Heller die Gabeln nie klingen

Ob Haggis, Truthahn oder Plumpudding, gebratene Gans oder Karpfen, ob Glögi oder Hippocras – Weihnachten ist in jedem Land das Fest der Tafelfreuden.

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In Finnland, dort, wo Santa Claus zuhause ist, um sich am Weihnachtsabend von seinen sechs Rentieren im Schlitten über den Himmel ziehen zu lassen, gibt es traditionell den im Ofen gebackenen Weihnachtsschinken und zum Trinken, wie in allen skandinavischen Ländern, den „Glögi“, den Weihnachtspunsch aus Rotwein, Korn oder Wodka, versetzt mit Zimt, Kardamom, Ingwer und Nelken.

Am anderen Ende der Welt ist alles ganz anders. Da wird der Schlitten von sechs weißen Kängurus gezogen, die man liebevoll „Boomers“ nennt. Für Rentiere aus dem hohen Norden wär’s auch hier viel zu heiß. Denn in „Down Under“ herrscht jetzt gerade Hochsommer.

Also packt man zum Weihnachtsmahl den Grill, zärtlich „barbie“ genannt, aus ein marschiert zum Strand. Brät saftige Truthahnstücke und verdrückt pfundweise frische Garnelen. Um dann „To sink a few“ zu zelebrieren. Den Durst mit einheimischem Sekt oder „Chardo“ zu stillen.

Zurück zu uns „Germanen“, wo die Weihnachtsgans noch lange ihre Vormachtsstellung behaupten wird. Riesige Gansherden, liebevoll aufgezogen, watscheln vor dem Fest ihrer finalen Bestimmung entgegen und in gewaltigen Fischteichen wachsen die Weihnachtskarpfen heran, die ihre letzten Tage in den Badewannen ihrer Verzehrer verbringen.

Und was trinkt man dazu? Wein natürlich. Oder Punsch. Oder eine Feuerzangenbowle mit trockenem Rotwein, in Punschgläsern serviert.

Bei den Studenten nennt sich so ein Punsch schon seit Jahrhunderten „Krambambuli“, berühmt geworden als Studenten-Trinklied.

„… sauft Wasser wie das liebe Vieh, und meint, es sei Krambambuli“ singen die Herren studiosi auch heute noch.

In Russland am Hof des Zaren trank man um die Weihnachtszeit Medowucha oder Spiten, Honigwein mit Früchten und Gewürzen. Westliche Besucher am Hofe Peter des Großen nannten das Getränk, das aus dem Samowar serviert wurde, „russischen Glühwein“.

Und was den Studenten ihr Krambambuli, das ist den Engländern der „Eggnog“. Den gibt es schon seit Königin Victorias Zeiten. Starkes Dunkelbier, plus Zucker, Eidotter und Gewürzen. Klingt nicht gerade aufregend, aber immerhin schmeckte es später auch den Amerikanern.

In der Provence bestand schon zu Zeiten Mistrals das traditionelle Essen am Weihnachtsabend aus einem gewaltigen Truthahn, kleinen Gemüseplatten, einem Fischgang und natürlich den „Treize desserts“, kleinen süßen Leckereien, wie kandierten Früchten aus Apt über „Nougat blanc“ und „Nougat noire“ aus Montélimar bis zum Früchtekuchen „Pompe à l’huile“. Dreizehn Nachspeisen wegen der 13 Teilnehmer am Abendmahl Christi.

Weiter nördlich, im Elsass, sind es die Weihnachtsgans und ein gewaltiges „Choucroute“, in anderen bäuerlichen Gegenden Frankreichs die „Boudins“, Blutwürste vom frisch geschlachteten Weihnachtsschwein.

In Russland verspeist man am Weihnachtsabend „Koutia“, eine Weizengrütze mit getrockneten Früchten. In Schweden ist es marinierter Fisch in einer hellen Buttersauce, in Dänemark serviert man einen warmen Reisbrei mit kalter Milch übergossen, bevor die knusprig gebratene Weihnachtsgans aufgetragen wird. In Norwegen ist es gebratener Schweinerücken mit Sauerkraut und in Finnland ist Weihnachten ohne einen Schinken in Brotteig kaum vorstellbar.

Das Weihnachtsgetränk schlechthin in Mitteleuropa ist der „Hypocras“. Für ein Dutzend Gäste braucht man drei Flaschen Rotwein, eine Flasche Roséwein, eine Flasche Weißwein, 400 Gramm Zucker, drei Zimtstängel, fünf Gewürznelken, Muskatnuss, Ingwer, Koriander, und Kardamompulver. Die Weine mit dem Zucker aufkochen und über die Gewürze gießen, zwei Tage stehen lassen und abseihen.

Wer seinen Victor Hugo gelesen hat, der findet im „Glöckner von Notre Dame“ die Geschichte vom Brunnen vor der Kathedrale, wo, zur Freude aller Vorbeikommenden, kostenlos aus drei verschiedenen Quellen Wein, Milch und eben Hypocras flossen.

Im südlichsten Zipfel Italiens, auf Sizilien, heißt das Festessen „Tummàla“. Weil sein Ursprung auf Mohammed Ibn Thummah, den Emir von Catania, zurückgeht. Es ist eine Reis-Timbale mit Huhn, Kalb, Eiern und Käse. Heutzutage fügt man dem Gericht noch Schweinswurst hinzu, was dem frommen Emir verboten war …

In Neapel besteht das Essen am Weihnachtsabend, wie seit Jahrhunderten, aus fleischlosen Gerichten. „Baccalà alla napoletana“ zum Beispiel, dem heimischen Stockfischgericht mit einer würzigen Tomatensauce.

Abends ziehen die „Zampognari“, die Schafhirten aus den Abruzzen, durch die Straßen. Raue Gesellen in Schaffellwesten unter riesigen Filzhüten, die, von Dudelsackspielern begleitet, uralte Volkslieder singen und mit Münzen und „Cuddureddi“ belohnt werden. Cuddureddi sind kleine, mit Feigen gefüllte Küchlein, das Weihnachtsgebäck des Mezzogiorno. Ein Backwerk, dessen Rezept die griechischen Kolonisten aus ihrer Heimat nach Süditalien mitgebracht hatten.

Dazu trinkt man, wie auch im Rest von Italien, den „Bombardino“, hergestellt aus je einem Drittel Advokat, schwarzem Kaffee und Whisky.

Auf nach Südamerika. In Mexiko delektiert man sich an „Mole poblano de guajolote“, Truthahn in einer pikanten Schokoladensauce, die unter anderem Mandeln, Chili, Banane, Gewürznelken, geröstete Sesamsamen und Cayennepfeffer enthält. Es ist ein altes Gericht der Azteken, weit vor der Zeit der Entdeckung Amerikas, das im 17. Jahrhundert von den Nonnen des Santa Rosa Klosters in Pueblo verfeinert wurde.

Indisches Huhn nannten übrigens die spanischen Eroberer den Truthahn, da sie immer noch glaubten, Indien entdeckt zu haben.

In den Vereinigten Staaten kann man sich bis heute nicht so recht entschließen, ob der Turkey eher zu Weihnachten oder zu Thanksgiving auf den Tisch gehört. Schließlich waren es die wilden Truthähne, deren Fleisch die ersten Siedler vor dem Verhungern gerettet hat. Pragmatisch wie Amerikaner nun einmal sind, bringt man den Vogel zu beiden Anlässen auf den Tisch. Da so ein ausgewachsenes „Indisches Huhn“ um die 12 Pfund wiegt, sind zwischen acht und zehn Personen vonnöten, um es zu vertilgen.

In Frankreich versucht man sich gern an einem Rezept des Großvaters von Paul Bocuse: Der Truthahn wird mit Wurstbrät und gehackten schwarzen Trüffeln gefüllt, mit Pergamentpapier umwickelt und in einen Jutesack gesteckt. Im Garten wird ein Loch gegraben, der Jutesack hineingegeben und mit Erde bedeckt. In der kühlen feuchten Erde entwickeln die Trüffeln ihr ganzes Aroma. Nach zwei Tagen in einem Gemüsesud pochieren und mit Pilaw-Reis servieren.

In England besteht der Weihnachtsschmaus aus einem gewaltigen Roastbeef. In Schottland und Irland lässt man das Roastbeef weg und serviert dafür ein „Haggis“, das Nationalgericht der Schotten und Iren.

Dafür stülpt man einen Schafsmagen um und füllt ihn mit den restlichen Innereien des Schafes, mit Nierenfett, Hafermehl und Gewürzen. Dann bindet man das Ganze zu und gart es drei Stunden in siedendem Wasser. Für uns Kontinentaleuropäer höchst gewöhnungsbedürftig …

Der Nachtisch droben, jenseits des Kanals, wird immer Plum Pudding sein. „Der Plum Pudding ist ein Nationalgericht und wird von fremden Nationen verabscheut, weil sie nicht fertigbringen, ihn schmackhaft zu bereiten“ behauptet Cassell’s Dictionary of Cookery aus dem Jahr 1877.

Cassell’s Dictionary weiß zu berichten: „Man kocht ihn einige Tage vor Weihnachten, für acht oder neun Stunden und gibt ihn kurz vor dem Verzehr nochmals für mindestens zwei Stunden in kochendes Wasser. Ein gut gelungener Pudding hält sich zwölf Monate.“

Vielleicht hat „Cassells“ sogar recht und die Herstellung eines echten Plum Pudding ist für Nichtinsulaner wirklich zu schwierig. Lord Byron, der um 1820 in Italien lebte, hatte sich einen ganzen Tag lang vergeblich bemüht, seinen Florentiner Koch in die Geheimnisse des Plum Pudding einzuweihen. Am Abend kündigte der genervte Koch wutentbrannt und was ein Pudding hätte werden sollen, wurde als dickliche Suppe in der Terrine aufgetragen. Und da sich niemand um den Braten im Rohr gekümmert hatte, war das Roastbeef zu einer Art Schuhleder geschrumpft. „It was an utmost unusual dinner“ schrieb Lord Byron, in feinem understatement, seinem Dichterfreund Shelley.

Und zur Krönung: Mit dem nötigen Kleingeld in der Tasche können auch Sie die exklusivsten Tropfen auf den Gabentisch bringen:
Einen Cognac aus dem Jahre 1822 zum Beispiel. Es war das Jahr des Planeten, der 260 Tage am Himmel zu sehen war. Kostet ca. 4 900 Pfund die Flasche. Oder einen Cognac Silver Jubilee. Für 12 000 Pfund. Eine Assemblage von mindestens 100 Jahre alten Cognacs. Nur 60 Flaschen wurden hergestellt zu Erinnerung an das Silberne Jubiläum der Königin von England im Jahre 1977. Oder ein Château d’Yquem aus dem Jahre 1787. Für 119 000 Pfund fast ein Schnäppchen. Und auch den Cognac Brugerolle Jahrgang 1795 sollten Sie nicht unbedingt zum Mixen verwenden. Die 6-Liter-Flasche war das Lieblingsgetränk der französischen Offiziere unter Napoleon. Wann immer eine Schlacht gewonnen – oder auch verloren – war, wurde eine solche Monsterflasche geöffnet. Da Napoleon bekanntlich viele Schlachten geschlagen hatte, existiert nur noch eine und die ist für 138 000 Pfund zu beziehen über www.oldliquors.com.

Na dann: Prosit, Cheers, Skål, Santé, Salud, Salute, Amór y Dinéro, Na zdarovje, Egészségedre, Kanpai, Sla á Inje, Já mas und Je via Sano!