Der Herzog ist ein König

Text von Christian Grünwald
Multigastronom The Duc Ngo vor dem 893 Ryotei in der Berliner Kantstraße (c) Christian Grünwald

In seinen Asia-Restaurants in Berlin serviert The Duc Ngo atemberaubend gute Fusionsküche.

Es ist ein normaler Werktag um 18 Uhr in Berlin. Während viele noch am Schreibtisch sitzen oder ein wenig später an einen möglichen Aperitivo denken, ist in der Kantstraße 135 hinter einer mit Graffitis übersäten Fassade schon Hochbetrieb. Jeder der 75 Sitzplätze ist belegt, die offene Küche bereits im Hochbetriebsmodus.

Warum gehen die Menschen hier so früh essen? „Weil sie sonst keinen Platz bekommen. Wir sind jeden Tag voll gebucht“, sagt The Duc Ngo. Der Mann muss es wissen, schließlich gehört ihm das Restaurant in einer früheren Schlecker-Drogeriemarkt-Filiale. Hinter der Shabby-Fassade des 893 Ryotei verbirgt sich ein cooles Asia-Speakeasy mit abgedunkelter Lichtstimmung und Spots auf die Küche und deren exquisite New-Wave-Japan-Cuisine. Ein sexy Mix aus Bar und Restaurant. Balfego-Tuna ist hier gerade gut genug für die Klassiker von der Sushibar. Es ist eine dieser Speisekarten, die ratlos macht, weil man am liebsten von allem probieren will, weil man weiß: Alles ist gut. Miso Cod ist der absolute Renner, dann kommt gegrillter Oktopus oder doch lieber Mentaiko Spahettini, also Pasta mit Kabeljaurogen in einer Butter-Obers-Sauce mit Noroi und Shiso.

Es warten auch Tuna Tataki und Tenderloin Teriyaki. Und vorher Unagi Royal, hier mit etwas Foie gras um 15 Euro das Stück? Nigiri, Sashimi und California Rolls sind hier stets in der „coolen Version“ erhältlich. Etwas entfernt vom authentischen Vorbild, aber in jedem Fall absolut erstrebenswert. Da sind auch die Tagesangebote, etwa Jakobsmuscheln, natürlich die handgeangelten aus Norwegen, oder Carabineros, die ganz besonders selektionierte Ware. Da hält beim Genuss mitten im lauten Szeneclubtreiben jeder kurz ergriffen Andacht. Darum ist das zweite Seating um 8 im 893 Ryotei stets über Wochen im Voraus ausgebucht.

Die Karriere des gebürtigen Vietnamesen ist eine Erfolgsstory, die ihresgleichen sucht. Die chinesischstämmige Familie bekam via Hongkong in Deutschland Asyl, als The Duc Ngo fünf Jahre alt war. Seine ersten Küchenerfahrungen machte er bei seinem Onkel, mit 25 eröffnete er sein erstes Lokal in Berlin. Mittlerweile darf man von einem kleinen Imperium sprechen. In den 17 Lokalen, Anzahl tendenziell steigend, laufen die Dinge mehr als gut. „Wir haben uns vor Kurzem ausgerechnet, dass wir derzeit, alles in allem, pro Jahr eine Million Gäste betreuen.“ Seit letztem Jahr isst man auch in St.-Tropez à la Le Duc. Im Villa Belrose-Resort fusioniert man im Club l’Indochine Haute Cuisine aus Frankreich mit der aromaintensiven Küche Indochinas. Eine äußerst erfolgreiche Kooperation mit der Althoff-Hotelgruppe, die dem Multigastronomen in diesem Sommer ein weiteres Restaurant bescherte. Als in der Überfahrt am Tegernsee Christian Jürgens seinen Drei-Michelin-Sterne-Küchenchefposten verlassen musste, beauftragten die Eigentümer, die Althoff-­Hotels, The Duc Ngo mit einem Nachfolgekonzept. Es ist keine Übertreibung, wenn in diesem ­Zusammenhang von der Ankunft in der „kulinarischen Champions League“ die Rede ist. Für mediale Popularität sorgen zudem TV-Auftritte, allen voran in Kitchen Impossible. Dort wie auch im realen Leben punktet The Duc Ngo mit ausgeprägtem Qualitätssinn, fachlicher Kompetenz und unverfälschter Bescheidenheit. Ein echter Super-Sympathizer.

Dass man The Duc Ngo auch gerne den „König der Kantstraße“ nennt, hat einen guten Grund. Dort befindet sich das Herzstück seines Unternehmens mit verschiedenen Lokalen innerhalb von wenigen hundert Metern. Da ist das Madame Ngo, eine Art moderne vietnamesische Brasserie, wo es neben feineren Kreationen natürlich auch ganz großartige Pho gibt. Das Kuchi Kant ist ein modernes japanisches Restaurant mit Sushi und Ramen als Schwerpunkt. Im Funky Fisch wählen die Gäste aus der Vitrine Fisch und Meeresgetier und lassen sich diese wunschgemäß zubereiten – oder wählen eine der besten Fischsuppen der Stadt. Ums Eck befindet sich das schon erwähnte Ryotei 893, während schräg gegenüber in einer adaptierten Altbauwohnung mit Le Duc Salon eine Art Fine-Dining-Pop-up für besonders hochstehenden Genuss in Form eines Menüs sorgt. Um Styling und Konzept kümmert sich Geschäftspartnerin und beste Freundin Sseri Hj Kim. Die Küche liegt in den Händen des Chefs, der eine klare Vorstellung von Luxus am Teller hat.

Im privaten Rahmen (und nur ­limitiert buchbar) präsentierte The Duc Ngo im Salon ein wahres Feuerwerk an Umami-Sensationen, die durchwegs auf fantastischer Rohstoffqualität und exzellentem Handwerk beruhen. Chawanmushi wird von Antonius-Siberian-Kaviar gekrönt – das ist endlich wieder einmal ein Gericht, bei dem der Kaviar Kraft seines Geschmacks und der Menge im Mittelpunkt steht und nicht wie derzeit oft üblich zur Garnierung degradiert wird. Kaisergranat erhält on top durch Chutoro Tuna den genialen Höhepunkt – so simpel und doch so bestechend gut. Und da ist die Taubenbrust, die von einer kalten Tauben-Shoyu mit Somen begleitet wird. Auch da fasziniert die Klarheit der Aromen und der damit verbundenen Zubereitung.

Wenn alles klappt, dann könnte aus dem Salon nächstes Jahr eine ­fixe Einrichtung in Form eines eigenen Restaurants werden. Es wird sich wahrscheinlich in der Kantstraße befinden. Und dann werden wohl auch dort die Gäste wieder kurz vor sechs Schlange stehen, um einen Tisch zu bekommen.

leducberlin.de
893ryotei.de
neu.funky-fisch.de
kuchi.de
madame-ngo.de


Ein sexy Mix aus Bar und Asia-Fusion-Restaurant. So begehrt, dass man nur mit viel Glück oder mit viel ­Geduld einen Platz bekommt.

Die servierte Qualität rechtfertigt den Hype (unten)