Zurück zum Suchergebnis
Obauer
98
Woher die Obauers bereits seit vier Jahrzehnten die Energie hernehmen? In der Ruhe liegt die Kraft, heißt es. Wie in einem Schweizer Uhrwerk greifen die Zahnräder hier ineinander. Perfekt (aufeinander) eingespielt sind Küche und Service. Die Verbindungen zu den lokalen Produzenten und Landwirten funktionieren seit Generationen, manchmal kommen auch neue dazu. Und wenn es einmal Trüffel aus Alba sind, kommen sie von Österreichs bestem Trüffel-Lieferanten (Namen tun nichts zur Sache). In einem Alter, wo Herr und Frau Österreicher längst in Pension sind und ihre Reisepläne auf spanischen Inseln sortieren, gehen es Karl und Rudi Obauer jedes Jahr, jedes Monat täglich neu an. Berthold Obauer und seine Mutter Geli sind weitere Säulen des Betriebs. Neue Zimmer im Hotel kommen hinzu, das Restaurant wird in Details nochmal verbessert, wohnlicher gemacht, an der Lichtregie (Karls Spezialität) gedreht. Was erwirtschaftet wird, wird ins Haus gesteckt. So war es immer, eine Bank hat es nicht gebraucht. Die Ansprüche, die an das Team in der Küche und im Service gestellt werden, die man hier an sich selbst stellt, sind enorm. Doch von alldem merken die Gäste nichts. Er herrscht ein lockerer Ton, niemals ein lautes Wort, wenn hier zum Beispiel mittags Familien mit Kindern neben alteingesessenen Stammgästen speisen. Ob jemand nur einen Gang aus der preiswerten Mittagskarte bestellt oder ein großes Menü, erweitert mit Trüffel und Gänseleber – jedem Gast kommen die gleiche Freundlichkeit und Aufmerksamkeit zu. Das zu erleben und zu beobachten, macht Freude. Und die Küche? Leidet nicht unter dem Ehrgeiz, Gehabtes vergessen zu machen und sich alle halben Jahre neu zu erfinden. Manche Klassiker stehen wieder auf der Karte, etwa der wunderbare Forellenstrudel mit Champignonpüree und animierend guter Veltlinersauce, die Blutwursttascherl mit Gerstlkraut und Knusperschwartl oder das Werfener Lamm mit gefüllter Zucchiniblüte. Einige der Obauer-Saucen sollte man mindestens ein Mal im Jahr zu sich nehmen, um mit der Welt im Reinen zu sein. Etwa die mit Safran und eingelegtem Kürbis, sie kommt zum perfekt gedämpften Saibling. Zum gesottenen Hendl gibt es eine Sauce aus Pilzen, die nichts anderes als große französische Schule ist. Apropos Pilze: Aus eingelegter Schwarzer Trüffel beziehungsweise aus den Resten bereitet die Küche eine Sauce zu, die zum Erdäpfel-Käse-Püree serviert wird und in der Kategorie „Essbarer Wahnsinn“ zu platzieren ist. Neu auf der Karte: Kürbispudding mit Reizker und geriebenem Ei. Avocado mit Mandel-Paprika-Paste und O-Chili, beide aus der Abteilung „Vegetarisch und vegan“, einer eigenen Rubrik auf der Karte, die nicht nach Vor- und Hauptspeisen gegliedert ist. Geräucherte Hirschleber kommt mit gebratener Gänseleber, Holler und Forcherspeck, ein Teller von sanfter Wucht, zweifelsohne. Bei den Desserts galt und gilt: Geschmack vor Süße. Eine der aktuellen Kreationen, Feigencarpaccio mit Kakaokeks und Datteleis, ist Weihnachten auf dem Teller, nein, besser als Weihnachten. Der Service ist nahezu perfekt, in Österreich mit nur wenigen Häusern vergleichbar. Maximilian Zankl hat die Weinbegleitung sanft modernisiert und serviert den Hauswein der Obauers, deutschen Sylvaner, mit der gleichen Verve wie feine französische Burgunder. Gegendert wird bei Obauers übrigens auch. Kommen Pärchen, gibt es für die Herren und die Damen jeweils andere Amuse-Bouches. Kein Akt von Bevormundung oder Diskriminierung, sondern ein weiterer Beweis der Großzügigkeit des Hauses, das die Gäste an der Vielfalt der gebotenen Genüsse teilhaben lassen will.
