Küchenwunder Spanien

Madrid kann man heute ohne mit der Wimper zu zucken mit Paris oder London vergleichen. Das finde ich zumindest – und ich habe mich bei mehrtägigen Intensivverkostungen in der Metropole Spaniens davon überzeugt.

Küchenwunder Spanien

Text: Hans Mahr Fotos: beigestellt
Fisch gekocht oder gegrillt. Paella mit Huhn und Meeresfrüchten. Tapas, meist fett, nur selten geschmacksintensiv. Das war das durchschnittliche Spanien vor der Revolution. Vor der Revolution durch baskische Kochgenies von Arzak bis Berasategui, durch die katalanischen Küchengenies mit Santi Santamaria nördlich von Barcelona an der Spitze und schließlich durch den wohl wichtigsten Koch der letzten 15 Jahre: Ferran Adrià aus dem kleinen Fischerdörfchen Rosas, der mit seinem "El Bulli" nicht nur in Spanien, sondern weltweit Furore gemacht hat.
In der Hauptstadt Madrid führen die "Top 3" unangefochten die Hitliste der Restaurants an. Wer dabei die Nummer eins, zwei oder drei ist, bleibt jedem selbst überlassen. Ich gehe am liebsten ins "La Broche". Das minimalistische weiße Lokal etwas abseits der Stadtmitte wird natürlich von einem Ferran-Adrià-Schüler geleitet. Das Degustationsmenü ist eine Sensation, es beginnt mit vier verschiedenen Tapas, gefolgt von Cremes aus Seegurke und jungen Erbsen über ein Tintenfischcarpaccio mit roten Rüben und Mangosorbet bis zu Fisch- und Fleischhauptspeisen, die etwas weniger "verrückt" sind. Mit einer Ausnahme: Den gebratenen Hahnenkamm habe ich noch positiv zur Kenntnis genommen, beim abschließenden Fohlenfilet jedoch verweigert. Alles in allem: grandios, interessant und ein Erlebnis!
Ähnlich geht’s bei "La Terraza del Casino" zu, dessen wilde Küche ans "El Bulli" erinnert. Kein Wunder, Chef Paco Roncero werkte auch sechs Jahre lang dort und hat viel von Adriàs Tricks nach Madrid gebracht. Und natürlich auch seine absurden Kombinationen. Erdbeeren in Anchovifilets, rohe Muscheln mit Artischocken, Mousse von Karfiol, Basilikum, rote Rüben und Artischocken als "Gemüse-Platte". Spät, aber doch, kommt nicht nur etwas zum Kosten, sondern auch etwas zum Essen auf den Tisch. Knackige Garnelen, kurz angebratener Kabeljau, Spielereien mit Schinken und Rind.
Das dritte Spitzenlokal im Bunde ist das "Sant Celoni", ein Ableger des berühmten "El Racó de Can Fabes" nördlich von Barcelona, wo der schon erwähnte Chef Santi Santamaria einen genialen Assistenten werken lässt. Etwas mehr "down to earth", aber durchaus originell, wird hier eine neoklassische Küche zelebriert, wie sie alle diejenigen lieben, denen die Kochexperimente der Erstgenannten zwischenzeitlich auf die Nerven gehen. Scampi mit Morcheln und Foie-gras-Schaum, Zicklein mit Kartoffelpüree und frischen Kräutern, Spanferkel mit wildem Spargel. Dazu gibt’s im "Sant Celoni" eine sensationelle Weinkarte mit Spitzengewächsen auch aus den neuen spanischen Weinbaugebieten, mit christlichen Preisen zwischen 40 und 50 Euro.
Nach so viel Außergewöhnlichem ein paar Tipps für die ganz "normale", aber qualitativ hochwertige spanische "Hausmannsküche": 20 Minuten von der Stadtmitte in dem kleinen Vorort Pocuelo findet man einen Platz, wie er "spanischer" nicht sein könnte. "La Cumbre de Casares" ist ein wunderbares Familienrestaurant, das ahnen lässt, wie man sich einst gut, deftig und trotzdem qualitativ hochwertig verköstigt hat. Eine Art "Grünauer" von Madrid eben. Zwar ist mit 160 Speisenangeboten das Menü etwas größer (Martha Grünauer schafft an guten Tagen maximal 30), aber was geboten wird, ist eben Spanisches vom Feinsten. Muscheln in Pfeffersauce, Shrimps in Öl und Knoblauch, Kaninchen, Schweinshaxe und herrlich abgehangene Rindersteaks. Dazu einfache, aber herzhafte Weine aus den besten spanischen Gegenden, zum Gutteil auch offen ausgeschenkt. Und das Ganze für einen Bruchteil des Betrages, den man bei einem Besuch in den neuen Gourmettempeln auf den Tisch legen muss: 50 bis 60 Euro pro Person, mehr kann man nicht verkonsumieren.
Wer die Madrider Innenstadt nicht verlassen und trotzdem authentische alt-spanische Atmosphäre genießen will, dem sei das "La Trucha" empfohlen, wo man zwischen Schinken und Knoblauchketten entweder die Hausspezialität (gefüllte Forelle) oder Köstlichkeiten wie gebackene Babytintenfische oder Huhn mit gebratenen Knoblauchstücken bestellen kann. Dazu gibt’s einen gekühlten Valdepenas und eine Atmosphäre wie anno dazumal nach dem Stierkampf. Laut, aber stimmig.
Noch drei Geheimtipps nach dem Motto "hip und schick": Das "Dassa Bassa" in Villalar ist vom lokalen Magazin "Metrópoli" zum besten neuen Restaurant des Jahres gewählt worden – die Küche ist hochinteressant. In einem weiß getünchten Ziegelkeller gibt’s Ochsenschwanz in Weinsauce mit Schokolade und ein Trüffel-Kartoffelpüree, das wirklich sensationell ist. Ein Dessert aus roten Rüben und Mango-Eis ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Persönlich finde ich das "Arce" im Zentrum, Treffpunkt der Jungen und Schönen, besser. Moderne baskische Küche, 12 kleine Gänge um 55 Euro und eine 700 Flaschen umfassende Weinliste machen einfach Spaß. Auch das japanisch-spanische "Nodo" ist einen Versuch wert. Im Erdgeschoß eines Bürogebäudes gelegen (aber mit einem kleinen, schönen Garten), kann man Thunfisch mit weißem Knoblauch-Wasabi oder karamellisierte Schweinsbauchstücke mit Bohnengemüse kosten.
Wer es in Madrid nur auf die guten spanischen Tapas abgesehen hat, findet rund um die Plaza Mayor eine Menge Möglichkeiten. Die besten dieser Kleinstportionen bekommt man allerdings bei zwei Tapas-Ketten: "Entretapas y Vinos" (das originellste Lokal findet sich im Salamanca-Bezirk) und "José Luis" (die Nummer eins dieser Kette ist in der Calle Serrano), wo man auch deftige Hauptspeisen von Paella bis zum madrilenischen Gulasch bekommt.
Für Fans des eingangs erwähnten Ferran Adrià gibt es übrigens seit neuestem auch eine Billigadresse – "Fast Good" heißt sein Fast-Food-Lokal im NH Hotel im Norden Madrids. Dort hat Adrià einen McDonald’s auf Spanisch kreiert. Die Salate sind mit Foie gras, die Hamburger und die Pommes frites werden in spanischem Olivenöl herausgebraten und die Gazpacho gibt es in Plastik-Trinkflaschen. 10 Euro für einen Snack ist zwar nicht wenig, aber ehrlich, man schmeckt den Unterschied …

La Broche
Miguel Ángel 29
Tel.: +34/91/399 34 37

La Terraza del Casino
Casino de Madrid
Alcala 15
Tel.: +34/91/523 44 36

Sant Celoni
Hotel Hesperia
Paseo de la Castellana 57
Tel.: +34/91/210 88 40

La Cumbre de Casares
Via Dos Castillas, 23
Tel.: +34/91/351-1170

La Trucha
Manuel Fernández González 3
Tel.: +34/91/429 58 33

Dassa Bassa
Villalar 7
Tel.: +34/91/576 73 97
www.dassabassa.com

Arce
Augusto Figueroa 32
Tel.: +34/91/522 04 40
www.restaurantearce.com

Nodo
Velázquez 150
Tel.: +34/93/564 40 44

Entretapas y Vinos
www.entretapasyvinos.com

Cervecería José Luis
Calle Serrano 89
Tel.: +34/91/563 09 58
www.joseluis.es

Fast Good
Calle Padre Damián 23
Tel.: +34/91/343 06 55
www.fast-good.com