Kulinarische Pflichtübungen
In Jerusalem wird gebetet, in Tel Aviv wird gefeiert, sagt man in Israel nicht ohne Stolz. Die nur dreieinhalb Flugstunden entfernte Metropole im Nahen Osten mit ihrem kilometerlangen weißen Sandstrand bietet einen Überfluss an kulinarischen Genüssen.
Text von Bernhard Rothkappel · Fotos von Michael Reidinger
Essen ist für Tel Avivs Bewohner nicht nur notwendige Nahrungsaufnahme, sondern ein wichtiger Bestandteil des Lebens: Hier wird das Essen zelebriert. Fast im Wochentakt eröffnen neue Restaurants in der zweitgrößten Stadt Israels. So wie Israel selbst ein Schmelztiegel der verschiedensten Kulturen ist, so ist auch die Küche eine Mischung vieler Geschmacksrichtungen mit allen ihren Gegensätzen und Gemeinsamkeiten. Die einzigartige Mixtur ergibt sich aus der geographischen Lage des Landes – irgendwo zwischen der Küche des Mittleren Ostens und des Mittelmeeres.
Garant für kulinarische Genüsse auf höchstem Niveau ist seit vielen Jahren das in einer historischen Ottoman-Villa beheimatete Restaurant Catit. Chefkoch Meir Adoni serviert mit seinem ambitionierten Team eine israelisch-mediterrane Küche auf Sterne-Niveau. Adoni kann auf eine beachtliche Vita zurückblicken: Er kochte in den bedeutendsten Restaurants der Welt, darunter das Alinea in Chicago, und ist Autor zahlreicher Kochbücher sowie der aufwendig gestalteten „Look & Cook“- App. Das Ambiente in den unterschiedlichen Räumen der Villa ist intim und vertraut. Die schicke Bar im Eingangsbereich lädt zum Aperitif oder zur Degustation der in Eigenregie produzierten Weine ein.
Friede mit den Palästinensern zu schließen sei einfacher als einen Platz im Mizlala zu bekommen, scherzen die Tel Avivs gern. Zweifelsohne gehört der junge Ableger des Catit zu den aktuell angesagtesten und beliebtesten Restaurants der ganzen Stadt. Für Chefkoch Meir Adoni ist das Restaurant die „verrückte, junge Schwester“ seines Haute Cuisine-Restaurants. Dementsprechend präsentiert sich das Mizlala wie ein durchgestylter Nachtclub. In der Mitte des Geschehens dominiert die riesige Bar, von der aus das Serviceteam eine Auswahl an Pan-Mittlere Osten-Küche, wie zum Beispiel das „Palestinian-Tatar”, zubereitet aus gehacktem Rindfleisch, Tahini, Pinienkernen, gegrilltem Auberginenpüree, Joghurt, Bohnen und Kümmel, serviert. Das Zusammenspiel aus minimalistischem Décor und kreativ-avantgardistischer Fusionsküche gehört zu den kulinarischen Pflichtübungen bei einem Tel Aviv-Besuch!
Was für die Amerikaner die Fifth Avenue, für die Franzosen die Champs-Élysées, das ist für die Israelis der Rothschild Boulevard: Die schickste Ausgehmeile mitten in Tel Aviv ist das Herz des modernen, lebenshungrigen Israels. Prachtvolle alte Villen säumen die Straße, auf der man am Abend gern flanieren geht. Am besten lässt sich das Treiben am Rothschild Boulevard von der großen Terrasse des Shampina beobachten. Sehen und gesehen werden ist das Motto dieser auf Champagner und Schaumweine spezialisierten Bar in dem wunderschönen Gebäude aus dem Jahr 1921. Bekannte israelische DJs sorgen am Wochenende für den passenden Soundtrack.
Auf der anderen Seite des Boulevards befindet sich das moderne Manhattan-Style-Bistro Social Club, ein etablierter Fixpunkt in der Tel Aviver Restaurantszene. Hier werden die neuesten Kreationen israelischer Top-Designer ausgeführt, hier treffen sich die israelischen Bobos und Dinkis zum hippen Stelldichein. An der beeindruckenden Bar unter den vielen Tom Dixon-Leuchten werden Cocktailklassiker und eigene Kreationen serviert. Weinfreunden sei die beindruckend große Auswahl an israelischen und auch internationalen Weinen ans Herz gelegt. Die Speisekarte bietet eine solide Auswahl internationaler Küche kombiniert mit typisch israelischen Ingredienzien. Zum Beispiel Pasta mit den berühmten Artischocken aus Jerusalem und Käse vom Galilei.
Die wirkliche Altstadt von Tel Aviv jedoch ist Jaffa. Hier spuckte nach der biblischen Geschichte ein Wal den Propheten Jonas ans Land. Und hier hat sich Nir Zook mit seinem Restaurant Cordelia auf kulinarisches Neuland begeben. Die Tochter König Lears aus Shakespeares gleichnamiger Tragödie stand Pate bei der Namenswahl für das charmante Restaurant im Herzen des historischen Stadtteils. Geboten wird hier eine interessante Mischung aus der Küche des Mittleren Ostens, ergänzt und kombiniert mit der klassischen französischen Küche. Spitzenkoch und Eigentümer Nir Zook kann trotz seiner jugendlichen 35 Lenze auf eine beachtliche Laufbahn verweisen: internationale Ausbildung, Autor dreier Kochbücher, regelmäßiger Gast in israelischen TV-Kochshows und Kolumnist für die Zeitung Yediot Aharonot. Für seine Kreationen verwendet er gerne die Produkte regionaler Anbieter: Die Meeräsche etwa wird direkt vor der Küste Jaffas gefangen. Für den notwendigen Digestif sei die erst vor kurzem eröffnete zum Restaurant gehörende Jaffa Bar empfohlen.
Ebenfalls im historischen Altstadtviertel hat sich Bino Gibso in seinem unkonventionellen Lokal die diversen Kulturströmungen in seinem Land zu eigen gemacht: Shakshouka ist an sich ein nordafrikanisches Gericht aus Tomaten, Paprika, Eiern und Gewürzen. Seit vierzig Jahren serviert er erfolgreich seine Shakshuka und andere israelische Gerichte mit nordafrikanischem Einfluss. Hunderte Töpfe und Kochutensilien aus Gusseisen baumeln im Lokal von der Decke. Der Eigentümer hat die Dekoration in den vierzig Jahren des Bestehens am nahegelegenen Flohmarkt gesammelt. In den extrem heißen Sommermonaten ist der große Innenhof die bessere Alternative zum Sitzen. Gegessen wird hier grundsätzlich aus der Pfanne auf mit Papier belegten Tischen – gewöhnungsbedürftig, aber spaßig.
Keine Stadt der Welt verbindet so einfach Strand und Zentrum wie Tel Aviv. Von März bis Mitte November ist Badesaison, in diesen Monaten ist der Strand das verlängerte Wohnzimmer für die Tel Aviver. Wer sich der sengenden Mittagshitze am Wasser entziehen will, der findet sich schnell beim Flanieren durch das Zentrum wieder: in lebendigen Märkten oder beim Gustieren in kleinen Geschäften mit typisch israelischen Lebensmitteln.
Wenn der Strand von Tel Aviv das Wohnzimmer ist, dann muss der Shuk Hanamal-Markt die Küche sein. Der überdachte Markt beim neuen Hafen ist eine gelungene Mischung aus Restaurants und Ständen, die eine Vielfalt heimischer Produkte abdecken. Von Würsten über Oliven und Kapern bis hin zu orientalischen Süßigkeiten lässt sich hier verkosten und natürlich auch kaufen. Und ehe man sich’s versieht, hält man zehn Plastiktüten in beiden Händen und wundert sich, wie wenig man dafür ausgegeben hat. Eine Vielzahl der Stände sind Teil der Slow Food Bewegung, einmal in der Woche gibt es hier sogar den speziellen Slow Food Markt. Weiters werden am Markt regelmäßig Workshops und Kochkurse angeboten, die einen Einblick in die israelische Küche bieten.
Käse aus Israel muss den internationalen Vergleich nicht scheuen. Das beweist die Basher Fromagerie mit ihren heimischen wie auch internationalen Produkten. Gerade die handgemachten Sorten so mancher Kibuzzim lassen das Herz eines Käsekenners höher schlagen. Überhaupt findet hier jeder Gourmet Delikatessen nach jedem Geschmack und Gusto. Wer sich ein wenig Zeit nimmt, kann mit Hilfe der freundlichen Experten hinter den Theken seinen Geschmackshorizont erweitern und ganz neue geschmackliche Erfahrungen sammeln.
Mit dem Ausruf „LeChaim“ wird in Israel auf das gute Leben angestoßen. Weine aus Israel sind im Laufe der letzten Jahrzehnte zu erstklassigen Spitzenweinen avanciert. Die Vinothek Bin281 beheimatet edle Tropfen von den vierzig wichtigsten Weingütern Israels. Am Dach lädt eine gemütliche Bar zum Verkosten der zum Verkauf gebotenen Weine. In einem eigenen Verkostungsraum mit angeschlossener Küche werden regelmäßig Degustationen und Kochkurse angeboten. LeChaim!
ADRESSEN
Beit Haamudin
14 Rambam Street
Tel.: +972 (0)3-510 92 28
14 Rambam Street
Tel.: +972 (0)3-510 92 28
Shampina
32 Rothschild Blvd.
Tel.: +972 (0)3-560 88 52
32 Rothschild Blvd.
Tel.: +972 (0)3-560 88 52