ich dann vor dem Laden an aus großen Stämmen geschnittenen Holztischen saß und Gäng Kiau Wan Gai aß, ein köstliches Grünes Curry mit Huhn, Thai-Auberginen und süßem Basilikum. Beim zweiten ­Besuch wählte ich die Tom Yam Gung, eine mit Limetten großzügig gesäuerte Suppe mit Cre­vetten und Reisstroh-Pilzen, es war ein großes Vergnügen, keine Notlösung.

Das Bahnhofsquartier ist in Zürich traditionell gut geeignet, um sich über die Gasse anständig zu verpflegen. So besorgte ich mir an einem anderen Tag gleich um die Ecke das berühmte Hühner-Schawarma vom besten Zürcher Libanesen: Der grüne Libanon. Das Fleisch dafür schnitt der Wirt persönlich von dem vertikalen Grillspieß, auf dem mariniertes Hühnerschenkelfleisch in Schichten aufgetürmt war und auf steter Flamme geröstet wurde. Dazu gab es mit Sumach gewürzte Zwiebeln, Kraut, Aubergine und Karfiol aus der Fritteuse – und zum Würzen reichlich Toum, die libanesische Sauce, die aus Öl, Knoblauch und Zitrone zusammengerührt wird und ein bisschen nach Aioli schmeckt. Das alles stopfte der Chef in ein libanesisches Fladenbrot, und ich musste nur aufpassen, die vielschichtige Mahlzeit so zu verzehren, dass ich nachher nicht Hemd und Hose in die Putzerei bringen musste.

Zum Glück war das Wetter nicht so schlecht wie angekündigt, sodass ich schließlich einen Platz auf der Terrasse des türkischen Restaurants Gül ergattern konnte, das für mich ­eines der besten türkischen Lokale außerhalb der Türkei ist. Dort aß ich einen KIrmIzI ­Pancar SalatasI, einen Salat von getrockneten und rohen Roten Rüben mit karamellisierten Haselnüssen und Frischkäsecreme. Anschließend nahm ich die Gül Style MantI, türkische Teigtaschen, die mit geschmortem Lammfleisch gefüllt waren und auf dickem, griechischem Joghurt serviert wurden.

Das Essen war gut, eigentlich war es mehr als gut, es komplettierte das fast schon verlernte Gefühl, unterwegs zu sein, mit einer Portion schweizerischer Perfektion. Ich trank Bier. Meine Freunde, die mit mir – wie sonst die Raucher – auf der Terrasse saßen, tranken auch Bier. Als wir aufbrachen und nach Hause gingen, jeder seines eigenen Wegs, waren wir beseelt von den Aromen, die als Echo noch immer nachklangen, und voller Vorfreude auf alles das, was demnächst erlebt werden will, auch wenn das hie und da noch ein bisschen dauert.

Zu gern wäre ich zum Beispiel auf dem Rückweg bei Andreas Caminada vorbeigefahren. Ich hatte ihn im letzten Herbst in Schloss Fürstenau besucht und war einmal mehr vom Einfallsreichtum der Küche, von der Atmosphäre des ­Hauses und von der ungeheuren Freundlichkeit des ganzen Staffs überwältigt gewesen.

Besonders beeindruckt hatte mich, wie Andreas Caminada die hohen Erwartungen seiner Gäste managt. Ein Besuch bei Caminada ist niemals der Normalfall. Aus der Sicht von Caminada ist das wahrscheinlich eine etwas bedrohliche Nachricht. Seine Gäste kommen, zum Teil vom anderen Ende der Welt, um etwas ganz Besonderes zu erleben, und wenn es nur ein bisschen besonders ist und nicht unglaublich, Hammer, Schwindelgefühl, dann bleibt ein kleiner Rest von Enttäuschung: Es war schon gut, aber war es wirklich soo gut?

Ich muss zugeben, dass Caminada seit Jahren ziemlich gut damit zurechtkommt, allen möglichen Testern Respekt und Höchstwertungen abzugewinnen, und auch das kann ja bekanntlich Misstrauen säen. Aber spätestens mit dem Eintreffen im Schloss beginnt die Magie des Orts zu wirken.

Sie verwandelt den auf die eine oder die andere Weise voreingenommenen Gast in jemanden, der seine Erwartungen vergisst und sich nur noch überraschen lässt. Dass die erstklassigen Kellner dabei nicht einmal ihr Lächeln sehen lassen können, weil sie vorschriftsgemäß ihre Mund-Nasen-Masken tragen, ist eine zusätzliche Hürde, allein die Stimmen, gedämpft durch schwarzes Textil, können gewinnend lächeln.

Große Menüs – selbstverständlich bestellte ich die sechs Gänge plus zwei Überraschungen, sonst hätte ich ja gleich zu Hause bleiben können – folgen einer klaren Dramaturgie. Zuerst kommen die Snacks, die dich beeindrucken sollen, flashen, aus der Fassung bringen. Ein Tomatentartelette, dessen Geschmack tief wie ein Brunnen war; eine in ein Shizoblatt gerollte eingelegte Rettichscheibe mit zupackender Schärfe, ein durchaus neuer Akzent im Aromenspiel von Caminadas ­Küche; die wie ein Spielzeug konstruierte „Fake Oyster“ aus einer Algenkruste und glänzenden Steinpilzen, die der Konsistenz des Originals die Reverenz erwies.

Ich aß wie ein Meditierender. Snack in den Mund, Augen schließen, warten, bis sich die Geschmäcker entfalten und die Sensation einsetzt. Hie und da schwebte ich zehn Zentimeter über meinem Stuhl.

Als das reguläre Menü begann, also die Gänge, die auch auf der Speise­karte stehen, war ich einmal mehr tief ­beeindruckt. Caminada konzentriert sich immer mehr, freilich frei von ­jeder Dogmatik, auf Lebensmittel aus dem eigenen Kulturkreis. Es gab eine anbetungswürdige Felche mit Safran und einer Nocke aus grünem Paprika, eine Forelle mit Kohlrabi und, Achtung, Pfirsich, eine großartige Wachtelbrust mit Roter Rübe in verschie­denen Konsistenzen, ein Lamm mit Natursaft und Joghurt. Die übliche Arithmetik des perfekten Tellers (fest, cremig, säuerlich, knusprig) ignoriert Caminada genauso wie die gängigen Kontraste im Farbenspiel der Zutaten. Immer wieder kombiniert er cremige Konsistenzen miteinander und wagt pastellfarbene Kompositionen, die sonst nur einem italienischen Innenausstatter einfallen würden. Ungewöhnlich. Erstaunlich. Und wie angekündigt, restlos grandios.

Die Stunden beim guten Essen ­vergehen bekanntlich mindestens so rasend wie bei der Lektüre eines fantastischen Buchs oder beim Sex.

Sobald das Hauptgericht an der Reihe ist und die Nachspeisen an­kommen, wimmerst du nur noch vor Vergnügen und genießt die Wirkung von Zucker, Säure und Koffein.

Worin besteht also die Strategie von Caminadas kulinarischer Verwandlungsanstalt? Der Einsatz ist immens hoch, in der Küche und draußen beim Gast. Der Gestus hingegen ist so unverkrampft wie beim Milch Einkaufen. Als mich der erstaunliche Sommelier des Hauses, Marco Franzelin, nach Mitternacht mit der Restaurantlimousine zurück in mein Hotel nach Thusis brachte, ließ er mich beiläufig wissen, dass er tags darauf etwas Ungewöhnliches vorhabe: Er heirate.

Die Hochzeit ist, denke ich, gelungen. Dann begannen Flitterwochen, die länger wurden, als sich das irgendwer vorgestellt hätte.

Mein Heimweg führte mich also nicht nach Fürstenau, wo ich diesmal ganz sicher in der Casa Caminada abgestiegen wäre, um auch die Bistroküche des Meisters zu genießen, „on the day after or before“. Etwas Gutes hat die Verzögerung: Beim nächsten Besuch hat wohl auch das Oz in der ehemaligen Remisa offen, Caminadas vegetarisches Restaurant, in dem er ausschließlich die Früchte seines eigenen Gartens verkochen wird. Er hatte mir vor ein paar Jahren schon einmal diesen Garten gezeigt. Die Erdbeeren waren gerade reif ­gewesen, wir hatten davon gekostet, und Andreas hatte die Aromen mit geschlossenen Augen genossen.

„Ein bisschen Rahm dazu“, hatte er gesagt, „und du hast das beste Dessert der Welt.“

Seinen Drei-Sterne-Gästen mutet er das leider nicht zu. Aber jetzt hat er den richtigen Ort und bald auch die richtigen Gäste dafür.

Ich fuhr auf Umwegen von Zürich nach Wien. Zuerst in den Klettgau, um bei Markus Ruch ein paar Flaschen Pinot Noir Chölle abzuholen, ­einen Wein, der vor Würze und Eleganz fast aus der Haut fährt. Ruch, ein Quereinsteiger, der auch besonders gute Cidres im Programm hat, suchte sich für seine Pinot noirs mit Absicht den nördlichsten Zwickel der Schweiz aus, um die Reben maximalem Stress, maximaler Belastung auszusetzen. Seiner Erfahrung nach setzt sich das direkt in Geschmack um. Die bewusste Konfrontation der Rebe mit Kälte, Trockenheit und Kargheit verändert wiederum die Parameter dafür, was ein gutes und was ein schlechtes Weinjahr ausmacht. Schlecht könnte sich als das neue Gut erweisen, wofür Markus Ruch zum Beispiel seinen Pinot Noir Hallauer Chölle 2013 als Zeugen aufruft. Der Wein ist hochkomplex, elegant und feingliedrig, ein in Flaschen gefüllter Gegenbeweis zur Hitze- und Sonnendoktrin früherer Jahre, auf der Habenseite der schwindenden Gewissheiten. Der Wein ist köstlich, und er ist in Österreich schwierig zu bekommen – außer natürlich bei den findigen ­Burschen von Heunisch & Erben, aber auch dort habe ich den Keller diesbezüglich schon dezimiert.

Dann reiste ich über das Thurgau, wo ich eine Kiste Pinot Noir No. 2 vom Weingut Bachtobel ins Auto lud, weiter in die Bündner Herrschaft, um bei weiteren Cracks – um genau zu sein, bei Christian Obrecht in Jenins, bei Marco und Walter Fromm in Malans und bei Jan Luzi vom Weingut Sprecher von Bernegg – ein bisschen Wein zu holen, vornehmlich Pinot noir, bei Obrecht aber auch seinen fabelhaften Completer, eine in der Herrschaft beheimatete, also autochthone Weißweinsorte. Ich sage nur: gar nicht so leicht aufzutreiben, wenn man nicht persönlich vor der Kellertür steht.

So kann ich diesen Besuch in der Schweiz getrost zusammenfassen: Immer vor der richtigen Tür stehen.

PS: Ich fuhr also mit einem Kraftfahrzeug, das bei jeder Bodenwelle gluckernde und klirrende Geräusche von sich gab, was nicht der Qualität der Stoßdämpfer, sondern der Beschaf­fenheit der Fracht geschuldet war, ­Richtung Heimat. Ich nahm nicht die Autobahn, sondern wählte einen ­atemberaubenden Umweg. Fuhr über Landquart nach Davos, wo ich mich mit Bündner Nusstorte, dieser baumnussschweren und karmellschwangeren Spezialität aus den Engadiner Bergen, eindeckte, überquerte den Flüelapass, der eine steinige Mondlandschaft wäre, wenn nicht die Schneereste das Schlimmste verhindern würden, blieb in Guarda stehen, erstens, weil es eine Sünde ist, dieses aberwitzig schöne Dorf mit seinen bunten Fassadenmalereien nicht wenigstens kurz zu durchstreifen, zweitens, weil ich beim Schmied von Guarda ein Brotmesser abholte – Thomas Lampert hat die historische Schmiede von Guarda übernommen und macht dort Einzelstück-Messer von einer sagenhaft rohen, wildromantischen Eleganz.

Später rollte ich das Inntal hinunter, an Serfaus und Landeck vorbei, und weil mir bei Tempo hundert auf der Inntalautobahn viel Zeit zum Nachdenken blieb, beschloss ich, nicht sofort nach Hause zu fahren, sondern bei Salzburg abzubiegen und eine Nacht in Sepp Schellhorns Seehof zu verbringen – daraus wurden dann drei, aber das ist eine andere Geschichte.

Was ihr wissen müsst: Im Seehof sind nach dem Abschied von René Leitgeb zwei neue Küchenchefs am Werk: Jakob Wieland und Luc Liebster. Sie interpretieren auf famose Weise die Doktrin von Sepp Schellhorn – alles, was aus der Küche kommt, muss schmecken – neu, etwas leichter und mit intrinsischer Eleganz. Ich hatte das Glück, dass am ersten Abend Johannes Schellhorn vor Ort war, der bekanntlich in Berlin mit seinem Kompagnon Willi Schlögl die Bar Freundschaft führt und die Weinkarte des Seehofs neu gestaltet hat. Er ließ mich nicht nur äußerst ­lebendige Weißweine wie den berauschenden Welsch­riesling vom Weingut Kolfok kosten, sondern öffnete zu späterer Stunde noch zwei Flaschen Barolo: zuerst den 2013er von Giovanni Canonica, der eine Galavorstellung dessen lieferte, was Barolo sein kann, im Wechselspiel von Würze und Power.

Der Riserva Vigneto Rocchette von Lorenzo Accomasso aber schlug dem Fass den Boden aus: Es war einer der besten Weine, die ich je in meinem Leben getrunken habe. Zu Würze und Po­wer gesellte sich noch eine eindeutige Ahnung von Heiligkeit. Das muss für diesen Abend genügen.

Es gibt News in Goldegg. Sepp Schellhorn hat das Gasthaus Bierführer übernommen, wo er persönlich als Küchenchef fungiert und sämtliche Klassiker, die bisher mit dem Seehof verknüpft waren, in der mit Reiterbildern und -flaggen geschmückten Bierführer-Gaststube serviert.

Ich durfte das Hirn mit Ei probekosten, eines meiner All-Time-Favourite-Gerichte, und auf dem Einserbankl rechts neben dem Eingang probesitzen. Das Bankl passt, und ich passte drauf. So dehnte sich die Heimfahrt noch ein bisschen aus. Sie krümmte sich sozusagen vom Pongau in den beginnenden Sommer hinein.

Campo
www.barcampo.com

La Stanza
www.lastanza.ch

Chiang mai
www.chiang-mai.ch

Der grüne Libanon
www.der-grune-libanon.business.site

Restaurant Gül
www.guel.ch

Markus Ruch
www.weinbauruch.ch

Weingut Bachtobel
www.bachtobel.ch

Weingut Obrecht
www.obrecht.ch

Weingut Fromm
www.weingut-fromm.ch

Weingut Sprecher vom Berg
www.sprechervonbernegg.ch

Schmied von Guarda
www.lampert-guarda.ch

Seehof, Goldegg
www.derseehof.at