High Life auf hoher See

Eine Reise auf der MS Europa, der Ikone unter den besten Kreuzfahrtschiffen der Welt, hat neben dem Erlebniswert auch außerordentliche kulinarische Qualitäten.

Foto von Christian Wyrwa/Hapag-Lloyd Cruises
Text von Christian Grünwald

Es schlingert. Nur ganz wenig. Gerade so viel, dass es für eine zarte innere Unruhe sorgt. Ein Gefühl, das manche vielleicht auch von Langstreckenflügen kennen. Etwas Champagner, regelmäßig zu sich genommen, stabilisiert in dieser Situation ungemein. Gut für die persönliche Balance und das Gleichgewicht im Allgemeinen.

An Bord der MS Europa fließt der Champagner reichlich, und Gründe gibt es dafür viele. Vor allem: Eine Reise mit einem der besten Cruise Liner der Welt versetzt einen grundsätzlich in Feierlaune. Auf der Nordatlantikpassage fegt der Wind mit 7 Beaufort – ein für diese Region durchschnittlicher Wert, der eine Windgeschwindigkeit von über 50 km/h und eine Wellenhöhe von drei bis vier Metern bedeutet. Eingeweihte kennen einige Plätze an Bord des fast 200 Meter langen und 24 Meter breiten Schiffs, wo es selbst bei hohem Seegang vergleichsweise stabil zugeht; etwa die in der Schiffsmitte gelegene Rezeption samt Bar-Café; oder auch die ebenfalls mittig im Schiffsbauch unter der Küche positionierten Lagerräume auf Deck 2.

Der vibrationsarme Platz ist ideal für die Lagerung der rund 30.000 Flaschen Wein. Die teure, namhafte Ware fühlt sich hier wohl, das Depot von wertvollen Bordeaux-Weinen wird nicht besorgniserregend aufgerüttelt. Dumm nur, dass man als Passagier zu den besonders ruhigen Lagerräumen normalerweise keinen Zutritt hat. Der kurze Rundgang durch die fensterlosen Räume ist ein Privileg für das Grüppchen Medienleute, denen hier die kulinarische Materialschlacht einer Schiffsreise anschaulich dargestellt werden soll.

Ein Schiff für Gourmets
Die MS Europa definiert sich als ein Gourmetschiff, sie ist mit insgesamt fünf Restaurants auf High-End-Genuss ausgelegt. Etwa 5.000 Artikel kennt die Inventarliste im Lager, circa die Hälfte ist essbar. Die Lager im Schiffsbauch sind stets wohl­gefüllt. Allein im Freezer liegen sieben bis acht Tonnen Fisch und Fleisch. Die alte Weisheit des zuständigen Hic, die Abkürzung für „Hotel Inventory Controller“, des Mannes, der alles ­lagert und nachkauft: „Reis, Champagner und Toilettenpapier dürfen nicht ausgehen.“

Parallel zur Routenplanung existiert ein exakter Plan für den Einkauf von Lebensmitteln und Getränken. Dem Zufall wird dabei tunlichst nichts überlassen. Die Romantik vom Einkauf am Markt vor Ort ist allerdings jenseits der Realität. Auf den Märkten in der Südsee etwa sind kaum Früchte zu kaufen, schon gar nicht in den erforderlichen Mengen. Manchmal, wie auf Tonga, kauft die Küche dann aber auch Gemüse, bei dem man gar nicht weiß, was damit zu tun ist. Am besten, so erzählen die F&B-Verantwortlichen, klappt die Versorgung vor Ort auf den prächtigen Märkten in Mexiko. Spontaneinkäufe sind umso schöner. „Wir hatten schon Situationen, wo unser Küchenchef am offenen Meer direkt vom Fischerboot weg Tuna eingekauft hat.“

Auch Wein kommt selten via Ab-Hof-Kauf an Bord. Immerhin, Weißweine von Winzern im amerikanisch-kanadischen Niagara-Gebiet waren kürzlich am Einkaufszettel. Die Weinkarte umfasst rund 500 Positionen. Max Weber, der verantwortliche Corporate Manager, hat dabei neben Renommee stets auch die optimale Trinkreife im Blick; und das zu Preisen, die Kennern Lust auf mehr machen. Auf hoher See sind steuerliche Abgaben kein Thema. So preiswert bekommt man Bordeaux, Burgunder oder Prestige-Champagner wie Krug und Dom Pérignon nicht oft angeboten. Verdursten wird auf der MS Europa keiner. Man ist wassermäßig autark. Die Wassseraufbereitung erfolgt über zwei Dampferzeuger und eine Umkehrosmoseanlage. Zu Tisch kommt aber bevorzugt Mineralwasser aus der Flasche.

Klein ist superfein
Bei Kreuzfahrtschiffen ist die Größe ein wesentliches Kriterium für die Qualitätserwartung. An den Liegeplätzen mancher Häfen, inmitten der großen Kreuzfahrtschiffe, die wie schwimmende Wolkenkratzer wirken und beim Anlegen den Kai verdunkeln, ist die MS Europa leicht zu übersehen. Mehrere Tausend Passagiere haben auf diesen Riesen, die der Schifffahrt nicht unbedingt ein positives Image eingebracht haben, Platz. Die MS Europa wirkt ­dagegen wie eine elegante Limousine am Lkw-Parkplatz. In der Regel reisen mit dem Schmuckstück rund 350 Gäste, 285 Mitarbeiter sorgen für deren Wohlbefinden und Sicherheit. Das zahlenmäßige Verhältnis von Gästen zu Personal kann sich mit dem von absoluten Spitzenrestaurants oder auch Luxus-Hotelprojekten wie etwa jenen von Soneva, Aman oder Mandarin vergleichen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Jede der 200 Kabinen darf sich Suite nennen, jede einzelne hat Blick aufs offene Meer, viele davon mit einem kleinen Balkon. Die Penthouse Grand Suite misst stattliche 85 m2. Die Mehrheit der Passagiere ist in den ­Veranda Suiten mit 27 m2 vollends ­zufrieden.

Der sehr hohe Anteil an Stammgästen spricht für sich. Einige Passagiere waren schon mehr als dreißig Mal an Bord. Sie spazieren so über Deck, als wenn es ihr eigenes Ferienhaus wäre. Entsprechend eng ist auch der Kontakt zu den Mitarbeitern. Sehr außergewöhnlich ist nach wie vor, dass auf der MS Europa Deutsch als Hauptsprache gepflegt wird. Eine Seltenheit in der sonst mehrheitlich auf die englischsprachigen Märkte ausgelegten Cruise-Branche. Das hat klarerweise Einfluss auf das Publikum. Mehrheitlich sind es Deutsche, die sich diesen Luxus gönnen, dazu natürlich Gäste aus Österreich und der Schweiz, aber auch Passagiere aus Benelux sind oftmals an Bord. Die Sprache hat zudem Einfluss auf die Atmosphäre. Wer die launig-korrekte deutsche Nordlicht-Mentalität schätzt, ist hier genau richtig. Das passt perfekt zu der von allen Führungspersönlichkeiten am Schiff vermittelten Wohlfühlatmosphäre, die gerne auch mit dem Motto „Haben Sie die beste Zeit der Welt“ beschworen wird.

Weltreisen und kürzere Etappen
Regelmäßig startet die MS Europa von Hamburg aus zu einer Art Weltreise. Das logistische Planungspuzzle beginnt vier bis fünf Jahre vor dem Ablegen. Die internationale Seefahrt hat viele Reglements: Welche Routen sind befahrbar? Welche Häfen kann man mit welchem Schiffstyp anfahren? Nicht selten sind dabei die erlaubten Slots schon lange ausgebucht. Aktuelle Herausforderungen für die Chefplaner in der Hapag-Lloyd-Zentrale sind Kriege oder Piraterie. Generell hat jede Unebenheit im internationalen Tourismus mögliche Auswirkungen auf die Schiffsroute. Covid-19 war natürlich der komplette Horror. Aber auch ein Flugstreik oder ein durch den Ascheregen eines Vulkans auf den Kopf gestellter Flugplan können gigantische Pro­bleme verursachen. Denn wie kommen die Passagiere an den jeweiligen Stopps zeitgerecht an Bord? Wie kommen die Abreisenden wieder nach Hause? Die wenigsten MS Europa-Passagiere machen die ganze Tour (im saloppen Jargon heißt das „die große Hafenrundfahrt“) mit, etwa wenn es von Hamburg innerhalb von einigen Monaten quer über den Atlantik zuerst die amerikanische Küste entlang, später in den Südpazifik und dann nach Australien und Asien geht. Viele suchen sich aus dem Programm die jeweils für sie interessante Destination heraus. Etappen mit einer Reisedauer von drei bis vier Wochen machen den meisten Sinn.

Internationalität ist alleine schon durch den bunten Mix der Herkunftsländer der Crew gegeben. Wie auf allen Schiffen machen Mitarbeiter von den Philippinen einen großen Anteil aus, sowohl auf der Brücke und bei der Schiffstechnik als auch in der Küche und bei den Zimmermädchen. Die für sie verpflichtenden Deutschkurse, man will zumindest gute Basics, sind für die Filipinos ebenso eine Herausforderung wie für die an Bord arbeitenden Kirgisen. Alles kein Problem, wer zur See fährt, ist stets in hohem Maß motiviert. Neben den jeweils erforderlichen Fachkenntnissen zeichnet philippinische Mitarbeiter vor allem aus, dass sie am liebsten sieben oder acht Monate am Stück an Bord arbeiten möchten, ehe sie dann einen mehrmonatigen Landaufenthalt antreten. Das erleichtert die Personalplanung ungemein. Kapitän, Offiziere und alle leitenden Mitarbeiter sind in der Regel zweieinhalb Monate am Stück an Bord.

Krawatte ist nicht mehr Pflicht
1999 stand die MS Europa erstmals im Dienst. 2019 lag das Schiff zur großen Renovierung in der Werft. Covid-19 nahm dem Comeback den Glamour. Überlappend trafen sich in diesen Jahren Überlegungen, die Stil- und Hy­gienefragen zugleich betrafen. In der Rückschau darf man sich ein normales Abendessen Anfang der 2000er so klischeehaft vorstellen, wie es aus Filmen mit gängigem Agatha-Christie-Plot bekannt ist. Im großen Speisesaal dinierten alle Passagiere zur festgelegten Zeit gemeinsam mit fixer Sitzordnung an großen Tischen. Bekleidungsmäßig waren Abendkleid und Smoking obligat. Ohne Anzug und Krawatte bekam Mann nichts zu essen.

Seit 2019 stehen Zweier-, Vierer- und Sechser-Tische zur Verfügung. Die Einführung von variablen Essenszeiten war eine kleine Revolution, ebenso wie die Tatsache, dass die Herren abends nur noch ein Sakko tragen sollen. Mancher Stammgast war anfangs mit den Neuerungen gar nicht so glücklich, mittlerweile sehen aber alle die Vorteile. Und zu manchen Anlässen, etwa beim Kapitänsdinner, gibt es noch die Möglichkeit für den Auftritt in der besten Garderobe. Durch die doch recht hohe Anzahl an eher betagten Stammgästen steht die nächste kleine Revolution aus biologischen Gründen unweigerlich ins Haus. Nach und nach wird sich die Klientel verjüngen, auch Kinder sind dann vielleicht nicht mehr exotische Einzelereignisse. Das Publikum ändert sich auch je nach Reisezeit und -dauer. In der Saison der Schul­ferien sind für Familien zeitlich auch einmal 14 Tage an Bord möglich, während längere Passagen allein schon wegen des Zeitfaktors unmöglich wären. Und auch Berufstätige hadern da mit dem Zeitbudget.

Manche fragen sich vielleicht, was man so den ganzen Tag an Bord macht. Oft stehen Landausflüge auf dem Programm, gefahren wird dann nur in der Nacht. An puren Seetagen kann man im Pool plantschen, im Spa die Verjüngung anstreben, Ähnliches im Fitnesscenter versuchen oder auch nur an Deck sitzen und in die weite See meditieren. Man kann eventuell, so wie auch sonst im Leben, die Zeit im Internet vergeuden (Vorsicht: Das kann je nach Satellitentarif auf hoher See teuer sein) oder einfach ein Buch lesen und sich innerlich bereits auf die nächste Mahlzeit einstellen.

Kulinarik ist das Thema Nummer eins
Bei allen spektakulären Naturwundern und Sehenswürdigkeiten, die während der langen Schiffspassagen vorbeiziehen, war und ist Kulinarik das bestimmende Hauptthema an Bord. Nicht nur weil die Seeluft angeblich hungrig macht. Sagen wir es so: Ein Kreuzfahrtschiff ist kein Wirtshaus, aber irgendwie dann doch. Rund 350 Gäste mit Anspruch bei Laune zu halten, ist eine Herausforderung. Jedes der fünf zur Wahl stehenden Restaurants ist im Reisepreis inkludiert. Je nach Publikumsinteresse und Etappendauer ist es unterschiedlich leicht, einen Platz im gewünschten Restaurant zu reservieren.

Neben dem großen eleganten Hauptrestaurant ist da das Lido, ein Restaurant mit großer Außensitzfläche am Heck des Schiffs. Ideal bei hohen Temperaturen, beliebt bei Rauchern und nicht zuletzt wegen seiner betreuten Buffetzone ein wenig an einen legeren Yachtclub erinnernd. Formeller geht es da vergleichsweise bei Carpaccio, Pasta und Ossobuco im italienischen Restaurant V­enezia zu. Tatsächlich hochkarätigen Gourmetanspruch haben das Pearls, eine auf Kaviar als Hauptthema ausgerichtete Küchenbar, und das The Globe von Küchenstar Kevin Fehling. Der hanseatische Dreisternekoch war vor Jahren selbst einige Zeit als Souschef auf der MS Europa tätig, kennt und liebt das Schiff. Maximal 20 Gäste pro Abend können im The Globe dinieren. Das Konzept ist hochkarätig und zugleich klischeehaft; penibel gemachte Miniaturen mit höchster Präzision. Der Service gibt Anleitung und Anekdoten zur Entstehung der Kreation, etwa wenn Gänseleber und Räucheraal kombiniert werden oder sehr smooth gegarter Lachs von den Färöerinseln mit Ponzu-Schaum, Koriander-Emulsion und Kaviar ein wirklich herrliches Fischgericht ergibt. Ein exzellentes Gourmeterlebnis sind die acht Gänge in jedem Fall.

Vielleicht liegt es an der atmosphärischen Isolation, die an die von vielen Nobelhotels bekannte Gourmetecke gemahnt, dass das Hauptrestaurant und der Italiener den meisten Gästezustrom haben. Man will ja beim Essengehen auch die anderen Gäste sehen. Im Venezia fühlt man sich wie in einem altmodischen Ristorante. Man kann schon vorher in etwa erahnen, wie die Speisen aussehen und schmecken; fast zumindest. Dass bei den Spaghetti Vongole mit Tomaten und Fenchel mehr Gemüseeinlage als Muscheln präsent ist, nimmt ein wenig die Begeisterung heraus. Weniger mit deutscher Rezeptdeutung denn viel mehr mit praktischen küchentechnischen Erwägungen hat es dann zu tun, wenn sich Tagliata di Manzo als Scheiben vom Entrecote darstellen, die ihr rosa gebratenes Dasein vermutlich im Hold-o-maten erhielten. À la minute zu braten scheint bei dieser Anzahl von Gästen leider nicht machbar zu sein. Da ist dann aber auch umgekehrt das tadellose Kalbstatar mit cremigem Kräutersalat, an dem es nichts zu bemäkeln gibt.

Die Details und Tücken einer Großküche machen sich auch im prächtigen Hauptrestaurant bemerkbar, wobei es stets auf die Bestellung ankommt. Wer Gebratenes bestellt, wird möglicherweise enttäuscht. Weder Fleisch noch Fisch weisen da die typischen wünschenswerten Röstnoten auf. Auch der lange Weg vom Herd bis zum Tisch unter der Cloche scheint dem Genuss im Weg zu stehen. Umso ansprechender können dann wiederum Gerichte aus der kalten Vorspeisenküche oder auch Geschmortes ausfallen. Fast schon eine Ironie, dass es gerade das Wiener Schnitzel ist, das im Hauptrestaurant durch die Bank Begeisterung hervorruft. Dünnes Kalbfleisch, perfekt paniert und goldgelb kross gebacken – es geht ja scheinbar doch mit dem à la minute.

Wahrer Luxus heißt: kein Buffet
Das Hauptrestaurant verdient seinen Namen auch bezüglich des Fassungsvermögens. Dicht bestuhlt, können hier alle Passagiere zugleich Platz finden. Die Hauptküche liegt übrigens ein Deck tiefer und ist durch Rolltreppen mit dem Restaurant verbunden. Im Hauptrestaurant gibt es kein Abendbuffet. Das ist die tatsächliche Definition von Luxus. Jeden Abend wird das Menü serviert. Auch das ein Grund, warum kleineren Kreuzfahrtschiffen die luxuriöse Zukunft gehört. Auf den riesigen Schiffen anderer Reedereien ist alles denkbar, nur kein individueller Service.

Überhaupt ist der Service sehr herzlich und bemüht. Schon nach kurzer Zeit wird man von den meisten Mitarbeitern mit dem Namen angesprochen; bemüht um jedes Detail, ein Wegsehen erlebt man nicht. Allein in der Hauptküche arbeiten rund 50 Menschen, 40 kochen, zehn putzen. Es ist eine Küche, die der von großen Hotels ähnelt. Ordnung gehört zum Überleben, die einzelnen Sektionen sind akkurat organisiert. Michael Hoffmann ist der Corporate Chef von Hapag-Lloyd Cruises. Das bedeutet, dass er sich um das gastronomische Angebot aller fünf Schiffe im Konzern kümmert. Eine spannende Aufgabe, weil dazu auch kleinere Expeditionsschiffe gehören, die beispielsweise häufig an den Polen unterwegs sind. Michael Hoffmann kennen manche vielleicht noch aus der Zeit, als er in seinem Berliner Restaurant Margaux die erste wirklich hochstehende vegetarische Küche im deutschsprachigen Raum etablierte. Gleich ums Eck vom Brandenburger Tor wurden damals auch Gemüse und Kräuter angebaut.

Pearl: Das einzigartige Kaviar-Restaurant
Michael Hoffmann ist ein hochkarätiger Küchenchef, der über die Jahre nicht nur die küchentechnischen Möglichkeiten an Bord kennt, sondern auch die Machbarkeiten immer wieder neu abklärt. Von ihm kommen zumeist die entscheidenden Anstöße, wenn es darum geht, die kommenden Destinationen auch via Produkte und Zubereitungen ins Menü einzubeziehen. Das kann Nikkei-Küche sein, wenn es Richtung Südpazifik geht, das kann aber auch ein besonderes Barbecue sein, wenn einmal ein Strandausflug auf dem Programm steht. Ein echtes Schmuckstück an Bord ist das Restaurant Pearl mit einer Art Küchenbar und großer Kühlvitrine, in der die Hauptdarsteller des Abends lagern: ausgesuchte Kaviarsorten vom hanseatischen Traditionshändler Aki-Altonaer-Kaviar. Das sechsgängige Kaviarmenü ist begeisternd unique gestaltet, macht endlich Schluss damit, dass Kaviar zumeist sein Dasein nur als Garnierung fristet. Es braucht schon einen ordentlichen Löffel, damit Geschmack und Textur würdig zur Geltung kommen. Mandarin Imperial Caviar geht großartig mit Reis-Frittata. Caviar d’Aquitaine präsentiert sich ganz groß auf gelierter Rote-Beete-Bouillon mit Himbeeren und Crème fraîche. Ossetra Caviar begeistert in der Kombi­nation mit Hummer-Tempura und Yuzu-Perlhuhn.

Laut Michael Hoffmann ist die größte Herausforderung an Bord die Beschaffung möglichst guter ­Produkte. Was man selbst herstellen kann, wird auch selbst hergestellt: Brot etwa; und nein, Backmischungen sind dabei verpönt. In der Patisserie, wo auch Plunder- und Blätterteige entstehen, herrscht täglich Hochbetrieb. Landesgesetze können auch in der internationalen Seefahrt eine wahre Plage sein. So gestatten die USA, kein Scherz, nicht das manuelle Polieren von Gläsern und Besteck. Pfeffermühlen und Zucker ohne Verpackung im Döschen? Ein No-Go. Rohmilchkäse beim Dinner – you’re joking! Die Vorschriften sind mitunter rigoros und tunlichst zu befolgen, die regelmäßigen Kontrollen durch die Behörden alles andere als lustig.

Nose-to-Tail und leichtes Öl
Die Mitarbeiter in der Küche sind die größten Kritiker beim Essen, sagen, wenn es nicht gut ist. Das ist der Stolz der Arbeitenden, aber auch, weil man es oft vergisst: Die Crew isst ja auch, und sie besteht aus knapp 300 Mitgliedern. Nose-to-Tail ist durchaus gängig, sämtliche Abschnitte, ganz gleich ob von Gemüse, Fisch oder Fleisch, landen im Fond. Weggeschmissen wird wenig, und dass für die Fische etwas im Meer landet, ist schon lange nicht mehr. Abfall wird getrocknet und verbrannt. Was oben aus dem Schornstein herauskommt, ist natürlich nicht bloß Wasserdampf. Man ist sich aber der zeitgemäßen Anforderungen bewusst. Die Dieselmotoren für Antrieb und Stromerzeugung werden mit sogenanntem Marine-Gasöl angetrieben, die höchste Klasse von Schiffsbrennstoff mit der niedrigst möglichen Konzentration an Schwefel- und Partikelgehalt. Kostet doppelt so viel wie normaler Schiffsdiesel. In der Werft arbeitet man bereits an Lösungen mit umweltverträglichen Biofuel-Beimischungen.

Der eigentliche Antrieb wird von zwei unter dem Rumpf hängenden Propellergondeln übernommen. Beide sind mit jeweils einem Elektromotor ausgestattet, so wie auch die beiden Querstrahlanlagen zum besonders exakten Manövrieren im Hafen und in anderen anspruchsvollen Zonen. Um Roll- und Stampfbewegungen bei rauer See besser auszugleichen, hat die MS Europa auch noch sogenannte Flossenstabilisatoren eingebaut. Ein Besuch auf der Brücke beim Kapitän gehört zum Sehnsuchtsprogramm eines jeden Passagiers. Kaum vorstellbar, wie dieses Schiff im Hafen zentimetergenau an der Kaimauer geparkt wird. Das große Steuerrad dient mehr der Dekoration. Manövriert wird mit Computereingabe und Joystick. „Wir werden dafür bezahlt, dass wir heikle Situationen vermeiden“, sagt Kapitän Jörg Peter ­Berendsen, der stolz zugibt, dass die MS Europa in jedem Hafen besondere Aufmerksamkeit genießt.

Sicherheit geht jedenfalls über alles. So wird auch jeder unangenehmen Schlechtwetterfront möglichst ausgewichen. Und dass man mit einem vergleichsweise kleinen Kreuzfahrtschiff (Tiefgang: 6,2 Meter) Orte ansteuern kann, die den Großen verwehrt bleiben, macht für Kapitän wie Passagiere eben den besonderen Reiz aus. ­Darin sehen auch alle Experten die glorreiche Zukunft der Luxuskreuzfahrten. Denn wer würde nicht gerne zumindest ein Mal im Leben so exklusiv an eine Meeresküste reisen. —

Kombüse de luxe: Kevin Fehling (im Bild li.) am Pass des Gourmetrestaurants The Globe, das seine Sterne auch an Land hätte
© Susanne Baade/The Smiling Moon/Hapag-Lloyd Cruises
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Michael Hoffmann hat das Pearl erfunden, ein ideenreiches Restaurantkonzept, bei dem Kaviar die Hauptrolle spielt. Das Dinner dort, eventuell auch mehrmalig, ist im Ticketpreis inbegriffen.
© Susanne Baade/Hapag-Lloyd Cruises
© Christian Grünwald
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Der schönste Platz an lauen Abenden auf hoher See ist der Outdoor-Bereich des Lido-Restaurants am Heck des Schiffs.
Für den Absacker geht es dann später die Treppen hinauf in die Sansibar.
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Martin Fasching, Sommelier aus Fischbach in der Steiermark, liebt seinen Job an Bord und ist stolz darauf, im Hauptrestaurant ein Weinprogramm mit etwa 500 Positionen zu präsentieren.
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© Kevin Spielmann – Photo & Cinema
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Die vergleichsweise kleine MS Europa kann Hafenplätze ansteuern, die großen ­Schiffen verwehrt bleiben, wie etwa Manhattan/New York City.
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Die Steuerung bewerkstelligt Kapitän Jörg Peter Berendsen mit Computer und Joystick.
© Kevin Spielmann – Photo & Cinema
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Die Welt entdecken
Wer ausreichend Zeit und Geld hat, bucht einfach die große Hafenrundfahrt. So nennen Insider eine Weltreise mit der MS Europa, die rund 150 Tage dauert. Das Schiff startet dafür regelmäßig von Hamburg aus mit unterschiedlicher Routenführung. Je nach Neigung und Budget bucht man als Passagier einzelne Etappen, wobei einige lediglich zehn Tage Reisezeit benötigen.

Die meisten attraktiven Passagen erfordern mit An- und Abreise knapp drei Wochen. Alles Wissenswerte dazu online auf hl-cruises.de. Der derzeitige Planungsrahmen reicht terminmäßig schon bis ins Jahr 2026.

Compliance-Hinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung von Hapag-Lloyd Cruises.