Aller Anfang ist schwer

Die EU-Familie wird immer größer. Polen ist schon dabei, Rumänien und Bulgarien sind auf dem Weg dorthin. Nur das Essen im "neuen Europa" ist nach wie vor bestenfalls Regionalliga. Wie man auch in Warschau, Sofia und Bukarest "überleben" kann, dazu ein paar Tipps.

Aller Anfang ist schwer

Text von Hans Mahr Fotos: beigestellt
Die beste Chance, auch in Osteuropa ordentlich zu essen, hat man in Warschau. Die traditionsreichen Restaurants sind dort am alten Marktplatz. Im "Fukier" werden unter Kerzenlicht polnische Spezialitäten angeboten, vor allem die berühmten "Pierogis" (eine Art Riesenravioli). Von Margaret Thatcher bis Claudia Schiffer waren schon alle da und angesichts einer Rechnung von 20 Euro pro Person erscheint das Preis-Leistungs-Verhältnis in Ordnung.
Das berühmte "Bazyliszek" gleich daneben, im zweiten Stock eines Kaufmannshauses aus dem 17. Jahrhundert, gilt dagegen eher als eine Touristenfalle. Zwischen Rüstungen und gekreuzten Schwertern gibt es polnische Küche der schweren Sorte: Vom Hasen in dicker Sauce bis zu matschigen Pilzgerichten aller Art hat sich seit den kommunistischen Tagen noch nicht viel am Kochstil geändert.
Wer "neu-polnisch", also eher leichter, und auch noch originell essen will, hat zwei Alternativen: Das "Restauracja Polska Tradycja" ist im Moment der In-Platz für das "Power-Dinner". Hering, Wildschwein, Karpfen, alles etwas bekömmlicher als bei der Konkurrenz und sogar mit freundlicher Bedienung (das ist in Warschau nicht wirklich üblich!). Etwas mehr sophisticated kommt das "Belvedere" in der Orangerie des Lazienki-Parks daher. Elegant (man verlangt Jacke und Krawatte), aber auch romantisch mit Blick auf den beleuchteten Park. Auch hier dominieren polnische Nationalgerichte vom Wild und Schwein, wobei sich die Kalorienmenge noch weiter reduziert.
Wer den polnischen Spezialitäten entsagen will, dem bieten sich nur wenige Möglichkeiten. Am besten ist man wohl im stylishen "Sense" aufgehoben, in dem eine asia-europäische Fusions-Küche gepflegt wird, während im "Tsarina" die Kellerräume als Showcase für die gute alte russische Küche dienen: Blinis, Kaviar und viel Wodka für unter 50 Euro pro Person.
Wer sich über Warschau beklagt, der sollte nach Sofia und Bukarest gar nicht erst einreisen. Zwei sachdienliche Hinweise, um auch dort nicht hungern zu müssen. Für beide Städte gilt: Knackiges Gemüse, traumhaft frischer Schafkäse – das gibt’s auch in den kleineren Wirtshäusern. Guter Fisch und gutes Fleisch sind eher rar.
In Sofia sollte man im "Panorama" essen, im 20. Stock des Kempinski Hotels mit schönem Ausblick bis zu den Vitosha-Bergen. Der frische Fisch kommt aus dem nahen Griechenland oder dem Schwarzen Meer und sollte am besten im Ganzen auf dem Tisch landen. Mit viel Knoblauch, Paprika und Tomaten – und hoffentlich nicht zu lange gegrillt. Für Fleischliebhaber empfiehlt sich der Lammeintopf, der schon stundenlang geköchelt hat.
Wer gegrillte Fleischbällchen und Kebab mag, erhält sie im "Czech Club". Gegründet von tschechischen Professoren der nahen Universität kann man hier Bier aus Pilsen und Prag und Spezialitäten aus Bulgarien genießen. Wer es locker und unprätentiös haben will, ist wahrscheinlich bei unseren tschechischen Freunden am besten dran.
"Wo isst man in Bukarest am besten?", habe ich Freund Ion Tiriac gefragt, den ehemaligen Becker-Manager und heutigen rumänischen Tycoon. Die Antwort war eindeutig: "Bei mir zu Hause". Stimmt, schließlich hat Ion eine wirklich hervorragende Köchin, die mit rumänisch-traditionellen und trotzdem leichten Speisen auftrumpfen kann. Für die, die nicht auf seiner Einladungsliste stehen, zwei Ausweichmöglichkeiten: Das "Casa Doina" in einem Palast an der Kiseleff-Straße ist sicher das beste Restaurant in Bukarest. Im Sommer auf einer großen Gartenterrasse wird rumänische Polenta zu Fisch und Geflügel serviert, auch die einheimischen Weine aus Transsylvanien oder der Moldauregion sind durchaus zu empfehlen. Von Investment-Guru George Soros bis zur rumänischen Nomenklatura ist Tag für Tag alles, was Rang und Namen hat, im "Casa Doina" versammelt. Wesentlich kleiner, im Vorort Dorobanti versteckt, ist das "Uptown", eine sympathische Restaurant-Oase mit mediterraner Küche mit Fisch und Pasta. Der Vorteil des "Uptown": Es ist ganztägig geöffnet und das an sieben Tagen die Woche.
Vor der Heimreise sollte man – sozusagen zum Trost – noch auf dem Markt vorbeischauen und frischen Käse und selbst gemachten Joghurt besorgen. Ein Mitbringsel, das einem hilft, die kulinarisch schweren Tage zu vergessen.

Adressen

Sofia

Panorama im Kempinski Hotel Zografski
(nicht zu verwechseln mit dem Panorama Restaurant im Grand Hotel), James Bourchier bld. 100,
Tel.: +359/2/68 60 96; nur abends geöffnet.

Czech Club, Krakra st. 15, Tel.: +359/2/944 13 83; Montag bis Freitag geöffnet.

Bukarest

Casa Doina, Sos. Kiseleff 4, Tel.: +40/21/222 67 17, täglich geöffnet.
Uptown, 2 Rabat st., Tel.: +40/21/231 40 77;
täglich geöffnet.

Warschau

Bazyliszek, Rynek Starego Miasta 3/9,
Tel.: +48/22/831 18 41; täglich 12–24 Uhr.
Fukier, Rynek Starego Miasta 27, Tel.: +48/22/831 10 13; täglich ab 12 Uhr bis „der letzte Gast geht“.

Restauracja Polska Tradycja, ul. Belwederska 18a,
Tel.: +48/22/840 09 01; täglich ab 12 Uhr bis „der letzte Gast geht“.

Belvedere, ul. Agrykoli 1 (Eingang ul. Parkowa),
Tel.: +48/22/841 48 06; täglich ab 12 Uhr bis „der letzte Gast geht“.

Sense, ul. Novy S’wiat 19, Tel.: +48/22/826 65 70;
täglich ab 12 Uhr bis „der letzte Gast geht“.