Ein Klassiker neu entdeckt

Madeira – Blumeninsel, Eiland des ewigen Frühlings, rund ums Jahr milde 21 Grad warm, eine explosive Farbenpracht der Natur. Ein Paradies. Und nur knapp einer Katastrophe entgangen.

Text von Helga Baumgärtel Foto von Mauritius Images

Das war ein ziemlich schrecklicher Tag, der 11. August im letzten Jahr“, sagt Juan Pereira, der Taxifahrer, als wir die Estrada Monumental am Hafen von Funchal entlangfahren.

„Madeira brannte von oben in den Bergen bis hinunter zum Hafen. Vom Choupana Hills, dem schönsten Boutique-Hotel am Berghang hoch über dem Botanischen Garten, und den vierundzwanzig Bungalows blieben nur noch Schutt und Asche. Wie von fast zweihundert Häusern am Hang. Wir hatten kaum Wasser zum Löschen. Wasser ist immer knapp hier auf der Insel. Zu viele Touristen.“

„Aber jetzt ist alles wieder gut“, strahlt Juan. „Kaum noch was zu sehen von der Katastrophe. Wir hier sind eben Optimisten.“

Sie müssen es sein, die Leute von Madeira. Vieles hat die Insel erlebt in ihrer Geschichte. Christoph Kolumbus lebte hier, bevor er mit der Entdeckung von Amerika Weltruhm erlangte.

Zu jener Zeit war Madeira der bedeutendste Zuckerlieferant für ganz Europa. Fünf Zuckerhüte schmücken auch heute noch das Stadtwappen von Funchal. Doch dann ging es bergab mit der Zuckerinsel. Der Zucker aus Amerika war billiger.

1566 überfielen französische Korsaren die Insel, plündernd und mordend, und entkamen mit reicher Beute. Piratenüberfälle standen damals an der Tagesordnung. Der englische Seeräuber John Ward plünderte 1620 im Auftrag des Beys von Tunis die Insel und verschleppte 1.200 Bewohner in die Sklaverei.

2010 schließlich verwüsteten schwerste Unwetter die Insel. Über vierzig Tote zählten die Behörden.

„Aber wir sind Optimisten“, wiederholt Juan Pereira, „uns bringt nichts so leicht um.“

Nicht einmal die Touristenhorden, die Ende des Jahrhunderts in Madeira einfielen und drohten, aus der Insel eine Art „Baller­mann“ zu machen. Sie zogen bald wieder weiter, denn Madeira hat kaum Sandstrände.

Madeira wurde wieder die Insel der anspruchsvollen Touristen, wenn auch nicht mehr ausschließlich die der Schönen und Reichen.

„Funchal, dort unten, ist so wunderschön am Abend“, schrieb Zita, die Gattin des letzten österreichischen Kaisers. Man hatte das Paar gemeinsam mit seinen Kindern ins Exil auf die Blumeninsel verbannt.

„Auch abgebrannt, im letzten Jahr, das Haus oben in Monte. ‚Kaiservilla‘ nannten es die Leute“, weiß Juan zu berichten.

Auch wenn der Blick hinunter nach Funchal betörend schön war, oben in Monte, wo die entthronten Majestäten lebten, war es nicht ganz so malerisch. „Alles ist feucht hier oben und an den Wänden wächst der Schimmel“, schrieb die Ex-Kaiserin 1922 in Briefen an ihre Freundinnen im heimischen Österreich. Und Kaiser Karl klagte: „Noch nie habe ich so gefroren wie hier oben, während unten subtropisches Klima herrschte.“ Unten, im subtropischen Klima stand und steht seit 1895 auch das berühmteste Hotel der Insel: das Reid’s.

Viele Jahre war Sir Winston Churchill dort zu Gast. Malte im Park und spielte – von wegen „no sports“ – fleißig Golf. Er war nicht die einzige Berühmtheit, die sich in dem Hotelpalast direkt am Meer wie zu Hause fühlte.

Alle waren sie im Reid’s: von Rainer Maria Rilke bis Bernard Shaw, dem der hoteleigene Tanzlehrer den Tango beizubringen versuchte. Von John dos Passos bis zum Ex-König Umberto von Italien.

Kaiserin Elisabeth betrauerte hier den Tod ihres Sohnes Rudolf und viel später kam Gregory Peck, der sich nach Drehschluss ausgiebig an der Hotelbar von seiner Rolle als Captain Ahab in Moby Dick erholte.
Im Reid’s hat sich über Jahre hinweg die wahre britische Tradition erhalten – wenn auch die Times nicht mehr gebügelt dem Gast überreicht und beim abendlichen Dinner kein Smoking mehr erwartet wird.

Geblieben ist aber das opulente Frühstücksbuffet mit allen Köstlichkeiten dieser Welt.

Wem das 150-m2-Zimmer im Reid’s zu groß – oder zu teuer ist (unter 400 Euro für ein Doppelzimmer geht gar nichts) –, der sollte sich in einer der schicken „Quintas“ hoch über Funchal mit Panaromablick über das Glitzermeer der Stadt einmieten.

Die meisten „Quintas“ sind ehemalige Landhäuser reicher Briten, die im vorigen Jahrhundert ihr Vermögen mit Madeira-Wein gemacht hatten oder sich einfach auf der Insel wegen des jahraus jahrein milden Klimas niederließen.

Ihre Herrenhäuser sind alle bezaubernd renoviert und mächtig stolz auf ihre feine Küche.

Da ist zum Beispiel das Jardins do Lago, einstmals die luxuriöse Residenz des Generals Beresford, Kommandeur der britischen Truppen, der hier während der Napoleonischen Kriege lebte. Eine 2,6 Hektar große subtropische Gartenanlage, das Herrenhaus elegant renoviert, mit ausgedehnten Poolanlagen und einem exzellenten Bistro.

Oder die Casa Velha do Pal­hei­ro, einst das Jagdhaus des Grafen Carvalhal, einem leidenschaftlichen Botaniker, der Pflanzen aus aller Welt auf die Insel brachte; es umfasst 37 Zimmern und Suiten am Rande des schönsten Golfplatzes der Insel. Glücklicherweise fährt regelmäßig ein Hotelshuttle nach Funchal und zurück. Die steilen Serpentinen treiben „normalen“ Autofahrern nämlich den Angstschweiß auf die Stirn …

Madeira für Sportliche. Die „Highest Mountain Tour“ – Wanderungen auf dem Gipfelweg – ist zwar nichts für Halbschuhtouristen, aber vom zauberhaften Dörfchen Santana oder von der Gipfelstraße des Pico do Arieiro erlebt man ebenfalls ein Traumpanorama.

Für begeisterte Botaniker hingegen ist die Levadas-Wanderung entlang der ehemaligen Bewässerungskanäle ein Naturschauspiel ohne Kletterstress. Hier im Norden herrscht Natur pur. Direkt hinter Santana, dem pittoresken Städtchen mit seinen strohgedeckten Dächern, liegt eines der bezauberndsten Hotels der Insel: die Quinta do Furão oberhalb der Steilküste. Ein 4-Sterne-Hotel mit 45 hübschen Zimmern – ab 135 Euro –, Außenpool, Sauna, Fitness, Jacuzzi, einem gutbürgerlichen Restaurant plus einem hervorragenden Weinkeller (schließlich liegt das Hotel auch inmitten einer Weinfarm). Der Blick von der Terrasse bei Vollmond über das silbrig schimmernde Meer ist spektakulär, einfach unvergesslich …

Doch zurück nach Funchal. Es ist Mittag geworden. Zeit zum Essen. Wir fahren mit unserem Taxifahrer Juan entlang der Estrada Monumental, der Küstenstraße, vorbei am Reid’s und seinem Restaurant, der Villa Cipriani. Edel, sehr vornehm und nicht billig. Nur wenige Häuser weiter dann Il Gallo d’Oro im Hotel The Cliff Bay, das einzige mit Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant der Insel. Modern, sehr vornehm und auch nicht billig. Beide haben nur abends geöffnet.

Also noch ein Paar Kilometer weiter nach Sâo Martinho ins Doca do Cavacas, malerisch gelegen am Lieblingsstrand der Einheimischen.

Und die sitzen auch zuhauf in diesem gemütlichen Lokal: Handwerker neben Fischern, keine Touristen.
„Nehmt die castanhétas“, sagt der Wirt. „Nein, nehmt lieber die lapas“, ruft einer vom Nebentisch, „die sind heute besonders lecker.“ Wir bestellen beides. Die „castanhétas“, die kleinen sardinenartigen Fische, die gebraten und in Knoblauch angerichtet werden, und die „lapas“, die Napfschnecken, die ganz frisch vom Meeresboden geerntet sind. Dazu trinken wir einen kühlen, leichten „vinho verde“.

Auf dem Weg zurück in die Stadt machen wir noch eine Pause im berühmten Mercado dos Lavradores, einem zweistöckigen Gebäude im Herzen der Altstadt. Ein Füllhorn voller Gemüse, Obst und Fleisch, Fisch und anderem Seegetier. Der schwarze Degenfisch, Langustinos, der „bacalhau“ – Stockfisch aus Kabeljau – und gewaltige Thunfische für eines der Lieblingsgerichte der Leute von Madeira: „filete de atum“ – gebratenen Thunfisch an einer kräftigen Zwiebelsauce.

Der Markt ist die Touristenattraktion von Funchal. Und für manche Besucher ein Ärgernis. Nämlich dann, wenn die Händler aufdringlich werden und unbedingt etwas verkaufen wollen. Am besten einfach weitergehen!

Und zum guten Schluss empfiehlt sich als Souvenir für die Daheimgebliebenen natürlich ein Madeira-Wein.
Die größte Auswahl hierfür findet man in der Madeira Wine Company, direkt neben dem Fremdenverkehrsamt in der Avenida Arriaga 28  – ein Disneyland des Weines mit interessanten Führungen und einem Wineshop, dessen Angebot bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreicht.
Na denn: Prosit – à sua saúde!

Tel.: +351/291/71 71 71
www.reidspalace.com

Quinta Jardins do Lago
Tel.: +351/291/75 01 00
www.jardins-lago.com

Casa Velha do Palheiro
Tel.: + 351/291/79 03 50
www.casa-velha.com

Il Gallo d’Oro
Tel.: +351/291/70 77 00
ilgallodoro.portobay.com

Quinta do Furão
Tel.: +351/291/57 01 00
www.quintadofurao.com

Doca do Cavacas
Tel.: +351/291/76 20 57
Rua da Ponte da Cruz 66,
Sâo Martinho