Im Namen der Mischung

Auf der Suche nach dem wahren und einzigen Käsefondue.

Im Namen der Mischung

Eine Beschreibung von Christian Seiler Illustration: Markus Roost
Mein erstes Käsefondue aß ich auf einer Autobahnraststätte in der Nähe des Greyerzer Sees. Das war ein sinnstiftendes Erlebnis.
Erstens gewährte mir die Terrasse des ansonsten eher schlichten Gebäudes einen hübschen Blick ins Grün der Fribourger Alpen, der bestimmt noch eindrucksvoller ausgefallen wäre, wenn es nicht seit etwa zwei Stunden taggedämmert hätte, ich sage nur: so ein Nebel. Meine Reiseführerin nahm mich an der Hand und verordnete mir das Gericht, von dem alle Schweizer meinen, dass es weltberühmt sei, während unsereins ja unter Fondue etwas gänzlich Artfremdes, nämlich auf langen Gabeln ins heiße Öl gehaltene Fleischfetzen versteht, ein Missverständnis, das dir jeder Schweizer – ausgerechnet! – semantisch auseinander nimmt. "Fondu" (franz.) heißt nun einmal "geschmolzen", und ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass jedem einzelnen Eidgenossen, mit dem ich darüber ins Gespräch kam, der Witz einfällt, dass man Fleisch doch nicht schmelzen kann, odr? Stellen Sie sich den letzten halben Satz in diesem Krustenbrotidiom vor, wie es westlich des Arlbergs in Verwendung steht, und Sie können ermessen, wie schnell ich mir diese Wahrheit zu eigen machte, nur um den Witz nicht mehr hören zu müssen.
Wir bestellten also eine Portion Fondue, meine Begleitung nickte wissend auf die Frage der Bedienung, ob "Moitié-Moitié" recht sei. Ich erfuhr erst viel später, dass damit die Proportionen zwischen Gruyère und Fribourger Vacherin angesprochen wurden, die "halb-halb", fifty-fifty, betrugen. Schon wurden in kleine Würfel zerlegte Weißbrotwecken gebracht, ein mit einem rot-weiß-karierten Geschirrtuch ausgekleideter Weidenkorb, in dem kleine, gekochte Kartoffeln heiß gehalten wurden, Perlzwiebeln, Cornichons und der lodernde Rechaud, auf den nur einen Augenblick später die flüssige Käsemasse gestellt wurde.
"Was wollen Sie trinken?" fragte die – um bei der Schweizer Semantik zu bleiben – Serviertochter, nur um mir im selben Atemzug, in dem ich eine Flasche Fendant, den klassischen Westschweizer Weißwein, bestellte, mitzuteilen, dass an Schweizer Autobahnstationen kein Alkohol ausgeschenkt werde, nein, mein Herr, auch nicht an Beifahrer. Es kam also Tee, schwarzer Tee, und die Angewohnheit, zum Fondue Tee und nicht, ständig durstiger werdend, allein Weißwein zu trinken, habe ich mir von besagter Autobahnraststätte mitgenommen.
Es gibt viele Theorien, die uns erklären wollen, wie Menschen auf die Idee kommen, Kühen Milch abzuzapfen, diese so lange nicht zu verbrauchen, bis Käse daraus geworden ist, den Käse über dem Herdfeuer so zu erhitzen, dass er ein weiteres Mal den Aggregatzustand wechselt und wieder flüssig wird, so dass man an langen Spießen Brotstücke oder gesäuertes Gemüse in die blubbernde Masse halten kann, um diese gemeinsam mit dem heißen Käse zu verspeisen. Die zahlreichen Hypothesen sind natürlich nicht ganz so mysteriös wie die Mutmaßungen über den Ursprung des Kaffees – was musste passieren, damit irgendein ahnungsloses Glückskind eine Handvoll Kaffeebohnen fermentiert, röstet, mahlt und mit kochendem Wasser übergießt, kumba ya, my Lord? –, aber immerhin.
Immerhin verwöhnen uns regionale Geschichtsschreiber mit der Idee, dass vife savoyanische Mönche die Regeln der Fastenzeit – alles, nur keine feste Nahrung – intelligent auslegten und die kulinarischen Schätze ihrer Region – Milch, Käse, Rindfleisch – einer neuen Interpretation zuführten. Die Story, Käse zur Ehre des Schöpfers flüssig zu verzehren und dabei heiligmäßig satt zu werden, ist in ihrer klugen Bigotterie so gut, dass ich sie sofort mit dem Wahrheitssiegel versehe und ungeprüft weitererzähle, auch wenn die schweizerische Theorie plausibler ist, dafür langweiliger: die Schweizer schicken ihre Dankesgebete zum anonymen Sennen, der auf der Alm Käse produzierte und abends die Zeit totschlagen musste. Kann schon sein, dass tatsächlich so einem langbarterten Exemplar mit der
typischen, blau-weiß-gestreiften Sennenkutte einfiel, seinen Käselaib auf dem Herd zwischenzulagern und anschließend mit einem Stück Brot von der Herdplatte zu entfernen. Vielleicht hatte er auch einen Schluck Kirschwasser zu viel erwischt.
Die reale Verwandlung des Fondue zum Schweizer Nationalgericht erfolgte freilich später, als man denkt, nämlich erst Anfang der fünfziger Jahre. Damals nahm das Schweizer Armeekochbuch das Rezept in seine Sammlung auf, und Kompanie für Kompanie trug die Anleitung zum qualifizierten Käseschmelzen nach Hause, in Schweizer Küchen, in Schweizer Gaststätten. Die Zingg AG erkannte den werdenden Markt und bot 1955 die erste Fertigkäse-Mischung an. Dieser Idee sollte bleibender Erfolg beschieden sein. Wenn Sie in Schweizer Supermärkten nach einer Zahnbürste suchen, werden Sie selbst verwundert feststellen, dass das Angebot an Käsemischungen für Fondue vielfältiger ist.
Ende der siebziger Jahre kam ein schlauer Schweizer Werber – es handelte sich um den mittlerweile international bekannten Martin Suter, der nach dem Abschluss seiner Werbezeiten als Autor atemberaubender Romane Karriere gemacht hat – auf die Idee, dem kräftigen Gericht eine Prise cooler Ironie beizumischen. Suter textete für die Schweizer Käsewirtschaft den völlig unverständlichen Slogan "F.I.G.U.G.E.G.L" – und wurde weit und breit verstandenn.
F.I.G.U.G.E.G.L ist die Abkürzung für "Fondue isch guet und git e gueti Launi" – "Fondue ist gut und macht gute Laune" – und begeisterte auf dadaistische Weise Jung und Alt. Ich kann mich nicht erinnern, einem so abgedrehten Diktum an so unterschiedlichen Orten wie urbanen Spitzenrestaurants und ländlichen Puritätshochburgen begegnet zu sein. Falls Sie meinen Spuren folgen wollen und in der Schweiz nach dem one and only Fondue forschen, kann ich Ihnen nur zwei Dinge empfehlen, um einen zusätzlichen Thrill mitzunehmen: Geben Sie sich als Anhänger der savoyardischen Fondue-Theorie zu erkennen. Und finden Sie "F.I.G.U.G.E.G.L" bescheuert.
Ich nahm mir acht Jahre Zeit, um dem Geheimnis des Fondues auf die Spur zu kommen. Mein Hauptquartier befand sich zuerst in Luzern, dann in Zürich, und ich versuchte, auf ausgedehnten Ausflügen durch West- und Innerschweizer Kantone herauszufinden, was sich mit Recht Fondue nennen darf und was zum großen Thema Klumpenkäse gehört. Es war eine Reise von Spezialisten zu Spezialisten. Vergleichen Sie den Schwierigkeitsgrad meiner Aufgabe mit der eines Medizinstudenten, der in einer Gegend voller Wunderheiler herausfinden möchte, was die Schulmedizin leisten kann.
Ich folgte keiner ausgeklügelten Systematik, allein schon deshalb, weil Fondue ein Gericht ist, das man nicht systematisch essen kann. Eine Woche, während der ein Mensch täglich ein bis zwei Portionen Fondue zu sich nimmt, endet zwangsläufig beim Wunderheiler oder in der Notaufnahme der Schulmedizin, schließlich haben die für den durchschnittlichen Esser berechneten 200 Gramm Käsemischung im Schnitt schlanke 1000 Kalorien, da sind das Brot, der Wein, die Kartoffeln und der Schnaps, den man sich zum Verdauen reinzieht, noch nicht mitberechnet. Spätestens das dritte Fondue hätte also keine Chance mehr gegen das zweite, denn das Bewertungsvermögen leidet am leisen Widerwillen, der einen satten Menschen erfasst, wenn er die Tür zu einem Käselokal öffnet, hinter der ein schwüler, aggressiver Geruch lauert, der in seiner Nachhaltigkeit am ehesten mit dem Duft nach Bier, Zigaretten und Zwiebeln zu vergleichen ist, wie wir ihn aus den Wiener Beisln kennen.
Meine Route folgte also diversen Empfehlungen.
Ich reiste nach Fribourg und an den Jurasüdfuß. Ich bestieg das Kloster Belleley im Berner Jura, wo der berühmte "Tête de Moine" produziert wird und durchwanderte das Vallée de Joux, wo die schwarz-weißen Fribourger Rindviecher das Rohmaterial für den unglaublichen Vacherin Mont d’Or abliefern. Ich bestieg den Alpstein, um die Appenzeller Varianten des Käseschmelzens kennen zu lernen und winselte im
Wallis um die Gunst, ohne Reservation auf der Bretterbank eines für sein mit Ziegenkäse angemischtes Fondue berühmten Ausflugslokals Platz nehmen zu dürfen. Ich aß Fondue, wo immer Fondue serviert wurde, was sich für ein so genanntes Nationalgericht als
reichlich spezialistisch erwies. Denn die meisten Gastwirtschaften, in denen Fondue auf der Karte steht, beschränken die Ausgabe dieses Gerichts auf einzelne Wochentage, ja auf spezielle Tageszeiten – die dann gesondert als "Fondueplausch" ausgeschildert werden –, und man kann es ihnen, ehrlich gesagt, nicht verdenken. Schließlich bitten Wirten, die ihre Gäste lieben, auch Zigarrenraucher, erst nach 22 Uhr den Stumpen anzufeuern.
Auf diesen Streifzügen machte ich eine bittere Erfahrung. Kaum eines der zahlreichen Häuser an exponierter Lage gab sich spezielle Mühe bei der Zubereitung des Fondues. Ich kann es nicht beweisen, aber ich halte es für höchst wahrscheinlich, dass in den meisten Fondue-Wirtschaften mit fix und fertigen Käsemischungen gearbeitet wird, wie man sie in den nationalen Supermärkten "Migros" und "Coop" tonnenweise bekommt. Kaum einmal, dass der Geschmack sich vom einheitsrezenten, knoblauchdurchdrungenen Nullachtfünfzehn-Fondue unterschieden hätte, dass der lokale Käse auf nachvollziehbare Weise in den Vordergrund gedrängt hätte oder der lokale Weißwein oder von mir aus
irgendeine andere regionale Errungenschaft – ok, das Appenzeller Fondue, das ich im "Ochsen" in Stein verkostete, stellte alle anderen Käsemischungen in den Schatten, weil es mit einer Restschärfe aufwartete, die normalerweise nur in Thailand produziert wird, okay, nicht ganz so feurig, dafür, wie es der Schweizer nennt, räss, währschaft, kräftig. Doch das war die Ausnahme. Denn die Könner, die Virtuosen der Fondue-Bereitung, sitzen in den Städten.
Im Westen von Zürich, wo die Chance, dass man von einem Jaguar oder Mercedes 500 überfahren wird, wesentlich größer ist, als von einem VW Golf, stapeln sich die dicken BMWs, Jaguare und Mercedesse vor einer unscheinbaren Quartierkneipe, die ein beiläufiges Schild als "Chässtube Rehalp" ausweist. Die Chässtube geht einen konsequenten Weg. Sie serviert Fondue und nichts als Fondue – einmal abgesehen von Raclette und einem vegetarischen Starter namens Nüsslisalat mit Ei, einem mit Rotweinessig angemachten Vogerlsalat, über den wie nach einem Hagelunwetter weiße Körner aus Eiweiß gestreut sind. Ich mag Nüsslisalat, und nehmen Sie es als Wertung eines Befugten, wenn ich sage, dass ich nirgendwo sonst in der ganzen Schweiz jemals einen so guten Nüsslisalat bekam.
In Sachen Hauptspeise bietet die Chässtube zweierlei: Fondue für beliebig viele Personen, und zwar aus Fribourger Vacherin oder Moitié-Moitié, eine Hälfte Vacherin, die andere Gruyère. Dazu kommt geschnittenes Brot, und nur wer darüber hinaus noch Pickles bestellt (und extra bezahlt), wird mit derlei Ablenkungen – Zwiebeln, Gurkerl, Kartoffel – bedacht. Es geht allein um die Hauptsache: eine Käsecreme von einmaliger Konsistenz, von harmonischem, von etwas Knoblauch abgerundetem Geschmack, den man nie als aufdringlich, sondern als basic empfindet – womit sich die Problematik verlagert. Denn wer als Profiesser eine Käsehütte aufsucht, weiß, welche Voraussetzungen er mitbringen muss (außer einer Garnitur Gewand, die er so bald nicht mehr öffentlich ausführen möchte): Hunger. Ich kann Ihnen wirklich empfehlen, am Tag, an dem Sie zum Abendessen ein Fondue zu sich nehmen wollen, auf den Lunch zu verzichten und das Frühstück auf eine Tasse Kaffee zu beschränken.
Sie haben also Hunger, und jetzt kommt das pädagogische Moment des Fondues ins Spiel: Denn Sie laufen Gefahr, in den ersten vier Minuten nach Servieren des Caquelons derartig gierig Brot durch die Käsecreme zu schleifen und zu verschlingen, dass sie die Qualität des Gerichts erst zu schätzen beginnen, wenn Sie bereits satt sind – und Sie werden schnell satt sein, und Sie werden weiteressen, bis sich am Boden des Caquelons die berühmte, goldbraune Kruste bildet, die angeblich das Beste am Fondue sein soll. Ich selbst halte das für eine der zahlreichen Fondue-Legenden, die komplett unsinnig sind, wie insgesamt der Genuss von geschmolzenem Käse unsinnig ist, wenn es nicht der richtige Käse am richtigen Ort ist, flankiert vom richtigen Weißwein in der richtigen Menge.
Glauben Sie niemandem, der Ihnen den sogenannten "Coup du Milieu" einreden möchte, den angeblich unverzichtbaren Schluck Schnaps bei Halbzeit des Essens, einer Art
alkoholischer Gleichenfeier. Der Schnaps verleiht Ihnen keine unerklärliche Leichtigkeit, er macht Sie nur betrunken. In dieser Kunst üben sich auch die verstohlenen Geister, die im Namen der Verdauung ihre Brotstücke mit Kirschwasser tränken, bevor sie diese durch den Käse ziehen. Genauso gut könnte ich Ihnen raten, auf nüchternen Magen eine Flasche Champagner zu kippen, bevor der Nüsslisalat kommt. Dann finden Sie auch den knusprigen Teller gut.
Problematisch, problematisch. Außerhalb der Schweiz ein Fondue bereiten zu wollen, ist kein einfaches Unterfangen. Es gibt keine brauchbare Käsemischung, es gibt keine Fonduegeräte, es gibt einzig und allein die Chance, Exilschweizer aufzuspüren und ihnen so lange auf die Nerven zu gehen, bis sie dich endlich an einem Samstagabend zum Fondueplausch einladen. Allerdings müssen Sie dann darauf vorbereitet sein, dass nach dem Essen die Jasskarten ausgepackt werden, weil F.I.G.U.G.E.G.L, oder haben Sie das bereits vergessen?
Ich entschloss mich daher, den schwierigen Weg zu gehen und auf eigene Faust Fondue zuzubereiten. Bereits die Anschaffung der Hardware gestaltete sich schwierig
genug, weil selbst in der ansonsten prächtig ausgestatteten Aluminium KG in der Wiener Wollzeile kein Fonduegeschirr vorrätig war und erst bei "Spring" bestellt werden musste, der Schweizer Musterfirma, der ich sämtliche beschichtete Pfannen meiner Küche verdanke. Als der "Caquelon" schließlich eintraf, überreichte ihn mir die bezaubernde Verkäuferin eingewienert als "Käsekachel". Wie sollte unter diesen Vorzeichen nichts schief gehen?
Gleichzeitig fungierte ein regelmäßig zwischen Zürich und Wien reisender Geschäftskollege als Drogenkurier. Er hatte den Auftrag, bei der imposanten Delikatessen-Abteilung der Firma "Globus" deren Standard-Fonduemischung, aber auch die Gourmet-Mischung des bekannten Affineurs und Käsescouts Rolf Beeler zu besorgen, dazu allerhand Reinsortiges zwischen Gruyère, Vacherin und Appenzeller.
Ich funktionierte die Küche meines Weinviertler Wochenendhauses zur Chäschuchi um, dort kann man problemlos wochenlang lüften. Ich studierte mein helvetisches Lieblingskochbuch "Aus Schweizer Küchen" von der in ihrer resoluten Einfachheit großartigen (und leider im letzten Herbst verstorbenen) Marianne Kaltenbach, versicherte mich telefonisch bei Herrn Ernst, dem Chef der Chässtube Rehalp, rück, dass das Grundrezept so in Ordnung ginge, und machte mich an die serielle Umsetzung folgenden Vorgehens:
Für 4 Personen: 1 Knoblauchzehe, 600 Gramm Käse, 300 Milliliter Weißwein, 1/2 Teelöffel Maizena, 3 Gläschen Kirschwasser, Pfeffer, Muskatnuss
Der Caquelon (= die, ja, Kachel) wird natürlich auf dem Herd erwärmt und nicht auf dem Rechaud, der nur dazu dient, den Käse während der Mahlzeit nicht fest werden zu lassen. Der Keramiktopf wird zuerst mit dem Wein gefüllt – ich verwendete dazu durchgehend Grüne Veltliner verschiedener Qualitätsstufen, wobei ich zum Ergebnis kam, dass der Wein gemeinsam mit dem Knoblauch nur für die Grundstimmung dieses Gerichts sorgt, man muss also nicht zu tief in den Keller greifen. Die Verwendung österreichischen Weins halte ich für erlaubt, auch wenn die Experten Schweizer Wein empfehlen. Darin kann ich allerdings nur einen einzigen Sinn sehen: Sie wollen uns davor bewahren, diesen Wein – empfohlen wird in der Regel Waadtländer Fendant – trinken zu müssen. Tja, die Schweizer und ihr Fendant, eine traurige Geschichte, deren Details hier zu weit führen würden. Nur so viel: rigide Importbeschränkungen garantieren den Schweizer Weißweinwinzern eine Quasi-Monopolstellung auf dem Heimatmarkt. Dieses Monopol wird dazu benützt, flache, ausdruckslose und trotzdem reichlich teure Weine zu machen, für die sich jeder zweite Weinviertler Bauer genieren würde. Deshalb kann ein Schluck Veltliner im Fondue auch nur eine Verbesserung sein.
Inzwischen ist der Käse auch bereits durch eine Reibe gepresst – ich nahm dazu mein Allzweckgerät von Manufactum nach langer Pause wieder in Betrieb – und kann in den inzwischen köchelnden Wein gerührt werden, auf zurückhaltender Hitze, damit sich nicht des Fonduekochs größter Alptraum einstellt: die abrupte Scheidung zwischen Fett und Käserest. Die Schweizer Auskenner hatten mich beschworen, das Rühren während des nun folgenden Aufkochens in Form einer Acht zu bewerkstelligen: ich bin nicht sicher, ob sie ihrerseits einer alpinen Legende aufsitzen oder ob sie bloß vom Gedanken beseelt waren, sich mich in meiner Küche vorzustellen, wie ich sinnlose Achter in einen Topf mit mehr oder weniger flüssigem Käse male. Als ich später die Nerven wegschmiss und den Kochlöffel kräftiger, dafür kreisrund schwingen ließ, stellte sich jedenfalls keine spürbare Qualitätsminderung ein.

Gleichzeitig wird das Maizena in dem Schnaps aufgelöst und der Masse beigefügt. Ich begann mit vergleichsweise viel Maisstärke und reduzierte bei den folgenden Versuchen auf reichlich wenig. Der Stärkeanteil änderte an der Konsistenz kaum etwas, wohl aber an der Bekömmlichkeit des Fondues. Als ich nach dem ersten, etwas enthusiastischen Testabend um 2 Uhr 49 mit schwerem Völlegefühl im Süden meines Körpers erwachte, führte meine ebenfalls gerade über besagtes Gefühl sinnierende Frau dasselbe auf die zu geringe Menge von Schnaps im Käse zurück. Wie sich später erwies, korrelierte die Bekömmlichkeit freilich eher mit der Stärkemenge. Vielleicht resultierte
unser Wohlbefinden auch aus der Tatsache, dass wir von nun an höchstens ein Drittel der Fonduemenge des ersten Tages zu uns nahmen.
Die Globus-Standardmischung war okay, eher ein bisschen fad. Der pure Vacherin konnte mit dem Vacherin von der Chässtube Rehalp nicht mithalten. Der Gruyère war nicht konkurrenzfähig. Die Standardmischung der "Migros" erwies sich als eindeutiger Klassensieger, wenn auch weit davon entfernt, in Konsistenz und Schmelz mit den besten Fondue-Erlebnissen meiner Schweiz-Ausflüge mithalten zu können.
Ich war unzufrieden. Ich haderte. Ich suchte professionelle Hilfe. Schlich mich beim Käsebeauftragten des "Steirereck"s an, um diesen zu einem Statement in Sachen
Fondue zu provozieren. Er antwortete nicht. Dafür füllte er einen Plastiksack mit klein geschnittenen Käseteilen, von denen ich Freiburger Vacherin und Gruyère identifizieren konnte, nicht aber die Weichkäseteile, die sich scheinbar harmlos in die Mischung verirrt hatten. Die Schmelzmasse bedurfte während der Erhitzung einiger Zuwendung, meine Schweizer Freunde würden sagen: Achterbahnfahrten, aber der Moment, als wir unsere Fonduegabeln in die Creme – ja, es war eine königliche Creme, wenigstens für den Beginn der Mahlzeit, dann verfügte sich der Käse mangels Rührung in einen etwas zäheren Zustand – tauchten, war so, dass ich für einen langen, langen Augenblick das Gefühl hatte, dass es die Anstrengung wert gewesen sein könnte – zumal meine Hypothese, dass ein erwachsenes Fondue am besten durch einen deutschen Riesling (in diesem Fall war es eine Spätlese vom mainfränkischen Weltmeister Horst Sauer, 2003) in extraterrestrische Schwingungen zu versetzen ist, sich als wahr erwies.
So wahr.
So wahr.