Der äußerst talentierte Chef Ton

Thailand schlägt Japan. Das neue Asia’s 50 Best Restaurants-Ranking wird von Restaurants in Bangkok dominiert.

Foto von Nusara
Text von Christian Grünwald

Das erregt Aufsehen: Die aktuelle Asia’s 50 Best Restaurants-Liste wird nicht von einem japanischen Restaurant angeführt, sondern vom Le Du in Bangkok. Chef Ton, der auch der Eigentümer ist, hat mit der Platzierung seines zweiten Fine-Dining-Restaurants Nusara auf Platz drei den imaginären Kulinarik-Grand-Slam für sich entschieden. „Es fühlt sich noch immer ­unwirklich an“, meint Thitid „Ton“ Tassanakajohn. „Wir haben das Le Du vor zehn Jahren eröffnet und sehr bescheiden angefangen. Wir sind ein Restaurant mit 40 Sitzplätzen, das Spaß macht und die Küche Thailands mit viel Herz präsentieren möchte.“ Der Name Le Du ruft oft das Missverständnis eines französisch orientierten Restaurants hervor. Dabei handelt es sich hier um den Slang eines thailändischen Worts, das so viel wie „die Jahreszeit“ bedeutet.

Dementsprechend offeriert Chef Ton hier regionale Saisonmenüs, zumeist traditionelle Thai-Gerichte mit gekonnt eingesetzten europäischen Akzenten und Techniken. Die verwendeten Produkte stammen mehrheitlich aus Nordthailand, insbesondere der Region Chiang Mai. Im Gegensatz zum Süden, der produktmäßig von Fisch, Seafood, aber auch von der islamischen Religion, geprägt ist, findet man im Norden reichlich Fleisch, Fische und Garnelen aus dem Süßwasser, Waldkräuter und reichlich Gemüse. Da es in Thailand drei Jahreszeiten gibt, wird auch die Speisekarte im Le Du drei Mal im Jahr neu gemacht. Die Menüs wechseln im März, Juni und Oktober.

Das Le Du befindet sich im Bangkoker Business District ­Sathorn und zog traditionell ein mehrheitlich junges Thai-Pu­blikum an. Mit der Nr.-1-Asia-Wertung müssen sich nun auch die Stammgäste auf neue Reservierungsmodalitäten einstellen. Tons zu Recht gefeiertes Signature Dish ist Khao khluk kapi, eine riesige Flussgarnele, die mit Krabbenpaste und in Schweineschmalz gekochtem Reis kommt. Die mit Schmetterlingscut geteilte und gebratene Garnele wird mit einer Tom Yum-artigen Sauce, in die auch die Innereien eingearbeitet sind, serviert und mit engelhaarartigem Knusperei garniert. Sensationell, einfach „to die for“.

Chef Ton hat eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert, in Folge auch als Investmentbanker gearbeitet, absolvierte dann aber eine Ausbildung am Culinary Institute of America als Klassenbester, ehe er in New York im Eleven Madison Park und bei Spitzenkoch Jean-Georges Vongerichten entsprechende Praxis erwarb. Chef Ton hat erfolgreich bewiesen, dass die thailändische Küche nicht nur Streetfood ist. Mit dem Restaurant Baan hat er auch ein preisgünstigeres Outlet im Portfolio. Popularität hat er unter anderem mit seiner Rolle als Juror in der sehr beliebten TV-Kochshow Top Chef Thailand erzielt.

Mit dem 50 Best-Erfolg als Rückenwind wagt sich Chef Ton auch erstmals ins Ausland. Unter dem Namen Niras eröffnete er soeben in Hongkong eine Art Le Du-Filiale. Das Restaurant ist im K11 Musea in Tsim Sha Tsui in Kowloon untergebracht, der verantwortliche Küchenchef Naruemon „Mai“ Ratiphuthilap hat acht Jahre im Le Du gearbeitet und sämtliche Klassiker intus und zum Teil mitkreiert.

Das Kochen lieben gelernt hat Chef Ton bei seiner Großmutter. Ihr zu Ehren hat er das Fine-Dining-Restaurant Nusara gegründet. Ursprünglich war das nur ein großer Zehner-Tisch im Oberstock eines Hauses nahe des Wat-Pho-Tempels. Das dort gebotene 12-Gänge-Menü wurde bei Gourmets aus allen Ländern schon bald Kult. Denn kaum wo bekam man in den letzten Jahren eine so fein gemachte zeitgemäße Interpretation klassischer Thai-Küche. Die Platz-drei-Wertung war da nur logisch. Fast zeitgleich mit dem Triumph bei Asia’s 50 Best 2023 bezog das Nusara eine neue Location mit wesentlich mehr Sitzplätzen und einer noch schöneren Aussicht auf das nächtlich beleuchtete Wat Pho.

Im Nusara warten großartige Currys, abgeschmeckt mit einem ­betörenden Gewürzuniversum, wie man es nur in Thailand bekommt. Es geht nicht nur um den Geschmack, es geht auch um den Geruch. Knoblauch, Chili, Fischsauce und das Erhitzen einer heißen Pfanne …

Schärfe findet man bei Chef Ton nicht so oft. „Das ist eines der Missverständnisse zur Thai-Küche. Wenn die Zutaten gut sind, muss es nicht scharf sein.“ Da sind raffinierte Snacks wie Makrele mit Kokosnuss und Gurke, Hokkaido-Muschel mit Mais und gepökeltem Eigelb und Tom-Kla-Suppe. „Im Nusara haben wir kürzlich Riesenkaviar in Fischsauce und saurer Mango mariniert. Das war inspiriert von der Art, wie japanische Gerichte Ikura oder Lachsrogen verwenden. Ich möchte damit zeigen, dass die thailändischen Zutaten anderen Küchen ebenbürtig sind.“ So auch bei Sago aus der Provinz Phatthalung. „Wir haben ihn mit jungem Kokosnusssaft und geschälten rohen Kastanien serviert, so wie die Italiener Trüffel verwenden.“

Was für ihn selbst die Essenz eines Thai-Gerichts darstellt? „Pad Kra Pao, ein Reisgericht, das mit gebratenem Rindfleisch und Basilikumblättern serviert wird. Ich esse dieses Gericht, seit ich ein Kind bin.“ —

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