Cook The Valley

Norbert Niederkofler, der mit „Cook the Mountain“ Südtirol auf die Landkarte internationaler Foodies brachte, hat sich in seiner Heimatstadt Bruneck den Traum vom eigenen Restaurant erfüllt.

Foto von Alex Moling
Text von Alexander Rabl

Norbert Niederkofler hat seine Freude an Details. Die Steakmesser für das Atelier Moessmer sind wirklich schön, feinst geschliffener Stahl, gut in der Hand liegender Griff. Die dazugehörigen Messerbänke sind kleine aus Stein gehauene Kunstwerke. In diese Messerbänke ist ein Magnet eingearbeitet. „So bewirken wir, dass die Messerklingen nicht stumpf werden.“ Besteckladen, Holz, Stoffe, alles wurde gemeinsam mit den Architekten ausgedacht, und Patron Niederkofler, der jeden Gast, der zum ersten Mal da ist, persönlich durchs Haus führt (inklusive Kühlräume, wo prächtige Teile vom Rind und anderes reifen), wirkt aufgeräumt und zufrieden. „Ich wohne 500 Meter entfernt, bin fünf Jahre lang immer an der leer stehenden Villa vorbeigegangen und habe mich gefragt, was man daraus machen könnte.“

Das Atelier Moessmer liegt in einer denkmalgeschützten Villa, welche sich selbst in einem baulich geschützten Teil Brunecks befindet. Gleich neben dem Atelier ist die Tuchfabrik Moessmer beheimatet, alteingesessenes Brunecker Unternehmertum. Die Firma Moessmer verkauft Stoffe an die berühmtesten Modemarken Italiens. ­Eine unscheinbare Türe, man muss läuten, wie bei einem den Einlass streng handhabenden Club in einer Großstadt. Walk-ins sind nicht zu erwarten. Die Räume mussten, wie vieles andere auch, in ihrem Arrangement unverändert bleiben. Der Denkmalschutz sei kooperativ, aber streng gewesen, erzählt Niederkofler. Das Erdgeschoß teilt sich in vier Bereiche, wie eine Bühne, als hätte Norbert Niederkoflers Frau, die das Theater in Bruneck leitet, Regie geführt. Da ist die großzügig wirkende Bar, wo man sich zum Aperitif trifft; der Ort, um Speise- und Weinkarte zu studieren. In einem zweiten Raum ist ein Hochtisch für bis zu einem Dutzend Personen; darauf ein Katalog mit den Stoffen der Tuchfabrik, ein edler Blickfang. Der dritte Raum beherbergt gerade sechs Tische für je zwei bis vier Gäste. Raum vier ist die geräumige Küche, um die ein Chef’s Table konstruiert ist und die von der Arbeit am offenen Feuer geprägt ist. Die Küche ist Teil eines Zubaus, der sich, ohne zu irritieren, an das historische Gebäude schmiegt. Wie eine Ziehharmonika lässt sich das Atelier zusammenziehen und erweitern, es wird dem Gast nie leer vorkommen.

Natürlich ist der Gast im Atelier Moessmer nicht zum Schauen da. Aus Sankt Kassian, wo Niederkofler das im Rosa Alpina untergebrachte Sankt Hubertus im vergangenen März – und zwar für immer – zusperrte, hat er den ­wesentlichen Teil seines Teams mitgebracht. Allen voran Lukas Gerges, der aus Innervillgraten kommt und dessen Präsentation der Ideen und der Gerichte Niederkoflers bei den Gästen, die das zum ersten Mal erlebten, im Sankt Hubertus wesentlicher Teil des Erfolgs von Niederkoflers Performance „Cook the Mountain“ war. „Ich bin jahrzehntelang mehrere Stunden zur Arbeit und zurück gefahren, das ist jetzt vorbei“, sagt Niederkofler. Zum morgendlichen Kräuterpflücken auf die Almwiesen wird er die Jüngsten im Team schicken. Hat er vermutlich schon während der letzten Jahre getan. Den Salat mit saisonalen Kräutern, Crackern und Blüten gibt es wieder, der schon das Menü im Sankt Hubertus prägte, er wirkt wie eine liebe Erinnerung. Neu ist der herrliche Krapfen mit Kräutern und Klee. Man beißt hinein, schließt die Augen und fühlt sich auf ­eine Almhütte versetzt, die nach der Wanderung zur Jause bittet. Danach Forelle, kalt geräuchert. Risotto Robiola folgt, Konsistenz und Biss eine Freude, eine schöne Idee (der Käse kommt von einer Käserei in Bruneck), darauf Brunnenkresse und fermentiertes Eigelb.

Die Zeit bleibt nicht stehen, sodass sich eines der Signature Dishes Niederkoflers, die Rote-Beete-Gnocchi, wie ein Anachronismus ausnimmt. Bitte trotzdem nicht damit aufhören. Saibling wurde mariniert und getrocknet, was unter anderem bewirkt, dass die Haut beim Garen auf offenem Feuer knuspriger gerät. Dazu in Form von filigranen Spaghetti servierte Gurke, die im Ganzen ebenfalls auf offenem Feuer gegrillt wurde, sowie eine Sauce aus den Resten des Saiblings mit Schnittlauchöl. Schlichtweg großartig. In das herrlich mit Fett durchzogene Stück vom Grauvieh wurde hinsichtlich Reifung und Zubereitung alles an Wissen investiert, mit dem die Geschichte des Kochens bis zur Gegenwart aufwartet. Es wird mit einem Klecks Pesto serviert. Tartelette mit Mürbteig und Beeren ist, als hätten sich alle talentierten Patissiers Italiens Gedanken darüber gemacht und sich dann auf eine Idee geeinigt. Lukas Gerges und seinen exzellenten Verbindungen zu den tatsächlich besten Winzern der Umgebung und der Welt verdankt das Atelier eine Weinkarte, die bereits alle (Gerges: „Wir sind erst am Anfang“) Stücke spielt.

ateliernorbertniederkofler.com

Großes Kulinarisches Theater in denkmalgeschützter Villa
© Lorenzo Polato
v. li.: Souschef Mauro Siega, Norbert Niederkofler und Lukas Gerges
© Lorenzo Polato
© Paolo Riolzi