Mal kurz in den Süden

Der Herbst zieht ins Land – und damit auch das Bedürfnis nach einem schönen Wochenende in Norditalien.

Mal kurz in den Süden

Text von Hans Mahr Fotos: beigestellt
Mailand und Venedig sind zwei der Lieblingsziele der Österreicher, die eine Vorliebe für die italienische Küche haben. Fein und hochklassig in Mailand, eher gemütlich und schmackhaft in Venedig.
Die Zeiten, in denen man einfach eine Trattoria um die Ecke vom Hotel ausgewählt hat, sind lange vorbei. Vor allem in Mailand hat sich die italienische Spitzenküche etabliert. Da kann nicht einmal Rom mithalten, wenn’s um die neue "Cucina Italiana" geht.
Die Spitze im Sterne-Bereich haben "Aimo und Nadia" erklommen, die im eher unwirtlichen Westen von Mailand sensationell aufkochen. An den acht Tischen (dringend vorreservieren!) wuselt Chef Aimo herum, während seine Frau Nadia in der Küche verfeinerte Spezialitäten aus allen italienischen Regionen zubereitet. Als Appetithäppchen ein bisschen weißer Speck (Lardo) mit Fenchel aus der Toskana, dann ein Tintenfischrisotto aus Ligurien oder Tagliolini mit weißer Trüffel aus dem Piemont. Anschließend junger Tuna mit weißen und grünen Bohnen aus Sizilien und/oder Schweinefleisch aus der Lombardei mit Lakritze und Oregano. Am besten das 7-Gang-Menü bestellen – keine Angst, die Portionen sind klein, der Geschmack dafür umso größer.
Die Nummer zwei in Mailand ist sicherlich das "Cracco-Peck", einen Steinwurf vom Dom entfernt. Der Delikatessen-Tempel Peck ist ja allen Gourmets ein Begriff, nirgendwo gibt’s besseren Schinken und Salami, Parmigiano und Olivenöl zu kaufen. Der junge Carlo Cracco hat im Keller darunter ein luxuriöses Restaurant geschaffen, wo er das Beste an Design und Küche verbindet. Seine Neuinterpretation der klassischen Mailänder Küche bringt Lasagne mit Foie gras, Safranrisotto und ein geniales Ossobuco auf den Tisch des Hauses. Im Weinkeller lagern mehr als 2.000 verschiedene Tropfen, wobei die Auswahl aus dem Piemont und der Toskana am größten ist.
Aber auch andere jung-moderne Lokale haben sich ganz oben in der Mailänder Gastronomie etabliert. Im "L’Ape Piera" in einem Haus aus dem 18. Jahrhundert ist kaum einer der Angestellten älter als 30. Unten eine Enoteca und oben ein eleganter Speiseraum, wo die Spezialitäten (Zucchiniblüten mit Steinpilzen gefüllt, Kartoffelsalat mit Tintenfisch und Oliven, Shrimps in einer Suppe von roten Linsen oder Kalbfleisch mit leicht süßlicher Rotweinreduktion) kredenzt werden. Für Vegetarier wird ein 5-Gang-Menü angeboten, das so wahrscheinlich in ganz Österreich nicht zu haben ist.
Der zweite Newcomer hat sich überhaupt auf Gemüse spezialisiert. Das "Joia" gleich bei der Piazza della Repubblica ist rein vegetarisch. Für den etwas verwöhnten Gourmet ist "vegetarisch" ja oftmals abschreckend, in diesem Fall aber sollte man sich auf Gemüse (und etwas Fisch) voll und ganz einlassen. Ravioli mit Basilikum, Pinienkernen und grünen Bohnen, Toma-Käse mit Endivien und gerösteten Artischocken, Steinbutt mit Bohnen und Tomatenjus schmecken nicht nur Vegetariern.
Natürlich macht es auch Spaß, in den typischen Mailänder Trattorias bodenständige Gerichte zu verkosten. Am besten macht man das in der "Trattoria da Giacomo", da gibt’s Pasta wie bei Mamma: Gnocchietti, Garganelli, Linguini, Ravioli, natürlich Spaghetti oder welch klangvolle Namen die Nudeln auch immer haben. Und zur Hauptspeise einfach einen gebratenen Fisch, den man sich beim Buffet am Eingang selbst aussuchen kann. Ähnlich in der "Trattoria Milanese" hinter der Börse, wo die Spezialitäten Minikoteletts im Essig-Zwiebel-Dressing oder ein Safranrisotto mit Ossobuco sind. Wer unbedingt das echte Wiener Schnitzel, nämlich das "Cotoletta alla Milanese" (unser Schnitzel kommt ja tatsächlich aus Mailand) kosten will, der pilgert zu "Alla Cucina delle Langhe" am Corso Como.
Zum Schluss noch ein Tipp für die Einkaufswütigen: Wer tagsüber zwischen Via Montenapoleone und dem Dom die Boutiquen plündert, legt am besten im "Paper Moon" eine Erholungspause ein: einfaches und modernes Design, gute Pizzen und Antipasti, natürlich Nudeln aller Art – und die attraktivsten Models von Mailand.
Die finden Sie natürlich auch in den Restaurants der Mode-Labels. Aber Vorsicht! Die Umgebung ist schick, schicker geht’s kaum noch – doch das Essen hält sich in Grenzen. Das "Nobu" bei Armani – die Qualität deutlich unter der anderer "Nobus" in New York und London, die Preise dafür aber deutlich drüber. Das "Bulgari"-Restaurant" – ebenfalls schön designt, aber das Essen ist so lala. Und im "Dolce & Gabbana Gold" sind zwar alle Speisen tatsächlich mit einem Goldschimmer überzogen, aber was darunter ist, ist kaum einer Erwähnung wert.
Nur 5 bis 6 Stunden von Wien mit dem Auto braucht man nach Venedig. Auf dem Markusplatz sitzt man im "Florian" mit dem Rücken zum Meer, das hatte schon Altkanzler Bruno Kreisky verordnet. Denn erstens ist die Musik im "Florian" besser als am "Quadri" auf der anderen Seite und außerdem durften früher nur die Adeligen auf der Seite mit Blick zum Meer sitzen – und ein ordentlicher Bürger war eben drüben im "Florian".
Natürlich fehlt Venedig, auch aufgrund der Millionen unbedarfter Touristen, die ganz große Spitze in der Gastronomie. Aber wenn man sich auskennt, kann man hier doch wunderbar satt werden. Etwa in der "Osteria da Fiore" der Martini-Familie. Von außen schaut das "Fiore" wie ein traditionelles venezianisches Bacaro-Lokal aus, wo man ein Glas Weißwein mit einem kleinen Appetithappen bekommt. Aber der Speiseraum dahinter mit Holztäfelung (aber ohne Fenster!) ist luxuriös und der Lieblingsplatz der Feinschmecker. Sashimi vom Thunfisch, von Scampi und vom kleinen Thunfisch auf venezianisch, Pennette mit Brokkoli und Jakobsmuscheln und das beste Fritto Misto (frittierte Meerestiere), das man in Venedig bekommen kann. Abgerundet wird das Ganze durch einen Schokoladekuchen, den man noch Tage später zu schmecken vermeint.
Gemütlicher ist es im "Corte Sconta" auf dem halben Weg zu den "Giardini", wo die Biennale noch bis Ende November stattfindet. Im kleinen Innenhof kann man auch im Spätherbst am Abend noch draußen sitzen und vor allem Nudeln und Fisch genießen. Man sollte mit der großzügigen Vorspeisenplatte beginnen, von Muscheln über die klassischen "Sarde in Saor" (in Zwiebeln eingelegte saure Sardinen) bis zu Seeschnecken und Seespinnen wird serviert, was die Lagune hergibt. Dann die hausgemachte Pasta (die Gnocchi mit Eierschwammerln sind ein Traum) und schließlich frischen gegrillten Fisch oder Kreatives wie die Calamari gefüllt mit Radicchio. Und zum Schluss, nicht vergessen, eine warme Zabaione zum langsamen Auslöffeln.
Ein neuer Name für Gourmets ist das "Vini da Gigio" in Cannaregio, das sich in den letzten Jahren in die Top-Listen gekocht hat. Eine Familientrattoria, wo auf höchstem Niveau venezianisch gekocht wird: Tintenfischrisotto, Penne mit Pistazien und Gorgonzola. Gnocchi mit Pesto, tadellos gegrillte Fische und ein deftiges Ossobuco. Das alles zu Preisen, die bei der Hälfte der anderen – "feinen" – venezianischen Adressen liegen.
Ein schönes Mittagessen mit Freunden kann man nach wie vor in der "Locanda Montin" hinter der Accademia bekommen. Früher ein Hot Spot der Wiener Schickeria ist es heute eine ordentliche Trattoria, wo um relativ wenig Geld bodenständige Küche serviert wird. Ähnlich wie in der "Hosteria dal Franz" in Castello. An einem unscheinbaren Kanal gelegen, zeigen Vater und Sohn, was venezianische Gastfreundschaft ist. In der "Cantina do Mori" gleich bei der Rialtobrücke, wo man unter antiken Kupfertöpfen und neben den Arbeitern vom Rialtomarkt nebenan zu Mittag isst, sollte man die typischen venezianischen "Cicheti" – kleine Vorspeisenteller mit warmen Tintenfischen, Meeresspinnen, Muscheln, gebratenem Gemüse, Fleischbällchen und so weiter – probieren.
Apropos Cicheti: Diese venezianischen Köstlichkeiten in den Barcolo-Stehbars sind wieder voll im Trend. Zwei Hinweise: Im "Banco Giro" am Canal Grande neben der Rialtobrücke ist die Slow-Food-Bewegung eingezogen. Von gefüllten Sardinen bis zum Tuna-Kaviar reicht die moderne Cicheti-Küche. Traditioneller geht’s in der "Rivetta" ein paar hundert Meter nördlich vom Markusplatz zu. Ein bisschen vom Fischsalat, ein paar Scampi mit Knoblauch, eine halbe noch dampfende Meeresspinne, dazu zwei Achterl vom guten friulanischen Weißen – und die Welt ist in Ordnung.
Wer davon nicht genug bekommen kann, der muss nach Cannaregio in eine der ältesten Osterias pilgern: das "Alla Vedova" hat sich auf gemischte Cicheti-Platten spezialisiert, die man auch am Abend bei Kerzenlicht sitzend verkosten kann.
Natürlich ist bei der Beschreibung der venezianischen Genüsse einiges unter den Tisch gefallen: die "Harry’s Bar" (Bellini ja, Essen nein), das "Do Forni" (teuer und touristisch), das "Cipriani" (noch teurer, nur vornehm) etwa. Aber ehrlich: Mit den Cichetis sind Sie besser dran.

Adressen

MAILAND

Il Luogo di Aimo e Nadia
6 Via Montecuccoli
Tel.: +39/02/41 68 86
www.aimoenadia.com

Cracco-Peck
4 Via Victor Hugo
Tel.: +39/02/87 67 74
www.peck.it

L’Ape Piera
11 Via Lodovico il Moro
Tel.: +39/02/89 12 60 60
www.ape-piera.com

Joia
18 Via P. Castaldi
Tel.: +39/02/29 52 21 24

Trattoria da Giacomo
Via B. Cellini
Tel.: +39/02/76 02 33 13
oder 76 02 43 05
www.todine.net/dagiacomo

Trattoria Milanese
11 Via Santa Marta
Tel.: +39/02/86 45 19 91

Alla Cucina delle Langhe
6 Corso Como
Tel.: +39/02/655 42 79

Paper Moon
1 Via Bagutta
Tel.: +39/02/76 02 22 97

Armani Nobu
1 Via Pisoni
Tel.: +39/02/72 31 86 45
www.giorgioarmani.com

Bulgari
7a Via Privata Fratelli Gabba
Tel.: +39/02/805 80 51

Dolce & Gabbana Gold
2a Via Carlo Peoria
Tel.: +39/02/757 77 71
www.dolcegabbanagold.it

VENEDIG

Osteria da Fiore
Calle del Sclaeter
San Polo 2002
Tel.: +39/041/72 13 08
www.dafiore.com

Corte Sconta
Calle del Pestrin
Castello 3886
Tel.: +39/041/522 70 24

Vini da Gigio
Fondamente de la Cheisa
Cannaregio 3628/a
Tel.: +39/041/528 51 40

Locanda Montin
Fondamente Eremite
Dorsoduro 1147
Tel.: +39/041/522 71 51

Cantino do Mori
429 Calle dei do Mori
San Polo
Tel.: +39/041/522 54 01

Banco Giro
122 Campo San Giacometto
San Polo
Tel.: +39/041/523 20 61

Rivetta
Ponte San Provolo
Castello 4625
Tel.: +39/041/528 73 02