Es muss nicht immer Trüffel sein
Piemont 2009: Es ist fast wie immer. Nebelig trüb am Morgen, am Mittag kommt die Sonne raus. Am Trüffelmarkt im Herzen von Alba herrscht das übliche Gedränge.
Es muss nicht immer Trüffel sein
Text von Hans Mahr Fotos: Stockfood, beigestellt
Zirka 3.000 Euro kostet heuer das Kilo der weißen Knolle, deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. Deutlich weniger sind auch die Touristen geworden. Zwei Wochen im voraus gibt’s in fast allen Restaurants, die früher monatelang ausgebucht waren, noch Tische zu reservieren. Denn die Krise hat auch die Trüffelzeit im Piemont erreicht. Irgendwie gilt Trüffel als Luxus und Luxus ist in Zeiten wie diesen nicht "in". Umso mehr Platz gibt’s für alle diejenigen, die sich auch von der Krise nicht abhalten lassen, wegen des "weißen Goldes" nach Turin zu fliegen. Doch Piemont ’09 bietet mehr als die üblichen Wirtshäuser, von denen auch schon der letzte Geheimtipp breit publiziert worden ist. Zwei Feinschmeckerlokale lassen auch die Herzen jener Gourmets höher schlagen, denen nach mehr als Pasta plus Knolle gelüstet: das "Combal.Zero" bei Turin und das "Piazza Duomo" in Alba. In einem Schloss westlich von Turin, ca. 20 Minuten vom Flughafen entfernt, hat sich Davide Scabin eingerichtet, der wohl kreativste italienische Koch. Er spielt in einer Liga mit Ferran Adrià und Heston Blumenthal und kocht einfach grandios oder grandios einfach. Das Tasting Menu beginnt mit einer winzigen Forelle auf Erbsenpüree mit Teesauce, dann eine Kabeljau-Krokette mit violetten Kartoffelchips und Pastis. Wirklich stimmig seine Version vom Vitello Tonnato: das hauchdünn aufgeschnittene Fassona-Kalbfleisch mit Haselnüssen und Anchovis-Sauce zergeht auf der Zunge. Es folgen ein Risotto mit Foie Gras und Artischocken, eine Wildkräuter-Suppe mit Radicchio und ein Stückerl kurz gebratener Schweinebauch mit Spargel und Kokosnussmilch. Alternativ offeriert er ein Mini-Cordon-Bleu mit Spinat oder ein butterzartes Lammkotelett. Was normalerweise in dieser Gegend untergeht, die Dessertküche nämlich, ist bei Davide Scabin ein weiterer Höhepunkt. Vor allem das Mikro-Dessert mit einer Zabaione, einer Schokolade-Mousse mit Kaffee-Jelly und einer Vanille-Creme mit Pistazien. Die interessanteste Erfahrung: Wir sind mitten in der Trüffelzeit – und es gibt keine Trüffel bei Scabin. Ehrlich gesagt, sie gehen auch gar nicht ab. Auch der zweite Spitzenkoch Enrico Crippa braucht keine Trüffel, um seine Küche aufzuhübschen. Er hat bei Italo-Kochlegende Gualtiero Marchesi gelernt und ist heute – so meinen viele – schon besser als der Chef. In seinem "Piazza Duomo" mit Blick auf den Dom von Alba vermengt er seine Erfahrungen aus Japan ("ich habe in Marchesis Restaurant in Kobe gekocht") und seine Liebe zu Gemüse und Salat ("da ist Michel Bras mein Vorbild") mit der piemontesischen Landküche. Und das ist wirklich ein Erlebnis. Das Herbstmenü beginnt mit Topinambur und Lakritze-Artischocken, Scampi in Erdbeermost, Fischravioli mit einem Umeboshi (japanische Pflaume!), Püree und Koriander, dann Dorade mit grünem Gemüse, Kabeljau mit Büffelmozzarella, Steinpilzrisotto und schließlich ein Kräutertäubchen. Irgendwann dazwischen serviert Crippa mit seeligem Blick seinen "Insalata 21", bestehend aus 21 verschiedenen Salat- und Kräutersorten. "Das sind Dinge aus der ganzen Welt, viele habe ich über das Internet gekauft und selbst gezüchtet", sagt er stolz. Das ganze Menü gibt’s – ähnliche Preisklasse wie im "Combal.Zero" – um 130 Euro, mit dem Wein dazu landet man knapp über 300 Euro für zwei Personen. Nicht billig, aber der Mann ist sein Geld wert. Nach dem Ausflug in die Haute Cuisine endlich der Eintritt in die einfache, aber gute piemontesische Landküche. Zwischen Asti und Bra, zwischen Alba und Barolo ist die Zahl der angeblich "besten Wirtshäuser" unüberschaubar geworden. Daher im Folgenden nur eine unvollständige, sehr persönliche Liste, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Meine zwei Lieblingstrattorien sind das "Da Renzo", im Süden, in Cervere, und das "I Bologna" in Rocchetta Tanaro, im Norden (am besten geeignet für einen wunderbaren Abschluss-Lunch auf dem Weg zurück nach Turin). Im "Da Renzo" ist man stolz darauf, die doch etwas schwere piemontesische Küche "entschlackt" und "erleichtert" zu haben. Marinierter Aal, Stockfisch mit Oliven, Taubenbrustsalat vorneweg, als "Primi Piatti" Safranrisotto mit Spargel, Ravioli mit Lauch und Erdäpfeln und als Hauptspeise zum Beispiel ein Kalbsbraten in Brotteig. Bei dieser Qualität ist es kein Wunder, dass "Da Renzo" das Lieblingslokal von Starwinzer Angelo Gaja ist. Apropos Angelo Gaja: Beim Rundgang durch sein Weingut verrät er, dass künftig wahrscheinlich weniger Gaja-Tropfen auf den österreichischen und deutschen Markt kommen werden. "Wir brauchen mehr für den asiatischen Raum und ihr Österreicher habt ohnehin einen Riesenanteil!" Mit anderen Worten, lasst uns mit Gaja-Weinen rechtzeitig eindecken … Auch die zweite Top-Trattoria ist eines seiner Lieblingslokale. Das "I Bologna" bei Asti. Die Pasta wird dort gleich neben dem Gastraum von der Mamma händisch zubereitet. Zum Unterschied vom "Da Renzo" serviert man im "I Bologna" unverfälschte piemontesische Landküche. Agnolotti, Tagliolini, Gnocchi mit Steinpilzen, mit Gemüse, mit Schafskäse, zur Hauptspeise Schweinsbraten, Lammkotelett oder ein Bollito Misto – echt und gut. Wo man sonst noch hervorragend isst: Das "Il Centro" in der Altstadt von Priocca bringt ebenfalls klassische Piemont-Küche auf den Tisch – unbedingt den karamellisierten Schweinebauch auf Püree probieren! "La Posta" in Monforte D’Alba ist wunderschön gelegen, am besten zum Mittagessen kommen – die Empfehlung lautet: Rindstatar mit Parmesan, Kaninchen im Speck. Das "Antica Torre" liegt nur 300 Meter neben Gajas Weingut in Barbaresco – hier braucht man nur die Pasta probieren, die ist hervorragend. Bleibt noch das Neueste vom schnauzbärtigen piemontesischen Altmeister Cesare Giaccone zu berichten, bei dem einmal sogar Reinhard Gerer gelernt hat ("Nur eine Woche! Der Cesare ist ein Wahnsinniger, aber ein Naturtalent!"). Das Weingut Fontanafredda hat ihn nach Serralunga d’Alba geholt, wo er in der "Villa Contessa Rosa" fünf Mal pro Woche für 30 Gäste kocht. Und zwar wie immer mit einem Menü nach Lust und Laune: gebackene Zwiebeln und Polenta, gebratenes Kaninchen und geschmortes Zicklein. Übrigens: in allen Trattorien gibt’s jetzt natürlich Trüffel satt. Für alle, die mindestens sechs Euro pro Gramm für die berühmte Piemont-Knolle ausgeben wollen, wird kräftig gehobelt, worauf Sie immer wollen: Auf die Pasta, auf das Tatar, sogar auf Taube, Lamm oder Zicklein. Aber ich bleibe dabei: Es muss nicht immer Trüffel sein …
COMBAL.ZERO
Piazzale Mafalda di Savoia 10098 Rivoli
Tel.: +39/011/956 52 25
www.combal.org
PIAZZA DUOMO
Piazza Risorgimento 4 12051 Alba, Cuneo
Tel.: +39/0173/366 167
www.piazzaduomoalba.it
RISTORANTE ANTIC CORONA REALE DA RENZO
Via Fassano 13 12040 Cervere
Tel.: +39/0172/47 41 32
I BOLOGNA
Via Nicola Sardi 4 14030 Rocchetta Tanaro
Tel.: +39/0141/64 46 00
IL CENTRO
Via Umberto I 5
12040 PRIOCCA (CN)
Tel.: +39/0173/61 61 12
www.ristoranteilcentro.com
TRATTORIA DELLA POSTa
Località Sant’Anna 12065 Monforte d’Alba
Tel.: + 39/0173/781 20
www.trattoriadellaposta.it
ANTICA TORRE
Via Torino 8 12050 Barbaresco
Tel.: +39/0173/63 51 70
VILLA CONTESSA ROSA
Restaurant Cesare Villa Contessa Rosa
Via Alba 15 12050 Serralunga d’Alba
Tel.: +39/0173/62 61 62
www.villacontessarosa.com