Höhenrausch – Der Weingenuß hoch über den Wolken

Ein Flight durch die Weinkarten der Airlines.

Text von Helga Baumgärtel Foto: beigestellt
Über den Wolken muss der Wein-Durst wohl grenzenlos sein, könnte man in Anlehnung an den alten Reinhard-Mey-Hit singen. An die 3,5 Millionen Liter Wein, Sekt und Champagner fließen z.B. bei der Lufthansa alljährlich durch durstige Passagier-Kehlen. Und: Vive la France! 900.000 Flaschen Champagner schenkt Air France im Jahres­Turnus aus.

Etihad Airways, die Fluggesellschaft des Emirats Abu Dhabi, investiert jedes Jahr sechs Millionen Dollar in alkoholische Getränke. Bei den Emirates im Nachbar-Emirat Dubai sind’s sogar noch zwei Million Dollar mehr.

Und wann immer ein A 380 der Emirates – der neue Großraum-Chic der internationalen Airlines – abhebt, dann hat er 500 Flaschen Wein und mindestens 30 Flaschen Champagner an Bord.

Qatar Airways, Fluggesellschaft des winzigen Emirats Katar, kann sich sogar einer der besten Weinkarten unter den Fluglinien dieser Welt rühmen.

Drei Emirate im Glauben dem Islam verbunden. Und der ist bekanntlich nicht sonderlich alkoholaffin.

Aber was soll’s. Über den Wolken tobt heutzutage ein erbitterter Luftkampf um Passagiere. Besonders um die zahlungskräftigen der Langstreckenflüge in der gewinnbringenden First und Business-Class.

In den neuen Großraum-Jets A 380 gibt es sogar – wie bei den Emirates in der First und Business – Bar Lounges mit Barkeeper und komfortablen Sesseln.

Die Ausnahme: Nur auf Flügen nach Saudi Arabien ist die Alkoholausschank verboten. Saudis sind da doch eher den Islam­Geboten untertan.

Lukull lässt grüßen. In der First Class der Lufthansa wechseln im Zwei-Monats-Turnus köstliche Gerichte, von internationalen Starköchen kreiert.

Bei Austrian Airlines kümmert sich DO & CO (www.doco.com) um das Wohl der Gäste, neben der nationalen Linie werden 20 weitere Fluggesellschaften kulinarisch versorgt. An Bord der Langstrecken­Flieger befindet sich übrigens stets ein „Flying Chef“, der die Speisen à la minute zubereitet.

Last but not least gibt’s da noch das „Fliegende Kaffeehaus“, in dem dank Julius Meinl (www.meinl.at) in 30.000 Fuß Höhe ein Dutzend frisch aufgebrühter Kaffeesorten angeboten werden. Vom kleinen und großen Braunen über den kleinen Schwarzen – verfeinert mit frischem Schlagobers – bis hin zur Maria-Theresia-Kreation: schwarzer Kaffee mit Orangenlikör. Hoch lebe die Wiener Kaffeehauskultur!

Himmlische Weine serviert die AUA unter anderem mit einem Riesling Steinterrassen vom Weingut der Stadt Krems (www.weingutstadtkrems.at), begleitet von einem Grünen Veltliner Urkristall vom Weingut Gschweicher (www.gschweicher.at). Als Roter steht ein Kumarod 2011 vom Kultwinzer Johann Schwarz (www.thebutcher.at) aus Andau im Burgenland auf der Weinkarte.

Klar, dass bei den nationalen Airlines stets ein heimisches Gewächs serviert wird.

Die sprudelnde Konkurrenz eröffnet Etihad mit einem Bollinger La Grande Anneé 2004, und bei Qatar Airlines können die Passagiere der ersten Klasse zwischen Veuve Clicquot Ponsardin La Grande Dame Brut 1998, einem Grand Siècle Champagne 1969 und einem Charles Gardet Rosé Champagne 2001 wählen. Santé!

Na ja, bei den reichen Emirates darf’s natürlich noch exklusiver sein: ein Dom Pérignon 2000 für die First. Aber immerhin in der Business, selbst in der Economy ist es noch ein Moët & Chandon Brut Impérial.

Noch ein paar Hits in Weiß und Rot? Ein Meursault 2000 Domaine Bouchard Père und als Roter ein Bordeaux Château La Lagune 2000 verwöhnen die Gäste der Emirates First.

Bei Qatar Airlines fließen in der First ein Chassagne Montrachet Michel Coutoux 2004 oder der berühmte Moselaner Dr. Thanisch Bernkasteler ins Glas, und als roter Bordeaux steht ein Château Brane-Cantenac 1998 zur Wahl.

Wein-Wettbewerb. Natürlich ist jede Airline stolz auf ihre Super­Selektion. Und natürlich stellt sich jedes Jahr von neuem die Frage: Wer hat die besten Weine an Bord?

Weinexperten sitzen tagelang zusammen, diskutieren, verkosten und stimmen ab. 30 Sommeliers, Weinhändler und Winzer waren es im vergangenen Jahr, die sich durch 115 Weinproben – angeliefert von 26 internationalen Fluglinien – kämpften.

Austrian Airlines ist stolz darauf, dass ihre Weinauswahl in der Business von der internationalen Jury als die beste unter den 26 internationalen Fluglinien gekürt wurde.

Aber die Jury, die jedes Jahr „Wines on the Wing“ für das internationale Reisemagazin Global Traveller auswählt, war sich nicht ganz einig, wer den besten Champagner in 10.000 Metern Höhe serviert. In der Business-Class lagen Lanson Gold Label Brut 1999 von Virgin Australia stimmengleich mit dem Jacquart Brut Mosaique der Lufthansa.

In der First lag der Comtes de Taittinger Blanc de Blancs 1999 von Asiana Airlines, der südkoreanischen Fluggesellschaft aus Seoul, knapp vor der Cuveé Allegra Jacquard 2004 der Lufthansa.

Den besten Weißwein in der ersten Klasse, einen Dr. Fischer Riesling 2008 aus Ockfen an der Saar (www.dr-fischer-ockfen.de), serviert Etihad Airways, den besten Roten Asiana Airlines mit einem Château Gruaud-Larose 2006 und die Lufthansa mit einem Astrales Ribera del Duero 2005.

Uff! Kein leichter Job für die Sommeliers „in charge“!

Bei der Lufthansa zum Beispiel ist es Markus Del Monego, 1998 zum Weltmeister der Sommeliers gekürt und jetzt verantwortlich für die Auswahl der Bord-Vinothek aller Lufthansa-Klassen.

„Die Auswahl“, sagt er, „ist nicht so einfach. Denn über den Wolken schmeckt der Wein einfach anders. Wobei es nicht der Wein ist, der sich verändert. Aber der Passagier nimmt in 10.000 Metern Höhe die Weine einfach anders wahr. Die Aromen werden anders empfunden als auf dem Boden.“ Höhenrausch. In den Kabinen der Flugzeuge herrscht ein tieferer Luftdruck als am Boden. Bei Tests des Münchner Fraunhofer-Instituts in einer Niederdruckkabine wurde festgestellt, dass sich im Flugzeug besonders süße und salzige Aromen aus dem Wahrnehmungsspektrum verabschieden.

Da in einer Flugzeugkabine eine relative Luftfeuchtigkeit von meist nur 15 Prozent herrscht – auf der Erde sind es durchschnittlich 50 Prozent –, trocknen die Schleimhäute eher aus, weshalb feine Aromen fast nicht mehr wahrgenommen werden.

Deshalb wird getestet und getestet. Cathay Pacific Airways zum Beispiel verkostet gerne umgehend nach dem Eintreffen der Weine in Hongkong. So will man sicher sein, dass der Wein auch nach langem Transport noch gut mundet. Noch raffinierter ist die Technik bei Singapore Airlines. Dort hat man einfach eine Unterdruckkammer gebaut, in der eine Höhe von 10.000 Fuß simuliert wird.

Bei der Lufthansa sucht man Weine mit niedriger Säure und niedrigem Tannin, die etwas mehr Alkohol und Süße besitzen dürfen.

Ade, Bordeaux. Eigentlich sollte man wegen des Tannins auch keinen edlen Bordeaux Cru Classé hoch über den Wolken trinken. Eigentlich. Aber First Class Passengers sind halt anspruchsvoll

Oder wie Weinpapst Robert Parker ergänzt: „Wenn ich im Bordeaux Weine degustieren muss, tue ich das ungern bei einer Schlechtwetterlage. Der tiefe Luftdruck stört mein Geschmacksempfinden.“

Also, am besten konsultieren Sie einen Meteorologen, bevor Sie in die Luft gehen.

Trotzdem: Prosit und einen guten Flug!