Wein-Nostalgie in Tschechien
Eine önologische Spurensuche beim Nachbarn
Text von Helga Baumgärtel Foto: Gerd-Krauskopf
Musik kennt keine Grenzen. Und so ist auch in deutschen Landen dieser Ohrwurm von Peter Alexander immer noch präsent:
„Wie Böhmen noch bei Österreich war, vor fünfzig Jahr, vor fünfzig Jahr …“ Mir klingt sein wunderbarer Belcanto immer noch im Kopf, wie er dann fortfuhr: „Wenn Böhmen und auch Mähren nicht mehr zu uns gehören. So denken trotzdem viele Leut’ noch an die Zeit …“
Nostalgie pur! Für mich ist es an der Zeit nachzuschauen, wie es heute ausschaut zwischen Wien, dem Weinviertel, plus natürlich Böhmen und auch Mähren …
Auf geht’s! Gestartet bin ich nördlich von Wien im lieblichen Weinviertel. Das winzige Örtchen Mailberg wird geprägt von einer mächtigen barocken Burgfeste der Malteser, die schon seit dem Jahr 1146 im Besitz des Ritterordens ist. In die traumhaft schön renovierten historischen Mauern schmiegt sich heute ein intim-elegantes kleines Schlosshotel. Und im Kellerverlies befindet sich eine der schönsten Vinotheken des Landes. Dazu servieren die Gastwirtsleute im malerischen Burghof oder im Schlossgewölbe z. B. Krautrouladen mit Kraut aus heimischem Bioanbau, ein Rahmbeuschel oder einen geschmorten Lammschlögel. Einfach fein. Und natürlich bewirtet man auch Hochzeiten, Taufen und Veranstaltungen jeder Art.
Der Clou ist aber die Vinothek, in der sich heute Weine von einem Dutzend Weinviertler Winzer tummeln. Die 47 Hektar schlosseigenen Weinberge allerdings bewirtschaftet seit 1969 die Familie Laurenz Moser in Rohrendorf. Besonders geschmeckt haben mir ein feiner „Malteser Brut Sekt“ und eine schöne Rotwein-Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Merlot mit dem Namen „Kommende Mailberg“. Die gibt’s sogar zurück bis zum Jahrgang 2002.
Weiter ging’s durch die liebliche Weinviertler Landschaft mit ihren grünen Rebhügeln, durchkreuzt von Radwegen. Und an jeder Dorfgasse grüßt mindestens ein Heuriger.
Nach der offenen Grenze werden nur die Straßen etwas holpriger. Allerdings auch die Kommunikation. Deutsch spricht man hier so gut wie gar nicht. Kein Wunder bei der leidvollen politischen Vergangenheit. Die älteren Bewohner können natürlich Russisch, die jüngeren sprechen Englisch. Aber der Wein braucht ohnehin keinen Dolmetscher …
Valtice. Das ehemalige Feldsberg. Hübsch renoviert ist diese „Perle Südmährens“, überkront von der mächtigen Barockresidenz der Liechtensteiner aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Sehenswert in seinen Mauern ist der „Weinsalon der Tschechischen Republik“ mit seinen 100 landeseigenen preisgekrönten Weinen, mit Führungen, Verkostungen – auf Anfrage in allen europäischen Sprachen. Der Weinbau in Böhmen und Mähren geht bis in die Römerzeit zurück. Und man findet bei besten klimatischen Bedingungen in Mähren – das heute den hübsche Namen Moravia trägt – die ganze Weißwein-Palette: von Chardonnay bis Riesling, von Sauvignon blanc bis Weißburgunder.
PS: Sogar wohnen kann man in der fürstlichen Liechtenstein-Residenz, im „Schlosshotel Hubertus“ mit Blick auf die prachtvolle Architektur.
Die Ritterorden waren die Vorreiter der Weinkultur. Und deshalb geht meine Historientour noch 27 Kilometer weiter bis zum Sitz des Templerordens, der hier, im heutigen ˇCejkovice, schon im Jahre 1248 eine wuchtige Festung erbaute, die, unterkellert von kilometerlangen Gewölbestraßen, von den Rittern sogar per Pferd im Galopp absolviert werden konnte. Den Ritterorden gibt’s nicht mehr. Aber genutzt wurden und werden die Keller und das Weinland ringsum – über acht Jahrhunderte lang von den Habsburgern – bis zum heutigen Tag.
Angenehm, übrigens, mal wieder Deutsch sprechen zu können, mit dem Wirt des angrenzenden „Hotel Zámek“, mit Radek Cervenka, der seine Gäste nicht nur hervorragend bewirtet, sondern sie auch zu Radtouren und zu Golf animiert und in seine Vinothek einlädt, die er mit seinem Bruder (dem drei Hektar Traminer, Muskateller und Ruländer gehören) betreibt.
Ein Muss sind für uns natürlich die immensen unterirdischen Weinkeller des Templerordens – „Templárské“ – auf der anderen Seite der Straße. Ein wenig erschöpft nach der Tour mit meinen Sieben-Meilen-Stiefeln – ich hatte ja schließlich kein Pferd zur Verfügung – hier meine besondere Selektion: eine wunderbare trockene Sauvignon Spätlese „Gold Collection“, der „Frankofka“, ein sehr preiswerter fruchtig-aromatischer Blaufränkischer, und zum Schluss ein süßer Weißburgundereiswein.
Und jetzt können Sie und unser Altstar Peter Alexander sich auf den Weg begeben nach …
Hier die dritte Strophe: „A bisserl Wien, a bisserl Brünn, no da liegt a gute Mischung drin.“
Voilà – und bis Brno geht’s jetzt schnurstracks knappe 70 Kilometer auf der Autobahn …
Meine Wein-Nase jedoch habe ich in eine andere Richtung gelenkt. Dorthin, wo übrigens Peter Alexander einst seine Matura abgelegt hat: nach Znaim (heute Znojmo), hoch über dem Ufer der Thaya. Hier residiert zwar kein Ritterorden, aber mit dem Kloster Louka (Klosterbruck) das Weinbau-Dorado Tschechiens. Anno 1190 von den Prämons-tratenser Mönchen erbaut, waren seine herrlichen Weißweine in ganz Mitteleuropa gefragt.
Heute fährt ein lustiges Bimmelbähnchen rauf zum Kloster, in dessen kühlen Kellern eine Million Flaschen lagern. Und im Weinshop gibt’s natürlich alle Variationen von Muskat bis Grüner Veltliner.
Witzig die Idee, dass man „seinen“ Znaimer Wein in einer Box des Weinarchivs im Mährischen Keller im nahen Satov lagern kann. 1.400 solcher Boxen gibt es bereits. Alle belegt. Weitere 200 werden gerade gebaut.
Schön, dass sich nach kommunistischer Zwangspause der Qualitätsweinbogen wieder schließt zu den Zeiten … als Böhmen noch bei Österreich war …
Infos
www.schlosshotel-mailberg.at
www.lenzmoser.at
www.salonvin.cz
www.hotelhubertus.cz
www.hotelcejkovice.cz
www.vinarnacejkovice.cz